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07.04.2020 |

Naturschutz kann von Tieren übertragene Krankheiten eindämmen

Abholz
Die Zerstörung von Lebensräumen rückt Tiere näher an den Menschen (Foto: CC0)

Ob Ebola, SARS oder MERS – diese und andere Infektionskrankheiten werden von Tier zu Mensch übertragen. Und durch zunehmende Naturzerstörung fördert der Mensch die Ausbreitung dieser Krankheiten. Darauf machte Bundesumweltministerin Svenja Schulze am 2. April gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Bundespressekonferenz aufmerksam. „Je mehr der Mensch die Natur zerstört, desto größer ist das Risiko, dass der Virus überspringt und desto größer ist das Risiko des Krankheitsausbruches bis hin eben zu einer Pandemie“, sagte die Ministerin auf dem Podium. Daher sei ein engagierter Naturschutz in vielen Weltregionen ein wirksames Instrument, um neue Infektionskrankheiten zu verhindern.

Zwar ist der genaue Übertragungsweg des neuartigen Coronavirus noch nicht abschließend erforscht, doch es wird vermutet, dass der Erreger Sars-CoV-2 auf einem Wildtiermarkt in China erstmals auf Menschen übersprang. Gut belegt ist Wissenschaftlern zufolge jedoch, dass etwa 70% der menschlichen Infektionserreger ursprünglich aus dem Tierreich stammen, darunter das HIV-Virus, Ebola, Influenza, das Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS) und das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS). Zoonosen werden Infektionskrankheiten genannt, die von Tieren auf Menschen und umgekehrt übertragbar sind. Insbesondere gehe eine Übertragungsgefahr von Wildtiermärkten aus, wo Mensch und Tier auf engstem Raum zusammenkommen und die Tiere teils unter hygienisch unhaltbaren Zuständen zusammengepfercht werden.

Eine grundlegende Erkenntnis ist nach Ansicht der Forscher, dass die tieferliegende Ursache hinter der Übertragung von Krankheiten auf den Menschen die Zerstörung von Ökosystemen durch menschliche Eingriffe ist. „Die Entstehung zahlreicher Krankheiten kann mit dem Vordringen des Menschen in vormals unberührte Natur erklärt werden. Intensive Landnutzung, die Verbreitung von Monokulturen oder Rodungen von Wäldern führen zu einem Verlust der Artenvielfalt und verändern die Zusammensetzung der Säugetierpopulationen“, erklärt Dr. Sandra Junglen vom Institut für Virologie der Charité Universitätsmedizin Berlin. Weniger Artenvielfalt bedeute mehr Tiere einer Art im selben Lebensraum. „Wenn das Ökosystem derart aus dem Gleichgewicht gerät, können sich Infektionskrankheiten besser verbreiten.“ Werden Ökosysteme zerstört, überleben Junglen zufolge vor allem jene Arten, die „Generalisten“ seien. „Das Fatale daran ist, dass wenn sich diese Generalistenarten ausbreiten, dass sich mit ihnen auch die Erreger stark ausbreiten und vermehren und das sind eben genau auch die Erreger, die häufig sehr anpassungsfähig sind“, sagte sie auf der Pressekonferenz. Das heißt jene Erreger, die dann auf den Menschen übertragbar sind.

Artenvielfalt und funktionierende Ökosysteme können vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten schützen, betont Junglen. Das unterstrich auch Professor Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). „Der weltweite Stand der Wissenschaft ist trotz offener Fragen eindeutig: Der Erhalt intakter Ökosysteme und ihrer typischen Biodiversität kann das Auftreten infektiöser Krankheiten generell reduzieren. Wir Menschen sind von funktionierenden, vielfältigen Ökosystemen abhängig. Mit der Zerstörung von Ökosystemen zerstören wir auch unsere Lebensgrundlage wie die Corona-Epidemie zeigt. Darum müssen wir uns gemeinsam für einen transformativen Wandel unserer Gesellschaft zum Schutz unserer Lebensgrundlagen einsetzen“, fordert Settele, der auch Ko-Vorsitzender des Globalen Berichts des Weltbiodiversitätsrats IPBES ist, einem zwischenstaatlichen Wissenschaftsgremium zum Thema Artenvielfalt. Schulze sagte, sie würde es begrüßen, wenn IPBES den globalen Wissensstand zu diesen Fragen sammeln, aufarbeiten und der Politik weltweit zur Verfügung stellen würde. „Denn die Weltgemeinschaft hat nach der Pandemie die Chance, eine neue globale Biodiversitätsstrategie zu beschließen – und so zu zeigen, dass sie aus den Pandemien der Vergangenheit gelernt hat.“

Schulze räumte ein, dass zunächst die akute Krisenbekämpfung anstehe. „Aber es wird eine Zeit nach der Pandemie geben. Spätestens dann sollten wir die Ursachen dieser Krise verstanden haben, um für die Zukunft besser vorbeugen zu können.“ Die Wissenschaft zeige, dass die Naturzerstörung die Krise hinter der Coronakrise sei. Umgekehrt sei eine gute Naturschutzpolitik, die vielfältige Ökosysteme schützt, eine wichtige Gesundheitsvorsorge gegen die Entstehung neuer Krankheiten.“ Schulze verwies auf den Einfluss unserer Lebensweise. Es gehe nicht nur darum, dass Wildtiere künftig den Platz und die vielfältigen Ökosysteme hätten, die sie bräuchten, um einen gesunden Abstand zum Menschen halten zu können. Auch eine nachhaltige Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft spiele eine Rolle. Schulze nannte als Beispiel die deutschen Sojaimporte aus Lateinamerika. Für den Anbau würden dort Wälder gerodet und Lebensräume zerstört. „Es ist nicht nur so, dass in China oder in Afrika etwas getan werden muss, sondern es ist ein Problem, das wir auch mit auslösen und wo wir auch Teil der Lösung sein müssen“, sagte Schulze. Gerade Deutschland müsse einen Beitrag leisten, etwa über eine nachhaltige Agrarpolitik oder über nachhaltige globale Lieferketten.“ (ab)

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