Nachricht

23.10.2020 |

EU-Bericht belegt drastischen Rückgang der biologischen Vielfalt

Rebhuhn
Rebhuhn: im Abwärtstrend (Foto: CC0)

Die meisten Tier- und Pflanzenarten sowie Lebensräume in Europa weisen keinen guten Erhaltungszustand auf. Nicht nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, Zersiedelung und Umweltverschmutzung sind die Hauptursachen für den anhaltenden Rückgang der Artenvielfalt. Das sind die unschönen Nachrichten, mit denen die Europäische Umweltagentur (EUA) in ihrem neusten Bericht zur Lage der Natur in der EU am 19. Oktober aufwartete. Dieser bildet den Zustand im Berichtszeitraum 2013-2018 ab und stützt sich auf Daten aus den EU-Mitgliedstaaten, die Rechenschaft über ihre Bemühungen zum Erhalt von mehr als 2000 Arten und Lebensräumen im Rahmen der Naturschutzrichtlinien der EU (Habitat- und die Vogelschutzrichtlinie) ablegen müssen. Die Bilanz fällt düster aus: Das Überleben tausender Tierarten und Lebensräume in der EU ist bedroht. Zwar gibt es auch ein paar Lichtblicke, doch diese Fortschritte reichen bei Weitem nicht aus, um die Ziele der Biodiversitätsstrategie der EU bis 2020 zu erreichen. „Diese Bewertung des Zustands der Natur ist der umfassendste Gesundheitscheck der Natur, der jemals in der EU durchgeführt wurde“, betont Virginijus Sinkevičius, der für Umwelt, Meere und Fischerei zuständige Kommissar. „Sie zeigt sehr deutlich, dass wir weiterhin Teile unserer natürlichen Lebensgrundlage verlieren. (…) Wir müssen dringend die in der neuen EU-Biodiversitätsstrategie eingegangenen Verpflichtungen erfüllen, um diesen Rückgang zum Nutzen der Natur, der Menschen, des Klimas und der Wirtschaft umzukehren.“

Die Daten zur EU-Vogelschutzrichtlinie beziehen sich auf 463 in der EU natürlich vorkommende Vogelarten. Nur knapp die Hälfte (47%) der Vogelarten weisen einem guten Erhaltungszustand auf. Im letzten Berichtszeitraum 2008-2012 waren es noch 5% mehr. Bei 39% aller Vogelarten war ein mangelhafter oder schlechter Erhaltungszustand zu verbuchen – ein Plus von 7% im Vergleich zu 2008-12. Bei den restlichen 14% ist er Erhaltungszustand aufgrund fehlender Daten unklar. Bei den Brutvögeln sieht der Kurzzeittrend nicht gerade rosig aus: Zwar liegt der Anteil der Brutvogelarten mit zunehmenden Bestandstrends bei 23%, doch bei 30% der Vogelarten sind Bestandsrückgänge zu verzeichnen. Bei Brutvögeln wie dem Kranich und dem Roten Milan gab es den höchsten Anteil an Berichten, die eine positive Bestandstrends zeigen. Besser geht es vor allem auch in Feuchtgebieten lebenden Vögeln und Meeresvögeln, für die Natura-2000-Schutzgebiete ausgewiesen wurden, z.B. der Rostgans oder der Gryllteiste. Dazu beigetragen habe die Wiederherstellung von Lebensräumen sowie mehr Wissen, Überwachung und Bewusstsein. Bei den Vögeln der Agrarlandschaft geht es kaum bergauf. Zu den Brutvögeln, die in fast 50% aller Mitgliedsstaaten abnehmende Bestände aufweisen, gehören der Wachtelkönig, der Neuntöter oder das Rebhuhn.

Im Rahmen der Habitatrichtlinie meldeten die Mitgliedsstaaten, wie es um 233 Lebensräume und 1.389 Arten bestellt ist. „Die meisten EU-weit geschützten Arten wie z. B. der Würgfalke und der Donaulachs sowie Lebensräume von Grünland bis Dünen in allen Teilen Europas sehen einer ungewissen Zukunft entgegen, wenn nicht mehr dringend notwendige Maßnahmen ergriffen werden, um die Situation umzukehren“, betont die Europäische Umweltagentur in ihrer Pressemitteilung. Bei den Lebensräumen sieht es verheerend aus: Insgesamt 81% aller Lebensräume weisen einen mangelhaften (45%) oder schlechten (36%) Erhaltungszustand auf – Tendenz abfallend. Im letzten Berichtszeitraum wurden nur 30% der Lebensräume als schlecht eingestuft. Lediglich 15% der Lebensräume haben nun einen guten Erhaltungszustand, bei 4% ist die Lage ungewiss. Die weitere Entwicklung bei den Lebensräumen, die keinen guten Erhaltungszustand haben, lässt nichts Gutes verheißen: Nur bei 9% zeichnet sich ein Aufwärtstrend ab, während sich bei 36% der Zustand weiter verschlechtert. Bei Grünland- und Dünengebieten sowie Hoch- und Niedermoorlebensräumen zeigt sich eine starke Verschlechterung, während bei Wäldern die klarste Verbesserung zu verzeichnen ist.

Bei den Arten ist nur bei einem Viertel (27%) ein positiver Erhaltungszustand festzustellen, aber immerhin sind es 4% mehr als im letzten Berichtszeitraum. Bei 63% der Arten sieht es hingegen schlecht (21%) oder mangelhaft (42%) aus. Bei Reptilien wie der Ruineneidechse oder der Hufeisennatter sowie bei Gefäßpflanzen wie der weichhaarige Odermennig oder dem Gelben Enzian ist der Anteil, der sich in gutem Erhaltungszustand befindet, am höchsten (35%). Der höchste Anteil mit schlechtem Erhaltungszustand ist bei den Fischen mit 38% zu verzeichnen. Meeressäuger sind die Art mit dem höchsten Anteil, bei denen der Erhaltungszustand im Dunklen liegt.

Zu den Gründen für den schlechten Zustand von Lebensräumen und Arten sagt der Bericht: „Auch wenn die Ursachen für die Zerstörung der Lebensräume und den Artenrückgang vielfältiger Natur sind, ist der Haupttreiber die intensive Landwirtschaft.“ Düngemittel und der Einsatz von Pestiziden haben laut den Autoren einen erheblichen Einfluss auf viele Lebensräume und Arten. Das gelte vor allem für die Auswirkungen von Ackergiften auf Amphibien, Insekten und Säugetiere, z.B. Fledermäuse, den Feldhamster oder Vögel. Andere Ursachen sind die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden sowie die übermäßige Ausbeutung von Tieren durch illegale Entnahme und nicht nachhaltige Jagd und Fischerei. Weitere Faktoren sind dem Bericht zufolge Veränderungen an Flüssen und Seen (z.B. Staudämme und Wasserentnahme), invasive gebietsfremde Arten und der Klimawandel. „Unsere Bewertung zeigt, dass die Erhaltung der Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Natur und des Wohlergehens der Menschen grundlegende Änderungen in der Art und Weise erfordert, wie wir Lebensmittel erzeugen und konsumieren, Wälder bewirtschaften und nutzen und Städte bauen“, erklärte Hans Bruyninckx, Exekutivdirektor der EUA. „Diese Anstrengungen müssen mit einer besseren Umsetzung und Durchsetzung der Naturschutzpolitik, einem Schwerpunkt auf der Wiederherstellung der Natur sowie immer ehrgeizigeren Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere im Verkehrs- und Energiesektor, einhergehen.“ (ab)

Zurück zu den Meldungen

Unterstützer

Unterstützer von www.weltagrarbericht.de Verlag der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. Bioland biovision Brot für die Welt Brot für alle Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Demeter Zukunftsstiftung Entwicklung in der GLS Treuhand Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heidehof Stiftung Mission EineWelt Misereor Naturland Public Eye | Erklärung von Bern Rapunzel - Wir machen Bio aus Liebe Swiss Aid, Ihr mutiges Hilfswerk tegut W-E-G Stiftung
English versionEnglish versionDeutsche Version