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25.02.2020 |

Agrochemiekonzerne verdienen Milliarden mit hochtoxischen Pestiziden

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Hochtoxische Pestizide werden vor allem in Entwicklungsländern abgesetzt (Foto: CC0)

Die großen Agrochemiehersteller machen mehr als ein Drittel ihres Hauptumsatzes mit Pestiziden, die für Mensch, Umwelt und Bienen hochgiftig sind – und dies vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern und häufig mit Substanzen, die in Europa schon längst vom Markt genommen wurden. Das geht aus einer Studie hervor, die von der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye und der zu Greenpeace UK gehörenden Rechercheabteilung „Unearthed“ am 20. Februar vorgelegt wurde. Sie stützt sich auf Daten der auf die Branche spezialisierten Firma Phillips McDougall und nimmt die fünf Chemieriesen BASF, Bayer Crop Science, Corteva Agriscience, FMC und Syngenta unter die Lupe, die zusammen über 65% des globalen Pestizidmarktes kontrollieren. Dieser wird für 2018 auf 57,6 Milliarden US-Dollar geschätzt und die fünf Konzerne setzten davon insgesamt 23,3 Milliarden US-Dollar um – da der Datensatz somit nur etwa 40% der weltweiten Agrochemie-Verkäufe umfasst, handle es sich um „äußerst konservative Schätzungen“, wie die Herausgeber betonen. Die Umsatzdaten wurden mit der Schwarzen Liste des internationalen Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN) abgeglichen, die Risikobewertungen von Behörden und anerkannten Institutionen zusammenführt.

Die Resultate der Analyse zeigen, dass die fünf Unternehmen 2018 mit ihren Bestsellern und auf den größten Märkten gemeinsam 13,4 Milliarden US-Dollar Umsatz machen. 35% dieser Pestizidumsätze oder 4,8 Milliarden US-Dollar weltweit machten sie mit Substanzen, die als hochgefährliche Pestizide (HHPs) eingestuft werden und Mensch und Umwelt schaden. In Ländern mit mittleren oder niedrigen Einkommen machten hochgefährliche Pestizide etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Davon entfallen 3 Milliarden oder 22% am Gesamtumsatz auf chronisch toxische Produkte, die sich langfristig auf die menschliche Gesundheit negativ auswirken können. An der Spitze der Liste stehen Stoffe, die als „für Menschen wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft sind und 2018 rund 13% des Gesamtumsatzes der fünf Konzerne ausmachten, sowie Substanzen, die das Fortpflanzungssystem und die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen können, wie etwa Chlorothalonil und Chlorpyrifos.

Zudem erzielten die fünf Konzerne 4% ihrer Umsätze oder etwa 600 Millionen US-Dollar mit Pestiziden, die für Menschen akut giftig sind. Diese hochtoxischen Pestizide verursachen jährlich rund 25 Millionen Fälle akuter Vergiftungen, der Löwenanteil in Entwicklungsländern, wovon 220.000 Fälle tödlich enden. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 1990 – da der Pestizideinsatz in Entwicklungsländern in den letzten 30 Jahren explosionsartig zugenommen hat, schätzen Experten die aktuelle Zahl der Vergiftungen höher ein. Die meistverkaufte Substanz ist ein Insektizid von Syngenta, Lambda-Cyhalothrin, das von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) als „tödlich bei Einatmung“ eingestuft wird, aber auch noch in der EU zugelassen ist. An zweiter Stelle folgt Paraquat, ein Herbizid, das wegen seiner „hohen akuten Toxizität“ in der EU 2007 vom Markt genommen wurde.

Die fünf Konzerne generierten 2018 zudem 10% ihrer Hauptumsätze oder etwa 1,3 Milliarden US-Dollar mit Stoffen, die für Bienen hochgiftig sind; darunter Neonikotinoide, die mitverantwortlich für den globalen Rückgang vieler Bestäuber gemacht werden. Syngenta ist mit fast der Hälfte dieser Verkäufe führend. Die Verkaufsschlager in dieser Kategorie sind Thiamethoxam von Syngenta und Imidacloprid von Bayer, zwei Neonikotinoide, die nach einem langen Rechtsstreit 2018 von EU-Äckern verbannt wurden. Der Studie zufolge verkauften die Konzerne 37 weitere Pestizide, die als hochgiftig für Bestäuber gelten. „Es ist beschämend, wie sich die chemische Industrie den Diskurs der nachhaltigen Entwicklung aneignet, während sie gleichzeitig ein alles andere als nachhaltiges Geschäftsmodell verfolgt“, kritisiert Baskut Tuncak, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und toxische Substanzen.

Die Analyse zeigt auch, dass die Konzerne in Entwicklungs- und Schwellenländer fast 60% ihrer Verkäufe mit hochgefährlichen Pestiziden erzielen. Die Konzerne nutzen schwache Regulierungen in Ländern wie Brasilien oder Indien, um dort weiterhin Produkte verkaufen zu können, die in der EU bereits verboten sind. „Wenn ein Pestizid in Europa gefährlich ist, dann wird es nicht auf wundersame Weise sicherer in Indonesien oder in Angola, wo diese Pestizide dann hingehen“, sagte Tuncak im Interview mit dem Magazin Monitor, das über die Studie berichtete. „Die Firmen sollten sich schämen, dass sie weiterhin behaupten, sie seien nachhaltig, während sie derart unethisch und unmoralisch handeln.“ Die verantwortungslose Praxis der Agrochemiekonzerne sei ein Verrat gegenüber ihren eigenen Versprechen, sich für eine nachhaltigere Landwirtschaft einsetzen zu wollen. Er und die Herausgeber der Studie fordern verbindliche Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Pestizidkonzerne weltweit die Menschenrechte achten und Umweltschäden vermeiden. „Wir wissen, dass freiwillige Vereinbarungen auf internationaler Eben nicht wirken. Für hochgefährliche Pestizide haben sie seit Jahren nicht gewirkt“, so Tuncak. (ab)

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