Nachrichten

06.10.2015 |

Weltbank: Extreme Armut sinkt, Armutsgrenze angehoben

Slum
Gesicht der Armut: Slum in Indien (Foto: Thomas Galvez/Flickr.com)

Der Anteil der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, wird 2015 nach neusten Berechnungen der Weltbank erstmals die 10%-Marke unterschreiten. Den am Sonntag veröffentlichten Zahlen zufolge galten dieses Jahr 702 Millionen Menschen als extrem arm – etwa 9,6 % der Weltbevölkerung. „Dies ist die beste Geschichte der Welt heute - diese Hochrechnungen zeigen uns, dass wir die erste Generation in der Geschichte der Menschheit sind, die die extreme Armut beenden kann“, gab Weltbank-Präsident Jim Yong Kim freudig bekannt. 2012 lebten noch 902 Millionen Menschen in extremer Armut und damit 12,8 % der Weltbevölkerung, 1990 waren es gar 29 %. Die Weltbank hat zudem die Schwelle angehoben, mit der sie extreme Armut definiert. Lange Zeit galten Menschen als extrem arm, wenn sie nicht mehr als 1,25 Dollar täglich zur Verfügung hatten – ein Wert, der von Wissenschaftlern und Entwicklungsorganisationen seit Langem als zu niedrig kritisiert wurde. Nun hob die Weltbank die Armutsgrenze auf eine Kaufkraft von 1,90 Dollar pro Tag an. Die weltweite Verteilung der Armen hat sich stark verändert: Lebten 1990 noch die Hälfte der extrem armen Menschen in Ostasien und 15% in Afrika südlich der Sahara, ist im Jahr 2015 Subsahara-Afrika das Armenhaus der Welt mit der Hälfte der extrem Armen, während in Ostasien nur noch 12% beheimatet sind. Nicolas Mombrial, Leiter des Oxfam International-Büros in Washington begrüßte die neuen Zahlen der Weltbank, warnte jedoch vor vorzeitigem Jubel: „Die Tatsache bleibt, dass 702 Millionen Menschen heute immer noch in extremer Armut leben. Diese Zahl ist inakzeptabel hoch und es muss noch viel getan werden.“ Dies gilt vor allem, wenn die Weltgemeinschaft ihr Ende September offiziell mit der UN-Agenda 2030 verabschiedetes Ziel erreichen will, bis 2030 die extreme Armut weltweit endgültig zu beseitigen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, bestätigt auch Weltbank-Präsident Kim und warnt, dass eine Verlangsamung des Wachstums der globalen Wirtschaft, aber auch instabile Finanzmärkte, kriegerische Konflikte, die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Folgen des Klimawandels bisherige Erfolge beeinträchtigen könnten. (ab)

05.10.2015 |

EU-Biodiversitätsziele: Magere Halbzeitbilanz, Feldvögel und Bestäuber in Gefahr

Küffer
Immer seltener: Feldvögel (Foto: Emilio Küffer/Flickr.com)

Der Verlust an biologischer Vielfalt schreitet in Europa weiter voran und bedroht wichtige Ökosystemdienstleistungen. Das zeigt die von der EU-Kommission am 2. Oktober veröffentlichte Halbzeitbewertung der Biodiversitätsstrategie, mit der die EU-Staaten bis 2020 den Schwund bremsen wollen. „Die Fähigkeit der Natur, Luft und Wasser zu reinigen, Kulturpflanzen zu bestäuben und die Auswirkungen von Katastrophen wie Hochwasser in Grenzen zu halten, ist gefährdet, was Gesellschaft und Wirtschaft unvorhergesehene hohe Kosten verursachen kann“, teilte die Kommission mit. Bei den meisten der sechs großen Themenbereiche der Strategie besteht Nachholbedarf, lediglich bei der Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten befindet sich die EU auf Kurs. Bei der Artenvielfalt und den Lebensräumen hingegen fällt die Bilanz gemischt aus. Als sich die EU-Staaten 2010 die bis 2020 zu erreichenden Ziele setzten, war über ein Viertel aller europäischen Tierarten vom Aussterben bedroht, während sich 65% der wichtigen Habitate in einem unvorteilhaften Erhaltungszustand befanden. Daran hat sich nur geringfügig etwas geändert: Die Bestände einiger häufiger Vogelarten haben sich stabilisiert, aber in der Agrarlandschaft oder in Süßwasserökosystemen lebende Vögel verschwinden zunehmend – 70% der Arten in der EU droht der Verlust ihrer Lebensräume. Zudem nimmt die Bestäubungsleistung stark ab, da die Wildbienen vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt sind. Auch um Schmetterlinge auf Europas Wiesen ist es schlecht bestellt. „Die Hauptgefahren für die Biodiversität – der Verlust an Lebensräumen (insbesondere durch Verstädterung, landwirtschaftliche Intensivierung, Landaufgabe und eine starke Waldbewirtschaftung), Umweltverschmutzung, Überfischung, invasive gebietsfremde Arten und Klimawandel – üben weiter Druck aus, bewirken den Verlust von Arten und Lebensräumen und verschlechtern den Zustand der Ökosysteme und deren Widerstandsfähigkeit“, schreiben die Autoren. Der Fußabdruck der EU-Staaten liege immer noch um das Doppelte über seiner Biokapazität und belaste damit die Biodiversität in anderen Teilen der Welt. Beim dritten Themenbereich, der Erhöhung des Beitrags der Land- und Forstwirtschaft zu Erhalt und Verbesserung der Biodiversität, sind dem Bericht zufolge kaum Fortschritte messbar. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU für den Zeitraum bis 2020 biete eine Reihe an Instrumenten, die der Biodiversität zuträglich sein könnten. Doch um die Ziele zu erreichen, müssten die Mitgliedsstaaten diese Chancen besser nutzen und im großen Stil umsetzen, so der Bericht. Beispiele auf lokaler Ebene zeigten jedoch den Erfolg nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken, die bei einer breiteren Umsetzung die EU wieder auf den richtigen Weg zur Erreichung der Biodiversitätsziele bringen könnten. (ab)

30.09.2015 |

Mordshunger: Deutsche essen im Jahr mehr als 60 Kilo Fleisch

Theke
Deutscher Fleischhunger (Foto: Tim Reckmann/Pixelio)

Jeder Deutsche vertilgt im Durchschnitt 60,3 Kilogramm Fleisch im Jahr. Das geht aus vorläufigen Berechnungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) für das Jahr 2014 hervor. Auch wenn sich die vegetarische Ernährungsweise im Aufwind befindet und immer mehr Menschen ganz auf tierische Produkte verzichten, bleibt der durchschnittliche Fleischverzehr damit seit Jahren weitgehend konstant. Im Vergleich zum Vorjahr ging der Fleischhunger der Deutschen nur um 0,1 Kilo zurück, lag jedoch immerhin 2,5 Kilogramm unter der Marke von 2011, als 62,8 Kilogramm Fleisch pro Kopf verzehrt wurden. Die Verzehrmenge nach Abzug von Knochen, Fetten und ähnlichem ist niedriger als der Fleischverbrauch, der statistisch bei rund 88 Kilogramm pro Kopf liegt. Im Jahr 2014 erreichte die Fleischproduktion in Deutschland nach BLE-Angaben einen Rekordwert von 8,95 Millionen Tonnen – 140.000 Tonnen mehr als noch 2013. Etwa 7,16 Millionen Tonnen Fleisch landeten in deutschen Küchen. Damit weist die Bundesrepublik einen Selbstversorgungsgrad beim Fleisch von fast 125% auf. Insgesamt wurden im letzten Jahr hierzulande 58,9 Millionen Schweine geschlachtet – mit einem Konsum von mehr als 38 Kilo das Lieblingsfleisch der Bundesbürger. Während mit 3,19 Millionen Tieren etwas weniger Rinder als bisher unter dem Schlachtermesser landeten, haben sich die Schlachtmengen beim Geflügel seit 2000 etwas mehr als verdoppelt: Sie lagen vor 15 Jahren bei rund 763.000 Tonnen und erreichten 2014 etwa 1,55 Millionen Tonnen – das sind mehr als 700 Millionen Tiere. Rund 11,6 Kilo Geflügelfleisch aßen die Deutschen im letzten Jahr. Bei den Verzehrszahlen handelt es sich noch um vorläufige Angaben, die sich bis zur Vorlage der endgültigen Außenhandelszahlen Ende des Jahres noch ändern können. (ab)

30.09.2015 |

Gutachten entfacht Debatte über Einführung einer Pestizidsteuer in Deutschland

Chafer
Wer Gift sprüht soll zahlen (Foto: Chafer/Flickr.com)

Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung haben eine Steuer auf Pestizide vorgeschlagen, um Hersteller, Händler und Anwender an den ökologischen und gesundheitlichen Folgekosten des Einsatzes von Ackergiften zu beteiligen. Die Forscher haben berechnet, dass eine im Schnitt 20-prozentige Abgabe auf Pestizide den Verbrauch in Deutschland langfristig um 35% senken könnte. Dabei soll sich die Höhe der Steuer an der Gefährlichkeit des Produkts orientieren, um den Umstieg auf weniger riskante Mittel anzuregen. Mit den Steuereinnahmen sollen Schutzmaßnahmen und die Forschung zu alternativen Pflanzenschutzkonzepten finanziert sowie gleichzeitig ein wirtschaftlicher Anreiz zur Senkung des Pestizideinsatzes gesetzt werden, ist in dem Mitte September veröffentlichten Gutachten zu lesen. In Dänemark, Frankreich und Schweden existiert bereits eine derartige Abgabe. Schleswig-Holsteins Agrarminister Robert Habeck, der das Gutachten in Auftrag gegeben hat, will nun am Montag in Berlin die Einführung einer solchen Steuer auch in Deutschland vorschlagen. „In der Landwirtschaft werden zu hohe Mengen an Pflanzenschutzmitteln ausgebracht“, sagt Habeck. Laut dem Helmholtz-Gutachten wurden 2013 in Deutschland 36,7% mehr Pestizide verkauft als noch 20 Jahre zuvor. „Pflanzenschutzmittel und ihre Abbauprodukte können die Qualität von Böden, Gewässern und Habitaten verschlechtern sowie die Gesundheit der Anwender und Verbraucher beeinträchtigen“, schreiben die Wissenschaftler. Direkte Kosten fallen zum Beispiel bei der Trinkwasseraufbereitung und der Lebensmittelüberwachung an, hinzu kämen schwer bezifferbare Kosten wie der Rückgang von Bodenfruchtbarkeit und Erträgen, der Verlust an Bienenvölkern sowie Erkrankungen von Menschen oder Tieren. Habeck will trotz der Steuer aber auch die „ökonomische Gesamtbelastung der Landwirtschaft“ nicht aus dem Blick zu verlieren. Der Bauernverband läuft Sturm gegen die Pläne: Eine Steuer sei für viele Betriebe wirtschaftlich ruinös, unsinnig, würde die Nahrungsmittelproduktion gefährden und es drohten gar „Resistenzen, wie sie sich jetzt schon durch den geringen Herbizid- und Insektizideinsatz bei einigen Unkräutern und Schädlingen entwickelt hätten“, zitiert die Lübecker Zeitung. „Sobald man an die Grundfesten der konventionellen Landwirtschaft rangeht, kommen solche Reaktionen“, kommentierte Susanne Haffmans vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) gegenüber der taz. Die Gefahr von Resistenzen werde von den Bauern reflexhaft beschworen. „Eine Steuer ist kein Verbot“, so Haffmans. Zudem könne bei einer grundsätzlich ökologischeren Herangehensweise ganz auf Pestizide verzichtet werden. (ab)

28.09.2015 |

UN-Ziele verabschiedet: Hunger bekämpfen, nachhaltige Landwirtschaft fördern

Bäuerin
Ziel 2: Hunger beenden (Foto: Neil Palmer/CIAT)

Die UN-Entwicklungsagenda für die Zeit bis 2030 und die neuen Nachhaltigkeitsziele wurden am Freitag feierlich offiziell verabschiedet. Zum Auftakt des Gipfels am Wochenende in New York segneten die 193 UN-Mitgliedstaaten die Agenda mit den 17 SDGs (Sustainable Development Goals) und 169 Unterzielen ab. Bis 2030 sollen nicht nur Hunger und Armut beseitigt, sondern auch Ungleichheit bekämpft, der Klimawandel aufgehalten und Gewässer, Böden und die Artenvielfalt bewahrt werden. Neben Staats- und Regierungschefs war von Papst bis Shakira die Prominenz stark vertreten. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon betonte, die wahre Herausforderung sei nun die Umsetzung: „Die Agenda 2030 zwingt uns, über nationale Grenzen und kurzfristige Interessen hinwegzusehen und solidarisch und langfristig zu handeln. Wir können es uns nicht länger leisten, isoliert zu denken und zu arbeiten.“ Das sieht das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt ähnlich: „Die neue Agenda mit den 17 globalen Zielen hat das Potenzial, die Welt zu verändern – aber nur dann, wenn alle Länder nach dem großen Event in New York jetzt auch ihre Hausaufgaben machen“, erklärt dessen Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Auch die Schweizer Organisation Biovision hob dies hervor: „Der UNO-Nachhaltigkeitsgipfel in New York vergangenes Wochenende war zwar der Schlusspunkt eines langen und breit abgestützten Verhandlungsprozesses, aber viel wichtiger ist nun, wie diese Ziele auch real erreicht werden können – es ist der Start einer neuen Ära der nachhaltigen Entwicklung bis 2030.“ Biovision hatte sich vor allem für Ziel 2 eingesetzt, das sich mit seinen acht Unterzielen der Beseitigung des Hungers und der Förderung von Ernährungssicherheit und nachhaltiger Landwirtschaft widmet. FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva betonte den hohen Stellenwert dieses Ziels, da die Beseitigung des Hungers für die Erreichung vieler anderer Ziele eine Grundvoraussetzung sei. Weltweit leiden immer noch fast 800 Millionen Menschen an Unterernährung. „Wir haben uns die enorme Aufgabe gestellt, die mit der historischen Verpflichtung beginnt, nicht nur Armut und Hunger zu reduzieren, sondern auf nachhaltige Weise auszumerzen“, sagte er in seiner Rede. Doch hier sieht Brot für die Welt das Problem, dass die gegenwärtig praktizierte Form der Landwirtschaft durch die starke Inanspruchnahme von Flächen in Entwicklungsländern für den Anbau von Futtermitteln dort zu einer Verschärfung des Hungerproblems beitrage. Zwar verankert ein Unterziel von SDG 2 die Schaffung nachhaltiger Ernährungssysteme und die Anwendung widerstandsfähiger landwirtschaftlicher Methoden. Jedoch befürchtet auch die Umweltorganisation Greenpeace, die vage Formulierung könne dazu führen, dass ein „Weiter wie bisher“ in der Landwirtschaft statt eines Kurswechsels folge. Ziel 2 dürfe nicht dazu dienen, eine chemiebasierte Landwirtschaft mit Pestiziden, Gentechnik und Mineraldünger zu fördern, sondern solle in breite Unterstützung für die Verbreitung der ökologischen Landwirtschaft münden, um so die Ökosysteme zu bewahren, die Bodenqualität zu verbessern und zugleich die Produktivität sowie die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen. (ab)

25.09.2015 |

Verabschiedung UN-Nachhaltigkeitsziele: Hohe Erwartungen und Skepsis

Erde
Die Erde retten mit 17 Zielen (Foto: Royce Bair/flickr.com)

Am Freitag verabschiedet die UN-Vollversammlung feierlich die 17 Nachhaltigkeitsziele, mit denen die Weltgemeinschaft bis 2030 so ziemlich alle globalen Probleme beseitigen soll, allen voran Armut und Hunger. Die Sustainable Development Goals (SDGs), die 169 Unterziele enthalten, sind Teil eines 35-Seiten starken Dokuments mit dem ambitionierten Titel ‚Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung‘. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verkündete im Vorfeld des Gipfels: „Es ist ein Fahrplan, um Armut weltweit zu beseitigen, jedem Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen und niemanden zurück zu lassen.“ Doch dass dies wie geplant gelingen wird, bezweifeln deutsche Nichtregierungsorganisationen. Ziel 2 mit seinen acht Unterzielen widmet sich der Beseitigung des Hungers und der Förderung von Ernährungssicherheit und einer nachhaltigen Landwirtschaft. Die Menschenrechtsorganisation FIAN etwa ist skeptisch mit Blick auf die Misserfolge der Ende des Jahres auslaufenden Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) in puncto Hungerbekämpfung. „Ambitionierte Ziele sind gut, aber man muss angesichts der vergangenen Erfahrungen schon die Glaubwürdigkeit solcher Versprechen hinterfragen“, gibt FIAN- Agrarreferent Roman Herre zu bedenken. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass heute immer noch 795 Millionen Menschen an chronischem Hunger leiden. Das erste MDG sah vor, bis 2015 in Entwicklungsländern den Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung gegenüber 1990 zu halbieren. Dieser sank zwar von 23,3% auf 12,9%, nicht zuletzt begünstigt durch den Anstieg der Weltbevölkerung und einen starken Rückgang in China. Zudem änderte die FAO ihre Methode zur Berechnung und schätzte die Ausgangsbasis mit einer Milliarde Hungernder deutlich düsterer ein als zuvor mit 850 Millionen. Das SDG 2 will nun bis 2030 allen Menschen das ganze Jahr über Zugang zu angemessener Nahrung verschaffen, alle Formen der Mangelernährung beseitigen und Produktivität und Einkommen kleiner Nahrungsmittelproduzenten verdoppeln. FIAN kritisiert, das neue Ziel setzte zu einseitig auf Produktionssteigerung in der Landwirtschaft. Wie viele Nahrungsmittel in einer Region erzeugt werden, spiele jedoch bei der Hungerbekämpfung nur eine untergeordnete Rolle. „Hunger ist und bleibt eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit“, so Herre. „Leider wird genau diese Frage bei der neuen Zielsetzung ausgeklammert.“ Das sieht die Entwicklungsorganisation Oxfam ähnlich: In einer neuen Studie zeigt sie auf, dass ohne Strategien zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit im Jahr 2030 noch über 200 Millionen Menschen in extremer Armut leben werden und damit das SDG 1 nicht umsetzbar sei. Selbst bei optimistischen Wachstumsprognosen komme bei derzeitiger Verteilung der Mittel nicht genug bei den Ärmsten an, hat Oxfam anhand von Weltbank-Daten berechnet. „Wir können extreme Armut beenden, aber dafür müssen wir die Verteilungslücke zwischen den Reichen und dem Rest schließen. Die Gewinne aus wirtschaftlichem Wachstum sickern nicht von selbst zu denen durch, die sie am dringendsten brauchen“, sagte Oxfams SDG-Experte Tobias Hauschild. (ab)

23.09.2015 |

Kolumbien bekämpft Koka-Anbau mit Land für Kleinbauern statt Glyphosat

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Bisher wurde Koka-Anbau mit Glyphosat bekämpft (Foto: Roger Smith/flickr.com)

Kolumbien setzt im Kampf gegen die Drogen auf Landumverteilung und die Förderung der kleinbäuerlichen Agrarproduktion. Am Dienstag kündigte Präsident Juan Manuel Santos seine neue Strategie an, mit der er verhindern will, dass die Bauern weiterhin Koka anbauen. In den Departamentos Nariño y Putumayo im Süden des Landes, die sehr stark vom Drogenhandel dominiert sind, sollen zunächst 26.000 Familien Lebensmittel statt Koka anbauen. Dafür sollen die Bauern umfassende staatliche Unterstützung bekommen: „Sie werden Begleitung, Finanzierung und Beratung erhalten, damit sie sich anderen landwirtschaftlichen Projekten widmen, aber nicht irgendeiner Art, sondern dem Anbau von Agrarerzeugnissen, die für die Produktion in den jeweiligen Gegenden geeignet sind“, sagte Santos in seiner Fernsehansprache. Auch bei Lagerung, Verkauf und Vermarktung der Erzeugnisse stellte er Begleitung in Aussicht. Den Bauern, die mehr als fünf Jahre lang legale Agrarprodukte anbauen, werden Landtitel zuerkannt werden, wodurch sie zu den rechtlichen Besitzern der bewirtschafteten Ackerflächen werden, versprach Santos. „Heute beginnt eine neue Etappe im Kampf gegen den Drogenhandel in unserem Land. Wenn wir erfolgreich sind, lassen wir den traurigen Rekord hinter uns, der größte Exporteur von Kokain auf dem Weltmarkt zu sein und werden zu einem Land, das die Umwelt schont, zur Ernährungssicherheit beiträgt und seinen Kleinbauern Chancen eröffnet“, so Santos. Den Vereinten Nationen zufolge wurde 2014 in Kolumbien auf 69.000 Hektar Koka angebaut. Das sind zwar 100.000 Hektar weniger als noch im Jahr 2000, doch in den letzten beiden Jahren hat die Fläche wieder stark zugenommen. Seit 1994 werden die Kokapflanzen mit Unterstützung der USA aus der Luft mit Glyphosat besprüht, um sie zu zerstören. Nachdem die WHO das Unkrautvernichtungsmittel als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen eingestuft hatte, kündigte Santos im Mai den Verzicht auf die Glyphosat-Anwendung an. Am 1. Oktober tritt das Verbot nun in Kraft. In etwa 204 der mehr als 1100 Gemeinden in Kolumbien wird Koka angebaut, 81% der Produktion konzentriert sich allein auf sechs Departamentos. Zwei Drittel des Anbaus findet in Naturschutzgebieten statt, wo die Anwendung von Glyphosat aus der Luft ohnehin verboten war. Somit geht die Regierung neue Wege und versucht, statt die Kokaernte lediglich zu zerstören den Anbau anderer Agrarerzeugnisse einträglicher zu machen. (ab)

23.09.2015 |

Wegweiser zu Grenzen des Planeten: Rockström erhält Umweltpreis

Rockström
Preisträger Johan Rockström (Foto: DBU/Peter Himsel)

Der schwedische Nachhaltigkeitsexperte Prof. Dr. Johan Rockström erhält für seine wegweisende Arbeit zu den ökologischen Belastungsgrenzen der Erde den Deutschen Umweltpreis. Diesen teilt er sich mit dem Kieler Klima- und Meeresforscher Mojib Latif, der die Berichte des Weltklimarates IPCC mitverfasst hat. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) will mit dem Preis ein Signal an die internationale Staatengemeinschaft setzen, „bei den 2015 noch anstehenden Konferenzen in New York und Paris die Weichen in Richtung Zukunftssicherung der Menschheit auf einem stabilen Planeten zu stellen“, wie ihr Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann betonte. Bei der UN-Generalversammlung werden diese Woche die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) verabschiedet, Ende November soll bei der UN-Klimakonferenz in Paris ein globales Abkommen mit verbindlichen Klimazielen als Nachfolger des Kyoto-Protokolls festgelegt werden. „Wir stehen also an einer Wegscheide. Entschlossenes Handeln ist jetzt gefragt!“, mahnt Bottermann. Rockström leitet seit 2007 das Stockholm Resilience Centre und hat sich intensiv mit den Grenzen der Belastbarkeit des Ökosystems Erde beschäftigt sowie dem Risiko, dass unumkehrbare Umweltveränderungen die Bewohnbarkeit der Erde für die Menschheit einschränken könnten, wenn die Grenzen überschritten werden. Diese neun planetare Grenzen veröffentlichte Rockström 2009 mit Kollegen im Fachmagazin Nature: Kritische Bereiche sind Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Artensterben, Stickstoff- und Phosphorkreislauf, Versauerung der Ozeane, Süßwassernutzung, Landnutzungsänderungen, Abbau der Ozonschicht, atmosphärische Aerosole und Verschmutzung durch Chemikalien. 2015 wurde die Arbeit gestützt auf zahlreiche Kommentare der Fachwelt aktualisiert. Bei vier Belastungsgrenzen hat die Menschheit bereits den „sicheren Betriebsbereich“ verlassen: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, den Einträgen von Stickstoff und Phosphor in die Biosphäre und Landnutzungsänderungen. Die DBU würdigte Rockström als „Ingenieur der Zukunft“, der mit seinen wissenschaftlich fundierten Konzepten einen „Handlungsrahmen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt“ und die Grenzen aufgezeigt habe, „innerhalb derer eine verträgliche öko-soziale Entwicklung auch für die Zukunft möglich bleibe“. Rockström blickt zuversichtlich in die Zukunft und auf die neuen Nachhaltigkeitsziele: „Die Welt hat die riesige Chance, die globalen Risiken anzugehen und für gerechte Lösungen zu sorgen. Mit Leidenschaft und Engagement können wir die richtigen Rahmenbedingungen für ein auch langfristiges Wohlergehen der Menschheit in den Grenzen des Planeten schaffen.” Der Deutsche Umweltpreis wird am 8. November offiziell verliehen und ist mit insgesamt 500.000 Euro dotiert. (ab)

21.09.2015 |

NGO-Bündnis fordert Agrarökologie statt „klimasmarte” Landwirtschaft

Klima
Klimasmart? (Foto: Erich Westendarp/pixelio.de)

Zehn Wochen vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Paris hat ein internationales Bündnis der Zivilgesellschaft davor gewarnt, falsche Hoffnungen auf das Konzept der klimasmarten Landwirtschaft zu setzen und ein klares Bekenntnis zur Agrarökologie gefordert. Mehr als 350 Nichtregierungs-, Bauern-, Umwelt- und kirchliche Organisationen betonten in einer am Montag veröffentlichten Erklärung, das unter dem Schlagwort „Climate-Smart Agriculture” (CSA) beworbene Konzept trage nicht zur Förderung von Klimaschutz und Ernährungssicherheit bei, sondern stehe einer dringend notwendigen Umgestaltung der gegenwärtigen Landwirtschafts- und Ernährungssysteme im Wege. 2014 war die Global Alliance for Climate Smart Agriculture beim UN-Klimagipfel in New York aus der Taufe gehoben worden. Die Allianz will „die Herausforderungen für Ernährungssicherheit und Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels“ angehen und die klimasmarte Landwirtschaft verbreiten. Doch unter den 100 Mitgliedern sind vorwiegend Industrieländer und die Privatwirtschaft vertreten, die eng mit der Düngemittelindustrie verbandelt ist, z.B. der Agrarchemie-Konzern Yara oder der Verband Fertilizers Europe. Auch transnationale Konzerne, die nicht unbedingt bekannt sind für ihre positive Umweltbilanz, wie Monsanto, Walmart oder McDonalds, haben eigene klimasmarte Programme ins Leben gerufen. Das NGO-Bündnis kritisiert CSA als nichtssagendes Konzept ohne klare Definitionen, Kriterien und Standards, mit dem sich Konzerne ein grünes Image verpassen. Unternehmen, die Mineraldünger oder Pestizide verkaufen sowie industrielle Fleischproduktion und Landwirtschaft betreiben – mit negativen Folgen für Klima und Umwelt - können dies als klimasmart verkaufen. Mit Blick auf neue Finanzierungsinstrumente für den Klimaschutz, in die Milliarden fließen werden, drohe die Gefahr, dass Programme unterstützt werden, die kontraproduktiv für den Klimaschutz seien. Daher fordern die Unterzeichner, zu denen in Deutschland u.a. Brot für die Welt, Misereor, FIAN und Save Our Seeds gehören, politische Entscheidungsträger dazu auf, CSA abzulehnen und die Agrarökologie zum Grundpfeiler von Politiken im Bereich Landwirtschaft und Klima zu machen. Die Agrarökologie ist ein ganzheitlicher landwirtschaftlicher Ansatz, der auf ökologischen Konzepten sowie den Prinzipien von Ernährungssicherheit und -souveränität beruht. Sie zielt darauf ab, Agrarökosysteme zu verbessern, indem sie die lokal verfügbaren natürlichen Ressourcen nutzt und wiederverwertet, statt von externen Inputs abhängig zu sein. Zudem fördert die Agrarökologie die lokale Lebensmittelproduktion von Kleinbauern und Familienbetrieben, setzt auf das traditionelle Wissen und Innovationen der Bauern und trägt so zur Bewahrung von Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit bei. (ab)

18.09.2015 |

China will mit Gentech-Klonkuh unabhängiger von Importen werden

Kalb
Gibt es noch: ein ganz normales Kalb (Foto: A. Beck)

In China hat eine geklonte und genetisch veränderte Kuh erstmals Nachwuchs bekommen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet kam das Kalb bereits am 28. August zur Welt. Forscher der Pekinger Landwirtschaftsuniversität wollen mit den Klonkühen die Qualität von chinesischem Rindfleisch verbessern und das Land weniger abhängig von teuren Importen aus dem Ausland machen. Die Mutterkuh namens Niu Niu ist eine von zwei Klonen, die 2012 zur Welt kamen und mit einem Gen ausgestattet wurde, das den Fettanteil der Muskeln erhöht. Dieses Gen wurde nun auch beim Nachwuchs der Kuh nachgewiesen. Ni Hemin, der das Forschungsprojekt leitet, wertete dies als großartigen Durchbruch, der zeige, dass gentechnisch veränderte Tiere sich vermehren können. Die Kühe sollen es China ermöglichen, hochwertiges Rindfleisch im großen Stil zu produzieren und damit unabhängiger von teuren Importen aus Südamerika zu werden. In den letzten 30 Jahren ist der Fleischverbrauch in China enorm gestiegen, von knapp 15 Kilo pro Kopf Anfang der Achtziger Jahre auf mittlerweile 60 Kilogramm. Den größten Anteil macht zwar immer noch Schweinefleisch mit fast 40 Kilogramm aus, doch der Hunger der Chinesen auf Rindfleisch nimmt zu. Kam Rindfleisch früher kaum zuhause auf den Tisch und wurde vorwiegend außerhalb gegessen, verzehren die Chinesen nun 5 Kilogramm im Jahr – Tendenz steigend. Das einstige Heimatland der Sojabohne ist heute zum weltweit größten Importeur von Soja geworden, um seine Viehbestände zu mästen. Niu Niu und ihr Kalb sind nicht die ersten Experimente der Chinesen mit geklonten und gentechnisch veränderten Tieren. Forscher haben unter anderem mithilfe der Gentechnik ein Kalb produziert, das laktosearme Milch geben soll und transgene Kühe gezüchtet, die Milch geben, die der menschlichen Muttermilch ähnelt und mehrere Proteine enthält, die Säuglinge vor Infektionen schützen sollen. (ab)

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