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30.01.2017 |

Nicht makellos genug: Ein Drittel der deutschen Kartoffelernte wird verschwendet

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Perfekt genug? (Foto: CC0)

In Deutschland gelangen etwa 35% der Kartoffeln nicht vom Acker auf den Teller, da ihr Äußeres nicht den strengen Anforderungen des Handels genügt. Jedes Jahr werden so 1,5 Millionen Tonnen Kartoffeln verschwendet – etwa 60.000 LKWs mit einem Füllgewicht von 25 Tonnen. Zu diesem Ergebnis gelangt die Studie „Kleine Makel – Große Folgen“, für die der WWF gemeinsam mit Kartoffelbauer Carsten Niemann (Biokartoffel-Nord) am Beispiel der Knolle aufzeigte, welche Vorgaben des Handels diese Verluste bewirken und welche Folgen dies für Umwelt und Landwirte mit sich bringt. Die Deutschen lieben Kartoffeln: Ob als Pommes oder Pellkartoffeln, Kartoffelpuffer oder Chips – gut 60 Kilo verzehren die Bundesbürger jährlich. Kleine Makel an der Schale haben dabei keinerlei Einfluss auf die „inneren Werte“ der Knolle, wie Nährstoffe, Mineralien, Vitamine oder Geschmack, doch der Handel für die Kunden nur perfekte Exemplare. „Die Kartoffel soll eiförmig sein, eine bestimmte Farbe und eine makellose Schale haben“, erläutert Tanja Dräger de Teran vom WWF. „Erschwerend kommt hinzu, dass Kartoffeln inzwischen vor dem Verkauf gewaschen werden. Der maschinelle Waschvorgang und das Wasser zerstören ihre natürliche Schutzschicht.“ Die Kartoffel wird lichtempfindlicher, oft beim Waschen verletzt und durch die Feuchtigkeit anfällig für Pilze. Das Waschen führt zudem zu einer erhöhten Aussortierungsquote, da leichte Verfärbungen und Stellen an den Kartoffeln besser sichtbar werden.

Nach WWF-Schätzungen wird die Hälfte der 1,5 Millionen verschwendeten Kartoffeln gleich nach der Ernte aussortiert. Im konventionellen Anbau sind es jedes Jahr 700.000 Tonnen, im Ökolandbau bis 50.000 Tonnen. Gerade für Biokartoffeln endet die Reise häufig, bevor sie überhaupt angefangen hat: Rund 30 bis 35% der ökologisch angebauten Kartoffeln werden beim Sortieren im Packbetrieb ausgesiebt. „Es ist gängige Praxis, dass wir nur für jenen Anteil die vereinbarten Preise erhalten, der auch den oft widersinnigen Qualitätsanforderungen genügt. Das heißt im Umkehrschluss, die Erzeuger bekommen für bis zu einem Drittel ihrer Ware weniger Geld. Im schlimmsten Fall sogar überhaupt nichts“, erklärt Carsten Niemann. Da Biobauern auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten, kommen Schalenfehler sowie Untergrößen häufiger vor. Während konventionelle Bauern 343 verschiedene Mittel zur Verfügung haben, ist die Liste der natürlichen Wirkstoffe, die im Öko-Kartoffelanbau eingesetzt werden dürfen, mit 35 zugelassenen Mitteln relativ übersichtlich.

Obwohl die aussortierten Kartoffeln perfekt für den menschlichen Verzehr geeignet sind, erhalten die Erzeuger weniger Geld und die Knollen werden zu Bioenergie, Tierfutter oder industrieller Stärke verarbeitet. Vorausgesetzt der Stärkegehalt der Kartoffelsorte reicht dafür aus. Der WWF fordert Wirtschaft und Handel angesichts dieses enormen Ausmaßes der Verschwendung von Energie, Wasser und anderen Rohstoffen für die vergebliche Erzeugung der Kartoffeln sowie der Folgen des Preisdumpings für die Landwirte dazu auf, ihre Anforderungen an landwirtschaftliche Erzeugnisse anzupassen. „Rein optische Kriterien dürfen nicht länger darüber entscheiden, ob ein wertvolles Nahrungsmittel verwendet oder verschwendet wird“, betont Dräger de Teran. Auch Niemann sieht den Handel in der Pflicht: „Der Handel muss mehr Verantwortung für die vorgelagerte Lieferkette übernehmen, insbesondere für die Bauern.“ Aber auch die Politik ist gefragt. Deutschland hat sich m Rahmen der 2015 verabschiedeten UN-Nachhaltigkeitsziele dazu verpflichtet, die Verschwendung von Lebensmitteln einzudämmen. Ziel 12.3 sieht vor, bis 2030 die Nahrungsmittelverschwendung weltweit pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten zu verringern. Der WWF fordert daher von der Politik die Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen, die sich der gesamten Wertschöpfungskette annimmt und verbindliche Ziele für die einzelnen Branchen festlegt. (ab)

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