Gift und Gentechnik auf Argentiniens Soja- feldern: Der Kampf der Mütter von Ituzaingó

Reduzieren gentechnisch veränderte Sorten den Pestizideinsatz? In Argentinien wächst heute auf 20 Millionen Hektar Gentechnik-Soja, vor allem für den Export nach China und Europa. 335 Millionen Liter Pestizide kamen 2011 auf argentinischen Äckern zum Einsatz – fast neun Mal so viel wie im Jahr 1990. In den ersten Jahren des Anbaus von Gentechnik-Soja ab 1996 blieb der Pestizideinsatz zunächst konstant, seit 2002 schnellte er dramatisch in die Höhe. Am häufigsten wird das von der Firma Monsanto unter dem Namen Roundup vertriebene Herbizid Glyphosat versprüht. Waren 1996 noch drei Liter je Hektar üblich, liegt der Durchschnitt heute bei 12 Litern, in manchen Gebieten noch weit darüber. Immer mehr Unkräuter wurden unter dem Dauerregen resistent gegen das Gift.

Das Viertel Ituzaingó Anexo am Rande von Córdoba ist fast vollständig von Sojafeldern umgeben. Seit ihre Tochter 1998 drei Tage nach der Geburt an einer Nierenmissbildung starb, hegte Sofía Gatica den Ver- dacht, der Glyphosat-Einsatz vor ihrer Haustür könne damit in Verbindung stehen. Als sie von immer mehr Nachbarn erfuhr, die an Krebs, Atemwegs- und Haut- erkrankungen litten und missgebildete Kinder zur Welt brachten, gründete sie 2001 mit anderen betroffenen Frauen die Madres de Ituzaingó und dokumentierte systematisch die Erkrankungen in der Nachbarschaft.

Bis 2010 wurden unter den rund 6000 Bewohnern des Viertels 193 Krebsfälle diagnostiziert, ein Vielfaches des Landesdurchschnitts. Ein von Präsidentin Cristina Kirchner in Auftrag gegebener Bericht belegte, dass 33% der Bewohner von Ituzaingó an Krebs sterben und bei 80% der Kinder gleich mehrere Agrochemi- kalien im Blut nachweisbar sind. Zahlreiche Neugebo- rene kamen mit Hasenscharte, ohne Kieferknochen, ohne Daumen oder mit sechs Fingern zur Welt. Dies deckt sich mit Erkenntnissen des argentinischen Forschers Andrés Carrasco, der in Tierstudien eine hohe Embryotoxizität von Glyphosat feststellte.

Aufgrund des Drucks der Mütter von Ituzaingó wurden 2012 erstmals ein Sojafarmer und der Pilot eines Sprühflugzeuges verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie durch das Ausbringen von Agrochemikalien aus der Luft die Gesundheit der Bewohner gefährdet hatten. Für ihr Engagement erhielt Sofía Gatica 2012 den renommierten Goldman Environmental Prize – aber auch Morddrohungen; zuletzt 2013, als sie und ihre Mitstreiterinnen den Protest und eine Blockade in Malvinas Argentinas nahe Córdoba organisierten, wo sich die Bevölkerung gegen den Bau einer Aufbereitungsanlage für Gentechnik-Mais durch Monsanto zur Wehr setzt. Eins ist sicher: Die Mütter von Ituzaingó werden so schnell nicht locker lassen.

Weltspiegel-Bericht

Weltspiegel: Argentinien: Wo Soja- Plantagen die Menschen krank machen

Video: Mütter von Ituzaingó

Englischer Kurzbericht

Die SZ zeigt eine traurige Fotostrecke aus Argentinien, mehr Bilder bei AP

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