Neue Berichte

Unter der Überschrift Weiter wie bisher ist keine Option" forderte der Weltagrarbericht 2008 einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft. Die Resonanz vieler internationaler Institutionen und der wissenschaftlichen Gemeinde war zunächst verhalten bis ablehnend. Mittlerweile sind die wesentlichen Botschaften und Fragestellungen des Berichts auf dem Wege, zur „herrschenden Meinung" zu werden, auch wenn die konkreten Lösungsvorschläge noch immer weit auseinandergehen. Hier finden Sie eine Sammlung wichtiger Veröffentlichungen zum Thema. 

IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme

8/19: Der Mensch übt großen Druck auf Landsysteme aus, der durch den Klimawandel noch verstärkt wird. Zugleich kann die globale Erwärmung nur auf deutlich unter 2ºC begrenzt werden, wenn es gelingt, die Treibhausgasemissionen aller Sektoren, inklusive der Landwirtschaft, zu reduzieren, betont der Weltklimarat IPCC. Der Sonderbericht zu Klimawandel und Landsysteme fordert daher eine rasche Kehrtwende hin zu einer nachhaltigen Landnutzung und Ernährung, um auch künftig alle Menschen gesund und ausreichend ernähren zu können. Als Beispiele für nachhaltiges Landmanagement nennen die Autoren u.a. Agrarökologie, Agroforstwirtschaft, bodenschonende Land‐ und Forstwirtschaftspraktiken, Vielfalt von Nutzpflanzen und Baumarten, geeignete Fruchtfolgen, Ökolandbau, integrierter Pflanzenschutz und Regenwassernutzung. Mehr Infos: englische Zusammenfassung, einzelne Kapitel, Hauptaussagen auf Deutsch oder unsere Nachricht dazu.

HLPE-Bericht zu agrarökologischen und anderen innovativen Ansätzen

7/19: Unsere Ernährungssysteme und Landwirtschaft stehen an einem Scheideweg und es bedarf eines tiefgreifenden Wandels in allen Bereichen, um Hunger und Mangelernährung bis 2030 zu beenden (SDG2) und auch die anderen Ziele der Agenda 2030 zu erreichen. Die Agrarökologie hat enormes Potenzial, unsere Landwirtschaft und Lebensmittelsysteme nachhaltiger zu machen, betont dieser Bericht des hochrangigen Expertengremiums (HLPE) des UN-Ausschusses für Welternährungssicherung (CFS). Er befasst sich mit agrarökologischen und anderen innovativen Ansätzen, die Ernährungssicherheit und Ernährung verbessern und zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele beitragen können. Die Autoren haben Empfehlungen zusammengestellt, die Entscheidungsträgern helfen sollen, konkrete Maßnahmen für den Übergang zu nachhaltigeren Ernährungssystemen zu entwerfen und umzusetzen. Lesen Sie die Zusammenfassung, den vollständigen Bericht oder unsere Nachricht.

IPES-Food: Vision für ein nachhaltiges Ernährungssystem in Europa

2/19: Führende Agrar- und Ernährungsexperten haben ihre Vision für nachhaltige europäische Lebensmittelsysteme vorgestellt – die Gemeinsame Lebensmittelpolitik. Sie fordern eine grundlegende Reform der Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme der EU, um den Klimawandel zu bekämpfen, das Artensterben zu stoppen, Fettleibigkeit zu verringern und eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu ermöglichen. Alle Politiken, die die Erzeugung, Verarbeitung, Verteilung und den Konsum von Lebensmitteln betreffen, müssen zusammengeführt werden. Wie das gelingen kann, zeigt IPES-Food – ein internationales Expertenteam, dem auch mehrere am Weltagrarbericht beteiligte Wissenschaftler angehören – in einem am 7. Februar veröffentlichten Bericht. Mehr dazu oder direkt zum Download des Berichts.

Die globale Syndemie - Fettleibigkeit, Unterernährung und Klimawandel

1/19: Ein internationales Team von Gesundheitsexperten hat eine radikale Umgestaltung der Ernährungssysteme und Geschäftsmodelle gefordert, damit Fettleibigkeit, Unterernährung und der Klimawandel bekämpft werden können. Regierungen müssen dringend den politischen Einfluss großer Lebensmittelkonzerne einschränken und das Gemeinwohl über Wirtschaftsinteressen stellen, fordert die „Kommission zu Fettleibigkeit“ des medizinischen Fachblatts „The Lancet“. In einem Ende Januar erschienenen Bericht, den 26 Experten aus 14 Ländern über drei Jahre hinweg ausarbeiteten, warnen sie, dass sich die drei Pandemien Fettleibigkeit, Unterernährung und Klimawandel zu einer „globalen Syndemie“ vereinen. Diese gehe einher mit steigenden Fettleibigkeitsraten und Treibhausgas-Emissionen sowie stagnierenden Unterernährungsraten. Diese „Syndemie“ stelle „die größte gesundheitliche Herausforderung für Mensch, Umwelt und Planet im 21. Jahrhundert dar“. Schädliche wirtschaftliche Anreize, fehlende politische Führung und zu wenig Druck der Gesellschaft verhindern den Autoren zufolge, dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Lesen Sie den Lancet-Bericht und unsere Nachricht dazu.

TEEB: Die Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität

6/18: Der TEEB-Bericht bewertet die tatsächlichen Kosten und Vorteile unserer Landwirtschafts- und Ernährungssysteme - einschließlich der Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und Soziales. Den Autoren zufolge kranken die heutigen Ernährungssysteme und dienen nicht dem Wohl der Menschen und des Planeten. Denn unsere Produktions-, Verarbeitungs- und Konsummuster haben verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Umwelt. Das Problem sei, dass Öko-, Agrar- und Lebensmittelsysteme heute durch eine enge und verzerrende Linse namens "Pro-Hektar-Produktivität" betrachtet und bewertet würden. Um das kaputte Ernährungssystem zu reparieren, sei eine Abkehr von verfehlten Messgrößen notwendig. „Messen, worauf es wirklich ankommt“ lautet daher der Titel des Syntheseberichts. Die Autoren fordern einen systemischen Ansatz, ein weitwinkeliges Objektiv zur Messung von Ökosystemleistungen. Alle Auswirkungen der Wertschöpfungskette vom Erzeuger über den Verbraucher bis hin zur Entsorgung müssen beachtet und Klimawandel, Biodiversität, Landwirtschaft, Ernährung und Gesundheit zusammengedacht werden. Download Synthese oder gesamter Bericht.

IPES-Food plädiert für gesündere und nachhaltige Ernährungssysteme

10/17: Industrielle Agrar- und Ernährungssysteme schaden der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, warnt das internationale Expertengremium IPES-Food und fordert entschlossene Maßnahmen zum Aufbau gesunder und nachhaltiger Systeme. Der Bericht stellte fest, dass viele der schwersten Gesundheitsprobleme, unter denen Menschen weltweit leiden, mit der Praktiken der industriellen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zusammenhängen. Dazu gehört der Einsatz von Pestizide, die Massentierhaltung, die Vermarktung von hochverarbeiteten Lebensmitteln und deregulierte globale Lieferketten. Die Experten plädieren für eine grundlegende Reform der Ernährungs- und Agrarsysteme, die bei den Ursachen für ungerechte, unhaltbare und ungesunde Praktiken in Ernährungssystemen ansetzt. Zum Download des Berichts geht es hier und zu unserer Nachricht hier.

IPES fordert Umstellung auf vielfältige agrarökologische Systeme

6/16: Eine umfassende Abkehr von der industriellen Landwirtschaft hin zu diversifizierten agrarökologischen Systemen ist notwendig, um gesunde Lebensmittel für alle zu produzieren, ohne die Umwelt zu belasten. Das fordern die Wissenschaftler von IPES-Food (International Panel of Experts on Sustainable Food Systems) im Bericht From uniformity to diversity. Sie geben der industriellen Landwirtschaft Mitschuld an Problemen wie dem schlechten Zustand von Böden, Wasser und Ökosystemen, hohen Treibhausgasemissionen und Biodiversitätsverlust. Einer vielfältigen, ökologischen Landwirtschaft hingegen gelinge es, Ernährungssicherheit, eine ausgewogene Ernährung, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit zu vereinbaren. Hier geht es zum Download des Berichts und hier zu unserer Kurzzusammenfassung.

Die Grenzen der Belastbarkeit des Planeten im Anthropozän

2/15: Unter dem Titel „A safe operating space for humanity“ hatten 2009 Wissenschaftler um den schwedischen Nachhaltigkeitsforscher Johan Rockström in Nature ein neues Konzept zur Bewertung der planetaren Grenzen für kritische biophysikalische Stoffkreisläufe veröffentlicht. 2015 erschien ein Update im Fachmagazin Science, in dem 18 Forscher um Will Steffen vom Stockholm Resilience Center davor warnen, dass die Menschheit durch Eingriffe in die Umwelt bereits vier von neun Belastungsgrenzen des Planeten überschritten hat und so dessen Stabilität gefährde. Bei Klimawandel, Artenvielfalt, Landnutzung und den globalen Phosphor- und Stickstoffkreisläufen wurde der sichere Betriebsbereich bereits verlassen und es drohten abrupte, globale Umweltveränderungen. Hier geht es zum Science-Artikel und der Webseite des Stockholm Resilience Centre sowie unserer Nachricht.

9/13: Der Trade and Environment Report 2013 der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD will als Weckruf dienen: Er fordert eine Abkehr von der industriellen Agrarproduktion, Vielfalt statt Mono- kulturen, agrarökologische Methoden statt Mineraldünger und Pestizide - aber vor allem mehr Unterstützung für Kleinbauern. Schnelles Handeln sei geboten angesichts des Klimawandels und dessen Folgen für die landwirtschaftliche Produktion. Steigende Lebensmittelpreise, Dürren und Land Grabbing drohen das Hungerproblem zu verschärfen: Obwohl genug für alle produziert wird, leiden 1 Milliarde Menschen an Unterernährung, die meisten auf dem Land - hier gilt es anzusetzen. Die Transformation der Landwirtschaft ist eine der größten Herausforderungen des Jahrhunderts, so der Bericht.

Wissenschaftsbeirat des BMELV: „Nachhaltige Produktivitätssteigerung"

01/12: Angebot und Nachfrage bestimmen den Weltmarkt und der sorgt für nachhaltige Entwicklung, wenn er nur richtig angegangen wird, so die eher klassische Betrachtung des wissenschaftlichen Beirates des deutschen Landwirtschafts- ministeriums. Weil die Nachfrage steigen wird, muss auch das Angebot gesteigert werden und zwar mit allen verfügbaren Technologien. Allerdings sollte die Nachfrage möglichst gebremst werden, v.a. durch weniger Fleischkonsum, die „Reduzierung der Wegwerfproblematik" und einen „grundlegenden Kurswechsel in der Bioenergiepolitik". Auch wenn die Stellungnahme der 11 Professoren und 1 Professorin zu den konservativsten und auch, weil offensichtlich in mühsamen Kompromissen errungen, am wenigsten originellen Werken in dieser Reihe gehören: Selbst beim BMELV darf mittlerweile der Weltagrarbericht zitiert werden und sind Gedanken jenseits des reinen Produktivismus erlaubt. Den gemeinsamen Nenner „Mehr Output für weniger Input" zur „Definition des technischen Fortschritts" zu erklären bleibt freilich noch ganz dem klassischen Effizienzdenken verhaftet und verwahrt sich explizit gegen alle Anwandlungen von Suffizienz. Kleinbauern und Frauen seien zu stärken - solange dies dem notwendigen Strukturwandeln nicht im Wege steht. Alle Veröffent- lichungen des Beirats und die Stellungnahme können sie hier herunterladen.

11/11: Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) skizziert in seinem Green Economy Report den Übergang zu einer CO2-armen, ressourcenschonenden Weltwirtschaft. Er soll als Grundlage der UNO-Konferenz „Rio +20" dienen. Eine ökologische Marktwirtschaft schaffe sowohl mehr Wachstum im klassisch ökonomischen Sinne als auch Arbeitsplätze als auch Wohlstand und Sicherheit. Die systematische Investition von 2% des jährlichen Bruttosozialproduktes in ökologische Maßnahmen, darunter 100 bis 300 Mrd. US$ in ökologische Landwirtschaft, könne bis 2050 den CO2-Gehalt der Atmosphäre unter 450 ppm stabilisieren und die Verfügbarkeit überlebenswichtiger natürlicher Ressourcen auch für 9 Milliarden Menschen garantieren. Dem Übergang zu einer grünen Landwirtschaft widmet der Bericht seine erstes Kapitel, das von Hans Herren, dem Ko-Präsidenten des Weltagrar- berichts, koordiniert wurde und dessen wesentliche Botschaften wiederholt und ausbaut. Webseite des UNEP und Download des vollständigen Berichts.

Deutsche Bank Research: Minderung des Klimawandels durch Landwirtschaft und Steigende Nahrungsmittelpreise

10/11: Die Deutsche Bank Research veröffentlicht zwei Studien, die sich mit dem Zusammenhang des Klimawandels und der Landwirtschaft und mit steigenden Nahrungsmittelpreisen beschäftigen. Das Papier Minderung des Klimawandels durch Landwirtschaft schätzt das Potential der Landwirtschaft für Treibhausgas-Einsparungen auf 18% der Gesamtemission. Klimafreundliche Agrarpraktiken, ein Wandel hin zum klimabewussten Konsum und eine „Reihe politischer Rahmenbedingungen" seien nötig, um es auszuschöpfen.
Der zweite Bericht Steigende Lebensmittelpreise – strukturell oder temporär? kommt zu dem Ergebnis, dass die steigenden Nahrungsmittelpreise eine Bedrohung vor allem für Menschen in Schwellenländer darstellen. Allerdings sieht er den Grund für die hohen Preise hauptsächlich im mangelnden Angebot und bezeichnet die Bedeutung der Spekulationen mit Lebensmitteln für den Preisanstieg als „unklar".¹
Download des Berichts Minderung des Klimawandels durch Landwirtschaft
Download des Berichts Steigende Lebensmittelpreise – strukturell oder temporär?

¹ In dieser Frage kommt der Bericht zu gänzlich anderen Ergebnissen als der zeitgleich von der Organisation Foodwatch veröffentlichte Report Die Hungermacher – Wie Deutsche Bank, Goldman Sachs & Co. auf Kosten der Ärmsten mit Nahrung spekulieren.

Feeding the World. Challenges and Opportunities

07/11: Ein Schwerpunktheft des Karlsruher Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) bemüht sich, den Stand der Diskussion zusammenzufassen. „Weiter wie bisher reicht nicht aus", wandelt es das geflügelte Wort des Weltagrarberichtes ab. Die Analysen der letzten Jahre stimmten weitgehend überein, doch die Schlußfolgerungen daraus seien auf jeweils einen Lösungsansatz fixiert, kritisieren die Technologiefolgeabschätzer und präsentieren (auf Englisch) treudeutsches Einerseitsandererseits. Einige der Beiträge des Heftes sind dennoch lesenswert und innovativ. Inhaltsverzeichnis und Download

Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems – Ansatzpunkte, Strategien, Umsetzung

07/11: Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages (TAB)  hat einen umfänglichen Abschluß-Bericht  samt einer Liste von zusätzlichen Gutachten zum Stand des Wissens über die Welternährung präsentiert. Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems - Ansatzpunkte, Strategien, Umsetzung fragt: Welche Wissenslücken gibt es über das Welternährungsproblem? Welche Forschungsbereiche sind wichtig, um das Problem zu lösen? Welche neuen Formen der Forschung könnten entwickelt werden? Der Antworten fassen den Stand der Diskussion zusammen und legen dabei besonderen Wert auf die Integration von Angebot und Nachfrage, von Agrar-, Ernährungs- und Umweltforschung. Die Autoren empfehlen einen gemeinsamen Beitrag der deutschen Forschungseinrichtungen zur Ernährungssicherung, der sich stark an den Erkenntnissen des Weltagrarberichts orientiert. Download des Berichts (TAB 142).

Save and Grow: A Policymaker’s Guide to the Sustainable Intensification of Smallholder Crop Production

06/11: Die Welternährungsorganisation FAO stellt in ihrem programmatischen Leitfaden Save and Grow: A Policymaker’s Guide to the Sustainable Intensification of Smallholder Crop Production ein „neues Paradigma" unter dem Namen nachhaltige Pflanzenproduktions-Intensivierung (SCPI) vor. „Das gegenwärtige Paradigma intensiver Pflanzenproduktion kann die Herausfor- derungen des neuen Jahrtausends nicht meistern", schreibt sie, „um zu wachsen muß die Landwirtschaft lernen zu erhalten". Die Herausforderung, besonders in den Entwicklungsländern sei es, mehr Erträge auf weniger Land zu erzielen und gleichzeitig die negativen Umweltauswirkungen der Landwirtschaft deutlich zu reduzieren. SCPI ist der Versuch, einen Kompromiss zwischen herkömmlicher und nachhaltiger Landwirtschaft zu finden. Es kann als Versuch gelesen werden, den Übergang von industrieller und fossiler Landwirtschaft und den Methoden der „Grünen Revolution" auf agro-ökologische Grundsätze und Anbausysteme zu skizzieren und dabei Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Mittelpunkt zu stellen. Es bietet freilich auch einen Ansatz, die industrielle Intensivierung der Landwirtschaft grün zu waschen. Download der Kurzfassung. Download des Berichts

Nachhaltige Produktion und Verbrauch von Lebensmitteln in einer ressourcen-knappen Welt

05/11: Der Ständige Ausschuss für Agrarforschung der Europäischen Union (SCAR) hat einen Zukunftsbericht Sustainable food consumption and production in a resource-constrained world vorgelegt, dessen programmatische Schlussfolgerungen teilweise deutlich über die Formulierungen des Weltagrarberichtes hinausgehen. Es gelte Abschied zu nehmen von dem noch immer dominanten Paradigma des „Produktivismus" und es so schnell wie möglich durch ein Paradigma der „Suffizienz" (des Ausreichenden) zu ersetzen. Die Welternährung werde von einem komplexen Gemisch an „Knappheiten" bedroht, von denen viele einzelne das Potential zur Katastrophe hätten. Schlimmer noch sei die Tatsache, dass die Wissenschaft über das Zusammenwirken und die Rückkoppelungseffekte, mögliche „kritische Wendepunkte" und nichtlineare Systemzusammenbrüche praktisch keine verlässlichen Aussagen treffen könne. Zu den knappsten Ressourcen könne deshalb die Zeit gehören, die uns bleibt, eine Wende zur Nachhaltigkeit zu realisieren. Robust, widerstandsfähig gegen ökologische wie ökonomische Krisen, lokal und regional ausgerichtet müsse deshalb die Landwirtschaft von morgen sein. Die Forschung müsse sich neu, von unten nach oben und mit viel Raum für ungewöhnliche Ansätze und eine „radikal veränderte Landwirtschaft" organisieren. Sustainable food consumption and production in a resource-constrained world ist ein von insgesamt 37 Agrarministerien in Auftrag gegebener und offiziell begrüßter Schlag ins Gesicht der real existierenden Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und ihrer Forschungsschwerpunkte.
Auf einer Konferenz in Budapest wurde er im Mai vorgestellt. Eine Präsentation der AutorInnen und die dort gehaltenen Reden finden Sie hier.

Die große, grüne Transformation

04/11: Der diesjährige Wirtschafts- und Sozialbericht der Vereinten Nationen trägt den Titel The Great Green Technological Transformation. Der Kern dieses großen Umbruchs ist eine umfassende globale Energiewende und Reduzierung des Ressourcenverbrauchs innerhalb kürzester Zeit. Das Kapitel (3) zur Landwirtschaft empfiehlt eine eng an den Vorschlägen des Welt- agrarberichtes orientierte agrarökologische „tatsächlich grüne Revolution". Die neuen und alten Technologien für diese Revolution stünden zur Verfügung, was fehle sei bisher der Wille zur Tat und zu ihrer massenhaften Verbreitung. Der Hauptautor des Berichts und stellvertretende Leiter der UN Wirtschafts- und Sozialabteilung, Sha Zukang, wird 2012 die UN-Konferenz „Rio+20" leiten. Der Bericht ist die Vorlage der UNO zu diesem Welt-Palaver über die Nachhaltigkeit. Vollständigen Bericht herunterladen

Lebensmittelsicherheit und Entwicklung in Zeiten des Klimawandels

02/11: Ein Diskussionspapier der Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen, UNCTAD, „Lebensmittelsicherheit in Entwicklungsländern unter der Herausforderung des Klimawandels - Zentrale Handels- und Entwicklungsthemen einer fundamentalen Transformation der Landwirtschaft" fordert eine möglichst rasche Abkehr von der Chemisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft, die diese zu einem Sektor mit höherem Klimagas-Ausstoß gemacht haben als selbst die Stahl-, Zement- und Chemiebranche. Die nötige Transformation in eine multifunktionale Produktionsweise, in der Landwirte gleichermaßen Hüter der agarökologischen Systeme werden, von denen unsere Ernährung abhängt, werde von mächtigen Industrie-Interessen verhindert, die es durch entschlossene handelspolitische Maßnahmen und Investitionskontrollen zu zähmen gilt. Nicht nur aus klimapolitischer Sicht sei der Ersatz von petro-chemischem Input nötig, sondern auch, weil dessen Ersatz (Arbeit, organischer Dünger, erneuerbare Energie etc.) vor Ort beschafft würde und damit der Entwicklung der lokalen Wirtschaft zugute kommt.  Vollständigen Bericht herunterladen

State of the World 2011: Innovationen, die unseren Planeten nähren

01/11: Der diesjährige Jahresbericht des Worldwatch Institute Innvoations that nourish the Planet präsentiert eine Übersicht über hunderte von kleinen und effektiven Lösungen zur Verbesserung der Ernährung sowie der Effizienz und ökologischen Anpassung der Landwirtschaft, namentlich in Entwicklungsländern und eine fatale Übersicht über den Stand der weltweiten Ernährung und der Zerstörung ihrer Grundlagen. Der Weltagrarbericht zum Anfassen: Von lokalen Sorten und vertikalen Gärten in den Slums dieser Welt, von Regenernte und Gemüsezucht, vom Segen der Bäume und Kniffen zur Vermeidung von Ernteverlusten, von Frauenpower und Gemeinde-Innovation, von neuen Reisanbaumethoden und Ernährungsprogrammen in Schulen ist die Rede. Eine anschauliche und begeisternde Bestandsaufnahme, deren praktische Feldstudien pikanterweise von der Bill & Melinda Gates Foundation gefördert wurden, der zu wünschen ist, dass sie daraus auch in der eigenen Politik maximalen Nutzen zieht. Kostenlos sind nur Auszüge verfügbar, etwa der Artikel Agroökologie zum Mainstream machen und Kartierung eines neuen Wegs zur Eliminierung des Hungers. Der Kauf der Online- oder Buchausgabe lohnt sich.
Die deutsche Buchausgabe kann bei der Heinrich-Böll Stiftung bestellt werden.
Der Worldwatch-Blog Nourishing the Planet führt die Diskussion um das Thema (auf Englisch) fort.

The Future of Food and Farming

01/11: Das Amt für Wissenschaft der britischen Regierung hat unter dem Titel The Future of Food and Farming einen Haupt- und Staatsbericht veröffentlicht, dessen Analyse der gegenwärtigen Lage und der absehbaren Belastungen, die auf die Welternährung bis 2050 zukommen werden, ebenso umfangreich wie präzise ist. Steigende Nachfrage, Klimaauswirkungen, Biodiversitätsverluste und Preisschwankungen auf globalisierten Märkten gehören dazu. „Jede einzelne dieser Belastungen stellt substantielle Herausforderungen an die künftige Ernährungssicherheit, zusammengenommen stellen sie eine massive Bedrohung dar, die eine strategische Neubewertung der Art und Weise wie die Welt sich ernährt erforderlich macht", schreiben die Autoren, darunter führende Meinungsmacher der internationalen wissenschaftlichen Gemeinde. Sie gelten als die Erfinder des Begriffs der „nachhaltigen Intensivierung der Agrarproduktion", die eine Steigerung der Produktion bei drastischer Senkung des Ressourcenverbrauchs möglich machen soll. Die politischen Empfehlungen erreichen die Qualität der Analyse leider nicht. Doch auch hier wird die Zukunft der Ernährung und Landwirtschaft bei aller bekannter Liebe zu Hightech-Lösungen und globaler Marktwirtschaft vor allen Dingen in der Reduzierung der Verschwendung, Veränderung des Verbrauchs, den kleinen produktiven Veränderungen vor Ort und massiver Investitionen in die Agarökologie und das Wissen und die Handlungsmöglichkeiten von Kleinbauern gesehen. Hatte eine personell recht ähnliche Wissenschaftlergruppe 2009 noch unter dem Titel Reaping the benefits für die königliche Gesellschaft der Wissenschaften einen Bericht vorgelegt, der als eine Art „Anti-Weltagrarbericht" verstanden werden konnte und sich stark auf die Versprechen neuer Technologien konzentrierte, so kann The Future of Food and Farming als ein erster Schritt der etablierten Wissenschaftsgemeinde gelesen werden, von diesen Paradigmen des vergangenen Jahrhunderts Abschied zu nehmen. Download Bericht

Die 100 wichtigsten Fragen für die Zukunft der globalen Landwirtschaft

01/11:Fragen bestimmen Antworten. 55 führende Agrar- und Ernährungswissenschaftler aus 23 Ländern und allen wesentliche Institutionen haben Anfang des Jahres eine Liste der 100 wichtigsten Fragen für die Zukunft der globalen Landwirtschaft veröffentlicht, die es in sich haben. Ein Jahr lang hatten die Wissenschaftler unter Anleitung von Prof. Jules Pretty daran gearbeitet und darum gefeilscht, vor allem um politische Entscheidungsträger an die zukünftige Ausrichtung der Prioritäten in der Agrarforschung und -politik heranzuführen. Das Ergebnis kann auch als der Versuch verstanden werden, innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde einen Konsens über den unver-meidlichen Paradigmenwechsel einzuleiten. Ein grosser Teil der Autoren findet sich auch in The Future of Food and Farming wieder. Artikel herunterladen

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