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15.01.2024 |

Ungleichheit pur: Superreiche verdoppelten ihr Vermögen seit 2020

Jacht
Superreiche schaden dem Klima (Foto: CC0)

Alle Jahre wieder Mitte Januar ist es soweit: Die Reichen und Mächtigen sowie international führende Wirtschaftsexpert*innenen, Politik*innen und Wissenschaftler*innen kommen im Schweizer Örtchen Davos zum Weltwirtschaftsforum zusammen. Und wie jedes Jahr wartet die Entwicklungsorganisation Oxfam zum Auftakt mit einem Bericht auf, der die globale Ungleichheit ins Rampenlicht rückt und die neusten Zahlen zum Vermögen der Superreichen präsentiert. Und in der Regel enthält er die wenig überraschende Botschaft, dass die Superreichen ihre Vermögen weiter ausbauen konnten und selbst in Krisenzeiten noch profitierten, während der Großteil der Weltbevölkerung kaum über die Runden kommt. Der am 15. Januar veröffentlichte Bericht „Inequality Inc.“ macht hier keine Ausnahme. Er zeigt, dass die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit 2020 verdoppeln konnten. Dies entspricht einem Gewinn von 14 Millionen US-Dollar pro Stunde – ein ordentlicher Verdienst. Wenn jeder dieser fünf Multimilliardäre täglich 1 Million US-Dollar ausgeben würde, wären sie insgesamt 476 Jahre damit beschäftigt, ihr gemeinsames Vermögen auf den Kopf zu hauen. Allein Amazon-Gründer Jeff Bezos hat seit 2020 sein Vermögen um 32,7 Milliarden US-Dollar vergrößert. Da ließen sich die 5,5 Milliarden, die er 2021 für seinen 4-minütigen Ausflug ins Weltall bezahlte, locker verschmerzen. Gleichzeitig sind weltweit fast fünf Milliarden Menschen im Vergleich zu 2019 ärmer geworden. „Während Milliarden von Menschen die Schockwellen von Pandemie, Inflation und Krieg ertragen müssen, boomen die Vermögen der Milliardär*innen“, erklärte Serap Altinisik, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland. „Diese zunehmende soziale Ungleichheit stellt Gesellschaften vor immer größere Zerreißproben.“

Die Berechnungen von Oxfam International zum Vermögen der reichsten Menschen der Welt stützen sich auf die World‘s Billionaires List 2020 des Wirtschaftsmagazin Forbes und dessen Echtzeitrangliste „World’s Real-Time Billionaires“ mit Stand November 2023. Am 30. November letzten Jahres besaßen die fünf reichsten Männer der Welt 869 Milliarden US-Dollar, während es im März 2020 noch 340 Milliarden waren – ein Plus von 155%. Die Daten zum Vermögen der ärmsten 60% oder 4,77 Milliarden der Weltbevölkerung stammen aus dem UBS Global Wealth Report 2023 und die Vergleichsdaten zu 2019 aus dem Credit Suisse Global Wealth Databook 2019, die dieselbe Methodologie anwenden. Das gesamte weltweite Vermögen belief sich 2022 auf 454,4 Billionen US-Dollar, woran die ärmeren 60% einen Anteil von 2,23% und damit 10,1 Billionen hatten. 2019 bekamen sie vom 388,7 Billionen-Kuchen 2,26% bzw. 8,8 Billionen US-Dollar ab. Nominal nahm die Summe zwar zu, aber unter Berücksichtigung der Inflation war es real ein Rückgang um 0,2% ihres Vermögens bzw. 20 Milliarden US-Dollar. Während der Vermögenszuwachs der Superreichen die Inflation bei Weitem ausgleichen konnte, werden die Armen noch ärmer. Serap Altinisik betont, dass die wachsende soziale Ungleichheit zudem geschlechtsspezifische und rassistische Diskriminierungen verstärkt, da marginalisierte Gruppen wie Frauen oder BIPOC (Black, Indigenious, und People of Colour) besonders betroffen seien. Zudem untergrabe sie die Demokratie und trage maßgeblich zur Klimakrise bei. „Das muss sich ändern, wir brauchen eine Besteuerung hoher Vermögen, damit auch die Superreichen ihren gerechten Beitrag zum Gemeinwohl leisten.“

Daher fordert Oxfam eine Vermögenssteuer für die Reichsten in Europa. In einer deutschsprachigen Zusammenfassung des Berichts wird aufgezeigt, dass heute gerade einmal 4% der weltweiten Steuereinnahmen aus Abgaben auf Vermögen stammen. Zwischen 1990 und 2017 stieg allerdings die Zahl der Länder, die eine Mehrwertsteuer erheben, von 50 auf mehr als 150. Verbrauchssteuern stellen mit 44% den größten Anteil der globalen Steuereinnahmen dar. Da reichere Menschen einen geringeren Anteil ihres Einkommens für den Konsum aufwenden, belastet diese Art von Steuern sie deutlich weniger als einkommensschwächere Bevölkerungsteile. In Deutschland ist Vermögen besonders ungleich verteilt und wird gleichzeitig unterdurchschnittlich besteuert: Nur etwas mehr als 3% aller Steuereinnahmen stammen aus Abgaben auf Vermögen. Oxfam schätzt, dass eine innerhalb der EU erhobene Vermögenssteuer auf Vermögen über 4,6 Millionen Euro jedes Jahr 285,6 Milliarden Euro (313,7 Milliarden US-Dollar) einbringen könnte. Diese kämen zustande, wenn Vermögen über 5 Millionen US-Dollar (4,6 Millionen Euro) mit 2%, jene über 50 Millionen mit 3% und Milliardäre mit 5% besteuert würden. Allein Deutschland könnte damit jährlich 85,2 Milliarden Euro einnehmen. Also genug, um ein sich plötzlich materialisierendes 60-Milliarden-Haushaltsloch zu stopfen. Menschen mit weniger als 4,6 Millionen Euro Vermögen, also der Großteil der Bevölkerung, wären nicht von der Steuer betroffen, da sie in Deutschland nur etwa 200.000 Menschen und damit gerade einmal 0,24% der Bevölkerung tangieren würde. Solch eine Vermögenssteuer für die Multi-Millionäre und Milliardär*innen der Welt könnte jährlich wichtige Finanzmittel für das Gemeinwohl generieren, betont Oxfam. Diese könnten in die Bekämpfung des Klimawandels, den Ausbau von Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialer Sicherung investiert werden.

Mit den Forderungen schließt sich Oxfam der europäischen Bürgerinitiative „Tax the Rich“ an, die von Wirtschaftswissenschaftler*innen, Millionär*innen, Aktivist*innen, Gewerkschafter*innen und Politiker*innen initiiert wurde. Die deutsch-österreichische Millionärin Marlene Engelhorn, eine Nachfahrin von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn, hatte angekündigt, 25 Millionen ihres Vermögens „rückverteilen“ zu wollen. Ein noch einzusetzender „Guter Rat für Rückverteilung“ soll darüber entscheiden, was mit den 25 Millionen Euro geschehen soll. Seine 50 Mitglieder sollen einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden und nach wissenschaftlichen Kriterien ausgesucht werden und nicht von Engelhorn. Sie selbst macht vor Ort in Davos Werbung für eine gerechtere Besteuerung von Superreichen. „Ich habe Geld einfach, weil ich geerbt habe, weil ich geboren bin“, sagte sie heute im morgendlichen Schneegriesel dem Morgenmagazin. Sie fordert eine grundlegende Veränderung der Strukturen des Steuersystems. „Die Aufgabe liegt bei der Politik, dafür zu sorgen, dass nicht wenige Reiche so wie ich ihr Vermögen einfach mal so verdoppeln können, einfach weil sie das Eigentum an alle Ressourcen haben, weil die Verteilungspolitik versagt hat, sondern die Aufgabe der Politik ist, dafür zu sorgen, dass Ressourcen so verteilt werden, dass am Ende nicht über 50% der Weltbevölkerung – und auch auf nationaler Ebene – durch die Finger schauen, während Menschen wie ich durch Geburt horten können. Das geht nicht und diese Aufgabe muss man ernst nehmen.“ (ab)

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