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05.02.2018 |

Forscher fordern mehr Schutz für wilde Bestäuber statt Honigbienen

Biene
Ob Honig- oder Wildbienen: Sie sind wichtige Bestäuber (Foto: CC0)

Bienen sind beliebt: Das Sterben der fleißigen Bestäuber löst Besorgnis aus und prägt die Berichterstattung. Mit bienenfreundlichen Saatgutmischungen und Bienenpatenschaften leisten viele Bienenfreunde selbst einen Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen. Doch Forscher der Universität Cambridge argumentieren nun im Fachjournal Science, das Sterben ganzer Bienenvölker sei – anders als in der Öffentlichkeit wahrgenommen – in erster Linie ein Problem für die Agrarproduktion und nicht für den Biodiversitätsschutz. Das Sterben ganzer Bienenvölker in der professionellen Bienenzucht und das Problem der schwindenden biologischen Vielfalt und der dramatische Rückgang tausender wilder Bestäuber seien zwei Paar Stiefel. Die Wissenschaftler gehen gar noch weiter mit ihrer kontroversen These: Die wie andere Nutztiere gehaltenen Bienenvölker könnten zudem selbst zum starken Rückgang der Bestände wilder Bestäuber in Europa beitragen, da sie ihren wilden Verwandten Nahrung streitig machen und Krankheiten verbreiten könnten. Gutgemeinte Schutzinitiativen zur Bienenhaltung in Städten oder schlimmer noch in Schutzgebieten fernab der Landwirtschaft würde das Schwinden wilder Bestäuber noch verstärken.

„Die weltweite Krise des Rückgangs bei Bestäubern ist vor allem mit einer Art in Verbindung gebracht worden, der Westlichen Honigbiene. Doch diese ist eine der wenigen Bestäuberarten, die kontinuierlich durch Zucht und Landwirtschaft wiederaufgestockt wird“, sagte Co-Autor Dr. Jonas Geldmann vom Department of Zoology der Universität Cambridge. „Der Schutz der Honigbiene hilft der Tierwelt nicht. Bei der Westlichen Honigbiene handelt es sich um eine kommerziell gehaltene Tierart, die in der Tat sogar negative Auswirkungen auf ihre unmittelbare Umgebung haben kann aufgrund der massiven Zahl, in der sie eingeführt wird.“ Das Schwinden der Bestände wilder Bestäuber, wie Nachtfalter oder Schwebfliege, schreitet Geldmann zufolge alarmierend schnell voran. Aktuell sind 50% aller europäischen Bienenarten vom Aussterben bedroht. Doch die Haltung von Honigbienen sei trotz ihrer wichtigen Funktion für die Bestäubung problematisch, da viele wichtige Nutzpflanzen wie Obst und Raps nur wenige Tage oder Wochen blühen, während Honigbienen je nach Region neun bis zwölf Monate aktiv seien und sich bis zu 10 Kilometer von ihren Stöcken entfernen würden. Das führe zu einer massiven „Verbreitung“ von gehaltenen Bienen in der Landschaft und könnte so wilde Bestäuber verdrängen. Die Haltung von Honigbienen entferne Pollen und Nektar aus der Umwelt – eine natürliche Ressource, die von vielen wilden Bienenarten und anderen Bestäubern benötigt wird, sagt Mitautor González-Varo.

Die Forscher betonen, dass die Aufmerksamkeit für die Honigbiene dabei helfe, das Bewusstsein für den Artenschwund zu schärfen, doch Maßnahmen müssten auch auf andere bedrohte Arten ausgerichtet werden. „Im letzten Jahrzehnt hat die Forschung zum Bienensterben und die Gefahren für die auf Bestäubung angewiesenen Pflanzen explosionsartig zugenommen. Doch es wurde wenig geforscht, um den Rückgang bei den wilden heimischen Bestäubern zu verstehen“, beklagt Geldmann. Der britische Bienenzüchterverband kritisierte die Studie. Martin Smith von der „British Beekeepers Association” sagte dem Blatt Daily Mail: „Ich halte es nicht für hilfreich, einen einzigen Bestäuber herauszupicken und ihn für den allgemeinen Rückgang der Bienenbestände verantwortlich zu machen.“ In Großbritannien habe es etwa in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg mehr als dreimal so viele Honigbienenvölker gegeben wie noch heute. Die Hauptursache, die zum Bestandsrückgang bei Bienen und anderen Bestäubern geführt habe, sei der Verlust ihres Lebensraums und nicht der Wettbewerb um Nahrung zwischen Honigbienen und wilden Bienen. „Ein Weg, um dieses Problem zu lösen, ist die Ausweitung der Lebensräume mit Pflanzen und Blumen, die Nahrung für alle Bienen bieten - zum Wohle von wilden und gehaltenen Bienen“, so Smith. (ab)

30.01.2018 |

FAO: Globale Lebensmittelpreise stiegen 2017 um 8,2%

Getreide
Die Getreidepreise stiegen 2017 um 3,2% (Foto: CC0)

Die weltweiten Lebensmittelpreise zogen im letzten Jahr wieder deutlich an: Um 8,2% stiegen die Preise für die wichtigsten Agrarrohstoffe im Jahresmittel 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies zeigt der von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO am 11. Januar veröffentlichte Nahrungsmittelpreisindex, der monatliche Änderungen der internationalen Preise für einen Warenkorb von Agrarrohstoffen wie Getreide, Milchprodukte oder Ölsaaten misst. Demnach erreichte der FAO Food Price Index im Jahresmittel den höchsten Wert seit 2014. Im Dezember gingen die globalen Preise gegenüber November zwar um 3,3% zurück, ausgelöst durch einen Preisrückgang für Pflanzenöl und Milchprodukte. Doch trotzt sinkender Preise zum Jahresende kletterte der Food Price Index für 2017 auf 174,6 Punkte. 2016 und 2015 waren die Werte mit 161,5 und 164 Punkten noch um einiges niedriger. Der Index befand sich jedoch mit 24% noch deutlich unter dem Höchstwert von fast 230 Punkten im Jahr 2011, als enorme Preissprünge – wie bereits während der Lebensmittelpreiskrise 2007/2008 – weltweit Unruhen und Hunger auslösten und die Menschen auf die Straßen trieben.

Während die Zuckerpreise 2017 einbrachen, stiegen die Preise für Milchprodukte und Fleisch im Vergleich zum Vorjahr stark an. Der Milchpreisindex schnellte von 153,8 auf 202,2 Punkte und überstieg den Wert des Vorjahres damit um 31,5%. Die Fleischpreise steigen 2017 um 9%, aber blieben noch 4,7% hinter dem Mittelwert der letzten fünf Jahre zurück. Schaffleisch verzeichnete den höchsten Preisanstieg, gefolgt von Schweinefleisch, Geflügel und Rindfleisch. Der FAO-Index für Getreide stieg 2017 um 3,2% – von 146,9 auf 151,6 Punkte. Doch die Getreidepreise sind noch 37% niedriger als im Schockjahr 2011, als der Index auf 240,9 Punkte hochschnellte. Die Zuckerpreise fielen im Jahresmittel um 11,2%, vor allem aufgrund der Rekordernte in Brasilien, dem weltweit bedeutendsten Zuckerproduzenten. Was die Prognosen für 2018 angeht, kann die FAO noch keine belastbaren Aussagen treffen. Abdolreza Abbassian, ein führender FAO-Ökonom, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass es noch zu früh sei, um für dieses Jahr vorherzusagen, welche Auswirkungen Wetterbedingungen auf die Ernten haben werden. Er sagte, dass der Ölpreis ebenfalls die Preisentwicklungen beeinflussen wird. „Wenn die Ölpreise wieder Spitzenwerte erreichen, braucht es nur eine Art unerwarteter Entwicklung in einem der großen Erdölländer, damit die Ölpreise hochschnellen und dies würde sich definitiv auf andere Agrarrohstoffe ausweiten“, so Abbassian. Er geht davon aus, dass das Jahr 2018 „etwas unsichererer, etwas volatiler und unvorhersehbarer“ wird. (ab)

24.01.2018 |

Ungleichheit: Reichste 1% der Welt sacken 82% des Vermögenswachstums ein

FotoArmut
Das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung stagnierte (Foto: CC0)

Die soziale Ungleichheit spitzt sich weiter zu: 82% des im letzten Jahr erwirtschafteten Vermögens floss in die Taschen des reichsten Prozents der Weltbevölkerung. Das zeigt ein Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam, der im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlicht wurde. Und es gibt immer mehr Superreiche: Zwischen 2016 und 2017 stieg die Zahl der Dollar-Milliardäre so stark an wie nie zuvor – auf nun 2043. Ihr Vermögen wuchs dabei insgesamt um 762 Milliarden US-Dollar. Alle zwei Tage kam ein neuer Milliardär hinzu. „Der Milliardärsboom ist kein Zeichen für eine florierende Wirtschaft, sondern ein Symptom für ein scheiterndes Wirtschaftssystem. Die Menschen, die unsere Kleider herstellen, unsere Handys zusammenbauen oder unsere Lebensmittel produzieren, werden ausgebeutet, um eine stetige Versorgung mit billigen Gütern sicherzustellen und die Profite von Konzernen und milliardenschweren Investoren zu steigern“, sagte Winnie Byanyima, Geschäftsführerin von Oxfam International. In nur vier Tagen verdient ein Vorstandsvorsitzender einer der fünf größten Modekonzerne so viel wie eine Näherin in Bangladesch in ihrem gesamten Leben, schreibt Oxfam.

Während die Milliardäre im letzten Jahrzehnt ihr Vermögen im Schnitt jährlich um 13% steigerten, wuchsen die Löhne von Arbeitern und Angestellten nur um 2%. Zwischen 1980 und 2016 erhielt das oberste Prozent der Spitzenverdiener 27% des globalen Einkommenswachstums, schreibt Oxfam Deutschland in einer Zusammenfassung des englischen Berichts. Und Frauen trifft die Einkommensungleichheit besonders stark – sowohl an der Spitze als auch an der Basis der Pyramide. Nur 10% der Dollar-Milliardäre sind Frauen und Frauen arbeiten häufig in den am schlechtesten bezahlten Jobs, viele unter menschenunwürdigen Bedingungen. „Oxfam hat mit Frauen rund um den Globus gesprochen, die unter Ungleichheit leiden. Frauen in vietnamesischen Kleiderfabriken, die weit von ihrer Heimat entfernt für einen Hungerlohn arbeiten und ihre Kinder monatelang nicht zu Gesicht bekommen. Frauen, die in der US-Geflügelindustrie arbeiten und gezwungen sind, Windeln zu tragen, da sie keine Toilettenpause einlegen dürfen“, schildert Byanyima die Zustände. „Das derzeitige Wirtschaftssystem fußt auf der konsequenten Ausbeutung von Frauen“, kritisiert auch Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland. „Weltweit ist zu beobachten, dass Frauen geringer bezahlt werden als Männer und überproportional häufig in schlecht bezahlten Berufen und in unsicheren Arbeitsverhältnissen vertreten sind. Sie leisten unbezahlte Pflege- und Sorgearbeit im Umfang von schätzungsweise zehn Billionen US-Dollar jährlich“, fügte Kalinski hinzu.

Aber auch in Deutschland ist Ungleichheit trotz brummender Wirtschaft ein Problem: Die BRD weist bei der Vermögensverteilung nach Litauen die zweithöchste Ungleichheit in der Eurozone auf, schreibt Oxfam. Auch hier zeigt sich eine zunehmende Konzentration an der Spitze: Das Vermögen des reichsten 1% der Bevölkerung wuchs zwischen 2016 und 2017 um 22%, das der ärmeren Hälfte dagegen nur um 3%. Oxfam fordert daher die Politik auf, die Ungleichheit zu bekämpfen – zwischen Arm und Reich, zwischen Männern und Frauen, weltweit und in Deutschland. „Die Bundesregierung muss Unternehmen gesetzlich verpflichten, entlang ihrer gesamten Lieferkette für faire Einkommen und Löhne zu sorgen, Arbeits- und Menschenrechte einzuhalten und gegen Diskriminierung vorzugehen“, so die Organisation. Zudem müsse in Bildung und Gesundheit für alle investiert werden. Daher sei es erforderlich, dass die Bundesregierung hierzulande, aber auch als Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit, den Auf- und Ausbau hochwertiger und gebührenfreier öffentlicher Systeme für Bildung und Gesundheitsversorgung fördere. Vor allem die Steuervermeidung von Konzernen und Superreichen müsse gestoppt werden. Die Beseitigung der Ungleichheit ist auch in den Weltnachhaltigkeitszielen verankert, zu denen sich die UN-Mitgliedsstaaten 2015 verpflichteten: Diese SDGs sehen vor, bis 2030 Hunger und extreme Armut komplett aus der Welt zu schaffen und Ungleichheit innerhalb eines Landes und zwischen Staaten zu verringern. (ab)

22.01.2018 |

33.000 Menschen demonstrieren in Berlin für die Agrarwende

Demo
33.000 Menschen zogen durch Berlin (Foto: Alexander Puell/www.wir-haben-es-satt.de)

Tausende Menschen haben am Samstag in Berlin für eine Agrarwende hin zu einer bäuerlichen und ökologischeren Landwirtschaft demonstriert. Angeführt von 160 Bauern mit ihren Traktoren zogen rund 33.000 Menschen unter dem Motto „Der Agrarindustrie die Stirn bieten!“ vom Hauptbahnhof über Alt-Moabit und das Regierungsviertel bis hin zum Brandenburger Tor. Die aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Teilnehmer protestierten – teilweise auch als Kühe, Schweine oder Bienen verkleidet – für eine bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft, gesundes Essen, artgerechte Tierhaltung, globale Bauernrechte und gerechten Welthandel. Zu der Demo aufgerufen hatte „Wir haben es satt!“, ein breites Bündnis aus 100 Umwelt-, Verbraucher-, Landwirtschafts- und Entwicklungsorganisationen. Der Protestzug findet schon seit 2011 jedes Jahr zum Auftakt der Agrarmesse Grüne Woche und der internationalen Agrarministerkonferenz in Berlin statt.

Die Demonstranten forderten die künftige Bundesregierung auf, mit mehr Mut und Tempo die längst überfällige Agrar- und Ernährungswende einzuleiten. Umwelt, Tiere und Bauernhöfe verzeihen keinen weiteren Stillstand, verkündeten die Veranstalter. „Die industrielle Land- und Ernährungswirtschaft verursacht lokal und global Probleme für Bauern, Klima, Tiere und Umwelt“, sagte Jochen Fritz, Sprecher von „Wir haben es satt!“. „Der Umbau hin zu einer umwelt-, tier- und klimafreundlichen Landwirtschaft, in der Bauern gut von ihrer Arbeit leben können, darf von der Politik nicht weiter aufgeschoben werden.“ Konkrete Forderungen für die nächste Legislaturperiode sind – neben dem Glyphosat-Ausstieg und einem Umbau der Tierställe – die Kennzeichnungspflicht bei tierischen Lebensmitteln, ein Verbot von Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung und faire Marktregeln zum Schutz von Bauernhöfen. Die Veranstalter kritisieren, dass trotz des Bewusstseinswandels bei vielen Verbrauchern, die verstärkt Wert auf gutes Essen und eine artgerechte Tierhaltung legen, die Politik weiter eine Agrarindustrie nähre, die auf Kosten von Umwelt, Klima und Tieren produziert. „Damit wir alle nicht langfristig die Zeche dafür zahlen, muss die GroKo den Spieß jetzt umdrehen. Diejenigen, die nachhaltig produzieren und essen, müssen belohnt werden“, fordert Fritz.

Doch der Protest wendet sich auch gegen die EU-Agrarpolitik. Die Zahlung von EU-Agrarsubventionen an außerlandwirtschaftliche Investoren, die immer mehr Bauern den Boden unter den Füßen wegkaufen, müsse sofort beendet werden, fordern die Veranstalter. Es brauche eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik. „Diejenigen, die umwelt- und klimaschonenden Ackerbau betreiben und Tiere artgerecht halten, müssen durch Direktzahlungen unterstützt werden, nicht wer am meisten Flächen besitzt“, sagte Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Die Bäuerinnen und Bauern sind bereit, aber die Politik muss den Rahmen schaffen. Gerade die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe braucht das Land.“ Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, veranstalteten viele Demonstranten auf mitgebrachten Kochtöpfen ein kaum zu überhörendes Konzert. (ab)

17.01.2018 |

Kritik an EPA: Schluss mit Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen

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Keine Patente auf Sonnenblumen! (Foto: A. Beck)

Das Europäische Patentamt (EPA) erteilt weiterhin Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung. Rund 25 dieser Patente wurden 2017 vergeben, unter anderem auf Salat, Zwiebeln, Tomaten, Kartoffeln, Gurken, Sonnenblumen, Sorghum und Soja. Das geht aus einem Bericht des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“ hervor, der am 16. Januar veröffentlicht wurde. „Wenn dieser gegenwärtige Trend nicht gestoppt wird, werden Konzerne wie Bayer, Monsanto, DowDu-Pont, Syngenta und andere Konzerne mehr und mehr Macht bekommen, darüber zu entscheiden, was in Europa und anderen Regionen der Welt angebaut und geerntet und als Lebensmittel zur Verfügung gestellt wird“, warnt der Bericht. Die Zahl der Patentanmeldungen auf konventionelle Züchtungen hat in den letzten 10 bis 15 Jahren stetig zugenommen: Das Bündnis berichtet von über 1500 Anmeldungen und mehr als 200 erteilten Patenten in diesem Bereich.

Das EPA hatte im Juni 2017 in Reaktion auf den Druck der EU und Zivilgesellschaft neue Regeln für die Auslegung der europäischen Patentrechte beschlossen. Diese untersagen – anders als bei gentechnisch veränderten Pflanzen – eigentlich Patente auf Pflanzen und Tiere, „die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren“, das heißt konventioneller Züchtung, stammen. Doch das EPA legte dies anders aus: Seine Große Beschwerdekammer entschied 2015 in der „Brokkoli“-Grundsatzentscheidung, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere weiterhin zulässig sind, auch wenn die Züchtungsverfahren als solche nicht patentierbar sind. Im Juni regelte der Verwaltungsrat jedoch neu, dass durch konventionelle Züchtung gewonnene Pflanzen und Tiere von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Damals hatte „Keine Patente auf Saatgut!“ schon vor Schlupflöchern gewarnt. Denn nach der Neuregelung sind Pflanzen und Tiere patentierbar, bei denen genetische Veranlagungen und zufällige Mutationen identifiziert werden, die für die Züchtung wichtig sind.

Ein Beispiel sind die Patente auf Gerste und Bier für die Brauereikonzerne Carlsberg und Heineken. Die 2016 vom EPA gewährten Patente umfassen Gerstenpflanzen aus konventioneller Züchtung, ihre Verwendung im Brauverfahren sowie das daraus gebraute Bier. Die Patente basieren auf zufälligen Mutationen im Genom der Gerste. „Getreidekörner wurden mit Chemikalien in Kontakt gebracht, um eine größere Bandbreite an genetischen Variationen hervorzurufen. Dann wurden daraus spezifische Mutationen, deren Nutzen bereits bekannt war, durch Standardverfahren selektiert“, erklärt der NGO-Bericht. Die Getreidekörner sind angeblich besser zum Bierbrauen geeignet, das Bier soll seinen frischen Geschmack länger bewahren. Andere 2017 vom EPA erteilten Patente betreffen Sonnenblumen mit einer Herbizidresistenz, die mit oder ohne Gentechnik erzielt werden kann, oder Salat mit einer durch zufällige Mutationen erzielte Resistenz gegen rötlich-braune Fleckenbildung. „Derartige Patente haben nichts mit dem ursprünglichen Kern des Patentrechts zu tun oder mit der Idee, einen fairen Anreiz für Innovation und Erfindungen zu liefern. Oft basieren diese Patente nur auf der Grundlage von trivialen technischen Entwicklungen und sind nichts anderes als ein rechtlicher Trick, um die Grundlagen unserer Ernährung in das „geistige Eigentum“ einiger großer Konzerne zu verwandeln“, so der Bericht.

Die Saatgut-Konzerne versuchen gar, ihr Geschäftsfeld noch auszuweiten: Syngenta will, dass bestehende Beschränkungen im Patentrecht abgeschafft werden und hat daher eine Beschwerde beim EPA eingereicht, die am 17. Januar verhandelt wird. Aber auch der Widerstand gegen die EPA-Vergabepraxis wächst. „Keine Patente auf Saatgut!“, der Weltdachverband des Ökolandbau IFOAM und der Zusammenschluss der EU-Bauernverbände COPA/ COGECA hat die EU-Kommission in einem gemeinsamen Brief zum Handeln aufgefordert. Zudem wurde unter anderem Einspruch eingelegt gegen die Patente auf Gerste und Bier für Carlsberg und Heineken. „Patente auf konventionelle Züchtung werden die Situation von Landwirten, Gemüseanbauern und Züchtern dramatisch verändern“, warnen die Organisationen hinter „Keine Patente auf Saatgut!“. „In Zukunft werden Landwirte, Gemüseanbauer oder Züchter, die keine Verträge mit den Patentinhabern unterzeichnen, keinen Zugang zu patentiertem Saatgut haben – weder für den Anbau noch für die Vermehrung oder weitere Züchtung.“ Sie fordern, dass die Politik die großen Konzerne daran hindern muss, die Grundlagen unserer Ernährung noch weiter zu monopolisieren.“ (ab)

16.01.2018 |

FIAN: Agrarökologie statt eine den Klimawandel anheizende Agrarpolitik

Klimawandel
Der Klimawandel trifft vor allem jene, die ihn nicht verursacht haben (Foto: CC0)

In Deutschland und weltweit ist eine Agrarpolitik vonnöten, die verhindert, dass die Landwirtschaft den Klimawandel weiter anheizt. Darauf macht die Menschenrechtsorganisation FIAN anlässlich der am 20. Januar in Berlin tagenden Agrarministerkonferenz aufmerksam. Denn der voranschreitende Klimawandel bedrohe die Rechte auf angemessene Nahrung und Wasser vieler Menschen – vor allem jener Bevölkerungsgruppen und in jenen Ländern, die selbst am wenigsten dazu beigetragen hätten. Die globale Durchschnittstemperatur hat sich seit dem vorindustriellen Zeitalter bereits um knapp 1° Celsius erhöht – Tendenz steigend. Dies führt bereits jetzt zu Bodenerosion, Ernteausfällen sowie dem Austrocknen und Versalzen von Wasserquellen, warnt FIAN. Zugleich tragen die industrielle Landwirtschaft und eine veränderte Landnutzung dem Weltklimarat IPCC zufolge direkt zu gut einem Drittel der globalen Klimagasemissionen bei. „Die Erderwärmung führt für viele Menschen im Globalen Süden bereits jetzt zu Hunger und Wasserknappheit. Wenn Staaten angesichts dieser Katastrophe nicht alle erdenklichen Maßnahmen vornehmen, verletzen sie die Menschenrechte auf angemessene Nahrung und Wasser der Betroffenen“, betont FIAN-Referentin Gertrud Falk.

FIAN sieht vor allem Industriestaaten wie Deutschland in der Pflicht, Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen. „Denn sie tragen durch ihre hohen Treibhausgas-Emissionen maßgeblich zum weltweiten Klimawandel bei“, so Falk. Doch die Aussichten sind nicht gerade rosig. Erst vergangene Woche sorgten CDU, CSU und SPD in den Sondierungsgesprächen für eine Neuauflage der Großen Koalition für Aufregung, als sie sich von dem deutschen Klimaziel für 2020 verabschieden wollten. Es sei unrealistisch, die Emissionen bis dahin um 40% gegenüber 1990 zu senken. Die Süddeutsche bezeichnete die Parteien daraufhin als Klimaversager. Doch auch der Weltklimarat ist skeptisch und scheint nicht mehr davon auszugehen, dass das ehrgeizige 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens zu halten ist. Die globale Erwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen sei „mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit jenseits des Erreichbaren“, heißt es Medienberichten zufolge in einem internen Entwurf eines Berichts, der im Herbst erscheinen soll. Vor allem der zu langsam voranschreitende Umbau der Städte, Energiesysteme und der Landwirtschaft lässt die Wissenschaftler daran zweifeln.

Doch die miesen Prognosen sollten nicht zum Aufgeben sondern zu entschlossenem Handeln anregen. FIAN appelliert an die Agrarministerkonferenz, die Weichen auf eine ressourcenschonende und klimafreundliche Landwirtschaft umzustellen. „Agrarökologische Ansätze müssen gefördert werden. Monokulturen und Massentierhaltung dürfen dagegen nicht länger unterstützt werden“, fordert Falk. Dafür geht am 20. Januar in Berlin auch ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Bäuerinnen und Bauern, Verbraucherschützern und Umweltaktivisten auf die Straße. Unter dem Motto „Der Agrarindustrie die Stirn bieten!“ werden wieder Tausende für eine bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft, eine artgerechte Tierhaltung und weniger Fleischkonsum, für Ernährungssouveränität und gerechten Welthandel und für eine Landwirtschaft demonstrieren, die Umwelt und Klima schützt. Mit Kochtöpfen ausgestattet wollen die Demonstranten die in Berlin versammelten Agrarminister dazu animieren, bei der Agrarwende mehr Tempo zuzulegen. (ab)

11.01.2018 |

2ºC Erwärmung beschert 25% der Landfläche extreme Trockenheit

Wüste
Bei 2ºC Erwärmung droht der Welt extreme Trockenheit (Foto: CC0)

Mehr als ein Viertel der Landfläche des Planeten könnte von extremer Trockenheit betroffen sein, wenn die globale Erwärmung 2ºC erreicht. Dies würde zu verstärkten Dürren und Waldbränden führen und hätte schwerwiegende Folgen für die Landwirtschaft, betont eine Studie, die Anfang Januar im Fachmagazin „Nature Climate Change” erschienen ist. Bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5ºC gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter würden die am stärksten bedrohten Gebiete zumindest vor extremen Veränderungen bewahrt werden. Das internationale Forschungsteam unter Leitung der chinesischen Southern University of Science and Technology (SUSTech) und der britischen University of East Anglia (UEA) untersuchte historische Klimadaten sowie Prognosen von 27 globalen Klimamodellen, sowohl für das 1,5- als auch für das 2-Grad-Szenario. Die Wissenschaftler berechneten, in welchen Gebieten die Aridität, die durch das Verhältnis von Niederschlägen und Verdunstung bestimmt wird, zunehmend wird und ab welchem Temperaturanstieg.

Eine globale Erwärmung um 2ºC würden der Studie zufolge dazu führen, dass viele Gebiete rund um den Globus immer trockener werden. „Die Aridisierung ist eine ernsthafte Bedrohung, da sie Bereiche wie die Landwirtschaft, die Wasserqualität und die Artenvielfalt ernsthaft beeinträchtigen kann. Sie kann auch zu mehr Dürren und Waldbränden führen, ähnlich wie jene, die in Kalifornien wüten”, sagte einer der Autoren, Dr. Chang-Eui Park von der SusTech. Die Studie prognostiziert, dass 20-30 Prozent der Landfläche der Erde von der Ausbreitung arider Verhältnisse betroffen wäre, sobald die Temperaturen um 2 Grad ansteigen. Würde die Erwärmung jedoch noch auf 1,5 Grad beschränkt, würde zwei Drittel der bedrohten Regionen eine erhebliche Austrocknung erspart bleiben. „Die Welt hat sich bereits um 1ºC erwärmt. Wenn wir aber weniger Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre ausstoßen, um die globale Erwärmung auf unter 1.5ºC oder 2ºC zu begrenzen, könnten dies die Wahrscheinlichkeit senken, dass viele Teile der Welt wesentlich trockener werden“, sagte Mitautor Prof. Su-Jong Jeong von der SUSTech.

Einem Szenario der Wissenschaftler zufolge könnte die Welt künftig kontinuierlich moderate Trockenperioden erleben, die auch heftigere Dürren nach sich ziehen könnten. Durch den Temperaturanstieg droht sich das Klima vieler Regionen grundlegend zu ändern. Humide Gebiete würden trockener werden und etwa 15% der heute noch halbtrockenen Gebiete könnten sich zu vollariden Regionen wandeln. Dürren haben im Mittelmeerraum, im südlichen Afrika und an der Ostküste Australiens im Laufe des 20. Jahrhunderts bereits deutlich zugenommen. Auch die semi-ariden Gebiete Mexikos, Brasiliens, des südlichen Afrikas und Australiens haben aufgrund der Erderwärmung seit längerer Zeit mit Wüstenbildung zu kämpfen. „Die Weltregionen, die am meisten von einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5ºC profitieren würden, wären Südostasien, Südeuropa, der Süden Afrikas, Zentralamerika und Südaustralien – wo mehr als 20 Prozent der Weltbevölkerung heute leben“, sagte Professor Tim Osborn from von der University of East Anglia. (ab)

09.01.2018 |

Glyphosat erntet Gegenwind in Argentinien: Verbot in Rosario

Cropduster
Gift aus der Luft (Foto: cdn-pix, crop duster, bit.ly/1_CC_BY-NC_2-0, bit.ly/cdn-pix)

In der Sojarepublik Argentinien nimmt der Widerstand gegen den Unkrautvernichter Glyphosat weiter zu. Nun hat der Stadtrat von Rosario, Argentiniens drittgrößter Stadt, die Verwendung des Herbizids verboten. Am 27. Dezember wurde die Verordnung 9798 im Amtsblatt veröffentlicht, die den Einsatz des weltweit meistverkauften Herbizid-Wirkstoffs auf Feldern, öffentlichen Flächen und privaten Gärten in der Stadt und ihrer Umgebung untersagt. Zumindest vorerst, denn die Agrarverbände laufen Sturm gegen die Entscheidung. Die Provinz Santa Fe ist ein Zentrum des Sojanbaus in Argentinien: Ein grünes Meer aus gentechnisch veränderter Soja bedeckt die Felder, die auch aus der Luft großflächig mit Glyphosat besprüht werden. In der Provinzhauptstadt Rosario und der Umgebung stehen riesige Verarbeitungsanlagen und Silos und von den Hafenterminals der Stadt wird das begehrte Futtermittel vor allem nach Europa oder China verschifft.

Der Stadtrat von Rosario hatte das Glyphosatverbot einstimmig am 16. November verabschiedet. Doch schon am 30. November ruderten die Stadträte zurück, nachdem sie in ihrer morgendlichen Sitzung Besuch von einer 16-köpfigen Delegation bestehend aus Mitgliedern verschiedener Agrarverbände erhalten hatten. Als die Sitzung am Nachmittag wiederaufgenommen wurde, hatten 12 Stadträte überraschend ihre Meinung geändert und brachten unter Missachtung des üblichen formalen Prozedere einen neuen Verordnungsentwurf ein, der den Einsatz von Glyphosat weiterhin gestatten würde. „Gerade einmal sechs Stunden Lobbyarbeit der Wirtschaftsmacht haben gereicht, um mehr als die Hälfte des Stadtrats zu überzeugen, sich gegen die Gesellschaft zu stellen“, kritisierte Stadtrat Juan Monteverde. Die Kehrtwende zog den empörten Protest von Bürgern und Umweltverbänden auf sich. Bürgermeisterin Mónica Fein sträubte sich, die ursprüngliche Verordnung zu verkünden, aber sie legte auch kein Veto gegen das Verbot ein. „Die Verordnung ist gültig, sie gilt als erlassen, wenn die Vetofrist verstrichen ist. Dies war der 13. Dezember und es fehlte aus technischer Sicht nur noch die Veröffentlichung“, erklärte Stadtrat Osvaldo Miatello, der den Verbotsantrag einbrachte.

Argentinien ist der weltweit drittgrößte Sojaproduzent nach den USA und Brasilien: Rund 60 Millionen Tonnen Soja werden jährlich produziert, in der Anbausaison 2016/17 wuchs die Pflanze auf etwa 19,2 Millionen Hektar im Land. „Die Landwirtschaft in Argentinien hat in den letzten Jahrzehnten große Veränderungen erlebt und das agroindustrielle Modell verfestigt, das stark auf Soja setzt, die Weizen und Mais verdrängt hat“, erläutert Professor Emilio Satorre von der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität von Buenos Aires (UBA) gegenüber dem Nachrichtenportal IPS News. Auf dem Großteil der Flächen wachsen gentechnisch veränderte Pflanzen. 335 Millionen Liter Pestizide wurden auf Argentiniens Felder im Jahr 2012 versprüht – das letzte Jahr, für das die Behörden noch Zahlen veröffentlichen. Das ist neun Mal so viel wie noch im Jahr 1990. Mehr als 200 Millionen Liter Glyphosat setzen argentinische Landwirte pro Anbausaison ein. Waren 1996 noch drei Liter je Hektar üblich, liegt der Durchschnitt heute bei 12 Litern, in manchen Gebieten noch weit darüber.

Seither häufen sich Berichte über die negativen gesundheitlichen Auswirkungen für Landarbeiterinnen und Landarbeiter sowie Menschen, die in der Nähe von Sojafeldern wohnen. Krebs, Atemwegs- und Hauterkrankungen oder Missbildungen bei Neugeborenen häufen sich. „Wir können nachweisen, dass sich die Todesursachen in den vergangenen 20 Jahren verändert haben“, sagte Damián Verzeñassi, Mediziner und Professor an der Universität Rosario der Deutschen Presse-Agentur. Erst kürzlich machten Wissenschaftler der Fakultät für Medizin, Pharmazie und Biochemie der Universität von Buenos Aires wieder auf die Gesundheitsgefahren aufmerksam und warnten vor der hohen Pestizidbelastung von Landarbeitern. In einer Studie hatten sie belegt, dass argentinische Feldarbeiter in der Provinz La Pampa 25-fach höhere Pestizidwerte im Blut aufwiesen. Doch der Widerstand der Bevölkerung wächst überall im Land, in mehreren Provinzen gibt es Bestrebungen, den Einsatz von Glyphosat zu verbieten. (ab)

02.01.2018 |

Die Welt wächst: 7.591.541.000 Menschen begrüßten das neue Jahr

Indien
Menschenmenge in Indien (Foto: CC0)

Zu Beginn des neuen Jahres bevölkerten 7.591.541.000 Menschen die Erde – rund 83 Millionen mehr als noch im Vorjahr. Das teilte die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) zum Jahresende mit. Jede Sekunde kommen im Schnitt 2,6 neue Erdbewohner hinzu – statistisch nach Abzug der Todesfälle von der Zahl der Geburten. Am 2. Januar zählte die Weltbevölkerungsuhr der DWS daher bereits 7,592 Milliarden Menschen. Besonders stark ist die Zunahme in Afrika: Dort wird sich die Bevölkerung nach UN-Angaben von heute 1,26 Milliarden Menschen auf voraussichtlich 2,53 Milliarden im Jahr 2050 verdoppeln. Laut DSW-Geschäftsführerin Renate Bähr gingen die Vereinten Nationen vor 15 Jahren noch davon aus, dass Mitte des Jahrhunderts nur 1,8 Milliarden Menschen in Afrika leben werden: „Das liegt vor allem daran, dass die Fertilitätsraten nicht so stark gesunken sind, wie man zuvor angenommen hatte.“ Rund 214 Millionen Frauen in Entwicklungsländern würden gern verhüten, haben dazu aber keine Möglichkeit, da nur unzureichender Zugang zu Familienplanung, Aufklärung und Gesundheitsdiensten bestehe. „Um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, sind bessere Aufklärungs- und freiwillige Familienplanungsangebote sowie Gleichberechtigung dringend nötig“, betont Bähr.

Auch das Kinderhilfswerk UNICEF lieferte Zahlen: 386.000 Kinder erblickten am Neujahrstag das Licht der Welt, 90 Prozent von ihnen in weniger entwickelten Regionen. Die Hälfte dieser Geburten entfalle auf gerade einmal neun Länder: 69.070 neue Erdenbürger wurden den Berechnungen zufolge in Indien geboren, 44.760 in China und 20.210 in Nigeria. Auf den übrigen Plätzen folgen Pakistan, Indonesien, die USA, die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien und Bangladesch.

Doch „nicht die Zahl der Menschen an sich auf der Erde ist das Problem – sondern die Zahl der Konsumenten sowie der Umfang und die Art ihres Konsums“, sagt der österreichische Bevölkerungsforscher Wolfgang Lutz der Neuen Presse. Er verwies auf Daten des „Global Footprint Network“, das sowohl für einzelne Länder als auch die Welt insgesamt berechnet, wann die natürliche Belastungsgrenze der Erde erreicht ist – das heißt die Ressourcen verbraucht sind, die rein rechnerisch im gesamten Jahr nachhaltig genutzt werden könnten. Dabei wird der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch die Belastung durch den Ausstoß von CO2 oder die Müllproduktion berücksichtigt. Das Problem seien Menschen mit einem Konsumverhalten wie etwa die Deutschen, so Lutz. Die Bundesbürger haben 2017 die nachhaltig nutzbaren Ressourcen für das Jahr schon am 24. April verbraucht. Würden alle Länder der Welt so wirtschaften wie Deutschland, wären 3,2 Planeten nötig, um den Verbrauch zu decken. Noch verschwenderischer mit den natürlichen Ressourcen gehen Australien und die USA um: Würde die gesamte Welt den dortigen Konsum- und Lebensstil übernehmen, wären 5,2 bzw. 5,0 Erden notwendig. Indien hingegen verbraucht rein rechnerisch nur 0,8 Erden. (ab)

29.12.2017 |

Mindestens 116 Landrechtsaktivisten im Jahr 2017 getötet

Phili
Die Philippinen sind kein Paradies für Landrechtsaktivisten (Foto: CC0)

Im Jahr 2017 bezahlten mindestens 116 Menschen die Verteidigung ihrer Landrechte mit dem Leben. Das vermeldet die Nichtregierungsorganisation PAN Asia Pacific (PANAP) in einem Mitte Dezember veröffentlichten Bericht, für den sie Nachrichten und Zeitungsartikel sowie Informationen von Partnerorganisationen und Netzwerken auswertete. Anspruch auf Vollständigkeit erhebt PANAP nicht – der Bericht gebe lediglich einen Einblick in die alarmierende Menschenrechtslage und die Gefahren, denen Menschen ausgesetzt sind, die sich gegen Landraub wehren. Demnach ereigneten sich seit Jahresbeginn bis Ende November 2017 insgesamt 142 Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Landkonflikten, die sich in 21 Ländern in verschiedenen Regionen der Welt ereigneten. Darunter fallen politisch motivierte Tötungen von Bauern, Landarbeitern, Indigenen sowie von Aktivisten und Unterstützern, die eng mit von Landkonflikten betroffenen ländlichen Gemeinden zusammenarbeiten. Die registrierten Fälle umfassen auch verschiedene Arten von Repression, wie Festnahmen und Inhaftierungen, Strafverfolgung, Bedrohungen, Schikanen, körperliche Angriffe sowie Vertreibungen.

PANAP zählte 73 Tötungsdelikte, die das Leben von insgesamt 116 Menschen forderten. Ermordet wurden 71 Bauern und Landarbeiter, 23 Landrechtsaktivisten und 21 Mitglieder einer indigenen Gemeinschaft. In rund 86% der Fälle traf es Männer. In den Philippinen starben die meisten Landrechtsverteidiger mit 61 Opfern, gefolgt von Brasilien mit 22 Toten und Mexiko mit sieben Opfern. Aber auch in Peru, Kolumbien, Indien oder Uganda ließen Landrechtsaktivisten ihr Leben. Zudem dokumentierte die Organisation 17 Fälle von Bedrohungen, Schikanen oder physischen Übergriffen mit insgesamt 45 Leidtragenden. Meist traf es Bauern und Landarbeiter. Zudem registrierte PANAP weitere 52 Menschenrechtsverletzungen. Bei mehr als der Hälfte der Fälle waren Bergbaukonzerne involviert, während 15 Fälle sich auf Plantagen ereigneten. In 70% der Fälle waren staatliche Sicherheitskräfte in die Menschenrechtsverletzungen verwickelt, einschließlich Militärs, Polizisten oder Paramilitärs.

„Es ist alarmierend, dass globale und regionale Entwicklungen, die den zunehmenden Raub von Land und Ressourcen begünstigen, weiter auftreten und in ländlichen Gebieten soziale Konflikte und Unruhen anheizen“, betont der Bericht. „Die andauernde Herrschaft repressiver Regime schafft ein Klima der Straflosigkeit bei der Verletzung von Menschrechten von Landbewohnern und kleinen Lebensmittelproduzenten, um den Weg zu ebnen für die Interessen von Konzernen, auch aus dem Ausland, die sich Land und Ressourcen aneignen wollen.“ PANAP warnt, dass diese Entwicklungen ländliche Gemeinden vor große Herausforderungen stellen, ebenso wie Aktivisten, die für Landrechte, Ernährungssouveränität und echte Landreformen kämpfen. Daher sei eine starke breite Bewegung erforderlich, die sich gegen Landgrabbing und Menschenrechtsverletzungen einsetzt und die Täter zur Verantwortung zieht. (ab)

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