Nachrichten

03.05.2015 |

Klimawandel: jede sechste Tier- und Pflanzenart vom Aussterben bedroht

Frosch
Amphibien vergeht das Lachen (Foto: Yamanaka Tamaki/flickr)

Der Klimawandel wirkt sich fatal auf die biologische Vielfalt aus: Wenn die Menschheit weitermacht wie bisher, wird jede sechste Art vom Aussterben bedroht sein. Zu diesem Ergebnis gelangte der Ökologe Dr. Mark Urban von der Universität Connecticut nach Auswertung von 131 wissenschaftlichen Studien. Das größte Risiko für die Tier- und Pflanzenvielfalt besteht in Südamerika, gefolgt von Australien und Neuseeland, schreibt er im Fachjournal Science. In Nordamerika und Europa hingegen seien weniger Arten gefährdet. Zu diesen Regionen liegen die meisten Studien vor, während zu Asien beispielsweise die Forschungsergebnisse eher dünn gesät sind und weitaus mehr Arten betroffen sein könnten als bisher bekannt. „Vielen Arten wird es gelingen, ihre Verbreitungsgebiete zu verlagern und dem Klimawandel zu trotzen, während andere dies nicht können, da ihr Habitat verschwunden sein wird oder weil sie ihren Lebensraum nicht mehr erreichen können“, erläutert Dr. Urban. Der US-Wissenschaftler bewertete in seiner Analyse, wie der Temperaturanstieg, die geografische Region oder die taxonomische Zugehörigkeit einer Art deren Aussterberisiko beeinflussen und inwiefern sich die verwendeten Modelle und Annahmen, z.B. bezüglich der Temperaturen, auf das Ergebnis auswirkten. Aussagen darüber, wie hoch der Anteil der bedrohten Arten ist, schwanken und reichen je nach Studie bis zu 54% aller Arten. Im Schnitt gehen die Modelle von einem Artenverlust von 7,9% aus - mit steigenden Temperaturen erhöht sich jedoch das Aussterberisiko. Gelingt eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, steigt das Aussterberisiko von derzeit 2,8% auf 5,2%. Bei drei Grad wären bereits 8,5% aller Arten betroffen. „Wenn die Menschheit keine gemeinsamen Anstrengungen unternimmt, um die Treibhausgasemissionen zu kontrollieren und zulässt, dass sich die Erde weiter beträchtlich aufheizt, steht uns ein potentieller Verlust von jeder sechsten Art bevor“, so Urban. Der dann zu erwartende Anstieg um 4,3 Grad würde das Aus für 16% aller Arten bedeuten. Endemische Arten – also solche, die nur in einem eng umgrenzten Gebiet vorkommen – seien besonders stark gefährdet. Die taxonomische Zugehörigkeit einer Art – etwa ob es sich um ein Amphibium oder einen Vogel handelt – habe dagegen keinen signifikanten Einfluss auf das Aussterberisiko, berichtet Urban weiter. Professor Thomas Hickler vom Senckenberg Forschungszentrum Biodiversität und Klima bezeichnete die Studie als gute Bestandsaufnahme des bisherigen Kenntnisstandes. Momentan sei der Klimawandel jedoch nicht die größte Gefahr für die Tier- und Pflanzenvielfalt: „Derzeit tragen vor allem die Habitatzerstörung, aber auch die Überdüngung und die Invasion fremder Arten maßgeblich zum globalen Artensterben bei“, so Hickler. (ab)

30.04.2015 |

Kolumbiens Gesundheitsministerium fordert Verzicht auf Glyphosat

Spraying
Glyphosat wird in Kolumbien aus der Luft versprüht (Foto: Roger Smith/flickr.com)

Das kolumbianische Gesundheitsministerium fordert ein sofortiges Ende des Einsatzes von Glyphosat aus der Luft zur Eindämmung des Koka-Anbaus. Damit reagierte die Behörde auf die Einstufung des Herbizids als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ durch die Weltgesundheitsorganisation WHO im März. Am Montag betonte das Ministerium in einer Mitteilung, es sei durch ein Urteil des Verfassungsgerichts gehalten, zum Schutz der Bevölkerung das Vorsorgeprinzip zu beachten. Die Entscheidung der WHO sei „eine unausweichliche Warnung vor möglichen Gesundheitsgefahren“, betonte der zuständige Minister Alejandro Gaviria. Der Einsatz von Glyphosat auf den illegalen Kokaplantagen ist seit Jahren Teil der Strategie der US-Regierung und Kolumbiens im Kampf gegen die Drogen. Das kolumbianische Militär oder US-amerikanische Auftragnehmer sprühen das Gift auf die Kokapflanzen und zerstören so deren Blätter, die zur Herstellung von Kokain genutzt werden können. Die britische Zeitung The Guardian berichtet, dass in den letzten beiden Jahrzehnten 1,6 Millionen Hektar Land besprüht wurden. Der Pestizidregen aus der Luft trifft jedoch nicht nur die Kokasträucher, sondern zerstört auch die Nahrungspflanzen vieler Kleinbauern in der Gegend und damit deren Lebensgrundlage. Auch mit der Regierung Ecuadors liegt Kolumbien im Clinch: Das Nachbarland verklagte Kolumbien 2008 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, da durch die Sprühaktionen in Grenznähe auch in Ecuador Ackerpflanzen, Böden, Gewässer und die Gesundheit der Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wurden. 2013 stimmte Kolumbien einer Zahlung in Höhe von 15 Millionen US-Dollar zu und versprach, einen 10-Kilometer-Abstand zur Grenze einzuhalten. Auf die Empfehlung des Gesundheitsministeriums muss nun Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos reagieren. Die Regierung hat bereits für Mitte Mai ein Treffen des Nationalen Drogenrates einberufen. Generalstaatsanwalt Eduardo Montealegre, der neben einigen Ministern und anderen Entscheidungsträgern dem Rat angehört, unterstützt die Forderung des Gesundheitsministeriums: „Eines ist klar: Eine Abteilung der WHO hat festgestellt, dass der Einsatz von Glyphosat das Risiko birgt, bei der Bevölkerung Krebs hervorzurufen. Wenn man das Leben der Bürger gegen die Bekämpfung des organisierten Verbrechens abwägen muss, glaube ich, dass wir dem Leben der Menschen Vorrang einräumen müssen“, sagte Montealegre. (ab)

29.04.2015 |

EU-Parlament besiegelt lasches Limit für Biosprit aus Nahrungspflanzen

Deforestation
Indonesien: Rodung für Palmöl (Foto: Wakx/flickr.com)

Das EU-Parlament hat am Dienstag beschlossen, den Anteil von Biosprit aus Agrarrohstoffen auf 7% des Gesamtenergieverbrauchs im Verkehrssektor zu deckeln. Stattdessen will die EU künftig verstärkt auf Agrartreibstoffe aus Algen, Stroh oder Klärschlamm setzen. Mit der Abstimmung besiegelt das Plenum nun offiziell die informelle Einigung zwischen dem Umweltausschuss des EU-Parlaments und dem Ministerrat vom 14. April. Hintergrund ist das Ziel der EU, bis 2020 zehn Prozent der Energie im Transportbereich mit Agrartreibstoffen der ersten Generation abzudecken. Da dieser Anteil gegenwärtig bei etwa 5% liegt, kommt das 7%-Limit de facto einer Erhöhung gleich und liegt nur knapp unter den für das Jahr 2020 prognostizierten 8,6% ohne Begrenzung. Ursprünglich wollten die Parlamentarier mit einem Limit von 6% stärker auf die Bremse treten als die EU-Mitgliedsstaaten, die eine Deckelung auf 7% befürworten. Der finnische Berichterstatter und Europaabgeordnete Nils Torvalds reagierte zurückhaltend: „Wir hatten höhere Ziele, sowohl was die Reduktion der Treibhausgase angeht, als auch hinsichtlich des technologischen Fortschritts.“ Das sieht auch Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei der Entwicklungsorganisation Oxfam Deutschland so: „Die Entscheidung des Europaparlaments, den Schaden der Biospritpolitik zu begrenzen, geht nicht weit genug. Aufgrund der mächtigen Interessen der Biospritindustrie wurde die Reform immer weiter verwässert. Die Obergrenze von 7% erlaubt, dass der europäische Verbrauch im Vergleich zu heute noch um 50% steigen kann. Europa muss deshalb Biosprit, der mit Nahrungsmitteln konkurriert, komplett abschaffen.“ Auch der ursprüngliche Parlamentsvorschlag, indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) auf die CO2-Bilanz der Agrartreibstoffe anzurechnen, kam nicht durch. Kraftstofflieferanten und die EU-Kommission sollen nun lediglich jährlich über die indirekten Emissionen berichten. Das Hilfswerk Brot für die Welt warf dem EU-Parlament mangelnden Mut vor. Dessen Ernährungsexperte Bernhard Walter kritisierte die Regelung: „Wo vorher Nahrungsmittel wuchsen, werden nun auf den Äckern Biospritpflanzen angebaut, damit fehlen Nahrungsmittel. Stattdessen werden wertvolle Ökogebiete in Ackerflächen umgewandelt. Dies verschlechtert in den Anbauländern die Treibhausgasbilanz. Damit wird der ursprüngliche Gedanke mit Biosprit auch was fürs Klima zu tun in das pure Gegenteil umgewandelt. Auch führt der Importbedarf der EU für Biospritpflanzen in den Anbauländern zur Flächenkonkurrenz und Landkonflikten, bei denen Kleinbauern vertrieben werden können.“ Nun sei die Bundesregierung gefordert, da es im Ermessen der Mitgliedsstaaten liegt, eine niedrigere Obergrenze festzulegen. (ab)

28.04.2015 |

Frankreich sagt Lebensmittelverschwendung den Kampf an

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Ab damit in die Tonne? (Foto: hupdiggs/flickr.com)

Frankreich will entschlossen gegen die Lebensmittelverschwendung vorgehen und zum Beispiel Supermärkten verbieten, noch essbare Lebensmittel wegzuwerfen. Guillaume Garot, Abgeordneter der sozialdemokratischen Regierungspartei PS, legte am 14. April nach mehrmonatiger Arbeit Landwirtschaftminister Stéphane Le Foll und Umweltministerin Ségolène Royal einen ausführlichen Bericht vor. Er enthält einen Maßnahmenkatalog mit 36 konkreten Vorschlägen, die bald in Gesetzesform gegossen werden sollen. Damit möchte Frankreich bis 2025 die Lebensmittelverschwendung halbieren, die das Land jedes Jahr bis zu 20 Milliarden Euro kostet. Dem Bericht zufolge werden in Frankreich pro Kopf jährlich 82 bis 146 Kilo Lebensmittel weggeworfen, 16 Kilo davon in der Gastronomie, sechs Kilo in Supermärkten und 33 Kilo von den Verbrauchern – ganz zu schweigen von den Unmengen an Agrarerzeugnissen, die es gar nicht erst in den Handel schaffen. Frankreichs Haushalte verschwenden im Schnitt jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 400 Euro. „Aus ethischer, aber auch aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht ist die Verschwendung von noch essbaren Lebensmitteln einfach nicht mehr akzeptabel“, betont Guillaume Garot. Seine Vorschläge sehen vor, dass es Supermärkten künftig verboten werden soll, Lebensmittel zu entsorgen. Noch verzehrbare Lebensmittel sollen an Hilfsorganisationen und Tafeln gehen. In speziellen Regalen sollen vergünstigte Lebensmittel angeboten werden, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft. Zudem ist eine generelle Überarbeitung der Mindesthaltbarkeitsdatums geplant, um Missverständnissen vorzubeugen. Doch auch bereits verdorbene Lebensmittel, die wie die Zeitung Neues Deutschland berichtet in zahlreichen Supermarktketten bisher mit Chlor übergossen werden, sollen als Futtermittel Verwendung finden oder in Methan umgewandelt werden. Der Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln setze „einen tiefgreifenden Wandel unserer Produktions- und Konsumgewohnheiten“ und eine „kollektive Mobilisierung“ voraus, unterstreicht Garot. Und auch in der französischen Gastronomie soll ein Sinneswandel herbeigeführt werden. Restaurantgänger sollen künftig aktiv ermuntert werden, die Reste auf ihren Tellern mit nach Hause zu nehmen – eine bisher in vielen Restaurants undenkbare Praxis. Viele Franzosen wagen es nicht, den Kellner zu bitten, ihnen die Reste der Mahlzeit einzupacken, doch diese „kulturelle Hürde“ will Garot überwinden. (ab)

23.04.2015 |

Vorschusslorbeeren: Weißes Haus verleiht Preis an Väter des Goldenen Reis

Gold
Goldener und weißer Reis (Foto: IRRI Photos)

Die Erfinder des gentechnisch veränderten Golden Rice sind vom Weißen Haus mit dem „Patents for Humanity Award“ ausgezeichnet worden – zur Verärgerung zahlreicher Nichtregierungs- und Bauernorganisationen weltweit, die die Entscheidung als verspäteten Aprilscherz bezeichneten. Das dem Handelsministerium unterstellte Patentamt der Vereinigten Staaten (USPTO) verlieh den Preis an Professor Ingo Potrykus von der ETH Zürich und Professor Peter Beyer von der Universität Freiburg, die in den 1990er Jahren durch ihre Forschung die Grundlagen für den Gentechnik-Reis legten. Sie teilen sich die Auszeichnung mit Dr. Adrian Dubock, einst Mitarbeiter von Syngenta. Die Wissenschaftler verkauften das Patent an den Schweizer Agrarkonzern, der beteuert, im Falle einer Vermarktung des Reises von armen Bauern keine Gebühren zu verlangen. Der Reis wurde gentechnisch so verändert, dass er mehr Betacarotin produziert, welches im Körper in Vitamin A umgewandelt wird. Weltweit sterben jährlich 2-3 Millionen Kinder an den Folgen von Vitamin-A-Mangel, etwa 500.000 Kinder erblinden daran. Entwickelt wird der Reis vom Internationalen Reisforschungsinstitut (IRRI) auf den Philippinen, bisher jedoch mit dürftigem Erfolg: 2014 ruderte das IRRI zurück und kündigte an, dass noch mehr Forschung bis zur Marktreife nötig sei, da die Erträge deutlich niedriger ausfielen als bei von Bauern bereits verwendeten Reissorten. Mehr als 100 Millionen US-Dollar soll die Entwicklung bereits verschlungen haben. Die indische Umwelt- und Saatgutaktivistin Dr. Vandana Shiva wies darauf hin, dass der Goldene Reis in keinem Land der Welt getestet und zugelassen wurde: „Statt einen Preis einer Fiktion zu verleihen, sollte er an UNICEF und Regierungen gehen, die den Vitamin-A-Mangel durch die Verteilung von Vitamin A-Tabletten verringert haben. Er sollte an Frauen gehen, die Vitamin-A reiche Lebensmittel anbauen und kochen können, wenn sie das Saatgut und das Land für einen Garten hätten“, so Shiva. Während Befürworter den Gentechnik-Reis als effektives Mittel gegen Mangelernährung loben und Gegnern vorwerfen, ihr Widerstand sei für den Tod von Millionen Kindern verantwortlich, betonen zahlreiche Bauern-, Verbraucher- und Nichtregierungsorganisationen, Gentechnik-Reis sei der falsche Weg, um Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen. „Mikronährstoffmangel tritt meist bei Kindern aus armen Familien auf, die sich keine ausgewogene Ernährung leisten können. Golden Rice ist daher keine Lösung, stattdessen benötigen diese Menschen Zugang zu Ressourcen“, sagt kürzlich Dr. Chito Medina, der nationale Koordinator des bäuerlichen Saatgutnetzwerkes Masipag auf den Philippinen. Es gebe schon lange erfolgreiche und kostengünstige Programme zur Verteilung von Vitamin A-Tabletten. Langfristig sei jedoch die einzige Lösung der Zugang zu einer ausgewogenen Ernährung. (ab)

20.04.2015 |

Fruchtbare Böden: Basis für die Welternährung und nachhaltige Entwicklung

Soil
Eine Handvoll Boden (Foto: Pat Dumas/flickr.com)

Gesunde Böden sind die Grundlage der Lebensmittelproduktion und sollten eine Schlüsselstellung auf der politischen Agenda einnehmen. Das fordert das Eröffnungspodium der Global Soil Week, die am Montag in Berlin offiziell begann. Durch Versiegelung, Erosion und falsche Bewirtschaftung gehen jedes Jahr weltweit rund 24 Milliarden Tonnen fruchtbaren Bodens verloren. Meist unwiederbringlich, denn es dauert mehrere Generationen, um nur 1cm neu zu bilden. „Wir gehen mit Böden um, als ob es eine Ressource wäre, die wir im Kaufhaus noch kaufen könnten, und das ist nicht der Fall. Deswegen wollen wir alle verfügbaren Experten, aber auch Politiker und Zivilgesellschaft zusammenbringen, um dafür zu sorgen, dass wir die Böden in Zukunft nachhaltig bewirtschaften“, sagt Alexander Müller vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS). Das Institut richtet das viertägige Zusammentreffen von über 500 Experten aus aller Welt gemeinsam mit Partnern wie der UN-Welternährungsorganisation FAO oder der EU-Kommission aus. „Böden sind unerlässlich für die Ernährungssicherheit und bergen das Potenzial, die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Die Ressource Boden muss weltweit die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient“, forderte Moujahed Achouri, Leiter der FAO-Abteilung für Land und Wasser bei der Eröffnung. Unter dem Motto „Boden. Die Substanz der Transformation“ legt die Global Soil Week dieses Jahr den Schwerpunkt auf die Bedeutung von Land und Böden für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele. Die Sustainable Development Goals (SDGs) sollen im Herbst von der UN-Generalversammlung verabschiedet werden und die Ende 2015 auslaufenden Millenniums-Entwicklungsziele ablösen. Doch ein vom IASS vorgestelltes Papier warnt, dass die global vorhandene Landfläche nicht ausreicht, um den sich aus allen SDGs ergebenden Landbedarf zu decken wie sie im aktuellen Textentwurf stehen. Zwölf der 17 vorgeschlagenen Ziele beziehen sich nämlich auf die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, wie Land, Wasser und Biomasse. Ziel 2 zu Nahrungssicherung und nachhaltiger Landwirtschaft erfordere zudem zusätzliche Landflächen, ebenso wie Ziel 7 zur Energieversorgung, Ziel 12 zu Produktion und Konsum und Ziel 15 zur nachhaltigen Nutzung der Ökosysteme. Der hohe Landbedarf hierfür könne die künftige Verfügbarkeit von Land stark beeinflussen und die Erreichung der Ziele gefährden. Um alles unter einen Hut zu bekommen, müssen den Autoren zufolge bei der Umsetzung auf nationaler Ebene demokratische Wege gefunden werden, um die verschiedenen Bedürfnisse auszubalancieren. Doch auch Verbraucherinnen und Verbraucher könnten dazu beitragen, die wertvolle Ressource Boden zu schonen und weniger Land zu belegen - nicht nur durch die Wahl, was sie essen und konsumieren, sondern auch durch die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. (ab)

17.04.2015 |

Bodenlos: G7-Projekte zur Hungerbekämpfung verdrängen Kleinbauern

Tansania
Kleinbäuerin in Tansania (Foto: Neil Palmer/CIAT)

Die Neue Allianz für Ernährungssicherung der G7-Staaten birgt für Kleinbauern das Risiko von Hunger, Verschuldung und Landverlust. Darauf weisen INKOTA und FIAN Deutschland anlässlich des Tages der Landlosen am 17. April hin und fordern von der Bundesregierung den Ausstieg aus der Allianz. „Die wenigen Projekte der Neuen Allianz, die bisher bekannt wurden, fördern fast ausschließlich großflächige, agroindustrielle Landwirtschaft und Unternehmensinteressen auf Kosten der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern“, kritisiert INKOTA-Landwirtschaftsexperte Jan Urhahn. Zudem zeichnen sich die Projekte durch Intransparenz aus. Die Organisationen zeigen am Beispiel von Mosambik und Tansania, wie kleinbäuerliche Gemeinden vom Zugang zu Land und Wasser abgeschnitten werden und so ihre Ernährungs-sicherheit gefährdet statt gefördert wird. In Mosambik sieht das durch die Neue Allianz unterstützte Projekt der Agrarfirma Mozaco in den landwirtschaftlichen Wachstumskorridoren Nacala und im Zambeza-Tal vor allem den Anbau von Soja für den Export vor. Doch dadurch drohe Tausenden Kleinbauernfamilien der Verlust ihres angestammten Ackerlandes. In Tansania bewirtschaftet die schwedische Firma EcoEnergy eine 20.000 Hektar große Zuckerrohrplantage. Zwar seien einige der Betroffenen mit Ersatzland entschädigt worden, doch die Bodenfruchtbarkeit lasse zu wünschen übrig. Darüber hinaus müssten die Bauern zum Einstieg in das dazugehörige Vertragslandwirtschaftsprojekt pro Person Kredite über 16.000 US-Dollar aufnehmen. Dies übersteigt das Jahresgehalt eines Landarbeiters in Tansania um ein Vielfaches. „Die Verschuldungsspirale ist vorprogrammiert“, betont Gertrud Falk von FIAN. Den Organisationen zufolge trage die Bundesregierung nicht nur im Rahmen der Neuen Allianz zur einseitigen Förderung von Agrarunternehmen bei, sondern habe auch die Erarbeitung einer internationalen Erklärung der Rechte von Kleinbauern und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, im UN-Menschenrechtsrat gebremst und bei der letzten Sitzung der zuständigen Arbeitsgruppe durch Abwesenheit geglänzt. „Angesichts der zunehmenden Verletzungen des Rechts auf Nahrung und Wasser von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durch staatlich geförderte Projekte der Agrarindustrie, muss die Bundesregierung ihrer Rolle als Vorsitzende des UN-Menschenrechtsrats gerecht werden und die Erarbeitung dieser Erklärung deutlich unterstützen“, fordert Gertrud Falk. Am 17. April wird mit unzähligen Demonstrationen und solidarischen Aktionen weltweit der Unterdrückung und Diskriminierung der ländlichen Bevölkerung gedacht und ihr Widerstand gefeiert. Die internationale Kleinbauernbewegung La Via Campesina mobilisiert seit 1996 zu Ehren von 19 ermordeten landlosen Bauern in Brasilien zu diesem Tag. 2015 stellt der Aktionstag insbesondere die Auswirkungen von transnationalen Unternehmen und Freihandelsabkommen für die (klein-)bäuerliche Landwirtschaft und Ernährungssouveränität in den Mittelpunkt. (ab)

16.04.2015 |

Brasiliens Krebsinstitut warnt vor Gesundheitsgefahren durch Pestizide

Brasilien
Gewohntes Bild in Brasilien (Foto: Claus Isenberg/flickr.com)

Brasiliens Krebsinstitut INCA hat eine konsequente Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft gefordert und den Gentechnik- Anbau für den explosionsartigen Anstieg des Ackergiftverbrauchs verantwortlich gemacht. Das dem Gesundheitsministerium unterstellte Institut warnte am 8. April öffentlich vor langfristigen Gesundheitsfolgen – nur wenige Tage, nachdem die WHO-Krebsforschungsagentur das Herbizid Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für Menschen“ eingestuft hatte. Brasilien ist Weltmeister im Pestizidverbrauch: Mehr als eine Million Tonnen landen alljährlich auf Äckern und Sojafeldern. Nun mahnte das INCA eine schrittweise und stetige Senkung des Giftverbrauchs an. Mit dem Appell will das Institut aufklären und Krebsfälle verhindern. „Das INCA positioniert sich eindeutig nicht unbegründet oder aus ideologischen Motiven. Das Institut folgt wissenschaftlichen Belegen, die Ergebnis der Arbeit seines Teams und von Wissenschaftlern weltweit sind“, erklärt Professor Luiz Felipe Ribeiro Pinto. Während in Brasilien 2001 der Umsatz mit Agrargiften noch 2 Milliarden US-Dollar betrug, waren es 2011 bereits 8,5 Milliarden. Pro Einwohner werden jedes Jahr im Schnitt 5,2 Liter versprüht. „Wir müssen uns erinnern, dass der Pestizideinsatz in zehn Jahren explodiert ist. Wenn wir bedenken, dass Krebs 20 oder 30 Jahre nach der Exposition auftritt, werden die Menschen die Folgen des enormen Anstiegs beim Pestizidverbrauch in etwa 15 bis 20 Jahren spüren“, so Pinto. Die Ursachen für den Anstieg benennt INCA klar: „Die Einführung von gentechnisch verändertem Saatgut in Brasilien war einer der Hauptgründe, warum das Land im internationalen Vergleich den ersten Platz beim Pestizidverbrauch einnahm, denn der Anbau von GVO erfordert große Mengen dieser Produkte.“ Bedenklich sei, dass in Brasilien die Gifte per Flugzeug aus der Luft ausgebracht werden und auch Pestizide genutzt werden, die andernorts längst verboten sind. Besonders gefährdert seien Menschen, die durch ihre Arbeit direkten Kontakt mit den Giften haben. Akute Vergiftungen äußern sich durch Hautirritationen, Augenbrennen, Erbrechen, Durchfall und Atembeschwerden, während chronische Vergiftungen wie Unfruchtbarkeit, Impotenz, Fehlgeburten oder Krebs erst viel später auftreten und der Nachweis schwierig sei. Dem Institut zufolge sind weite Teile der Bevölkerung Pestizidrückständen in Lebensmitteln ausgesetzt. Die Gesundheitsbehörde Anvisa hatte in ihren letzten Proben in zahlreichen Lebensmitteln Rückstände ermittelt, die deutlich über den zugelassenen Höchstmengen lagen oder von nicht zugelassenen Pestiziden stammten. Nicht nur in Obst und Gemüse, sondern auch in industriell verarbeiteten Lebensmitteln wie Keksen, Brot oder Pizza sowie in Fleisch und Milch seien Rückstände festgestellt worden. Aus Angst dürfe die Folge aber nicht der Verzicht auf Obst und Gemüse sein: „Im Mittelpunkt muss der Kampf gegen den Pestizideinsatz stehen, der alle Quellen unserer lebenswichtigen Ressourcen wie Nahrung, Böden, Gewässer, Muttermilch und Luft verschmutzt“, schreibt das Institut. „Statt dem vorherrschenden Agrarmodell unterstützt das INCA eine agrarökologische Erzeugung“, denn „dieses Modell verknüpft die Produktion mit der Bewahrung der Biodiversität und anderer lebenswichtiger natürlicher Ressourcen." Die agrarökologische Lebensmittelproduktion liefere Produkte, die frei von Pestiziden sind und erhalte so das ökologische Gleichgewicht, stärke die Landwirte und schütze die Natur. (ab)

14.04.2015 |

Revolution auf dem Teller: Europas Bürger setzen auf lokale Ernährungssysteme

Prag
Bauernmarkt in Prag (Foto: Tomas Kohl/flickr.com)

Bürger und Gemeinden in Europa erobern Schritt für Schritt die Kontrolle über das Ernährungssystem von der Agrarindustrie zurück und bestimmen wieder selbst darüber, wo, wie und von wem ihre Lebensmittel angebaut werden. Das ist die frohe Botschaft eines am Montag veröffentlichten Berichts der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Europe. Dieser zeigt auf, wie die Globalisierung der Lebensmittelproduktion zu einem Monopol im Agrarsektor geführt hat: Wenige Konzerne beherrschen die Lebensmittelkette und kontrollieren Saatgut, Agrochemikalien sowie Verarbeitung, Transport und Verkauf von Lebensmitteln. 2011 beherrschten Edeka, Rewe, Aldi sowie die Schwarz Gruppe mit Kaufland und Lidl rund 85% des Marktes, in Portugal hatten nur drei Einzelhändler einen Marktanteil von 90%. Lange und unübersichtliche Lieferketten bewirken, dass viele Menschen nicht mehr wissen, was sie genau essen und woher ihre Lebensmittel stammen. Doch dem Bericht zufolge machen sich immer mehr Menschen Gedanken über die Auswirkungen ihrer Essgewohnheiten und steuern um. Bauernmärkte, Hofläden, Solidarische Landwirtschaft (CSA) und andere Projekte schießen wie Pilze aus dem Boden und knüpfen neue Bande zwischen Produzenten und (städtischen) Konsumenten. Diese Initiativen betrachten die Autoren als Ausdruck einer wachsenden Basisbewegung, die lokale Nahrungsketten fördert, welche nachhaltig produzierte Lebensmittel aus kleinbäuerlicher Erzeugung – auch genannt agrarökologische Landwirtschaft – liefern. Anhand von fünf Beispielen zeigt der Bericht Wege auf, wie Gemeinschaften nachhaltige Erzeuger unterstützen und die lokale Wirtschaft wieder beleben können. In Italien etwa gibt es die Bewegung der Gruppi di Acquisito Solidale (GAS) – Konsumentengruppen, die gemeinsam und direkt bei lokalen Erzeugern einkaufen. In den letzten 10 Jahren nahm ihre Zahl rapide zu: Mittlerweile bestehen rund 2000 dieser Gruppen, die gemeinsam einen Jahresumsatz von 90 Millionen Euro verzeichnen. In Nordspanien haben drei Geflügelbauern die bäuerliche Kooperative Avicultura Campesina mit eigenem Schlachthaus gegründet und behalten so die Versorgungskette vom Hof bis zum Teller ohne Zwischenhändler in der Hand. Ein weiteres Beispiel sind Bauernmärkte in Tschechien: Seit der erste Markt 2009 in Prag eröffnete, stieg die Nachfrage nach regionalen Produkten stetig. Nach nur zwei Jahren war die Zahl der Bauernmärkte in der Hauptstadt schon auf 13 angewachsen. Laut Jana Spilkovà, einer Assistenzprofessorin an der Karlsuniversität in Prag “illustrieren sie den Beginn einer spürbar neuen Verbraucher- und Erzeugerkultur”. Friends of the Earth appelliert daher an politische Entscheidungsträger, die Vorteile kurzer Lebensmittelketten für die Menschen und die Umwelt anzuerkennen und diese in mehreren Politikbereichen zu unterstützen, einschließlich der Gesundheits-, Umwelt-, Handels- und Agrarpolitik. Das Fazit des Berichts: „Lokal hergestellte und erschwingliche agrarökologische Lebensmittel sollten das Rückgrat eines Ernährungssystems bilden, das unsere Ernährungssouveränität stärkt. Das Modell ‘Weiter wie bisher’ kann künftig keine Option für ein gut funktionierendes Ernährungssystem sein.” (ab)

09.04.2015 |

Umweltbundesamt fordert zügige Ausweitung des Ökolandbaus auf 20%

Dünger
Zu viel Gülle schadet (Foto: chesbayprogram/flickr.com)

Das Umweltbundesamt (UBA) hat eine stärkere Ausweitung des Ökolandbaus in Deutschland gefordert, um die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft zu verringern und die Nachfrage nach Bioprodukten decken zu können. „Ein Anteil von 20 Prozent Öko-Landbau ist dringend notwendig“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger der taz. In einer neuen Studie beleuchtet die Behörde die Umweltfolgen, die der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in der industriellen Landwirtschaft mit sich bringt. Seit Jahren stagniere der Stickstoffüberschuss mit 97 kg N/ha auf hohem Niveau. Die Nitrat-Belastung des Grundwassers und die Eutrophierung von Gewässern sei vor allem der intensiven Stickstoffdüngung anzulasten. Durch Pflanzenschutz- und Düngemittel werden zudem Schwermetalle, Schadstoffe und Arzneimittel aus der Intensivtierhaltung in die Umwelt emittiert. Laut UBA war die deutsche Landwirtschaft 2012 für 7,5% der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich und liegt damit nach der Energieerzeugung mit 84% auf dem zweiten Platz. Eine Lösung sei mehr Ökolandbau. „Die ökologische Landwirtschaft entlastet Grund- und Oberflächengewässer, weil keine mineralischen Stickstoffdünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen. Stickstoffüberschüsse werden weitestgehend vermieden, da die Tierhaltung an die vorhandene Betriebsfläche gebunden ist. Vielfältige Fruchtfolgen und der Anbau stickstoffbindender Pflanzen fördern nicht nur die Artenvielfalt und sorgen für Humusanreicherung, sie wirken sich zusätzlich auch positiv auf das Klima aus, weil auf energieintensive Mineraldünger verzichtet wird. Auch Antibiotika werden in der Öko-Tierhaltung seltener und nur in Einzelfällen angewendet“, so das eindringliche Plädoyer des UBA. Doch derzeit wird nur 6,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet. Die Bundesregierung hatte zwar im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie eine Ausweitung des Ökolandbaus auf 20% der landwirtschaftlich genutzten Fläche verkündet. Einst sollte dies bis 2010 geschehen, nun gibt es keine konkrete Jahresvorgabe. Bei einem „Weiter wie bisher“ würde es nach UBA-Berechnungen noch bis zum Jahr 2070 dauern, bis das 20-Prozent-Ziel erreicht ist. Am geringen Interesse der Verbraucher liegt es nicht: Die Biobranche verbuchte 2014 ein Umsatzplus von 4,8%, das Marktvolumen betrug 7,91 Milliarden Euro. Da die Nachfrage nach Ökoprodukten schneller als die Anbaufläche wächst, werden immer mehr Bioprodukte importiert. „Wenn einheimische Ökonachfrage mit ausländischer statt einheimischer Ökoproduktion gedeckt wird, bleiben die mit der Ökoproduktion verbundenen Umweltleistungen sowie die Chancen auf Wertschöpfung im ländlichen Raum Deutschlands ungenutzt“, warnt die Studie. Doch es mangle an finanzieller Unterstützung für eine Umstellung auf Ökolandbau: „Viele Landwirte sind nur dann bereit auf eine ökologische Wirtschaftsweise umzustellen, wenn die Förderung ausreicht und verlässlich ist. Hierfür sollten entsprechende Anreize gesetzt und für Planungssicherheit gesorgt werden." Als weitere Maßnahme fordert das UBA die Erhöhung der Mittel für die Ökolandbauforschung von derzeit 2,2 % zumindest auf das Niveau des Ökoflächenanteils und wenigstens rund 7% der Agrarforschungsgelder. (ab)

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