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12.10.2022 |

Rote Liste: 37% der Schwebfliegenarten in Europa könnten schwinden

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Eine Schwebfliegenart (Foto: CC0)

Wenn vom Insektensterben die Rede ist, stehen häufig Bienen, Hummeln und Schmetterlinge im Fokus. Die Schwebfliege fristet dagegen ihr Dasein fernab des Rampenlichts, auch wenn sie nach den Bienen die zweitwichtigsten Bestäuber in der Landwirtschaft sind. Nun schlägt jedoch der Weltnaturschutzverband IUCN Alarm, der die Rote Liste der bedrohten Arten herausgibt: Rund 37% aller Schwebfliegenarten in Europa sind vom Aussterben bedroht. Dies geht aus einer Auswertung der Roten Liste für Europa hervor, die von der EU-Kommission in Auftrag gegeben und finanziert wurde. Vor allem der Klimawandel, Pestizide und eine nicht nachhaltige Land- und Forstwirtschaft machen den Schwebfliegen zu schaffen. „Diese erste Auswertung der Europäische Roten Liste in Bezug auf Schwebfliegen unterstreicht ihre immense Vielfalt und ihre zentrale Rolle in unseren Agrar- und Ernährungssystemen. Genau diese Systeme sind jedoch eine der Hauptursachen für den Rückgang der Schwebfliegen“, beklagt Dr. Bruno Oberle, Generaldirektor der IUCN.

Die Einteilung der IUCN umfasst mehrere Kategorien, die von „unzureichende Datengrundlage“ über „nicht“ und „potentiell gefährdet“ sowie drei Gefährdungsstufen bis hin zu ausgestorben reichen. Die Auswertung der Roten Liste für Europa ergab, dass 314 von 890 Schwebfliegenarten in Europa den hohen Gefährdungskategorien „gefährdet“, „stark gefährdet“ oder „vom Aussterben bedroht“ zuzuordnen sind. Schwebfliegen (Syrphidae) werden auch Schwirrfliegen genannt und gehören zu der Familie der Zweiflügler. Sie bringen es auf bis zu 300 Flügelschläge in der Sekunde und können daher wie auch der Kolibri längere Zeit an einer Stelle in der Luft „schweben“. Um sich Vögel und weitere Fressfeinde vom Leibe zu halten, versuchen viele Schwebfliegen, mit einer schwarz-gelben Farbzeichnung des Hinterleibs gefährlich auszusehen, aber sie stechen nicht. Ausgewachsene Schwebfliegen ernähren sich von Nektar und Pollen und sind daher neben Bienen die zweitwichtigste Bestäubergruppe. Sie spielen auch eine wichtige Rolle in der „Schädlingsbekämpfung“, da viele heimische Arten mit Vorliebe Blattläuse auf dem Speiseplan stehen haben. Sie kontrollieren z.B. auf natürliche Weise die Grüne Pfirsichblattlaus, die im Pfirsichanbau gerne Schäden verursacht.

Die intensive Landwirtschaft ist die größte Bedrohung für Schwebfliegen in Europa und betrifft mehr als die Hälfte (475) aller 890 Arten, teilt der IUCN mit. Zu den nicht nachhaltigen landwirtschaftlichen Praktiken, die den Schwebfliegen das Leben schwer machen, gehören die Umwandlung von geeignetem Lebensraum, die Verschlechterung ihrer Habitate durch Überweidung sowie die Fragmentierung von natürlichen Lebensräumen. Außerdem sind mindestens 55 Arten in Europa durch den Einsatz von Pestiziden bedroht. „Um etwas am Schicksal der Schwebfliegen zu ändern, müssen wir dringend alle Sektoren unserer Wirtschaft und insbesondere die Landwirtschaft so umgestalten, dass sie sich positiv auf die Natur auswirken und nachhaltig sind“, sagte Dr. Bruno Oberle. Weitere Gefahren für die Schwebfliegen gehen von dem grundsätzlichen Verlust oder der Verschlechterung ihrer Lebensräume aus, vor allem dem Verschwinden von alten Bäumen, unter anderem durch kommerzielle Forstwirtschaft, Stadtentwicklung und Klimawandel. Bei mehr als einem Viertel (244) der untersuchten Arten wurde ermittelt, dass sich ihre Lebensräume infolge des Klimawandels und der damit verbundenen größeren Häufigkeit von Bränden verschlechtern, verlagern und verändern. Da Waldbrände besonders Totholz und alte Bäume und damit einen Lebensraum von Schwebfliegen vernichten, müssen Schwebfliegen in neue Gebiete ausweichen.

Der IUCN betont, dass eine Transformation der Landwirtschaft notwendig sei, um die Lebensräume vieler Schwebfliegenarten zu schützen und sie vorm Aussterben zu bewahren. Es seien gezielte gebietsbezogene Erhaltungsmaßnahmen erforderlich, um gerade Feuchtgebiete, alte Wälder mit alten Bäumen und naturnahe Lebensräume außerhalb von formell geschützten Gebieten zu bewahren. „Die wichtigste Maßnahme, um den Rückgang der Schwebfliegenpopulationen aufzuhalten, ist der Schutz ihrer Lebensräume und die Vernetzung von Lebensräumen in der Landschaft. Am vordringlichsten ist es, alte Bäume mit Stammhöhlen, Baumlöchern, Saftrinnen, herabgefallenen Ästen und Baumstümpfe zu schützen – die Mikrohabitate, in denen sich die Larven einer Vielzahl von Arten ernähren, darunter auch viele bedrohte Arten“, erklärt Dr. Francis Gilbert, Ko-Vorsitzender einer IUCN-Expertengruppe für Schwebfliegen. Aber auch Blühstreifen mit Wildblumen am Ackerrand oder die Wiederherstellung von Hecken in der Agrarlandschaft können Schwebfliegen helfen. Neben der Wiederherstellung von Ökosystemen ist die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, um den Klimawandel abzumildern, ein wichtiger Beitrag zur Rettung der Schwebfliegen und damit zu unserer Ernährungssicherheit. (ab)

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