30 Jahre Agrarökologie und das „Null Hunger“-Programm in Brasilien

CAPA, das Centro de Apoio ao Pequeno Agricultor, wurde 1978 als Beratungsorganisation für Klein- bauern im Süden Brasiliens von der evangelischen Kirche als Reaktion auf die „Grüne Revolution“ gegründet. Viele der dort im 19. Jahrhundert aus Deutschland eingewanderten Kleinbauernfamilien konnten aus finanziellen Gründen oder wollten aus ethischen Erwägungen dem industriellen Wachs- tumsmodell mit seinen Monokulturen und Agrargiften auf ihren 1-20 Hektar großen Betrieben nicht folgen.
CAPA setzte auf das, was wir heute als Agrarökologie, biologischen Landbau und Ernährungssouveränität kennen. Zunächst von den Pfarrern in Not geratenen Familien empfohlen, ist CAPA heute eine unabhängige Organisation mit 52 Mitarbeiterinnen, die etwa 7000 Familien beraten. CAPAs erstes Prinzip ist, dass sich jede Familie zunächst selbst ernähren kann und eine entsprechende Vielfalt auf ihrem Land kultiviert. Das zweite Prinzip ist, jedem Produzenten einen eigenen Marktzugang zu verschaffen, um zusätzlich Einkommen zu erwirtschaften. Die Kleinbauern hatten mit dem Anbau von Cash Crops ja nicht nur negative Erfahrungen gemacht und sagten: „Natürlich können wir agrarökologisch produzieren, aber wo ist der Markt für diese Produkte? Den brauchen wir, um unseren Lebensstandard zu verbessern.“

CAPA entwickelte verschiedene Vermarktungswege für agrarökologische Produkte, zunächst vor allem durch Kooperativen und Bauernmärkte.
Im Jahr 2000 überzeugten sie die Regionalregierung in São Lourenço südlich von Porto Alegre, ein Pilotprojekt zu starten, bei dem das staatlich geförderte Schulessen ausschließlich mit Erzeugnissen aus agroökologischer Kleinbauern-produktion vor Ort gekocht wurde. Diesem Ansatz, zugleich gesunde Ernährung und faire Preise für die Bauern vor Ort zu fördern, verhalf später die Regierung Lula mit Fome Zero, dem „Null Hunger“- Programm, und einem neuen Schulspeisungsprogramm landesweit zum Durchbruch.

Die Zutaten für mindestens 30 Prozent der heute 47 Millionen Schul- und Kindergartenspeisungen am Tag müssen von den rund 4,3 Millionen Kleinbauern des Landes vor Ort eingekauft werden. Wo CAPA aktiv ist, stammen häufig 100 Prozent von Kleinbauern. Verkaufsobergrenzen machen die Belieferung nur für Kleinproduzenten attraktiv. Viele Bauern und Bäuerinnen liefern direkt an die Schulen und beteiligten sich auch am Kochen.
Gesundes Schulessen braucht Vielfalt, genau wie die Selbstversorgung der Höfe. Kindergärten und Schulen sind so zu wichtigen Absatzmärkten für Kleinbauern geworden und auch für das damit verbundene Konzept der Ernährungssouveränität.

Ein Blick über den Tellerrand

Was Deutschland von Brasiliens Schulessensprogramm lernen könnte. Ein Artikel von Stig Tanzmann

Rede von Daniele Schmidt Peter von CAPA zum Anhören oder Nachlesen

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