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23.12.2023 |

COP28-Bilanz: Was zu Landwirtschaft und Ernährung auf den Tisch kam

Wind
Hat es die Landwirtschaft endlich auf die globale Klima-Agenda geschafft? (Foto: CC0)

Nach zwei Wochen langwieriger Verhandlungen endete am 13. Dezember die Weltklimakonferenz mit einer Einigung. Der Präsident der COP28, Dr. Sultan Al Jaber, lobte diese als „historische Leistung“, übermüdete Delegierte und Beobachter*innen gaben noch fix ihre ersten Statements ab, bevor sie zum Flieger hasteten, und die Presse ließ sich über Stärken und Schwächen der Abschlusserklärung aus. In den darauffolgenden Tagen veröffentlichten zahlreiche Organisationen und Expert*innen dann ausführlichere Analysen der Ergebnisse und schilderten ihre Erlebnisse in Dubai. Dass in der Abschlusserklärung die Abkehr von fossilen Energieträgern angestrebt wird, feierten viele als Erfolg und den Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters, während andere beklagten, dass der klare Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen versäumt wurde, auch wenn sich viele Länder dafür stark gemacht hatten. Obwohl Agrar- und Ernährungssysteme für mindestens ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, wurden Landwirtschaft und Ernährung bisher bei Klimaverhandlungen gern stiefmütterlich behandelt. Der Beitrag von Ernährung und Landwirtschaft zum Klimawandel oder aber auch die entscheidende Rolle, die der Agrarsektor bei der Begrenzung desselben spielen könnte, fanden in den Abschlusserklärungen der Klimakonferenzen keine Erwähnung. Dieses Jahr nahm das Thema jedoch eine zentralere Stellung ein. Die Konferenz wurde gar als „Food Cop“ bezeichnet, was nicht nur angesichts der in Dubai in Scharen vertretenen Lobbyisten der Agrar- und Ernährungsindustrie ein treffender Beiname war: Die Konferenz begann mit einer Erklärung zu nachhaltiger Landwirtschaft, widmete einen ganzen Tag sowie zahlreiche Pavillons und Veranstaltungen den Themen Ernährung, Landwirtschaft und Wasser, bot den Rahmen für die Präsentation einen globalen Fahrplans zur Beseitigung von Hunger und allen Formen der Unterernährung unter Einhaltung des 1,5°C-Ziels und endete mit einem Abschlussdokument, das nachhaltige Landwirtschaft und widerstandsfähige Ernährungssysteme zumindest erwähnte.

Zahlreiche Beobachter*innen betrachteten das Glas als eher halb leer in Anbetracht der fehlenden Verbindlichkeit der Erklärungen und Dokumente. „Dies sollte die ernährungszentrierte COP sein, aber die Schlussfolgerungen waren weder für die Zukunft der Ernährungssysteme noch für die Begrenzung der Auswirkungen des Klimawandels gut“, kommentierte etwa Edward Mukiibi, Präsident von Slow Food. Er prangerte das Fehlen konkreter und verbindlicher Ziele, den Einfluss der großen Emittenten im Landwirtschaftssektor auf die Konferenz und die Vertagung der Diskussionen zur Umgestaltung der Ernährungssysteme auf die nächsten Treffen an. Danielle Nierenberg, Präsidentin der US-NGO Food Tank, hatte sich zwar auch verbindlichere Formulierungen und Ziele gewünscht, für sie ist das Glas aber halb voll: „Es ist wirklich aufregend, dass das Thema Ernährung nun endlich auf den Tisch kommt. Jetzt haben wir die Chance, auf eine Art und Weise über das Potenzial zu sprechen, das Ernährungssysteme für die Lösung der Klimakrise haben, wie noch nie zuvor“, sagte sie The Guardian. Auch Brent Loken, Global Food Lead Scientist beim WWF, mit dem Nierenberg nach Ende der Konferenz ein Interview führte, vertritt die Ansicht, dass diese COP zwar nicht perfekt war, aber greifbare Fortschritte erzielt wurden, was die Anerkennung der zentralen Rolle von Lebensmittelsystemen auf internationaler Ebene anbelangt: „Endlich haben wir ein Fundament, auf dem wir stehen – und auf dem wir aufbauen können.

Was genau also tat sich in Dubai in puncto Landwirtschaft und Ernährung und wie stehen Expert*innen und Nichtregierungsorganisationen dazu? Das 21-seitige Abschlussdokument ist die globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake - GST). Der Global Stocktake-Prozess wurde im Pariser Abkommen von 2015 vereinbart und ist eine Bilanz der Fortschritte bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen, die alle fünf Jahre zu ziehen ist. Das COP28-Abschlusspapier ist die erste Runde und die Regierungen haben nun zwei Jahre Zeit, ihre Klimaschutzpläne nachzujustieren und der UN ihre nationalen Klimabeiträge (NDCs) vorzulegen. Der „First Global Stocktake“ ist ein Kompromiss - der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle 196 Länder einigen konnten. Die Konferenz „erkennt die Gewährleistung von Ernährungssicherheit und die Beendigung des Hungers als grundlegende Priorität an und bestätigt die besondere Anfälligkeit von Lebensmittelproduktionssystemen für die negativen Folgen des Klimawandels“. Sie „ermutigt zur Umsetzung integrierter, sektorübergreifender Lösungen, wie Landnutzungsmanagement, nachhaltiger Landwirtschaft, widerstandsfähigen Ernährungssystemen, naturbasierten Lösungen und ökosystembasierter Anpassung“. Die Staaten werden aufgefordert, mit mehr Ehrgeiz ihre Anpassungsmaßnahmen zu verstärken, um „eine Lebensmittel- und Agrarproduktion sowie Versorgung und Verteilung von Lebensmitteln zu erreichen, die widerstandsfähig gegenüber dem Klimawandel ist, und die nachhaltige und regenerative Produktion von und den gerechten Zugang zu angemessener Nahrung und Ernährung für alle zu verstärken“.

Slowfood beschrieb die globale Bestandsaufnahme als „weitgehend bedeutungslos, mit nur einer Erwähnung der Ernährungssysteme im Abschnitt über die Anpassungsmaßnahmen, aber ohne Berücksichtigung im Abschnitt bezüglich der geplanten Eindämmungsbemühungen“. Auch Yvette Cabrera, Expertin für Lebensmittelverschwendung bei der US-Umweltorganisation Natural Resources Defense Council, beklagte diesen Punkt gegenüber dem Guardian. Die Anpassung an den Klimawandel sei „sehr wichtig, weil wir unbedingt herausfinden müssen, wie unser zukünftiges Ernährungssystem aussieht, und darauf vorbereitet sein müssen“, sagte sie, aber „wir müssen auch Schritte unternehmen, um die Emissionen, die jetzt entstehen, zu mindern“. Andere äußerten sich noch unverblümter: „Dass im endgültigen COP28-Text keine Maßnahmen bezüglich des Ernährungssystems enthalten sind, ist ein eklatanter Verrat angesichts der Dringlichkeit“, schrieb Emile Frison, ein Experte des Internationalen Expertengremiums für nachhaltige Lebensmittelsysteme (IPES-Food), in einem Beitrag auf Twitter/X. „Zu ignorieren, dass ein Drittel der Treibhausgasemissionen in Ernährungssystemen verursacht werden, ist ein gefährliches Versäumnis. Wir können uns kein weiteres verlorenes Jahr der Untätigkeit im Bereich Ernährung und Klimaschutz leisten.“ Brent Loken stuft den GST eher als Gewinn ein. „Im endgültigen Text (…) werden Ernährungssysteme in der Tat erstmalig in einem derart breit aufgestellten UNFCCC-Dokument anerkannt. Zugegebenermaßen gelten die meisten Verweise auf Ernährungssysteme der Anpassung und nicht der Abmilderung des Klimawandels und die meisten mit Ernährung in Verbindung stehende Verweise im Abschnitt über die Abmilderung betreffen die nachhaltige Produktion und Konsum und enthalten keine Analyse auf Systemebene“, sagte er Nierenberg und räumte ein, dass internationale Führungspersönlichkeiten noch einen langen Weg vor sich haben, bis sie die entscheidende Rolle von Ernährungssystemen bei der Lösung des Klimakrise zu erkennen. „Aber die globale Food-Bewegung hat es geschafft, in nur wenigen Jahren das Bewusstsein für das Thema Ernährung zu schärfen.“

Doch zurück zum Beginn der Konferenz, zu deren Auftakt die COP28-Präsidentschaft am 1. Dezember stolz die Unterzeichnung der „Emirates Declaration on Sustainable Agriculture, Resilient Food Systems, and Climate Action“ durch 134 Staats- und Regierungschef verkündete – darunter auch die USA und China. „Die COP28-Präsidentschaft setzt die Transformation der Ernährungssysteme auf die globale Klima-Agenda“, war die Pressemitteilung überschrieben. Sie wies darauf hin, dass in den 134 Ländern mehr als 5,7 Milliarden Menschen und fast 500 Millionen Landwirt*innen leben, die 70% unserer Lebensmittel produzieren und für 76% aller Emissionen des globalen Ernährungssystems bzw. 25% aller Emissionen weltweit verantwortlich sind. Inzwischen ist die Zahl der Unterzeichner auf 159 gestiegen. Die nicht verbindliche Erklärung erkennt das große Potenzial der Agrar- und Ernährungssysteme an, wirksame Antworten auf den Klimawandel zu geben, und die Unterzeichner bekunden das Vorhaben, Ernährung und Landwirtschaft in ihre Klimapläne zu integrieren. Die Länder erklärten zudem ihre „Absicht, auf das Ziel hinzuarbeiten, Aktivitäten und Maßnahmen zu Anpassung und Resilienz zu verstärken, um die Anfälligkeit aller Landwirte, Fischer und anderer Lebensmittel-Produzenten gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu verringern, unter anderem durch finanzielle und technische Unterstützung für Lösungen, Kapazitätsaufbau, Infrastruktur und Innovationen, einschließlich Frühwarnsysteme, die eine nachhaltige Ernährungssicherheit, Produktion und Ernährung fördern und zugleich die Natur erhalten, schützen und wiederherstellen“. Ein weiteres Ziel ist die Förderung von „Ernährungssicherheit und Ernährung durch verstärkte Anstrengungen zur Unterstützung vulnerabler Gruppen mit Ansätzen wie sozialen Sicherungssystemen und Auffangnetzen, Schulspeisung und öffentlichen Beschaffungsprogrammen“.

Darüber hinaus sollen Arbeiter*innen in Agrar- und Ernährungssystemen unterstützt und die integrierte Bewirtschaftung von Wasser in diesen Systemen gestärkt werden. Die Staaten beabsichtigen auch, „den Klima- und Umweltnutzen von Agrar- und Ernährungssystemen zu maximieren und zugleich die schädlichen Auswirkungen einzudämmen und zu verringern, indem sie Land und natürliche Ökosysteme erhalten, schützen und wiederherstellen, die Bodengesundheit und die Artenvielfalt verbessern und von Praktiken mit hohen Treibhausgasemissionen zu nachhaltigeren Produktions- und Konsumansätzen übergehen, unter anderem durch die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen.“ Zudem versprechen die Staaten, ihre „jeweiligen und gemeinsamen Bemühungen um ein breites, transparentes und inklusives Engagement zu verstärken, soweit es ihrem nationalen Kontext angemessen ist, um Agrar- und Ernährungssysteme in ihre nationalen Anpassungspläne zu integrieren“ und „Politiken und öffentliche Förderung im Zusammenhang mit Landwirtschaft und Ernährungssystemen zu überarbeiten oder neu auszurichten, um die Ziele der Erklärung zu erreichen“. Die Unterzeichner erklärten sich auch bereit, „den Zugang zu allen Formen der Finanzierung der öffentliche Hand, von Stiftungen und dem Privatsektor, auszuweiten und zu verbessern, um Agrar- und Ernährungssysteme an den Klimawandel anzupassen und zu transformieren“. Wie die zitierten Passagen zeigen, ist alles sehr vage formuliert und viele Expert*innen fürchten, dass es die unspezifische Terminologie der Agrar- und Ernährungsindustrie erlaubt, Greenwashing zu betreiben, statt einen echten Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels zu leisten. Konkrete Zielvorgaben und Maßnahmen fehlen. Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger, eine humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation, beklagt, dass die Gelegenheit verpasst wurde, den Wandel unserer globalen Landwirtschaft konsequent voranzutreiben. „Um alle Menschen auf diesem Planeten krisensicher ernähren zu können, brauchen wir ökologische, klimafreundliche und lokale Ernährungssysteme. Die nicht-bindende Erklärung zu Thema Landwirtschaft und Ernährung reicht nicht aus, um eine nachhaltige und faire Veränderung anzustoßen und das Recht auf Nahrung für alle zu sichern, zumal inklusive und transformative Konzepte wie Agrarökologie nicht erwähnt werden“, so Friedrich-Rust.

Was tat sich noch auf der COP28? Mehr als 200 Veranstaltungen konzentrierten sich auf Ernährung und Landwirtschaft und am 10. Dezember wurde erstmals auf einer UN-Klimakonferenz ein gesamter Tag dem Themenkomplex Ernährung, Landwirtschaft und Wasser gewidmet. Diese Gelegenheit nutzte die Welternährungsorganisation FAO, um ihren globalen Fahrplan zur Erreichung des zweiten UN-Nachhaltigkeitsziels (SDG2) ohne Überschreitung der 1,5°-Grad-Schwelle vorzustellen. Darin legt sie eine Strategie für die nächsten drei Jahre mit Lösungen für zehn Handlungsbereiche dar: saubere Energie, Nutzpflanzen, Fischerei und Aquakultur, Lebensmittelverluste und -verschwendung, Wälder und Feuchtgebiete, gesunde Ernährung, Tierhaltung, Boden und Wasser sowie Daten und integrative Politiken. Was die Treibhausgase von Agrar- und Ernährungssystemen anbelangt, so sollen diese bis 2030 um 25% gesenkt werden, bis 2035 soll CO2-Neutralität erreicht sein, während die Halbierung von Lachgas-Emissionen bis 2040 und die von Methan bis 2045 erfolgen soll. 2050 soll der Agrifood-Sektor dann eine Netto-Kohlenstoffsenke sein und 1,5 Gigatonnen CO2-Äquivalent pro Jahr speichern. Der Fahrplan will außerdem den Weg aufzeigen, wie chronische Unterernährung bis 2030 beseitigt und der Zugang zu gesunder Ernährung für alle bis 2050 erreicht werden kann. Er empfiehlt die Diversifizierung der Anbauprodukte und eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten. „Es geht nicht darum, ob sich die Ernährungsgewohnheiten ändern sollten – denn das müssen sie für die Gesundheit der Menschen und des Planeten unbedingt –, sondern darum, wie dies erzielt werden kann.“ Klare Empfehlungen zur Senkung des Fleischkonsums sucht man in dem Dokument aber vergeblich – im Kapitel Tierhaltung ist vor allem von einer verbesserten Effizienz der Produktion die Rede. Das Kapitel Lebensmittelverluste und -verschwendung nennt als bis 2030 zu erreichenden Meilenstein unter anderem die Verringerung der globalen Lebensmittelverschwendung um 50% pro Kopf auf Handels- und Verbraucherebene.

Yvette Cabrera hofft, dass der Fahrplan trotz fehlender Verbindlichkeit den Ländern ein Gefühl dafür vermitteln kann, wie sie Ernährungssysteme besser in ihre Klimaziele einbinden können. Laut Dr. Sophia Murphy, Leiterin des Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP), bietet der Fahrplan „einen willkommenen Schwerpunkt auf das Recht auf Nahrung inmitten der Kakofonie an Interessen der Lebensmittelindustrie, die über die COP hereingebrochen ist“. Sie spielt damit auf die Tatsache an, dass dreimal mehr Lobbyisten für Fleisch- und Milchkonzerne an der COP28 teilnahmen als an der vorherigen Konferenz und dass Lobbyisten gar Teil der nationalen Delegationen waren. Murphy zeigte sich dennoch enttäuscht, dass der Bericht es versäumt, die großen Agrarkonzerne zu echten Emissionsreduzierungen aufzufordern, gerade in den reichen Ländern, wo die Verringerung der Methan- und Lachgasemissionen aus der industriellen Tierhaltung ein recht einfach erreichbares Ziel mit enormen Nebeneffekten für die biologische Vielfalt, die Wirtschaft im ländlichen Bereich und eine gesunde Ernährung wäre. Die Reduzierung des Methanausstoßes in der Landwirtschaft stuft der Fahrplan zwar als zentral ein, aber er führe nur Lösungen an, die „auf einem an Fantasie grenzenden Techno-Optimismus basieren“. Als Beispiel nennt Murphy den Lösungsvorschlag, durch Futtermittelzusätze den Methanausstoß aus der enterischen Fermentation von Wiederkäuern zu reduzieren, dessen Umsetzung im großen Stil sie in der Kürze der Zeit, die für das Erreichen des Methanziels bleibt, für unrealistisch hält. Optionen, wie die sofortige Einführung von strikteren Auflagen in der industriellen Tierhaltung, fehlten hingegen völlig. „Der einfachen Idee, sich in den Industrieländern mit weniger zu begnügen und zugleich eine erhöhte und effizientere Produktionen in den Ländern anzuregen, in denen mehr Lebensmittel benötigt werden, wird ausgewichen. Die Folgen einer globalen Transformation der Ernährungssysteme müssen klar auf den Tisch gepackt und nicht nur angedeutet werden“, so Murphy.

Eine weitere Enttäuschung war das Scheitern der Gespräche über die Initiative „Sharm el-Sheikh Joint Work on Implementation on Agriculture and Food Security“ (SSJW), ein auf der COP27 beschlossener Vierjahresprozess. Die Verhandlungen wurden am 5. Dezember ohne substanzielle Ergebnisse abgeschlossen, und die Verhandlungen über die Umsetzung der auf der COP27 eingegangenen Verpflichtungen werden erst im Juni 2024 wieder aufgenommen, 18 Monate nachdem die SSJW ins Leben gerufen wurde. Brent Loken sagte, dies sei „weit entfernt von dem mehrjährigen Strategieplan, wo erhofft worden war, dass die Verhandlungsführer ihn während der COP28 erstellen würden“. Auch Joao Campari, Leiter der Global Food Practice der Umweltschutzorganisation WWF. bezeichnete die Tatsache, „dass die Verhandlungen über das Sharm el-Sheikh Joint Work zu keiner Einigung geführt haben“, als „zutiefst enttäuschend“. Es gefährde die kollektive Fähigkeit, die notwendigen Klima-, Natur- und Entwicklungsziele zu erreichen. Auch in der Pressemitteilung des Thünen-Instituts schwang zwischen den Zeilen Enttäuschung mit, dass „trotz intensiver Diskussionen zwischen den Vertragsstaaten und innerhalb des EU-Teams“ es bisher keine Einigung gab, wie das SSJW-Arbeitsprogramm konkret ausgestaltet werden kann. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist unumstritten, dass die Landwirtschaft große Bedeutung für den Klimaschutz hat, und ebenso, dass sich die Landwirtschaft an die sich ändernden klimatischen Bedingungen anpassen muss“, sagte Claudia Heidecke von der Thünen-Stabsstelle Klima und Boden, die die Delegation des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Dubai begleitet. Wie und wo man dies in den Verhandlungsthemen adressiere, sei aber eine andere Frage. „Hier kommen viele Erwartungen und Forderungen zusammen“, sagte sie. Laut Kirubel Tadele, Kommunikationsbeauftragter von AFSA, einem breiten Bündnis der afrikanischen Zivilgesellschaft, signalisiert der Aufschub „eine besorgniserregende Verzögerung bei der Bewältigung der dringenden klimatischen Herausforderungen für die afrikanische Landwirtschaft und untergräbt auf kritische Weise das Potenzial für sinnvolle Klimamaßnahmen in einem Sektor, der für das Überleben und die Widerstandsfähigkeit Afrikas von entscheidender Bedeutung ist“.

Bei all dem Gerede über nachhaltige Landwirtschaft und naturbasierte Lösungen waren Befürworter*innen der Agrarökologie zutiefst enttäuscht, dass diese weder Eingang noch Erwähnung in die einschlägigen Dokumente gefunden hat. „Die Agrarökologie wurde erwartungsgemäß ausgeklammert und tauchte in den politischen Diskussionen weder als Schlüsselelement auf, noch wurde sie als die Lösung genannt, die es uns ermöglichen wird, den Kurs zu ändern und den Klimawandel zu bekämpfen“, sagte Edward Mukiibi von Slow Food. Das IATP beklagte zudem, dass „trotz der Tatsache, dass die Lebensmittelsysteme auf der COP28 im Mittelpunkt standen, die abschließenden Entscheidungen wenig über die dringende Notwendigkeit eines transformativen Wandels hin zu Agrarökologie sagten“. Auch Anika Schroeder vom katholischen Hilfswerk Misereor zeigte sich enttäuscht über das Ergebnis: „Die sogenannte ‚Food COP‘ hat sich als Greenwashing-Veranstaltung mit vielen mutigen Bekenntnissen zu klimafreundlicheren Landwirtschafts- und Ernährungssystemen entpuppt. Unverbindliche Erklärungen und Aussagen, die den großen Elefanten im Raum – das stark auf fossilen Brennstoffen basierende Nahrungsmittelsystem – gar nicht erst erwähnen. Ihnen fehlt eine klare Vision für die Agrarökologie, die nachweislich eine hohe Widerstandsfähigkeit und einen niedrigen CO2-Ausstoß aufbaut.“ Zumindest Brent Loken bleibt in seinem Resümee ein unverwüstlicher Optimist. Im Gespräch mit Nierenberg betonte er, dass keine Zeit mehr bleibe, um noch negativ zu sein. Es sei okay, enttäuscht zu sein, aber Enttäuschung und Negativität seien zweierlei Paar Schuhe. „Wenn wir alles zusammennehmen, sollten wir optimistisch sein.“ COP28 „gibt uns etwas, mit dem wir weiterarbeiten und für das wir uns einsetzen können, wenn es um die Umsetzung geht.“ (ab)

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