Nachricht

18.04.2017 |

NGOs fordern Stärkung der Rechte von Kleinbäuerinnen und -bauern

Reis
Reisernte auf Bali (Foto: CC0, kolibri5)

Die Rechte und Lebensgrundlagen von Kleinbauern sollen mit einer UN-Erklärung gestärkt werden. Das forderte ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen zum internationalen Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes, der seit der Ermordung von Landrechtsaktivisten in Brasilien durch Polizeikräfte vor 20 Jahren am 17. April begangen wird. In einer gemeinsamen Pressemitteilung rufen die Menschenrechtsorganisation FIAN, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt und weitere NGOs die Bundesregierung dazu auf, die Erarbeitung einer solchen Erklärung auf UN-Ebene zu unterstützen. Denn obwohl Kleinbäuerinnen und Kleinbauern den Großteil der weltweiten Lebensmittel produzieren und „mit ihrem von Generation zu Generation weitergegebenen Wissen um traditionelle bäuerliche und ökologische Anbauweisen“ gesunde, standortgerechte und kulturell angepasste Nahrung sichern, leiden sie häufig selbst an Unterernährung. Die Hälfte der weltweit 800 Millionen Hungernden seien Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Ihre Rechte werden zunehmend durch Agrarkonzerne und Regierungen bedroht und verletzt. Das Bündnis kritisiert, dass der Zugang von Kleinbauern zu natürlichen Ressourcen wie Saatgut und Land immer stärker beschnitten wird, während internationale Verträge und nationale Gesetze Agrarkonzerne begünstigen.

„Es ist höchste Zeit, dass die UN–Mitgliedsstaaten die systematische Diskriminierung kleinbäuerlicher Erzeugerinnen und Erzeuger in den Fokus stellen und gezielt ihre Rechte stärken“, fordert Andrea Müller-Frank, Referentin für das Recht auf Nahrung bei Brot für die Welt. „Dazu gehören etwa die staatliche Limitierung von Landkonzentrationsprozessen zum Erhalt der sozialen Funktion des Ackerlandes oder die Anerkennung und Förderung traditioneller Nutzungsrechte von Bewässerungsquellen und kleinbäuerlichen Saatguts.“ Die Organisationen weisen darauf hin, dass der bisher bestehende internationale Rechtsrahmen nicht ausreiche, um Kleinbauern zu schützen. „Rechtsverletzungen gegenüber Kleinbauern und Kleinbäuerinnen müssen unbedingt international als solche anerkannt und Klagemöglichkeiten eingeräumt werden“, betont Gertrud Falk, Menschenrechtsreferentin von FIAN Deutschland.

Aber nicht nur die Lebensgrundlagen von Kleinbauern im globalen Süden sind bedroht, sondern auch bäuerliche Existenzen in Europa. Während die europäische Agrar- und Ernährungsindustrie jedes Jahr steigende Exporte verbucht, haben innerhalb von sechs Jahren drei Millionen Bauernfamilien in der EU der Landwirtschaft den Rücken gekehrt und ihre Hoftore geschlossen. Besonders seit der Abschaffung der Milchquote im Jahr 2015 sind die Preise im Keller. „Die EU-Agrarpolitik reagiert mit Dumpingexporten, weil sie sich bislang stärker an den Interessen der Agrarindustrie und der landwirtschaftlichen Großbetriebe orientiert“, beklagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL. Landwirte würden als austauschbare Rohstoffproduzenten und Lebensmittel als billige Rohstoffe betrachtet. Die Organisationen sind der Auffassung, dass eine UN-Erklärung die Rechte von Kleinbauern weltweit stärken kann und rufen zur Unterzeichnung einer Petition auf, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen. Im UN-Menschenrechtsrat befasst sich eine Arbeitsgruppe seit 2012 mit der Entwicklung einer solchen Erklärung. Mitte Mai findet die nächste Sitzung statt. (ab)

07.04.2017 |

In der Kritik: EPA erteilt weiter Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen

Grst
Keine Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung (Foto: Andreas Hermsdorf/pixelio.de)

Trotz des Drucks von EU und Zivilgesellschaft erteilt das Europäische Patentamt (EPA) in München weiterhin Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung. Das zeigt eine Auswertung der 2016 erteilten Patente auf Pflanzen und Pflanzenzucht durch das NGO-Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“. Das EPA gab im letzten Jahr grünes Licht für rund 40 Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung – damit wächst die Gesamtzahl dieser Patente auf rund 200. Zudem wurden 60 Patente auf Verfahren zur gentechnischen Veränderung und Züchtung von Pflanzen erteilt, teilte das Bündnis mit. Die meisten Patente sahnten 2016 Konzerne wie Bayer, Monsanto und Co ab: Unter Einbeziehung der jeweiligen Firmenableger sind BASF und Monsanto mit 30 Patenten Spitzenreiter, gefolgt von Bayer mit 20 erfolgreichen Patentanträgen, DuPont und Dow AgroSciences mit 14 und Syngenta mit 8 erteilten Patenten. Die Zahl der europäischen Patente auf Nutzpflanzen insgesamt beläuft sich mittlerweile auf rund 3000. Das EPA schert sich offenbar nicht um die Kritik, die seit Langem an der Erteilung von Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen geübt wird, und hält Schlupflöcher offen, die es Konzerne und Patentanwälten ermöglichen, diese Patente dennoch durchzubringen, kritisiert „Keine Patente auf Saatgut!“.

Das europäische Patentrecht untersagt – anders als bei gentechnisch veränderten Pflanzen – Patente auf Pflanzen und Tiere, „die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren“ gewonnen wurden. Das EPA legt dies anders aus: Seine Große Beschwerdekammer entschied im März 2015 in einer Grundsatzentscheidung zum „Brokkoli-Patent“, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere weiterhin zulässig sind, auch wenn die Züchtungsverfahren als solche nicht patentierbar sind. Das EU-Parlament hatte dies im Dezember 2015 mit klarer Mehrheit zurückgewiesen. Auch die EU-Kommission unterstützte diese Ansicht mit einer Stellungnahme im November 2016. Erst im Februar hatte die EU-Mitgliedsstaaten nachgelegt: Der Europäische Rat für Wettbewerbsfähigkeit bestätigte, dass konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere nicht patentierbar sind und rief die EU-Staaten dazu auf, das EPA in die Schranken zu weisen. Das Amt schob daraufhin offenbar einige dieser Patente tatsächlich auf, doch den Unternehmen gelang es durch Anpassung der Patentanträge dennoch, ihre Patente durchzusetzen. „Es ist erschreckend, wie leicht es für Konzerne und Patentlobby ist, sich dem politischen Druck zu entziehen. Man formuliert einfach die Ansprüche etwas anders und kann sich weiterhin Patente vom Saatgut bis zur Ernte und damit die Kontrolle über die Lebensmittel-produktion und Landwirtschaft sichern“, kritisiert Christoph Then für „Keine Patente auf Saatgut!“

Der Auswertung zufolge behelfen sich die Konzerne häufig mit dem Trick, nicht länger den Züchtungsvorgang selber als Erfindung zu beanspruchen, sondern züchterische Merkmale wie genetische Veranlagungen oder Änderungen im Erscheinungsbild der Pflanzen. Solche Patente erstreckten sich dann auf alle Pflanzen mit diesen Merkmalen, ungeachtet dessen, wie sie hergestellt wurden. Zudem würden oft auch zufällige Mutationen als Erfindung deklariert – rund 65% der 2016 erteilten Patente auf konventionelle Züchtung basieren auf diesen Mutationen. Dabei hatte die Kommission klargestellt, dass nur gentechnische Verfahren patentierbar sind. Als Beispiel für das Ausnutzen von Schlupflöchern nennt das Bündnis Patente auf Bier der Firmen Carlsberg und Heineken, die basierend auf zufälligen Mutationen alle Gerstenpflanzen beanspruchen, die eine bestimmte Brauqualität haben. Sogar die jahrhundertealte Tradition des Brauens und Bier selbst wurden als Erfindung beansprucht. Die Auswertung für 2016 brachte ähnliche Patente auf zufällige Mutationen für die Firmen Bayer (Raps), Monsanto (Ölpflanzen) und DuPont (Mais) zum Vorschein. Das EPA soll den Firmen in seinen Prüfbescheiden sogar nahegelegt haben, Ansprüche abzuändern, um solche Patente auch künftig zu erhalten. Angesichts dieser Umgehung des Patentrechts fordert „Keine Patente auf Saatgut!“ die Vertragsstaaten des EPA auf, bei ihrer nächsten Sitzung im Juni die Weichen für lückenlose Verbote im Bereich der konventionellen Züchtung zu stellen. (ab)

06.04.2017 |

International gehandelte Lebensmittel zehren an Grundwasserreserven

Bwssrng
Bewässerung in der Wüste: Anbauprojekt East Oweinat Ägypten (Foto: NASA Earth Observatory)

Der internationale Handel mit Lebensmitteln trägt erheblich zum Schwinden der Grundwasservorräte bei: 11% des für die Bewässerung genutzten nicht erneuerbaren Grundwassers fließt in weltweit gehandelte Nutzpflanzen. Dieses nicht nachhaltige Anzapfen des Grundwassers gefährdet die künftige Verfügbarkeit von Lebensmitteln und Wasser, warnt ein internationales Team von Wissenschaftlern im Fachjournal Nature. Die am 29. März veröffentlichte Studie, an der unter anderem Forscher des University College of London, der NASA und des Senckenberg beteiligt waren, zeigt einen rasanten Anstieg der Grundwasserentnahme für die Landwirtschaft: „Die Menge des dabei verbrauchten, nicht-erneuerbaren Grundwassers – also Wasser, das nicht oder nur wenig durch Regen oder Eindringen von Oberflächenwasser erneuert wird – hat weltweit zwischen 2000 und 2010 um 22 Prozent zugenommen“, erklärt Ko-Autor Dr. Thomas Kastner vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Für die Studie hatten die Forscher Handelsstatistiken der Welternährungsorganisation FAO zu Agrarerzeugnissen nach Ländern ausgewertet und diese mit globalen hydrologischen Modellen kombiniert, um den Ursprung des Wasser für den Anbau von 26 Produktkategorien zu bestimmen. Der größte Wasserschlucker ist Reis mit 29% der Gesamtmenge an nicht-erneuerbarem Grundwasser, das in den internationalen Handel fließt. Mit Abstand folgen Weizen (12%), Baumwolle (11%), Mais (4%) und Sojabohnen (3%).

Pakistan, die USA und Indien sind die größten Grundwasserräuber: 29% des für den Anbau von Exportpflanzen genutzten nicht-erneuerbaren Grundwassers entfällt auf Pakistan, gefolgt von den USA mit 27% und Indien mit 12%. In diesen Ländern hat sich der Anteil des nicht nachhaltig genutzten Grundwassers zwischen 2000 und 2010 krass erhöht: In Indien verdoppelte sich der Export von auf Kosten des Grundwassers bewässerten Lebensmitteln, in den USA betrug der Anstieg 57% und in Pakistan sogar 70%. Beim Import hat China mit einem Anteil von 9% am nicht-erneuerbaren Grundwasser, das weltweit zum Anbau gehandelter landwirtschaftlicher Produkte genutzt wird, die Nase vorne vor den USA und Iran. Aber auch Mexiko, Japan, Saudi-Arabien, Kanada, Bangladesch, Großbritannien und der Irak importieren große Grundwassermengen. Deutschland kommt auf einen Anteil von 2,5 % und beansprucht damit deutlich mehr, als dem Land gemessen am Anteil an der Weltbevölkerung zustehen würde. „Obwohl in Deutschland kein Grundwassermangel herrscht, importieren wir Nahrungsmittel, die durch übermäßige Grundwassernutzung hergestellt wurden. Langfristig gesehen, könnte diese Versorgung einbrechen oder die Preise stark steigen“, so Kastner.

Die Hauptautorin der Studie, Dr. Carole Dalin vom University College London, appelliert daher an das Bewusstsein der Handelspartner und Verbraucher: „Wenn Menschen bestimmte importierte Lebensmittel konsumieren, sollten sie sich darüber im Klaren sein, dass diese andernorts Auswirkungen auf die Umwelt haben können.“ Wenn künftig die Grundwasserreserven nicht nachhaltiger genutzt werden, könnte für einen großen Teil der Weltbevölkerung eine stabile Nahrungsmittelversorgung und erschwingliche Preise in Gefahr sein. „Im Zuge des Klimawandels werden zudem Dürren in vielen Regionen häufiger werden. Um dies kompensieren zu können, dürfen wir die Grundwasservorräte nicht erschöpfen“, mahnt Dalin. Die Autoren warnen aber nicht nur, sondern nennen in ihrer Studie auch eine Reihe von Maßnahmen, mit denen es gelingen könnte, die Erfordernisse der aktuellen Lebensmittelproduktion und der langfristigen Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Ihre Empfehlungen zur Verringerung der Grundwassernutzung reichen von einer effizienteren Bewässerung über den Anbau von Pflanzen, die weniger Wasser benötigen und dürreresistenter sind, bis hin zur Regulierung der Grundwasserentnahme. (ab)

03.04.2017 |

Verbände-Plattform fordert Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik

Wldkrtr
Geld für Leistungen statt Hektar (Foto: Katharina Schertler/ Bioland)

Mehrere Organisationen haben zu einer grundlegenden Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik und ihrer Umsetzung in Deutschland aufgerufen. In einem Positionspapier fordern die 30 Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, Tierschutz und Entwicklungspolitik die Koppelung sämtlicher Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU an gesellschaftlichen Leistungen der Landbewirtschafter und die Stärkung kleinerer und mittlerer Betriebe. Vertreter der Verbände-Plattform überreichten Umweltministerin Barbara Hendricks am 29. März ihre Forderungen für die GAP-Reform nach 2020 und Vorschläge für die Übergangszeit bis dahin in Deutschland.

„Weil der Großteil der Agrar-Fördermittel aktuell mit der Gießkanne über alle Agrarflächen ausgeschüttet wird, fehlt das Geld, um Leistungen von Landwirten im Umwelt-, Gewässer-, Klima- und Tierschutz zu finanzieren“, sagte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). In dem Papier heißt es: „Es braucht einen Paradigmenwechsel weg von der Förderung pro Hektar hin zur gezielten Unterstützung gesellschaftlich relevanter Leistungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Durch die letzte GAP-Reform hätten die Mitgliedsstaaten Spielraum zur Bindung von Direktzahlungen an ökologisch und sozioökonomisch wirksame Kriterien erhalten, doch den nutze Deutschland bisher nur unzureichend, bemängeln die Organisationen. „Um die enormen Herausforderungen anpacken zu können, muss Deutschland die von der EU geschaffene Möglichkeit nutzen, 15 Prozent der EU-Agrargelder von der allgemeinen Flächenförderung in die 2. Säule für Umwelt-, Tier- und Klimaschutz umzuschichten“, betont Löwenstein. Hendricks begrüßte das Papier und unterstütze diesen Punkt: „Wir brauchen ein Fördersystem, das sich nicht an Hektarzahlen orientiert, sondern Landwirte für die Leistungen belohnt, die sie für das Gemeinwohl erbringen, zum Beispiel für den Umweltschutz“, teilte sie mit.

Das Papier kritisiert auch, dass die bisherige verfehlte Agrarpolitik landwirtschaftliche Betriebe in Europa vor große Herausforderungen stellt. Auf die grundlegenden Krisen liefere die GAP „noch keine überzeugend wirksame Antwort“. Das besonders schwere und lang anhaltende Preistief für Milch und Schweinefleisch in den Jahren 2014 bis 2016 habe in den betroffenen Betrieben zu hohen Verlusten geführt. Deutlich mehr Betriebe als in früheren Jahren haben aufgegeben. Die NGOs sprechen von einem „Strukturbruch im ländlichen Raum“. Die EU-Krisen-Instrumente setzten dem nichts entgegen. Die GAP und ihre nationale Ausgestaltung hätten die Krisen gar maßgeblich mit verursacht. „Zum Hauptziel der GAP wurden die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Form von Kostenführerschaft und steigenden Exportmengen der Agrar- und Ernährungsindustrie erklärt. Die ökonomischen Risiken werden auf die landwirtschaftlichen Betriebe als schwächstes Glied in der „Lebensmittelkette“ abgeschoben“, so die Verbände. Sie sprechen sich für spezifische Beratungs- und Förderangebote für kleinere und mittlere Betriebe im notwendigen Umbau der Agrarpolitik und besonders der Tierhaltung aus. Zudem schlagen sie Änderungen an der Marktordnung vor, um schwere Krisen zu vermeiden und die Selbstregulierung der Erzeuger zu stärken.

Das Papier betont auch die Notwendigkeit, die GAP am Recht auf Nahrung und an den UN-Nachhaltigkeitszielen auszurichten. „Die Sicherstellung einer nachhaltigen Landwirtschaft, der Erhalt der Biodiversität und die Unterstützung von Kleinbauern beim Zugang gerade zu lokalen und regionalen Märkten und Wertschöpfungsmöglichkeiten gehören zu den vereinbarten Zielen. Dem widersprechen solche Exporte von Nahrungsmitteln aus der EU, die in Entwicklungsländern zu konkurrenzlos niedrigen Preisen angeboten werden und Kleinerzeuger und Verarbeiter von ihren lokalen und regionalen Märkten verdrängen.“ (ab)

28.03.2017 |

Offener Brief: EU-Kommission muss Megafusionen von Agrarriesen verhindern

Elfntn
200 NGOs gegen die Elefantenhochzeit (Foto: CC0)

Rund 200 Organisationen haben die EU-Kommission aufgefordert, geplante Großfusionen im Agrarbereich zu unterbinden, um eine noch stärkere Marktkonzentration zu verhindern. In einem offenen Brief wandten sich die Bauern-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, kirchliche Organisationen und Lebensmittelhandwerk am 27. März an die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Wir, die unterzeichnenden Organisationen, fordern die Europäische Kommission auf, die bevorstehenden Fusionen der weltweit größten Agrarchemie- und Saatgutkonzerne zu verhindern. Sie muss stattdessen dringend wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Landwirtschaft in der Europäischen Union ökologisch nachhaltiger, sozial gerechter und damit weniger abhängig von der Agenda des Agribusiness zu gestalten“, beginnt das Schreiben.

Angesichts der Fusionspläne von Bayer und Monsanto, Dow Chemical und DuPont sowie Syngenta und ChemChina sind sie besorgt, dass die Unionen der sechs Agrarriesen die Marktmacht weiter konzentrieren und zu einer inakzeptablen Oligopolstellung führen würden, in der nur drei Konzerne rund 70% des weltweiten Pestizidmarktes und mehr als 60% des kommerziellen Saatguts auf sich vereinen. „Die Fusionen würden die durch die industrielle Landwirtschaft verursachten Probleme weiter verschärfen – mit negativen Folgen für das Gemeinwohl und Verbraucher/innen, Bauern und Bäuerinnen, die Umwelt und die Ernährungssicherheit“, warnen die NGOs in dem Brief. Sie fürchten, dies könnte zu einer noch geringeren Vielfalt auf den Äckern und noch mehr Monokulturen führen, die besonders abhängig von chemischen Inputs und schädliche Pestiziden sind und fatale Auswirkungen auf die Umwelt, die Biodiversität und die menschliche Gesundheit nach sich ziehen.

Die Unterzeichner sehen die Gefahr, dass eine weitere Marktkonzentration die Möglichkeiten der Landwirte beschränken wird, vielfältige, bezahlbare, qualitativ hochwertige und ökologisch erzeugte Lebensmittel anzubauen. Die drei Fusionen stehen zudem den UN-Nachhaltigkeitszielen entgegen, gerade dem 2. Ziel: „Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“. Das wäre vor allem im globalen Süden katastrophal, wo das Recht auf Nahrung ohnehin schon bedroht ist. „Nicht die industrielle, sondern die kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt die Welt“, betont Lena Michelsen von INKOTA, eine der unterzeichnenden Organisationen. „Mit den geplanten Megafusionen würde der Einfluss der großen Agrarkonzerne auf die Landwirtschaft und deren politische Gestaltung jedoch noch weiter ausgebaut. Patente beeinträchtigen die Vielfalt beim Saatgut und gefährden damit die Ernährungssicherheit insbesondere für Millionen von Kleinbäuerinnen und -bauern im Globalen Süden“, so Michelsen.

In dem Brief wird die EU-Kommission aufgefordert, die möglichen Effekte aller drei Fusionen zusammen zu bewerten, klare Grenzen für Marktanteile der einzelnen Konzerne zu setzen und öffentliche Subventionen von Großkonzernen hin zu kleinen, nachhaltig wirtschaftenden Betrieben umzuverteilen: „Statt das Agribusiness weiter zu stärken, müssen staatliche Unterstützungen hin zu einer bäuerlichen, nachhaltigen und agrarökologischen Landwirtschaft verlagert werden, um ökologische und sozial gerechte Ernährungssysteme zu fördern, die unabhängig sind von den großen Konzernen“, forderte Jochen Fritz von der Kampagne Meine Landwirtschaft. Der offene Brief wird von Organisationen aus ganz Europa unterstützt – die lange Liste reicht von A wie ABL bis hin zu Z wie Zukunftsstiftung Landwirtschaft. (ab)

Unterstützer

Unterstützer von www.weltagrarbericht.de Verlag der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. Bioland biovision Brot für die Welt Brot für alle Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Demeter Zukunftsstiftung Entwicklung in der GLS Treuhand Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heidehof Stiftung Mission EineWelt Misereor Naturland Public Eye | Erklärung von Bern Rapunzel - Wir machen Bio aus Liebe Swiss Aid, Ihr mutiges Hilfswerk tegut W-E-G Stiftung
English versionEnglish versionDeutsche Version