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02.05.2024 |

Erdüberlastungstag 2024: Deutschland überzieht ab 2. Mai Ressourcenbudget

Tagebau
Der deutsche Ressourcenhunger ist groß (Foto: CC0, Pixabay)

Schon wieder ist deutscher Erdüberlastungstag: Die Bundesrepublik hat schon am 2. Mai die in diesem Jahr nachhaltig nutzbaren natürlichen Ressourcen verbraucht und lebt die restlichen 243 Tage wieder auf Kosten anderer Länder und künftiger Generationen. Darauf machen mehrere deutsche Nichtregierungsorganisationen aufmerksam. Sie stützen sich auf Daten des „Global Footprint Network“, einer internationalen Forschungsorganisation, die das Datum alljährlich basierend auf Daten der National Footprint and Biocapacity Accounts neu berechnet. Diese werden von der York University, Toronto mitgepflegt und stützen sich unter anderem auf UN-Datensätze. Das Netzwerk berechnet sowohl den globalen Erdüberlastungstag als auch nationale Overshoot Days. Deutschland ist dieses Jahr zwei Tage früher dran als im Vorjahr. „Es ist doppelt ungerecht: Während die Menschen im Globalen Süden viel weniger Rohstoffe verbrauchen und Emissionen verursachen, leben wir immer früher im Jahr auf Kosten der Menschen im Globalen Süden und unserer Kinder,“ beklagt Lara Louisa Siever, Referentin für Rohstoffpolitik, Wirtschaft und Menschenrechte bei der entwicklungspolitischen Organisation INKOTA. „Das müssen wir ändern und endlich unseren enormen Verbrauch reduzieren.“

Zur Berechnung des Erdüberlastungstages werden zwei Größen verglichen: die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Treibhausgasemissionen und andererseits der ökologische Fußabdruck – der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern (Baumwolle) oder Fisch, aber auch der CO2-Ausstoß und die Müllproduktion. Der weltweite Erdüberlastungstag war im vergangenen Jahr am 2. August, aber Deutschland liegt mit seinem nationalen Datum immer deutlich früher im Kalender. Die schlechteste Bilanz weisen Katar und Luxemburg auf, deren nationale Erdüberlastungstage 2024 schon auf Februar fielen, gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Bahrain und Estland sowie einige weitere Länder, die den Tag schon im März begehen, zum Beispiel die USA mit ihrem Erdüberlastungstag am 14. März. Seit einigen Jahren rückt das deutsche Datum zwar im Kalender leicht nach hinten, aber von schnellen Fortschritten kann nicht die Rede sein. Im Jahr 2010 wären dem Global Footprint Network zufolge rein rechnerisch 3,3 Erden nötig gewesen, wenn alle Menschen so leben und wirtschaften würden wie die Deutschen, doch heute sind immer noch 3 Planeten erforderlich, um den deutschen Verbrauch zu denken. Zu dem überdimensionalen ökologischen Fußabdruck Deutschlands tragen vor allem Emissionen aus der Energieversorgung und dem Verkehrssektor bei. Aber auch der enorme Flächenbedarf für die Fleischproduktion sowie die Überlastung der Böden durch den Düngemitteleinsatz in der industriellen Landwirtschaft schlagen deutlich zu Buche „Der deutsche Erdüberlastungstag ist eine Mahnung, jetzt in allen Bereichen die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass nachhaltiges Verhalten zum neuen Normal wird“, so Aylin Lehnert, Bildungsreferentin bei der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. „Wir brauchen eine neue Schuldenbremse, eine Schuldenbremse in Bezug auf die Überlastung der Erde.“

Germanwatch lenkt mit seiner diesjährigen Pressemitteilung den Blick auf den hohen Konsum der Deutschen von Fleisch und anderen tierischen Produkten und die damit verbundenen Folgen. Denn hierzulande werden rund 60 % der Agrarfläche durch die Produktion von Futtermitteln belegt. „Allein 56 Prozent des hierzulande erzeugten Getreides gehen in die Futtertröge. Da die einheimischen Futtermittel dennoch nicht ausreichen, um den hiesigen Bedarf für die Tiere zu decken, werden zusätzlich massiv Flächen im Ausland in Anspruch genommen – 2022 etwa wurden 3,4 Millionen Tonnen Soja für die Verfütterung nach Deutschland importiert“, erklärt Konstantinos Tsilimekis, Experte für Welternährung und Landnutzung bei Germanwatch. „Der Anbau solcher Futtermittel ist seit Jahrzehnten ein zentraler Treiber für die Vernichtung von Wäldern und den Verlust von Biodiversität“, fügt er hinzu. Rund 138.000 Hektar Tropenwald sollen allein von 2016 bis 2018 weltweit für den deutschen Konsum zerstört worden sein – eine Fläche fast doppelt so groß wie Hamburg. Tsilimekis betont, dass in Deutschland die Zahl der Nutztiere verringert und Lebensmittel vermehrt direkt konsumiert werden müssten, anstatt sie an Tiere zu verfüttern, um die Zerstörung von Naturflächen verringern zu können und wertvolle Flächen wie Moore renaturieren zu können. Er verweist auf eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, laut der eine weltweite Umstellung auf eine nachhaltige und fleischarme Ernährung die Chancen für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad stark erhöhen würde. Zwar geht der Fleischverbrauch in Deutschland in den letzten Jahren immer mehr zurück, doch der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, nicht mehr als 300 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche zu essen, folgen die wenigsten, denn mit 52 Kilo pro Kopf lag der Verzehr im Jahr 2022 höher. Eine gesündere und ressourcenschonende Ernährung erreiche man aber nicht allein mit Appellen, so Tsilimekis. „Es ist eine politische Aufgabe, nachhaltigere Angebote in der Gemeinschaftsverpflegung, etwa in Kantinen, sowie steuerliche Anreize für pflanzenbasierte Nahrungsmittel zu schaffen.“ Gleichzeitig müssten auch gangbare Geschäftsmodelle gemeinsam mit den Landwirt:innen entwickelt werden.

INKOTA visiert die absolute Senkung des deutschen Rohstoffverbrauchs auf ein global gerechtes Maß an und forderte von der Bundesregierung, die für dieses Jahr angekündigte Kreislaufwirtschaftsstrategie und das Reparaturgesetz schnell zu verabschieden und ambitioniert umzusetzen. Nur so könnten Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen und eine Verschärfung der Klimakrise durch Rohstoffabbau und -weiterverarbeitung verhindert werden. Der Abbau und die Weiterverarbeitung von Metallen sind etwa für mindestens 11% der weltweiten Emissionen verantwortlich. Daher ließen sich durch die längere Nutzung von Produkten massiv Treibhausgase und Rohstoffe einsparen. Die EU hat sich bereits im Februar auf neue Regelungen für Reparaturen geeinigt. „Jetzt gibt es keine Ausreden mehr! Die EU hat vorgelegt, jetzt muss Deutschland nachziehen und Reparaturen endlich konsequent fördern“, mahnt Lara Louisa Siever. „Dazu gehören strengere Vorgaben zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen zu angemessenen Preisen. Reparaturfeindliche Praktiken müssen verboten werden.“ Zudem sei ein bundesweiter Reparaturbonus unerlässlich, um der Reparaturkultur einen Schub zu verleihen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) richtete das Augenmerk in seiner diesjährigen Pressemitteilung zum deutschen Erdüberlastungstag auf die übernutze Ressource Wasser. „In Europa und Deutschland steigt die Nachfrage nach kostbaren Ressourcen wie Süß- und Trink-Wasser. Dieses wird immer knapper und zugleich auch immer stärker verunreinigt“, erklärt BUND-Vorsitzender Olaf Bandt. Die Verschmutzung unserer Gewässer und damit auch die unserer Meere muss gestoppt werden. Wenn wir weiter zögern, werden wir immer größere Summen aufwenden müssen, um Wasser und auch Luft und Böden zu reinigen. Sauberes Wasser ist die wichtigste Lebensgrundlage auf unserem blauen Planeten.“ Der BUND betont die Notwendigkeit, dem Kampf ums Wasser vorzubeugen. Die Industrie spiele dabei eine zentrale Rolle, denn in Deutschland ist sie einer der größten Wasserverbraucher. „Wasser ist für das Leben unersetzlich. Unsere Gewässer sind aber in keinem guten Zustand, die Wasserentnahmemengen der Industrie viel zu hoch. Es wurde zu lange weggesehen, wenn weite Teile der Industrie und der Landwirtschaft auf Kosten unseres Wassers gewirtschaftet haben“, bemängelt Bandt. Das Verursacherprinzip müsse auch im Bereich der industriellen Wassernutzung gelten: „Wer nutzt, soll zahlen, wer verunreinigt, muss säubern. Der Wasserverbrauch muss gerecht zwischen Privathaushalten und Industrie geregelt werden.“ (ab)

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