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10.07.2020 |

AGRA - leere Versprechungen für Afrikas Kleinbauern

Corn
Mehr Mais für Afrika? (Foto: bit.ly/AWanga, Anne Wangalachi/CIMMYT, bit.ly/3_CC_BY-NC-SA_2-0)

Im Jahr 2006 wurde die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und der Rockefeller-Stiftung aus der Taufe gehoben, um mithilfe der Landwirtschaft Hunger und Armut in Afrika zu verringern. Mit den Patentrezepten der Grünen Revolution – sprich kommerziellem Hochertragssaatgut, Pestiziden und synthetischen Düngemitteln – sollten die Einkommen von 20 Millionen kleinbäuerlichen Haushalten bis 2020 verdoppelt und die Ernährungsunsicherheit in 20 Ländern durch Produktivitätssteigerungen halbiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, erhielt AGRA seither über eine Milliarde US Dollar – vor allem von der Gates-Stiftung, aber auch von der Bundesregierung. Die Ziele wurden nach und nach verändert: 2015 verkündete die Allianz, die Produktivität und die Einkommen von nun 30 Millionen kleinbäuerlichen Haushalten bis 2020 verdoppeln zu wollen. Heute ist auf der Webseite nur noch zu lesen, dass die Einkommen und die Ernährungssicherheit von 30 Millionen Kleinbauern in 11 afrikanischen Ländern bis 2021 „verbessert“ werden sollen. Doch eine heute von zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlichte Studie zeigt, dass AGRA auf ganzer Linie gescheitert ist. 14 Jahre nach Gründung hungern 30% mehr Menschen in den 13 AGRA-Schwerpunktländern und das Verschuldungsrisiko für Kleinbauern hat sich erhöht. Zudem werden traditionelle klimaresistente und nährstoffreiche Nahrungsmittel verdrängt.

Die Studie „Falsche Versprechen“ überprüft den Erfolg von AGRA anhand der selbstgesteckten Ziele und wertet dafür öffentlich zugängliche Informationen aus und stellt eigene Recherchen an. Ein Großteil der Analyse basiert auf einer Studie, für die Wissenschaftler der Tufts University die Agrarproduktion, die Erträge und die Anbauflächen für die wichtigsten Nahrungsmittelpflanzen in den 13 AGRA-Hauptzielländern anhand von Länderdaten untersucht haben. Herangezogen wurden die aktuellsten Zahlen aus der Datenbank FAOSTAT der UN-Welternährungsorganisation (FAO) und das Dreijahresmittel 2016-18 wurde mit dem Zeitraum 2004-06 vor AGRA-Gründung verglichen. Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Die anvisierte Verdoppelung der Erträge bei den Hauptanbaupflanzen von AGRA blieb weitgehend aus. In zwölf Jahren AGRA (2006–2018) hat sich die Maisproduktion in den 13 Hauptzielländern um 87% erhöht, doch zugleich wurden die Anbauflächen um 45% ausgeweitet, sodass die Produktivität beim Mais nur um 29% stieg. „Nur in Äthiopien, wo die Erträge um 73% stiegen, ist ein produktivitätsbedingtes Ertragswachstum sichtbar, wie es von der Grünen Revolution versprochen wurde“, heißt es in der Studie. Die führenden AGRA-Maisproduzenten weisen entweder nur ein sehr beschränktes Wachstum der Erträge auf (+7% in Nigeria, +15% in Tansania) oder gar einen Rückgang (-4% in Kenia). „Die Ergebnisse der Studie sind für AGRA und die Propheten der Grünen Revolution vernichtend“, sagt Jan Urhahn, Agrarexperte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. „Die Ertragssteigerungen für wichtige Grundnahrungsmittel in den Jahren vor AGRA liegen auf einem fast identischen Niveau wie während der Implementierung der AGRA-Programme.“

Beim Ziel der Hungerbekämpfung fällt die Bilanz verheerend aus. Am 13. Juli wird die FAO ihren jährlichen Bericht zur Zahl der unterernährten Menschen weltweit vorlegen und einen erneuten Anstieg verkünden müssen. Gestützt auf die bisherigen Zahlen zeigt der Bericht, dass in den AGRA-Schwerpunktländern die Zahl der Menschen, die unter extremem Hunger leiden, seit 2004-06 von 100,5 Millionen sogar um 30% auf 130 Millionen in 2016-18 gestiegen sind. Vor allem in Nigeria und Uganda ist die Situation übel: Die Hungerzahlen haben sie sich mehr als verdoppelt. Nur in Äthiopien ist die Anzahl hungernder Menschen stark gesunken. Selbst in Sambia, wo die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln stark zunahm, ist nur eine minimale Verringerung der ländlichen Armut oder des Hungers zu verzeichnen. „Statt den Hunger zu halbieren, hat sich seit dem Start von AGRA die Lage in den 13 Schwerpunktländern sogar verschlechtert“, sagt Urhahn. „Das ist ein Armutszeugnis für eine Initiative, die mit ihrem Narrativ der Grünen Revolution erheblichen Einfluss auf die Agrarpolitiken in vielen Ländern hat. Höchste Zeit AGRA nicht weiter auf den Leim zu gehen.“

Auch die Verdoppelung der Einkommen von 30 Millionen Kleinbauern ist nicht nachweisbar. Obwohl es aufgrund mangelnder Transparenz schwierig ist, genaue Informationen von AGRA zu bekommen, deuten deren Berichte auf eine sehr begrenzte Reichweite in Bezug auf die direkten Zielgruppen hin, heißt es in der Studie. Die jährlichen Länderberichte beziehen sich auf im Projekt „engagierte“ Bäuerinnen und Bauern, ohne genauer zu definieren, was damit gemeint sei. Die Studie zeigt hingegen, dass kleinbäuerliche Erzeuger einem hohen Verschuldungsrisiko ausgesetzt sind. In Sambia und Tansania konnten sie schon nach der ersten Ernte die Kredite für Dünger und Saatgut nicht zurückzahlen. „AGRA ist ein Teufelskreis, der kleinbäuerliche Erzeuger*innen immer weiter in die Armut treibt und dabei ihre natürlichen Lebensgrundlagen zerstört“, sagt die Landwirtschaftsexpertin Mutinta Nketani von der Organisation PELUM Sambia und Mitautorin der Studie. „Die Bäuerinnen und Bauern werden gedrängt, das teure Hybridsaatgut der Konzerne zu kaufen, das nur in Kombination mit Düngemitteln funktioniert, die sich die Menschen eigentlich gar nicht leisten können.“

Die Studie zeigt auf, dass AGRA-Projekte zudem die Wahlfreiheit kleinbäuerlicher Erzeuger einengen was die Auswahl der Anbauprodukte betrifft. Das hat fatale Folgen für die Vielfalt von Nahrungsmitteln: So ging die Hirseproduktion im AGRA-Zeitraum von 2006 bis 2018 in den 13 AGRA-Fokusländern um 24% zurück. Die Sorghum-Produktion nahm nur um 17% zu. In der Zeit vor AGRA wurde fast doppelt so viel Land für den Anbau von Hirse oder Sorghum genutzt wie für den Maisanbau. Trotz der großen Anpassungsfähigkeit an lokale Bedingungen vieler traditioneller Kulturpflanzen und ihrer Bedeutung für eine gesunde Ernährung und die Vermeidung von Mangelernährung dominiert nun der Maisanbau. In dieser Hinsicht untergraben AGRA und andere Programme der Grünen Revolution die Bemühungen von kleinbäuerlichen Produzenten, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Die Herausgeber der Studie fordern das Aus für den Ansatz der Grünen Revolution und eine stärkere Förderung der Agrarökologie. „Angesichts der Ergebnisse der Studie muss die Bundesregierung konsequent umsteuern und jede politische und finanzielle Unterstützung für AGRA unterlassen. Stattdessen sollte sie Agrarökologie und das Menschenrecht auf Nahrung als Kompass für ihre Politik nehmen“, fordert Lena Bassermann, Agrarexpertin von der Entwicklungsorganisation INKOTA. (ab)

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