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28.02.2022 |

IPCC: Klimawandel stellt wachsende Gefahr für Mensch und Natur dar

Duere
Dürren werden häufiger & heftiger (Foto: CC0)

Der vom Menschen verursachte Klimawandel stellt eine enorme Gefahr für die Gesundheit des Planeten und seiner Bewohner*innen dar und bedroht die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen weltweit, warnt der Weltklimarat IPCC. „Die Zunahme von Wetter- und Klimaextremen hat zu einigen irreversiblen Folgen geführt, da natürliche und menschliche Systeme über ihre Anpassungsfähigkeit hinaus belastet wurden“, heißt es in einem am 28. Februar veröffentlichten Bericht der Arbeitsgruppe II des internationalen Expertengremiums. Die Wissenschaftler*innen schätzen, dass etwa 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen in Kontexten und Gebieten leben, die „durch den Klimawandel stark gefährdet sind“. Die am wenigsten widerstandsfähigen Menschen und Ökosysteme wird es am härtesten treffen. Bereits heute bedroht der Klimawandel das Leben vieler Menschen, da er sich auf landwirtschaftliche Erträge, die menschliche Gesundheit und die Ernährungssicherheit auswirke. „Der Bericht ist eine eindringliche Warnung vor den Folgen der Untätigkeit. Er zeigt, dass der Klimawandel eine ernste und wachsende Gefahr für unser Wohlergehen und einen gesunden Planeten darstellt“, sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts. „Er zeigt auch, dass unser heutiges Handeln bestimmen wird, wie sich die Menschen an den Klimawandel anpassen und wie die Natur auf die zunehmenden Klimarisiken reagiert.“

Der Bericht der Arbeitsgruppe II ist der zweite Beitrag zum Sechsten IPCC-Sachstandsbericht (AR6). Bereits im August 2021 hatte die Arbeitsgruppe I ihren Part zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels vorgelegt. Der neue Bericht untersucht die Folgen des Klimawandels und Verwundbarkeiten sowie Anpassungskapazitäten und -grenzen natürlicher Systeme und menschlicher Gesellschaften an den Klimawandel. 270 Autor*innen aus 67 Ländern hatten dafür über 34.000 Fachpublikationen ausgewertet, mehr als 64.000 Kommentare von Expert*innen und Regierungen gesichtet und auf 3.675 Seiten den aktuellsten Wissensstand zusammengefasst. Die Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung wurde von Delegierten der 195 IPCC-Mitgliedsländer auf einer Online-Konferenz verabschiedet, die am 27. Februar nach 2 Wochen endete.

Der erste Teil der Zusammenfassung behandelt bereits beobachtbare und vorhergesagte Folgen und Risiken. „Der von Menschen verursachte Klimawandel, einschließlich häufigerer und intensiverer Extremereignisse, hat weitverbreitete negative Folgen und damit verbundene Verluste und Schäden für Natur und Menschen verursacht“, lautet die erste Hauptaussage. Der IPCC warnt in seiner Pressemitteilung, dass zunehmende Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen bereits jetzt die Toleranzschwelle von Pflanzen und Tieren überschreiten und zu einem Massensterben von Arten wie Bäumen und Korallen führen. Wetterextreme treten immer häufiger gleichzeitig auf. Millionen von Menschen vor allem in Afrika, Asien, Zentral- und Südamerika sowie auf kleinen Inseln würden so akuter Ernährungsunsicherheit und Wasserknappheit ausgesetzt. Der Klimawandel bringe zudem wirtschaftliche Verluste für Sektoren wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Tourismus mit sich, heißt es im Bericht. Menschen werden mit Ernteeinbußen, Hunger, der Zerstörung von Häusern und Infrastruktur sowie dem Verlust von Eigentum und Einkommen konfrontiert. Die Verwundbarkeit von Ökosystemen und Menschen durch den Klimawandel ist zwischen und innerhalb von Regionen ganz unterschiedlich ausgeprägt, aber als Daumenregel lässt sich sagen, dass die ohnehin schwächsten am stärksten leiden. „Die Anfälligkeit ist dort höher, wo Armut, Probleme mit der Regierungsführung, ein begrenzter Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und Ressourcen sowie gewaltsame Konflikte vorherrschen und wo die Existenzgrundlagen vieler (z.B. Kleinbauern, Hirten, Fischerei-Gemeinschaften) stark vom Klima abhängen.“ Die Zukunft unserer Ökosysteme werde in hohem Maße durch menschliche Einflüsse bestimmt werden, z.B. durch nicht nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster, steigenden Bevölkerungsdruck sowie die weiterhin nicht nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung von Land, Ozeanen und Wasser. „Während die landwirtschaftliche Entwicklung zur Ernährungssicherheit beiträgt, erhöht eine nicht nachhaltige Agrarexpansion, die zum Teil durch eine unausgewogene Ernährung angetrieben wird, die Anfälligkeit von Ökosystemen und Menschen und führt zu einem Wettbewerb um Land- und/oder Wasserressourcen.“

Der Bericht unterscheidet zwischen Risiken in naher Zukunft (2021-2040) und mittel- bis langfristigen Risiken (2041-2100). Es gilt als gesichert (hohes Vertrauen), dass eine globale Erwärmung von 1,5° in naher Zukunft „unvermeidbare Zunahmen vielfältiger Klimagefahren verursachen und vielfältige Risiken für Ökosysteme und Menschen mit sich bringen“ würde. Ab 2040 werden dann je nach Ausmaß der Erderwärmung zahlreiche Gefahren für Natur und Mensch auftreten: „Der Klimawandel wird zunehmend Druck auf die Produktion von und den Zugang zu Nahrungsmitteln ausüben, gerade in verwundbaren Regionen, und so die Ernährungssicherheit untergraben.“ Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen werden häufiger und heftiger auftreten und der Meeresspiegel weiter ansteigen. Auch das führt zu Ernährungsunsicherheit, die desto schlimmer wird, je höher der Temperaturanstieg ausfällt. „Bei einer globalen Erwärmung von 2°C oder mehr werden die Risiken für die Ernährungssicherheit aufgrund des Klimawandels mittelfristig größer sein und zu Unterernährung und Mikronährstoffmangel führen, vor allem in Subsahara-Afrika, Südasien, Mittel- und Südamerika und auf kleinen Inseln“, warnen die Autor*innen.

Der zweite Absatz der Kurzfassung behandelt die Anpassung an den Klimawandel. Es gebe Fortschritte bei der aktuellen Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen, doch der Anpassungsfortschritt sei ungleichmäßig verteilt. Es wird auch kurzsichtig gehandelt: „Viele Initiativen priorisieren die unmittelbare und zeitnahe Verringerung des Klimarisikos, was die Möglichkeit für transformative Anpassung verringert“, lautet eine Hauptaussage. Die gute Nachricht ist, dass es machbare und wirksame Anpassungsoptionen gibt, die die Risiken für Mensch und Natur verringern können. In Bezug auf Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sagen die Autor*innen, dass „effektive Anpassungsoptionen zusammen mit unterstützenden öffentlichen Maßnahmen die Verfügbarkeit und Stabilität von Nahrungsmitteln verbessern und das Klimarisiko für Lebensmittelsysteme verringern und zugleich deren Nachhaltigkeit erhöhen“. Als wirksame Optionen nennt der Bericht „Agroforstwirtschaft, gemeinschaftsbasierte Anpassung, Diversifizierung der Landwirtschaft und Landschaft sowie urbane Landwirtschaft“. Es gilt auch als gesichert (hohes Vertrauen), dass agrarökologische Prinzipien und Praktiken, ökosystembasiertes Management in Fischerei und Aquakultur und andere Ansätze, die mit natürlichen Prozessen arbeiten, für Ernährungssicherheit, Ernährung, Gesundheit und Wohlbefinden, die Lebensgrundlagen und die Artenvielfalt, die Nachhaltigkeit und Ökosystemleistungen dienlich sind“, so die Wissenschaftler*innen. Zu diesen Leistungen gehören Schädlingsbekämpfung, Bestäubung, Abfederung von Temperaturextremen sowie die Kohlenstoffbindung und -speicherung. „Gesunde Ökosysteme sind widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel und stellen lebenswichtige Dienstleistungen wie Nahrung und sauberes Wasser bereit“, sagte der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe II, Hans-Otto Pörtner. „Durch die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme und den wirksamen und gerechten Schutz von 30 bis 50 Prozent der Land-, Süßwasser- und Meereslebensräume der Erde kann die Gesellschaft von der Fähigkeit der Natur, Kohlenstoff zu absorbieren und zu speichern, profitieren, und wir können die Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung beschleunigen.“ Es sei jedoch eine angemessene Finanzierung und politische Unterstützung unerlässlich.

Der IPCC unterstreicht, dass integrierte, sektorübergreifende Lösungen, die sich mit sozialen Ungleichheiten befassen und je nach Klimarisiko und lokaler Situation differenziert reagieren, die Ernährungssicherheit und die Ernährung verbessern. Zudem weist er darauf hin, dass „Anpassungsstrategien, die Nahrungsmittelverluste und -verschwendung reduzieren oder eine ausgewogene Ernährung unterstützen (wie im IPCC-Sonderbericht zu Klimawandel und Land beschrieben) zu Ernährung, Gesundheit, Biodiversität und anderen Umweltvorteilen beitragen“. Pörtner fügte hinzu: „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlergehen und die Gesundheit des Planeten. Jede weitere Verzögerung bei konzertierten globalen Maßnahmen wird ein kurzes und sich schnell schließendes Fenster zur Sicherung einer lebenswerten Zukunft verpassen.“ (ab)

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