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18.01.2023 |

Superreiche sahnen zwei Drittel des Vermögensplus seit 2020 ab

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Arm und Reich Seite an Seite (Foto: CC0)

Erstmals seit 25 Jahren haben extreme Armut und extremer Reichtum gleichzeitig zugenommen. Mit der Corona-Pandemie sind die Superreichen noch viel reicher geworden und die Ungleichheit hat sich weiter verschärft. Seit 2020 gab es weltweit einen Vermögenszuwachs von 42 Billionen US-Dollar, wovon sich das reichste Prozent der Weltbevölkerung 63 % unter den Nagel riss, während sich die übrigen 99% den Rest teilten. Das sind nur einige der niederschmetternden Botschaften des Berichts „Survival of the Richest”, den die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam am 16. Januar zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlichte. 828 Millionen Menschen hungern und damit etwa jede*r zehnte auf der Erde. Zugleich haben die weltweit größten Lebensmittel- und Energieunternehmen 2022 ihre Gewinne mehr als verdoppelt im Vergleich zum Mittel der Jahre 2018-2021 und sie schütteten 257 Milliarden US-Dollar und damit 84 % ihrer Übergewinne an ihre Aktionär*innen aus. „Während Millionen Menschen nicht wissen, wie sie Lebensmittel und Energie bezahlen sollen, bringen die Krisen unserer Zeit gigantische Vermögenszuwächse für Milliardär*innen“, betonte Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland. Der Bericht zeigt, dass das Gesamtvermögen aller Milliardär*innen im Schnitt täglich um 2,7 Milliarden US-Dollar anwuchs, während gleichzeitig 1,7 Milliarden Arbeitnehmer*innen in Ländern leben, in denen die Lohnentwicklung mit der Inflation nicht Schritt hält.

Im Fokus des Berichts steht die Frage, wie durch Besteuerung der Reichen die derzeitigen Krisen und die stark zunehmende Ungleichheit bekämpft werden könnten. Die Berechnungen von Oxfam International basieren auf aktuellen Daten: Die Zahlen zu den reichsten Menschen der Welt stammen aus der World‘s Billionaires List 2022 von Forbes, während sich Vermögensdaten auf den Global Wealth Report 2022 der Credit Suisse und andere Quellen wie die Weltbank stützen. Eindrücklich legt der Bericht zunächst dar, wie die Superreichen in Zeiten von Pandemie und steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen ihren Reichtum vermehren konnten. Zwischen Dezember 2019 und 2021 erhöhte sich das weltweite Vermögen von 421,5 auf 463,5 Billionen US-Dollar. Davon flossen 26 Billionen oder zwei Drittel in die Taschen des reichsten 1 Prozents der Menschheit, während 99% sich 16 Billionen teilen mussten. Bereits im letzten Jahrzehnt hatten sich die Zahl und das Vermögen der Milliardäre verdoppelt. Zwischen 2012 und 2021 wurde neues Vermögen im Wert von 127,5 Billionen geschaffen. Auf die oberen 1 % entfielen 69 Billionen bzw. 54 %, was zeigt, dass ihr Anteil am Kuchen seit Beginn der Pandemie deutlich größer geworden ist. Der Oxfam-Vergleich der Forbes-Listen der Milliardäre 2020 und 2022, für den Oxfam alle Zahlen anhand des US-Verbraucherpreisindex an den Stand Oktober 2022 angepasst hat, um die Inflation einzubeziehen und die Zahlen vergleichbar zu machen, zeigt, dass das Vermögen der Milliardäre real um 2,63 Billionen Dollar gestiegen ist. Zwischen den Daten der beiden Listen liegen 987 Tage, sodass das Vermögen der Superreichen jeden Tag um 2,7 Milliarden Dollar zunahm. In Deutschland profitierten die Reichsten noch stärker: Vom gesamten Vermögenszuwachs, der zwischen 2020 und 2021 hierzulande erwirtschaftet wurde, ginge 81 % an das reichste Prozent, während die restlichen 99 % nur 19% des Vermögenszuwachses verbuchten.

Versorgungsengpässe und unterbrochene Lieferketten, die durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine, das Verhalten der Unternehmen und den Klimawandel verursacht wurden, haben dazu geführt, dass die globalen Lebensmittelpreise 2022 im Vergleich zu 2021 um 18 % und die Energiepreise um 59 % gestiegen sind. Das hat vor allem ärmeren Menschen einen heftigen Schlag versetzt und viele in Armut gestürzt. Das Vermögen der Reichen und vieler Unternehmen hingegen ist mit den steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen weiter gewachsen. Oxfam untersuchte die Gewinne von 95 großen Lebensmittel- und Energieunternehmen und stellte fest, dass sich ihre Gewinne im Jahr 2022 um mehr als das Zweieinhalbfache (256 %) im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2018-2021 erhöhten. Sie erzielten insgesamt 306 Milliarden US-Dollar an Übergewinnen (definiert als 10 % über dem durchschnittlichen Nettogewinn 2018-2021) und schütteten 257 Milliarden und damit 84 % der Übergewinne an ihre Aktionär*innen aus. Steigende Gewinne für Unternehmen machen meist die Reichen reicher, da der Aktienbesitz sich vor allem in einkommensstärkeren Gruppen konzentriert. In den USA zum Beispiel befinden sich 53 % der Aktien im Besitz des reichsten 1 %. Die Walton-Dynastie, der die Hälfte von Walmart gehört, erhielt im vergangenen Jahr 8,5 Milliarden Dollar an Dividenden und Aktienrückkäufen. Der indische Milliardär Gautam Adani, Eigentümer großer Energiekonzerne, hat allein 2022 einen Vermögenszuwachs von 42 Milliarden Dollar (46 %) erzielt. Währenddessen haben viele Otto Normalverbraucher damit zu kämpfen, dass die Inflation die Preise in die Höhe treibt, ihre Löhne aber nicht mitziehen. Studien haben gezeigt, dass in den USA 54 % und in Großbritannien 59 % der Inflation auf gestiegene Unternehmensgewinne zurückzuführen sind. Die Weltbank spricht von der größten Zunahme der weltweiten Ungleichheit und dem größten Rückschlag bei der Armut seit dem 2. Weltkrieg und macht keinen Hehl daraus, dass die Welt ihr Ziel, die extreme Armut bis 2030 zu beenden, verfehlen wird. Das Gleiche gilt für das Hungerziel: Über 820 Millionen Menschen sind derzeit unterernährt.

Oxfam fordert daher eine systematische und umfangreiche Besteuerung der Reichen, vor allem des reichsten Prozents, das 45,6 Prozent des weltweiten Vermögens besitzt. „Jahrzehntelange Steuersenkungen für die Reichsten und Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit haben die Ungleichheit verschärft und dazu geführt, dass die Ärmsten in vielen Ländern höhere Steuersätze zahlen als Milliardär*innen“, sagt Manuel Schmitt. So zahlte Elon Musk zwischen 2014 und 2018 einen „wahren Steuersatz“ von etwa 3 %. Oxfam verglich dies mit einer Mehlverkäuferin in Uganda, die 80 Dollar im Monat verdient und von der lokalen Regierung erhobene Marktgebühren in Höhe von 40 % ihres Gewinns zahlt. Die Autor*innen argumentieren, dass in der jüngeren Geschichte die Reichsten weitaus höher besteuert wurden. „In den letzten vierzig Jahren haben die Regierungen weltweit die Einkommenssteuersätze für die Reichsten gesenkt. Gleichzeitig haben sie die Steuern auf Waren und Dienstleistungen erhöht, was die Ärmsten unverhältnismäßig stark belastet und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern noch verschärft“, heißt es im Bericht. Von jedem US-Dollar, den Staaten aus Steuern einnehmen, stammen aktuell nur vier Cent aus Steuern auf Vermögen. Die Hälfte aller Milliardär*innen lebt heute in Ländern ohne eine Erbschaftssteuer, was bedeutet, dass sie 5 Billionen US-Dollar steuerfrei an ihre Nachkommen weitergegeben können. Das ist mehr als das gesamte Bruttoinlandsprodukt des afrikanischen Kontinents. Das Einkommen der Superreichen stammt oft aus den Erträgen ihres Vermögens, doch die Steuersätze auf Kapitalerträge liegen in mehr als 100 Ländern im Durchschnitt bei nur 18 % – etwas weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Spitzensteuersatzes in den OECD-Ländern. „Unser Bericht zeigt erneut: Dass von Steuersenkung für die Reichsten alle profitieren, ist ein Mythos. Konzerne und ihre superreichen Haupteigentümer*innen müssen endlich ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten“, betont Schmitt.

Oxfam fordert die Regierungen auf, exzessive Übergewinne und hohe Vermögen stark zu besteuern und mit den Einnahmen in den Ausbau von sozialer Sicherung, Bildung und Gesundheit zu investieren. Gemeinsam mit anderen Institutionen hat Oxfam International errechnet, dass eine Steuer von bis zu 5 Prozent auf das Vermögen der Multimillionär*innen und Milliardär*innen der Welt 1,7 Billionen US-Dollar pro Jahr einbringen könnte. Dies würde u.a. ausreichen, um zwei Milliarden Menschen über die erweiterte Armutsgrenze der Weltbank von 6,85 US-Dollar pro Tag zu heben und universelle Gesundheitsversorgung und soziale Sicherung für die 3,6 Milliarden Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bereitzustellen. „Die Besteuerung der Superreichen ist die strategische Voraussetzung für den Abbau der Ungleichheit und die Wiederbelebung der Demokratie“, so Gabriela Bucher von Oxfam International. „Wir brauchen das für Innovation. Für stärkere öffentliche Dienstleistungen. Für eine glücklichere und gesündere Gesellschaft. Und für die Bewältigung der Klimakrise, indem wir in Lösungen investieren, die den irrsinnigen Emissionen der Reichsten entgegenwirken.“ Oxfam Deutschland fordert von der Bundesregierung ebenfalls eine systematische und weitreichende Besteuerung von Krisengewinnen und eine höhere Besteuerung reicher Menschen. Durch eine Übergewinnsteuer müssten exzessive Krisengewinne von Konzernen abschöpft werden. Die Vermögenssteuer müsse wieder eingeführt werden und es brauche angesichts der aktuellen Krisensituation eine einmalige Abgabe auf sehr hohe Vermögen. In Deutschland wird Vermögen im internationalen Vergleich bislang unterdurchschnittlich besteuert. (ab)

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