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02.08.2023 |

Erdüberlastungstag: Ressourcen für 2023 schon am 2.8. verprasst

Muellkippe
Die Kapazitäten der Erde sind endlich (Foto: CC0/Pixabay)

Dieses Jahr fällt der „Earth Overshoot Day“ auf den 2. August – die Menschheit hat an diesem Tag alle nachhaltig nutzbaren Ressourcen für das gesamte Jahr 2023 bereits aufgebraucht: Den Rest des Jahres leben wir wieder auf Kosten künftiger Generationen und übernutzen die natürlichen Ressourcen über das regenerierbare Maß hinaus. Dies ist die traurige Botschaft des „Global Footprint Network (GFN)“, einer internationalen Forschungsorganisation, die das Datum alljährlich basierend auf Daten der National Footprint and Biocapacity Accounts neu berechnet. Diese werden von der York University, Toronto mitgepflegt und stützen sich unter anderem auf UN-Datensätze. Zur Festlegung des Tages werden zwei Größen verglichen: die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Treibhausgasemissionen und andererseits der ökologische Fußabdruck – der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern (Baumwolle) oder Fisch, aber auch der CO2-Ausstoß und die Müllproduktion. Im Ergebnis hat die Menschheit seit mehr als 50 Jahren erhebliche Defizite angehäuft, die sich zu einer ökologischen Schuld akkumulieren. Wir leben aktuell so, als hätten wir 1,7 Planeten zur Verfügung. „Der anhaltende Overshoot hat zu Land- und Bodendegradation, zur Erschöpfung der Fischbestände, zu Entwaldung, Artensterben und enormen Treibhausgasen geführt. Die Folgen treten überall auf der Welt immer klarer zutage mit ungewöhnlichen Hitzewellen, Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen, wodurch die Konkurrenz um Nahrung und Energie verschärft wird“, schreibt das GFN in einer Pressemitteilung. „Das größte Risiko, abgesehen vom ökologischen Overshoot selbst, liegt in der Selbstgefälligkeit gegenüber dieser Krise“, sagt der Leiter der Organisation, Steven Tebbe. „Wer jetzt handelt, schützt nicht nur die Umwelt, sondern sorgt auch für eine zukunftssichere Wirtschaft und das Wohlergehen der Bevölkerung“, fügte er hinzu.

2022 fiel der Earth Overshoot Day auf den 28. Juli. Die scheinbare Verbesserung um fünf Tage im Vergleich zum Vorjahr täuscht jedoch etwas, da der tatsächliche Unterschied weniger als einen Tag ausmachte, erklärte das Netzwerk. Denn die anderen vier Tage sind dem geschuldet, dass den diesjährigen National Footprint and Biocapacity Accounts verbesserte Datensätze zugrunde liegen. Sie bilden nun das Abschneiden aller Länder bis zum Jahr 2022 ab, während im letzten Jahr die Datengrundlage nur bis 2019 reichte. Die Zahlen aus unterschiedlichen Jahren sind also nicht vergleichbar, sondern der ökologische Fußabdruck und die Biokapazitätskennzahlen aller Länder sind jedes Jahr anders und damit ändern sich auch die Daten vergangener Erdüberlastungstage. Seit 1971 ist das Datum jedes Jahr im Kalender weiter nach vorne gerückt, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Der erste Erdüberlastungsstag war am 25. Dezember 1971. In den frühen 90er Jahren lag er in der zweiten Oktoberhälfte und 2018 fiel er auf den 1. August, das bisher früheste Datum. Im Jahr 2020 rückte das Datum zurück auf den 16. August, was den anfänglichen Rückgang der Ressourcennutzung in der ersten Jahreshälfte aufgrund der pandemiebedingten Lockdowns widerspiegelt. „In den letzten 5 Jahren hat sich der Trend abgeflacht. Inwieweit dies auf die wirtschaftliche Verlangsamung oder auf bewusste Dekarbonisierungsmaßnahmen zurückzuführen ist, lässt sich nur schwer feststellen“, schreibt das Netzwerk. „Dennoch geht die Verringerung des Overshoot viel zu langsam voran. Um das IPCC-Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen, den CO2-Ausstoß bis 2030 weltweit um 43 % gegenüber 2010 zu reduzieren, müsste der Overshoot Day in den nächsten sieben Jahren jährlich um 19 Tage verschoben werden.“

Doch das Netzwerk betont, dass es auch Lösungen gebe, um den ökologischen Overshoot umzukehren und die Regeneration des Planeten anzukurbeln. Die „Power of Possibility“-Plattform auf der Webseite des GFN zeigt, wie wir unsere Ressourcensicherheit in fünf Schlüsselbereichen (gesunder Planet, Städte, Energie, Lebensmittel und Bevölkerung) verbessern können und stellt Technologien, Regierungsstrategien, öffentliche Maßnahmen und Vorzeigeprojekte von Bürgerinitiativen und aus der Wissenschaft vor. Die Ernährung ist dabei ein zentraler Bereich, da die Hälfte der Biokapazität der Erde dafür verwendet wird. „Mit der wachsenden Weltbevölkerung und einer steigenden Nachfrage nach gesunden Lebensmitteln wird der ökologische Druck durch die Ernährung zunehmen, während die Lebensmittelproduktion aufgrund zunehmender Ressourcenknappheit und ungewissen Klimabedingungen vor immer größeren Herausforderungen steht“, heißt es in einem Blogbeitrag. „Aber es gibt auch großes Potenzial – ein auf Kreislaufprinzipien basierendes Ernährungssystem hat das Potenzial, den Flächenverbrauch für Lebensmittel um bis zu 71% zu reduzieren und den Treibhausgas-Ausstoß um 29% pro Person zu senken.“ Ein Kernproblem ist mangelnde Effizienz bei der Lebensmittelproduktion. Die Landwirtschaft ist stark abhängig von fossilen Brennstoffen. Zudem ist die Produktion von tierischen Kalorien deutlich ressourcenintensiver als die von pflanzlichen Kalorien, erklärt das Netzwerk. So werden in Belgien zum Beispiel 5 Kalorien fossiler Brennstoffe benötigt, um eine Kalorie Fleisch zu erzeugen. Wenn wir den weltweiten Fleischkonsum um 50% reduzieren und diese Kalorien durch eine vegetarische Ernährung ersetzen würden, könnten wir den Overshoot Day um 17 Tage verschieben (davon 10 Tage durch die Reduzierung der Methanemissionen), so die Berechnungen.

Ein weiteres Problem ist die Lebensmittelverschwendung: Etwa ein Drittel der weltweit für den menschlichen Verzehr produzierten Lebensmittel (1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr nach Daten der Welternährungsorganisation) geht verloren oder wird verschwendet, wobei Länder mit hohem und niedrigem Einkommen in etwa die gleichen Mengen an Lebensmitteln verschwenden, wenn auch aus anderen Gründen. Wenn die Lebensmittelverschwendung weltweit um die Hälfte reduzieren würde, ließe sich der Overshoot Day um 13 Tage nach hinten verschieben. Auch Veränderungen in der Landwirtschaft können einen Beitrag leisten. Die Agroforstwirtschaft ist eine Methode, bei der Bäume zusammen mit anderen Nutzpflanzen auf derselben Fläche angebaut werden. Damit können nicht nur die Erträge der Anbauflächen gesteigert und die Bodenqualität erhalten werden, sondern es wird auch Kohlenstoff in den Böden gespeichert. Würde Agroforstwirtschaft in großem Stil betrieben, ließe sich der Overshoot Tag bis 2050 um 2,1 Tage verschieben. Weitere 1,2 Tage könnten durch verbesserten Reisanbaumethoden eingespart werden. Wenn die Reisfelder nicht ständig überflutet sind, reduziert sich der Methanausstoß. In den bereits vorliegenden Lösungen liegt ein enormes Potenzial, wenn sie in großem Stil genutzt werden, betont das Global Footprint Network. So können wir eine bessere Resilienz erzielen und den Erdüberlastungstag verschieben.

Auch deutsche Organisationen machen jedes Jahr auf den Erdüberlastungstag aufmerksam und richten Forderungen an die Politik. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch betont, dass es große Unterschiede gebe, was den ökologischen Fußabdruck der einzelnen Länder betrifft. „Den deutschen Erdüberlastungstag hatten wir bereits nach gut vier Monaten erreicht“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Wenn alle Menschen weltweit so wirtschaften und leben würden wie wir in Deutschland, bräuchten wir drei Planeten. Das unterstreicht die besondere Verantwortung der Industrienationen und stark emittierenden Schwellenländer.“ Die NGO weist darauf hin, dass die Nachfrage nach Futtermitteln wie Soja für die industrielle Tierhaltung oder Biokraftstoffe für die EU entscheidende Treiber für die Abholzung der Wälder weltweit seien. Das bedrohe erheblich die Artenvielfalt und beschleunige den Klimawandel. So tragen die deutschen Importe jährlich zur Abholzung von 43.000 Hektar Tropenwälder bei, was in etwa der Größe einer Millionenstadt wie Köln entspricht. Zwar habe die EU jüngst endlich mehrere Instrumente und Vorschriften beschlossen, um ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. „Das ist ein erster Meilenstein, doch er reicht noch nicht“, sagt Katharina Brandt, Referentin für Agrarpolitik bei Germanwatch. „Wir brauchen auch verpflichtende Sorgfaltspflichten für den EU-Finanzsektor, um die Finanzierung von Entwaldung verursachenden Projekten zu beenden.“ Die EU müsse sich auch mit ihrem übermäßigen Verbrauch von Rohstoffen, die viel Fläche beanspruchen und Entwaldung verursachen, auseinandersetzen. „Deshalb setzen wir uns für eine EU-Handelspolitik ein, die gemeinsam mit den Partnerländern verbindliche Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards vereinbart“, erklärt Brandt.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) meldete sich zu Wort und forderte die Bundesregierung auf, zügig ein Ressourcenschutzgesetz mit verbindlichen Zielen auf den Weg zu bringen. Der Ressourcenverbrauch müsse bis 2050 um 85% reduziert werden, um die Grenzen des Planeten einzuhalten. Ein solches Gesetz müsse sowohl sämtliche nicht erneuerbaren Ressourcen wie Metalle und Mineralien, aber auch Böden und Flächen, Acker- und Weideland, Fischgründe, Wald und Holz umfassen und somit schützen. Darin müssen vor allem auch die Nutzung von Baumaterialien wie Beton und Gips sowie Rohstoffe für die Energiewende wie zum Beispiel Lithium und andere Metalle reglementiert werden. „Unsere Art zu leben, zu arbeiten, zu produzieren und zu konsumieren, verschlingt die Ressourcen des Planeten schneller, als dieser sich erholen kann. Dem muss diese Bundesregierung endlich entschieden entgegentreten. Wir fordern die Regierung deshalb auf, ein verbindliches Ressourcenschutzgesetz auf den Weg zu bringen“, erklärte Myriam Rapior, stellvertretende Vorsitzende des BUND. Das kirchliche Hilfswerk Misereor machte auf den überhöhten Ressourcenverbrauch der Industriestaaten aufmerksam. „Mit dem überproportional hohen Konsum und Ressourcenverbrauch insbesondere in den G7-Staaten leben wir auch auf Kosten der Menschen des Globalen Südens“, erläutert Madeleine Alisa Wörner, Misereor-Expertin für erneuerbare Energien und Energiepolitik. „Denn ein einzelner Mensch in Deutschland hat einen deutlich größeren Ressourcenverbrauch als ein Mensch in Ghana. So liegt der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Kopf in Ghana bei 0,5 Tonnen, während dieser in Deutschland bei 7,7 Tonnen liegt.“ Eine Chance zum Leben innerhalb der planetaren Grenzen sieht sie im Konzept der Suffizienz, also ressourcenschonendem Verhalten, welches sozial gerecht ist. Doch suffizientes Handeln könne nur mit einem umfassenden Wandel hin zu Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen funktionieren, die nicht unsere Lebensgrundlage zerstören. „Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, bessere Rahmenbedingungen für ein suffizientes Leben zu schaffen. Damit wird Deutschland der konkrete Auftrag zum Sparen, Reduzieren und Achten der planetaren Grenzen gegeben.“ (ab)

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