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02.05.2017 |

Bis 2. Mai in Deutschland produzierte Lebensmittel waren für die Tonne

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Gelangen sie auf den Teller? (Foto: CC0)

Alle bis 2. Mai in Deutschland produzierten Lebensmittel gelangten theoretisch nicht in die Mägen der Verbraucher, sondern wurden für die Tonne angebaut. Darauf machte die Naturschutzorganisation WWF aufmerksam, um das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung hierzulande zu verdeutlichen. Denn in der Bundesrepublik geht laut WWF gut ein Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs von 54,5 Millionen Tonnen auf dem Weg vom Acker zum Teller verloren oder wird verschwendet - insgesamt 18 Millionen Tonnen meist noch perfekt genießbare Lebensmittel. „Umgerechnet sind alle Nahrungsmittel, die wir in den ersten vier Monaten von 2017 produziert haben, auf dem Müll gelandet“, erklärt Tanja Dräger de Teran, WWF-Referentin für Landwirtschaft. Die 2015 veröffentlichte WWF-Studie „Das große Wegschmeißen“ rechnete vor, dass pro Sekunde in Deutschland 313 Kilo genießbare Nahrungsmittel unnötigerweise weggeworfen werden. Bei einigen Produkten ist die Verschwendung besonders hoch. Eine andere WWF-Studie hatte ergeben, dass etwa 35% der deutschen Kartoffeln nicht auf die Teller der Verbraucher gelangen, da ihr Äußeres nicht den strengen Anforderungen des Handels genügt. Jedes Jahr werden so 1,5 Millionen Tonnen Kartoffeln verschwendet – etwa 60.000 LKWs mit einem Füllgewicht von 25 Tonnen.

Das Traurige an der Lebensmittelverschwendung ist vor allem, dass der Großteil davon vermeidbar wäre. „Bereits heute können wir auch ohne den Einsatz neuer Technologien, 10 der 18 Millionen Tonnen Lebensmittelverluste vermeiden - etwa durch ein verbessertes Management entlang der Wertschöpfungskette, nachhaltigere Marketingstrategien und veränderte Konsumgewohnheiten“, betont Dräger de Teran. Den WWF-Berechnungen zufolge werden jährlich 2,6 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche – in etwa die Fläche von Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland zusammen – in Deutschland für die später weggeworfenen Lebensmittel umsonst bewirtschaftet. Hinzukommen unnötig freigesetzte Treibhausgasemissionen in Höhe von 48 Millionen Tonnen.

Angesichts dieses verheerenden Ausmaßes der Verschwendung appelliert der WWF an die Bundesregierung, endlich Worten Taten folgen zu lassen und das Problem konsequent anzugehen. „Seitens der Bundespolitik hat es in der Vergangenheit viele Ankündigungen gegeben. Aber bis heute fehlt es an einer fundierten Erfassung der Lebensmittelverluste. Damit ist es auch nicht möglich nachzuweisen, ob überhaupt und was konkret erreicht worden ist“, kritisiert Dräger de Teran. Und Fortschritte erzielt werden müssen hier, denn Deutschland hat sich zu den UN-Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Sustainable Development Goal (SDG) 12 sieht bis 2030 die Halbierung der Lebensmittelverschwendung im Handel und auf Verbraucherebene und die Reduzierung von Verlusten in der Produktion und der Lieferkette, einschließlich Nachernteverluste, vor. „Wir brauchen endlich eine abgestimmte nationale Strategie zur Verminderung von Lebensmittelverlusten, die klare und verbindliche Zielvorgaben vom Produzenten über die Lebensmittelindustrie bis hin zum Handel und der Gastronomie erarbeitet“, fordert Dräger de Teran. Zur Bündelung der Maßnahmen sei zudem eine schlagkräftige Koordinierungsstelle notwendig. (ab)

28.04.2017 |

Proteste gegen Bayer-Monsanto: Gefahr für Kleinbauern und Saatgutvielfalt

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Bayer-Monsanto (Foto: Friends of the Earth Europe, bit.ly/3CC-BY-NC-SA20, bit.ly/foee8)

Anlässlich der Bayer-Hauptversammlung am 28. April häufen sich die Proteste gegen eine Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto durch den deutschen Chemieriesen. Das Bündnis „Stop BAYER/Monsanto!“ hat zu einer Demonstration auf dem Platz der Vereinten Nationen in Bonn aufgerufen, den die Bayer-Aktionäre auf ihrem Weg ins World Conference Center passieren. Bereits im Vorfeld hatten entwicklungspolitische Organisationen eindringlich vor den Folgen einer Übernahme von Monsanto durch Bayer gewarnt. Die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor sowie INKOTA betonten in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass nach der Fusion und den geplanten Zusammenschlüssen von Dow-DuPont und ChemChina-Syngenta drei Megakonzerne fast zwei Drittel des weltweiten Marktes für Saatgut und Agrarchemikalien kontrollieren würden und damit enormen Einfluss auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Ernährung von Milliarden Menschen haben würden. „Kommt es zur Fusion, schrumpft der Raum für nichtkommerzielle Alternativen, weil die Marktmacht zu überwältigend ist“, sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. „Saatgutzüchtungen werden dann nur noch an den Interessen weniger Konzerne orientiert. Folge der Marktkonzentration werden vermutlich der weitere Verlust der Nutzpflanzenvielfalt, steigende Saatgutpreise und die verstärkte Abhängigkeit der Bauern von Düngemitteln und Pestiziden sein.“

Die Organisationen befürchten, dass vor allem Kleinbauern in Entwicklungsländern darunter leiden werden. Noch vermehren sie ihr lokal angepasstes Saatgut meist selbst, tauschen es aus und entwickeln es so weiter. Das von Bayer und Monsanto geförderte Agrarmodell setze dagegen auf großflächig industriell vertriebenes Saatgut und den Einsatz von Agrarchemikalien. „Der massive Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden hat vor allem im Globalen Süden verheerende Folgen“, warnt MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. Denn dort fehle es oft an staatlichen Regulierungen zum Pestizideinsatz und Aufklärung über Schutzmaßnahmen. „Partnerorganisationen berichten von gesundheitlichen Schäden durch den intensiven und ungeschützten Einsatz von Pestiziden, von verseuchten Böden und Wasserquellen“, berichtet Pirmin Spiegel.

Doch der Protest richtet sich nicht nur an die Konzerne, sondern auch an die EU-Wettbewerbshüter. Anfang April hatte die EU-Wettbewerbskommissarin grünes Licht für die Fusionen von ChemChina und Syngenta sowie Dow und Dupont gegeben. Auch die Hochzeit von Bayer und Monsanto könnte durchgewunken werden, weil die Wettbewerbskontrolle den Übernahmeprojekten der global agierenden Konzerne zu wenig entgegensetzen kann. Rund 20 umwelt-, entwicklungs- und agrarpolitische NGOs haben daher eine „Streitschrift gegen die Ohnmacht der Wettbewerbskontrolle“ veröffentlicht. Darin fordern sie strengere Regeln für Unternehmenszusammenschlüsse und weitere Maßnahmen, um Konzernmacht zu begrenzen. „Diese Fusionswelle zeigt: Wir kommen an der Frage nach der Kontrolle der Konzernmacht nicht vorbei“, sagt Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die EU von den über 300 Fusionsanträgen im Jahr 2015 keinen zurückgewiesen hat. Auch das Bundeskartellamt stoppte seit 1990 von 2.000-4.000 im Zeitraum von jeweils 24 Monaten angemeldeten Fusionen nur 5 bis 20. „Wozu haben wir eigentlich Kartellämter, wenn praktisch jede Fusion durchgewunken wird?“, fragt sich Maier. Am 29. April gehen die Proteste in Berlin weiter: Das Bündnis Stop Bayer/Monsanto! ruft zur Demo auf. (ab)

26.04.2017 |

Direktverkauf von Agrarprodukten bringt Vorteile für Verbraucher und Kleinbauern

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Gemüse auf dem Markt (Foto: CC0)

Kurze Lieferketten für Lebensmittel und der Direktverkauf auf regionalen Märkten sind für Kleinbauern und Verbraucher in Europa gleichermaßen ein Gewinn. Darauf macht ein Artikel von Euractiv in der Reihe „EU-Landwirte unter Druck“ aufmerksam, der sich auf eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments stützt. Die im September 2016 erschienene Studie nennt als Vorteile von kurzen Lebensmittelketten und lokalen Ernährungssystemen fairere Preise und höhere Einkommen für Landwirte, Zugang zu frischen und saisonalen Produkten für die Verbraucher, geringere Umweltauswirkungen durch kürzere Transportwege und weniger Verpackung sowie einen stärkeren sozialen Zusammenhalt auf lokaler Ebene. Dem Papier zufolge haben 2015 rund 15% der europäischen Bauern mehr als die Hälfte ihrer Produkte direkt an die Konsumenten verkauft. Meist handelt es sich hier um kleine Betriebe, denn bei großen Höfen sind es nur 3%, die mehr als die Hälfte ihrer Erzeugnisse direkt an den Mann oder die Frau bringen. In den Mitgliedsstaaten schwankt der Anteil: Während in Frankreich 21% und in Griechenland gar 25% aller Höfe im Direktverkauf tätig sind, setzen in Malta, Österreich und Spanien nur 5% der Betriebe darauf.

Meist handelt es sich bei den Lebensmitteln im Direktverkauf um frisches Obst und Gemüse, gefolgt von tierischen Produkten und Getränken. Oft sind es laut den EU-Wissenschaftlern Bio-Produkte, auch wenn sie nicht immer zertifiziert sind. „Bio-Landwirte waren die Pioniere der kurzen Lieferketten, von der Gründung von Erzeugermärkten und Hofläden hin zu solidarischer Landwirtschaft. Kurze Lieferketten helfen dabei, dass sich Erzeuger und Verbraucher wieder näher kommen“, sagte Eric Gall, stellvertretender Leiter und Policy Manager bei IFOAM EU, gegenüber Euractiv. „Außerdem werden gerechtere Preise für Beschäftigte in der Landwirtschaft erzielt.“ Genau das bestätigt die Studie: „Den Erzeugern ermöglicht es der direkte Verkauf von Agrarerzeugnissen an die Verbraucher, einen größeren Anteil des Marktwertes der Produkte einzubehalten, da Zwischenhändler wegfallen. Das kann ihr Einkommen erhöhen“, schreibt der Wissenschaftliche Dienst.

In der EU kaufen immer mehr Menschen ihre Lebensmittel direkt auf Bauernmärkten, direkt vom Hof, durch Gemüsekisten oder Formen der solidarischen Landwirtschaft. Die Studie zitiert Umfragen von Eurobarometer, wonach neun von zehn EU-Bürger der Ansicht sind, dass der Direktkauf Vorteile hat, etwa in Bezug auf die Frische und den Nährwert der Produkte oder die Umweltfreundlichkeit und den CO2-Fußabdruck der Anbaumethoden. Vier von fünf Europäern erachteten „die Stärkung der Rolle der Landwirte in der Lebensmittelkette“ zudem als fair und sehr wichtig. „Die beidseitigen Vorteile durch lokale Ernährungssysteme und kurze Lebensmittelketten erklären, warum diese in letzter Zeit in allen EU-Staaten an Boden gewonnen haben“, so die Studie. „Sie sind eine Alternative zu konventionellen, längeren Nahrungsmittelketten mit großen Händlern wie Supermärkten, in denen Verbraucher anonyme Lebensmittel kaufen ohne Hinweis auf den dem Produzenten gezahlten Preis. Sie sind eine Form, um Konsumenten und Erzeuger zu verbinden und die Agrarpoduktion zu relokalisieren.“

Doch die Studie nennt auch Hürden für den Ausbau der Direktvermarktung. Die Produktionsmengen in kurzen Lieferketten seien oft beschränkt und die Nachfrage größerer Kunden, wie z.B. öffentlichen Einrichtungen, könne nicht immer bedient werden. Der Einstieg in den Direktverkauf erfordere zudem Wissen und Fertigkeiten, Papierkram und Investitionen in Gebäude und Räumlichkeiten für den Verkauf. Laut Genevieve Savigny, Politikberaterin des europäischen Koordinations-Kommittees „Via Campesina“, brauchen daher Familienbetriebe, die ohnehin schon angesichts der wachsenden Konzentration der Agrobusiness mit massiven Problemen zu kämpfen hätten, z.B. Milchviehbetriebe, mehr Unterstützung durch die EU-Agrarpolitik (GAP). „Für Produzenten, die direkt verkaufen, muss die GAP Investitionen in Geräte, die im Betrieb oder in der Genossenschaft genutzt werden, ermöglichen.“ Direkte Zahlungen sollten Savigny zufolge pro ‚aktiver Person‘ getätigt werden, nicht pro Hektar bewirtschafteter Fläche. „Wir brauchen eine faire GAP, um sicherzustellen, dass Bauern angemessene Preise und Einkünfte erzielen können”, fordert Savigny. (ab)

24.04.2017 |

Überlastete Erde: Deutschland hat natürliche Ressourcen für 2017 verbraucht

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Deutschland hat die Ressourcen für 2017 vertilgt (Foto: CC0, reidy68)

Die natürlichen Ressourcen sind aufgebraucht: Für den Rest des Jahres lebt Deutschland wieder auf Pump. Am 24. April ist 2017 schon der deutsche Erdüberlastungstag erreicht – der Tag, an dem die Bundesrepublik die natürlichen Ressourcen verbraucht hat, die ihr rein rechnerisch in diesem Jahr zur Verfügung stehen, wenn nur so viel verwendet würde, wie sich im selben Zeitraum auch regenerieren kann. Darauf machen INKOTA und Germanwatch in einer gemeinsamen Pressemitteilung aufmerksam. Die Organisationen haben Daten des Global Footprint Network ausgewertet, das sowohl für einzelne Länder als auch die gesamte Welt berechnet, wann die Belastungsgrenze erreicht ist. Dabei wird der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch den Ausstoß von CO2 oder die Müllproduktion berücksichtigt. In Deutschland schlägt vor allem der enorme Flächenbedarf zu Buche, insbesondere für den Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion sowie die hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Energie, Verkehr und industrielle Landwirtschaft. „Schon Mitte April haben wir quasi unseren Jahresvorrat an nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland verbraucht. Dies zeigt, dass unsere Wirtschafts- und Lebensweise weder ökologisch nachhaltig, noch global gerecht ist“, betonte Franziska Wohltmann von Germanwatch. Denn mit diesem übermäßigen Ressourcenverbrauch lebt Deutschland nicht nur auf Kosten künftiger Generationen, sondern auch zulasten der Menschen im globalen Süden. Würden nämlich alle Länder der Welt auf so großem Fuß leben wie Deutschland, wären 3,2 Erden notwendig. Mit ihrem ökologischen Fußabdruck liegen die Deutschen im weltweiten Vergleich im oberen Viertel. Würden alle so wirtschaften wie die USA, bräuchten die Weltbevölkerung gar fünf Erden. Im globalen Schnitt verbrauchen die mehr als 7 Milliarden Menschen insgesamt 1,7 Erden, um ihren Bedarf unter anderem an Ackerland, Wäldern und Wasser zu decken.

INKOTA und Germanwatch kritisieren den nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauch Deutschlands scharf und fordern rasches Gegensteuern mit verbindlichen Maßnahmen und Zielen. Nicht nur im Bereich Verkehr und Mobilität sei eine Kehrtwende erforderlich, auch die Landwirtschaft müsse nachhaltiger werden. „Vor allem muss Deutschland vom Modell der industriellen Landwirtschaft wegkommen: Diese verbraucht enorme Mengen an Energie und Wasser, verunreinigt Böden, Luft und Grundwasser. Außerdem ist die Landwirtschaft weltweit für ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich“, äußerte Lena Michelsen von INKOTA. Daher müsse die Bundesregierung agrarökologische Anbaumethoden stärker fördern und auch auf EU-Ebene mit Nachdruck für eine Umstellung der Agrarförderung in diese Richtung eintreten. Die Organisationen weisen darauf hin, dass sich Deutschland mit den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet hat. Dies betrifft nicht nur das 12. SDG, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster vorschreibt, sondern zieht sich durch alle 17 UN-Nachhaltigkeitsziele. Doch nicht nur Deutschland, die gesamte Weltgemeinschaft ist gefragt: Denn spätestens im August wird das Global Footprint Network verkünden, dass der weltweite Erdüberlastungstag erreicht ist. (ab)

21.04.2017 |

Rettet die Erde: People4Soil fordert europaweite Bodenschutzregelung

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Böden brauchen besseren Schutz (Foto: CC0)

Bodenschutz muss zurück auf die EU-Agenda! Das fordern rund 500 im Bündnis People4Soil vereinte Organisationen von EU-Kommissionspräsident Juncker. In einem offenen Brief riefen sie ihn anlässlich des Internationalen Tags der Erde am 22. April dazu auf, die Verwirklichung einer Bodenschutz-Richtlinie als rechtlich verbindliches Rahmenwerk zur Chefsache zu machen. Stellvertretend für People4Soil, ein breites Netzwerk von europäischen NGOs, Forschungsinstituten, Bauernverbänden und Umweltschutzgruppen, hatten Slowfood, der österreichische Umweltdachverband und weitere Organisationen den Brief unterzeichnet. „Boden ist von außerordentlicher Bedeutung – keine Ressource unserer Erde ist so wichtig für unsere Ernährung und Gesundheit, für den Klimaschutz, die Artenvielfalt wie auch die Wirtschaft“, erklärte Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes. „Dennoch wird unser Boden in großer Geschwindigkeit verbaut, versiegelt und ausgebeutet. Und nach wie vor gibt es keine europaweite gesetzliche Handhabe, um diese wertvolle und rare natürliche Ressource wirksam zu schützen.“

In ihrem Brief verweisen die Organisationen auf zahlreiche Berichte und wissenschaftliche Publikationen, die vor Gefahren für die Böden weltweit warnen. Erst 2015 hatte ein UN-Bericht zum Zustand der weltweiten Bodenressourcen betont, dass die größten Gefahren für Europas Böden Verunreinigung, der Rückgang organischer Substanz, Bodenversiegelung und Flächenverbrauch durch Verstädterung sind. In Europa seien für 3 Millionen Standorte Bodenverunreinigungen dokumentiert und nur an 17.000 Orten seien Gegenmaßnahmen ergriffen worden. „Wie aktuelle Studien belegen, ist heute noch klarer: Bodenversiegelung und -verschmutzung gefährden zunehmend essenzielle Ökosystemdienstleistungen, die Ernährungssicherheit und eine nachhaltige – auch wirtschaftliche – Entwicklung“, betont Maier.

Die Organisationen kritisieren, dass die bestehenden nationalen oder regionalen Regelwerke zu kurz greifen, um etwa die Problematik des steigenden Flächenverbrauchs in den Griff zu bekommen. Bestehende EU-Regelungen in anderen Bereichen des Bodenschutzes seien nicht ausreichend, um ein angemessenes Schutzniveau für alle Böden in Europa zu gewährleisten. Im Jahr 2014 hatte die EU-Kommission Vorschläge für eine Bodenrahmenrichtlinie zurückgezogen, da die Mitgliedsstaaten sich nicht einigen konnten und auch Deutschland blockierte. „Das Fehlen eines speziellen rechtlich verbindlichen Rahmenwerks, das Prinzipien und Regeln festlegt, an die sich die Mitgliedsstaaten halten müssen, ist nicht hinnehmbar“, schreiben die Organisationen. „Die EU-Kommission ist nun gefragt, den Prozess wieder ins Rollen zu bringen und einheitliche Ziele vorzugeben“, so Maier. Auf internationaler Ebene wurde der Bodenschutz 2015 in den Sustainable Development Goals (SDGs), den UN-Nachhaltigkeitszielen, verankert. Ziel 15 will Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren und den Biodiversitätsverlust stoppen. People4Soil will nun mit dem Instrument der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) die EU-Kommission zum Handeln auf EU-Ebene drängen und ruft daher zur Unterzeichnung einer Petition auf. (ab)

18.04.2017 |

NGOs fordern Stärkung der Rechte von Kleinbäuerinnen und -bauern

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Reisernte auf Bali (Foto: CC0, kolibri5)

Die Rechte und Lebensgrundlagen von Kleinbauern sollen mit einer UN-Erklärung gestärkt werden. Das forderte ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen zum internationalen Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes, der seit der Ermordung von Landrechtsaktivisten in Brasilien durch Polizeikräfte vor 20 Jahren am 17. April begangen wird. In einer gemeinsamen Pressemitteilung rufen die Menschenrechtsorganisation FIAN, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt und weitere NGOs die Bundesregierung dazu auf, die Erarbeitung einer solchen Erklärung auf UN-Ebene zu unterstützen. Denn obwohl Kleinbäuerinnen und Kleinbauern den Großteil der weltweiten Lebensmittel produzieren und „mit ihrem von Generation zu Generation weitergegebenen Wissen um traditionelle bäuerliche und ökologische Anbauweisen“ gesunde, standortgerechte und kulturell angepasste Nahrung sichern, leiden sie häufig selbst an Unterernährung. Die Hälfte der weltweit 800 Millionen Hungernden seien Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Ihre Rechte werden zunehmend durch Agrarkonzerne und Regierungen bedroht und verletzt. Das Bündnis kritisiert, dass der Zugang von Kleinbauern zu natürlichen Ressourcen wie Saatgut und Land immer stärker beschnitten wird, während internationale Verträge und nationale Gesetze Agrarkonzerne begünstigen.

„Es ist höchste Zeit, dass die UN–Mitgliedsstaaten die systematische Diskriminierung kleinbäuerlicher Erzeugerinnen und Erzeuger in den Fokus stellen und gezielt ihre Rechte stärken“, fordert Andrea Müller-Frank, Referentin für das Recht auf Nahrung bei Brot für die Welt. „Dazu gehören etwa die staatliche Limitierung von Landkonzentrationsprozessen zum Erhalt der sozialen Funktion des Ackerlandes oder die Anerkennung und Förderung traditioneller Nutzungsrechte von Bewässerungsquellen und kleinbäuerlichen Saatguts.“ Die Organisationen weisen darauf hin, dass der bisher bestehende internationale Rechtsrahmen nicht ausreiche, um Kleinbauern zu schützen. „Rechtsverletzungen gegenüber Kleinbauern und Kleinbäuerinnen müssen unbedingt international als solche anerkannt und Klagemöglichkeiten eingeräumt werden“, betont Gertrud Falk, Menschenrechtsreferentin von FIAN Deutschland.

Aber nicht nur die Lebensgrundlagen von Kleinbauern im globalen Süden sind bedroht, sondern auch bäuerliche Existenzen in Europa. Während die europäische Agrar- und Ernährungsindustrie jedes Jahr steigende Exporte verbucht, haben innerhalb von sechs Jahren drei Millionen Bauernfamilien in der EU der Landwirtschaft den Rücken gekehrt und ihre Hoftore geschlossen. Besonders seit der Abschaffung der Milchquote im Jahr 2015 sind die Preise im Keller. „Die EU-Agrarpolitik reagiert mit Dumpingexporten, weil sie sich bislang stärker an den Interessen der Agrarindustrie und der landwirtschaftlichen Großbetriebe orientiert“, beklagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL. Landwirte würden als austauschbare Rohstoffproduzenten und Lebensmittel als billige Rohstoffe betrachtet. Die Organisationen sind der Auffassung, dass eine UN-Erklärung die Rechte von Kleinbauern weltweit stärken kann und rufen zur Unterzeichnung einer Petition auf, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen. Im UN-Menschenrechtsrat befasst sich eine Arbeitsgruppe seit 2012 mit der Entwicklung einer solchen Erklärung. Mitte Mai findet die nächste Sitzung statt. (ab)

07.04.2017 |

In der Kritik: EPA erteilt weiter Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen

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Keine Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung (Foto: Andreas Hermsdorf/pixelio.de)

Trotz des Drucks von EU und Zivilgesellschaft erteilt das Europäische Patentamt (EPA) in München weiterhin Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung. Das zeigt eine Auswertung der 2016 erteilten Patente auf Pflanzen und Pflanzenzucht durch das NGO-Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“. Das EPA gab im letzten Jahr grünes Licht für rund 40 Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung – damit wächst die Gesamtzahl dieser Patente auf rund 200. Zudem wurden 60 Patente auf Verfahren zur gentechnischen Veränderung und Züchtung von Pflanzen erteilt, teilte das Bündnis mit. Die meisten Patente sahnten 2016 Konzerne wie Bayer, Monsanto und Co ab: Unter Einbeziehung der jeweiligen Firmenableger sind BASF und Monsanto mit 30 Patenten Spitzenreiter, gefolgt von Bayer mit 20 erfolgreichen Patentanträgen, DuPont und Dow AgroSciences mit 14 und Syngenta mit 8 erteilten Patenten. Die Zahl der europäischen Patente auf Nutzpflanzen insgesamt beläuft sich mittlerweile auf rund 3000. Das EPA schert sich offenbar nicht um die Kritik, die seit Langem an der Erteilung von Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen geübt wird, und hält Schlupflöcher offen, die es Konzerne und Patentanwälten ermöglichen, diese Patente dennoch durchzubringen, kritisiert „Keine Patente auf Saatgut!“.

Das europäische Patentrecht untersagt – anders als bei gentechnisch veränderten Pflanzen – Patente auf Pflanzen und Tiere, „die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren“ gewonnen wurden. Das EPA legt dies anders aus: Seine Große Beschwerdekammer entschied im März 2015 in einer Grundsatzentscheidung zum „Brokkoli-Patent“, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere weiterhin zulässig sind, auch wenn die Züchtungsverfahren als solche nicht patentierbar sind. Das EU-Parlament hatte dies im Dezember 2015 mit klarer Mehrheit zurückgewiesen. Auch die EU-Kommission unterstützte diese Ansicht mit einer Stellungnahme im November 2016. Erst im Februar hatte die EU-Mitgliedsstaaten nachgelegt: Der Europäische Rat für Wettbewerbsfähigkeit bestätigte, dass konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere nicht patentierbar sind und rief die EU-Staaten dazu auf, das EPA in die Schranken zu weisen. Das Amt schob daraufhin offenbar einige dieser Patente tatsächlich auf, doch den Unternehmen gelang es durch Anpassung der Patentanträge dennoch, ihre Patente durchzusetzen. „Es ist erschreckend, wie leicht es für Konzerne und Patentlobby ist, sich dem politischen Druck zu entziehen. Man formuliert einfach die Ansprüche etwas anders und kann sich weiterhin Patente vom Saatgut bis zur Ernte und damit die Kontrolle über die Lebensmittel-produktion und Landwirtschaft sichern“, kritisiert Christoph Then für „Keine Patente auf Saatgut!“

Der Auswertung zufolge behelfen sich die Konzerne häufig mit dem Trick, nicht länger den Züchtungsvorgang selber als Erfindung zu beanspruchen, sondern züchterische Merkmale wie genetische Veranlagungen oder Änderungen im Erscheinungsbild der Pflanzen. Solche Patente erstreckten sich dann auf alle Pflanzen mit diesen Merkmalen, ungeachtet dessen, wie sie hergestellt wurden. Zudem würden oft auch zufällige Mutationen als Erfindung deklariert – rund 65% der 2016 erteilten Patente auf konventionelle Züchtung basieren auf diesen Mutationen. Dabei hatte die Kommission klargestellt, dass nur gentechnische Verfahren patentierbar sind. Als Beispiel für das Ausnutzen von Schlupflöchern nennt das Bündnis Patente auf Bier der Firmen Carlsberg und Heineken, die basierend auf zufälligen Mutationen alle Gerstenpflanzen beanspruchen, die eine bestimmte Brauqualität haben. Sogar die jahrhundertealte Tradition des Brauens und Bier selbst wurden als Erfindung beansprucht. Die Auswertung für 2016 brachte ähnliche Patente auf zufällige Mutationen für die Firmen Bayer (Raps), Monsanto (Ölpflanzen) und DuPont (Mais) zum Vorschein. Das EPA soll den Firmen in seinen Prüfbescheiden sogar nahegelegt haben, Ansprüche abzuändern, um solche Patente auch künftig zu erhalten. Angesichts dieser Umgehung des Patentrechts fordert „Keine Patente auf Saatgut!“ die Vertragsstaaten des EPA auf, bei ihrer nächsten Sitzung im Juni die Weichen für lückenlose Verbote im Bereich der konventionellen Züchtung zu stellen. (ab)

06.04.2017 |

International gehandelte Lebensmittel zehren an Grundwasserreserven

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Bewässerung in der Wüste: Anbauprojekt East Oweinat Ägypten (Foto: NASA Earth Observatory)

Der internationale Handel mit Lebensmitteln trägt erheblich zum Schwinden der Grundwasservorräte bei: 11% des für die Bewässerung genutzten nicht erneuerbaren Grundwassers fließt in weltweit gehandelte Nutzpflanzen. Dieses nicht nachhaltige Anzapfen des Grundwassers gefährdet die künftige Verfügbarkeit von Lebensmitteln und Wasser, warnt ein internationales Team von Wissenschaftlern im Fachjournal Nature. Die am 29. März veröffentlichte Studie, an der unter anderem Forscher des University College of London, der NASA und des Senckenberg beteiligt waren, zeigt einen rasanten Anstieg der Grundwasserentnahme für die Landwirtschaft: „Die Menge des dabei verbrauchten, nicht-erneuerbaren Grundwassers – also Wasser, das nicht oder nur wenig durch Regen oder Eindringen von Oberflächenwasser erneuert wird – hat weltweit zwischen 2000 und 2010 um 22 Prozent zugenommen“, erklärt Ko-Autor Dr. Thomas Kastner vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Für die Studie hatten die Forscher Handelsstatistiken der Welternährungsorganisation FAO zu Agrarerzeugnissen nach Ländern ausgewertet und diese mit globalen hydrologischen Modellen kombiniert, um den Ursprung des Wasser für den Anbau von 26 Produktkategorien zu bestimmen. Der größte Wasserschlucker ist Reis mit 29% der Gesamtmenge an nicht-erneuerbarem Grundwasser, das in den internationalen Handel fließt. Mit Abstand folgen Weizen (12%), Baumwolle (11%), Mais (4%) und Sojabohnen (3%).

Pakistan, die USA und Indien sind die größten Grundwasserräuber: 29% des für den Anbau von Exportpflanzen genutzten nicht-erneuerbaren Grundwassers entfällt auf Pakistan, gefolgt von den USA mit 27% und Indien mit 12%. In diesen Ländern hat sich der Anteil des nicht nachhaltig genutzten Grundwassers zwischen 2000 und 2010 krass erhöht: In Indien verdoppelte sich der Export von auf Kosten des Grundwassers bewässerten Lebensmitteln, in den USA betrug der Anstieg 57% und in Pakistan sogar 70%. Beim Import hat China mit einem Anteil von 9% am nicht-erneuerbaren Grundwasser, das weltweit zum Anbau gehandelter landwirtschaftlicher Produkte genutzt wird, die Nase vorne vor den USA und Iran. Aber auch Mexiko, Japan, Saudi-Arabien, Kanada, Bangladesch, Großbritannien und der Irak importieren große Grundwassermengen. Deutschland kommt auf einen Anteil von 2,5 % und beansprucht damit deutlich mehr, als dem Land gemessen am Anteil an der Weltbevölkerung zustehen würde. „Obwohl in Deutschland kein Grundwassermangel herrscht, importieren wir Nahrungsmittel, die durch übermäßige Grundwassernutzung hergestellt wurden. Langfristig gesehen, könnte diese Versorgung einbrechen oder die Preise stark steigen“, so Kastner.

Die Hauptautorin der Studie, Dr. Carole Dalin vom University College London, appelliert daher an das Bewusstsein der Handelspartner und Verbraucher: „Wenn Menschen bestimmte importierte Lebensmittel konsumieren, sollten sie sich darüber im Klaren sein, dass diese andernorts Auswirkungen auf die Umwelt haben können.“ Wenn künftig die Grundwasserreserven nicht nachhaltiger genutzt werden, könnte für einen großen Teil der Weltbevölkerung eine stabile Nahrungsmittelversorgung und erschwingliche Preise in Gefahr sein. „Im Zuge des Klimawandels werden zudem Dürren in vielen Regionen häufiger werden. Um dies kompensieren zu können, dürfen wir die Grundwasservorräte nicht erschöpfen“, mahnt Dalin. Die Autoren warnen aber nicht nur, sondern nennen in ihrer Studie auch eine Reihe von Maßnahmen, mit denen es gelingen könnte, die Erfordernisse der aktuellen Lebensmittelproduktion und der langfristigen Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Ihre Empfehlungen zur Verringerung der Grundwassernutzung reichen von einer effizienteren Bewässerung über den Anbau von Pflanzen, die weniger Wasser benötigen und dürreresistenter sind, bis hin zur Regulierung der Grundwasserentnahme. (ab)

03.04.2017 |

Verbände-Plattform fordert Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik

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Geld für Leistungen statt Hektar (Foto: Katharina Schertler/ Bioland)

Mehrere Organisationen haben zu einer grundlegenden Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik und ihrer Umsetzung in Deutschland aufgerufen. In einem Positionspapier fordern die 30 Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, Tierschutz und Entwicklungspolitik die Koppelung sämtlicher Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU an gesellschaftlichen Leistungen der Landbewirtschafter und die Stärkung kleinerer und mittlerer Betriebe. Vertreter der Verbände-Plattform überreichten Umweltministerin Barbara Hendricks am 29. März ihre Forderungen für die GAP-Reform nach 2020 und Vorschläge für die Übergangszeit bis dahin in Deutschland.

„Weil der Großteil der Agrar-Fördermittel aktuell mit der Gießkanne über alle Agrarflächen ausgeschüttet wird, fehlt das Geld, um Leistungen von Landwirten im Umwelt-, Gewässer-, Klima- und Tierschutz zu finanzieren“, sagte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). In dem Papier heißt es: „Es braucht einen Paradigmenwechsel weg von der Förderung pro Hektar hin zur gezielten Unterstützung gesellschaftlich relevanter Leistungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Durch die letzte GAP-Reform hätten die Mitgliedsstaaten Spielraum zur Bindung von Direktzahlungen an ökologisch und sozioökonomisch wirksame Kriterien erhalten, doch den nutze Deutschland bisher nur unzureichend, bemängeln die Organisationen. „Um die enormen Herausforderungen anpacken zu können, muss Deutschland die von der EU geschaffene Möglichkeit nutzen, 15 Prozent der EU-Agrargelder von der allgemeinen Flächenförderung in die 2. Säule für Umwelt-, Tier- und Klimaschutz umzuschichten“, betont Löwenstein. Hendricks begrüßte das Papier und unterstütze diesen Punkt: „Wir brauchen ein Fördersystem, das sich nicht an Hektarzahlen orientiert, sondern Landwirte für die Leistungen belohnt, die sie für das Gemeinwohl erbringen, zum Beispiel für den Umweltschutz“, teilte sie mit.

Das Papier kritisiert auch, dass die bisherige verfehlte Agrarpolitik landwirtschaftliche Betriebe in Europa vor große Herausforderungen stellt. Auf die grundlegenden Krisen liefere die GAP „noch keine überzeugend wirksame Antwort“. Das besonders schwere und lang anhaltende Preistief für Milch und Schweinefleisch in den Jahren 2014 bis 2016 habe in den betroffenen Betrieben zu hohen Verlusten geführt. Deutlich mehr Betriebe als in früheren Jahren haben aufgegeben. Die NGOs sprechen von einem „Strukturbruch im ländlichen Raum“. Die EU-Krisen-Instrumente setzten dem nichts entgegen. Die GAP und ihre nationale Ausgestaltung hätten die Krisen gar maßgeblich mit verursacht. „Zum Hauptziel der GAP wurden die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Form von Kostenführerschaft und steigenden Exportmengen der Agrar- und Ernährungsindustrie erklärt. Die ökonomischen Risiken werden auf die landwirtschaftlichen Betriebe als schwächstes Glied in der „Lebensmittelkette“ abgeschoben“, so die Verbände. Sie sprechen sich für spezifische Beratungs- und Förderangebote für kleinere und mittlere Betriebe im notwendigen Umbau der Agrarpolitik und besonders der Tierhaltung aus. Zudem schlagen sie Änderungen an der Marktordnung vor, um schwere Krisen zu vermeiden und die Selbstregulierung der Erzeuger zu stärken.

Das Papier betont auch die Notwendigkeit, die GAP am Recht auf Nahrung und an den UN-Nachhaltigkeitszielen auszurichten. „Die Sicherstellung einer nachhaltigen Landwirtschaft, der Erhalt der Biodiversität und die Unterstützung von Kleinbauern beim Zugang gerade zu lokalen und regionalen Märkten und Wertschöpfungsmöglichkeiten gehören zu den vereinbarten Zielen. Dem widersprechen solche Exporte von Nahrungsmitteln aus der EU, die in Entwicklungsländern zu konkurrenzlos niedrigen Preisen angeboten werden und Kleinerzeuger und Verarbeiter von ihren lokalen und regionalen Märkten verdrängen.“ (ab)

28.03.2017 |

Offener Brief: EU-Kommission muss Megafusionen von Agrarriesen verhindern

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200 NGOs gegen die Elefantenhochzeit (Foto: CC0)

Rund 200 Organisationen haben die EU-Kommission aufgefordert, geplante Großfusionen im Agrarbereich zu unterbinden, um eine noch stärkere Marktkonzentration zu verhindern. In einem offenen Brief wandten sich die Bauern-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, kirchliche Organisationen und Lebensmittelhandwerk am 27. März an die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Wir, die unterzeichnenden Organisationen, fordern die Europäische Kommission auf, die bevorstehenden Fusionen der weltweit größten Agrarchemie- und Saatgutkonzerne zu verhindern. Sie muss stattdessen dringend wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Landwirtschaft in der Europäischen Union ökologisch nachhaltiger, sozial gerechter und damit weniger abhängig von der Agenda des Agribusiness zu gestalten“, beginnt das Schreiben.

Angesichts der Fusionspläne von Bayer und Monsanto, Dow Chemical und DuPont sowie Syngenta und ChemChina sind sie besorgt, dass die Unionen der sechs Agrarriesen die Marktmacht weiter konzentrieren und zu einer inakzeptablen Oligopolstellung führen würden, in der nur drei Konzerne rund 70% des weltweiten Pestizidmarktes und mehr als 60% des kommerziellen Saatguts auf sich vereinen. „Die Fusionen würden die durch die industrielle Landwirtschaft verursachten Probleme weiter verschärfen – mit negativen Folgen für das Gemeinwohl und Verbraucher/innen, Bauern und Bäuerinnen, die Umwelt und die Ernährungssicherheit“, warnen die NGOs in dem Brief. Sie fürchten, dies könnte zu einer noch geringeren Vielfalt auf den Äckern und noch mehr Monokulturen führen, die besonders abhängig von chemischen Inputs und schädliche Pestiziden sind und fatale Auswirkungen auf die Umwelt, die Biodiversität und die menschliche Gesundheit nach sich ziehen.

Die Unterzeichner sehen die Gefahr, dass eine weitere Marktkonzentration die Möglichkeiten der Landwirte beschränken wird, vielfältige, bezahlbare, qualitativ hochwertige und ökologisch erzeugte Lebensmittel anzubauen. Die drei Fusionen stehen zudem den UN-Nachhaltigkeitszielen entgegen, gerade dem 2. Ziel: „Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“. Das wäre vor allem im globalen Süden katastrophal, wo das Recht auf Nahrung ohnehin schon bedroht ist. „Nicht die industrielle, sondern die kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt die Welt“, betont Lena Michelsen von INKOTA, eine der unterzeichnenden Organisationen. „Mit den geplanten Megafusionen würde der Einfluss der großen Agrarkonzerne auf die Landwirtschaft und deren politische Gestaltung jedoch noch weiter ausgebaut. Patente beeinträchtigen die Vielfalt beim Saatgut und gefährden damit die Ernährungssicherheit insbesondere für Millionen von Kleinbäuerinnen und -bauern im Globalen Süden“, so Michelsen.

In dem Brief wird die EU-Kommission aufgefordert, die möglichen Effekte aller drei Fusionen zusammen zu bewerten, klare Grenzen für Marktanteile der einzelnen Konzerne zu setzen und öffentliche Subventionen von Großkonzernen hin zu kleinen, nachhaltig wirtschaftenden Betrieben umzuverteilen: „Statt das Agribusiness weiter zu stärken, müssen staatliche Unterstützungen hin zu einer bäuerlichen, nachhaltigen und agrarökologischen Landwirtschaft verlagert werden, um ökologische und sozial gerechte Ernährungssysteme zu fördern, die unabhängig sind von den großen Konzernen“, forderte Jochen Fritz von der Kampagne Meine Landwirtschaft. Der offene Brief wird von Organisationen aus ganz Europa unterstützt – die lange Liste reicht von A wie ABL bis hin zu Z wie Zukunftsstiftung Landwirtschaft. (ab)

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