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20.05.2020 |

Bericht: Intensive Landwirtschaft setzt Arten und Lebensräumen zu

SChmet
Schmetterlingen geht es mies (Foto: CC0)

Der Zustand von Tier- und Pflanzenarten sowie Lebensräumen in Deutschland ist insgesamt schlecht. Gerade in der Agrarlandschaft schreitet der Artenschwund weiter rasant voran, denn Tiere und Pflanzen leiden unter der intensiven Landwirtschaft. Das zeigt der „Bericht zur Lage der Natur“, der vom Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) am Dienstag in Berlin präsentiert wurde. Die Bunderegierung legt darin alle sechs Jahre der EU-Kommission Rechenschaft über die Erfüllung der europäischen Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie und der EU-Vogelschutz-Richtlinie ab. Dafür wurden 14.000 Stichproben von Behörden und Naturschützern aus dem ganzen Bundesgebiet ausgewertet. Zwar gibt es auch Lichtblicke in einigen Lebensräumen zu vermelden, doch das Gesamtfazit fällt düster aus. „In manchen Teilen des Landes erholt sich die Natur: Vielen Buchenwäldern geht es gut, in den Wäldern und Siedlungen gibt es wieder mehr Vögel. Auch die Renaturierung von Flüssen und Auen trägt zur Erholung der Natur bei“, vermeldet Bundesumweltministerin Svenja Schulze zunächst das Positive. Doch: „Vor allem in der Agrarlandschaft geht es der Natur dagegen besorgniserregend schlecht. Das gilt besonders für Schmetterlinge und andere Insektenarten, die auf blütenreiche Wiesen und Weiden angewiesen sind. Denn diese wichtigen Ökosysteme gibt es in der intensiven Landwirtschaft immer seltener. Starke Verluste sehen wir auch bei vielen Vogelarten der Agrarlandschaft wie Kiebitz und Rebhuhn“, teilt die Umweltministerin mit.

Dem Bericht zufolge weisen 25% der untersuchten Arten einen günstigen Erhaltungszustand auf, darunter der Seehund und die Kegelrobbe in der Nordsee oder der Steinbock in den Alpen. Allerdings befinden sich 30% der Arten in einem unzureichenden Zustand und 33% in einem schlechten Zustand – das betrifft vor allem Schmetterlinge, Käfer und Libellen. Der Erhaltungszustand der übrigen Arten ist unbekannt. Bei den Lebensräumen sieht es nicht besser aus: Zwar befinden sich 30% in einem günstigen Zustand, darunter verschiedene Wald-Lebensräume, alpine Heiden und Gebüsche sowie Fels-Lebensräume. Doch 32% der untersuchten Lebensräume weisen einen unzureichenden und 37% einen schlechten Zustand auf, vor allem die landwirtschaftlich genutzten Grünland-Flächen, aber auch Seen und Moore. „Artenreiche Wiesen und Weiden verzeichnen sowohl in der Fläche als auch in ihrer Artenvielfalt starke Rückgänge. Dieser Trend setzt sich seit dem ersten nationalen FFH-Bericht im Jahr 2001 ungebrochen fort“, betont BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel. „Der Schutz des Grünlands muss deshalb nicht nur auf europäischer, sondern auch auf nationaler Ebene verbessert werden. Wenn wir Arten und Lebensräume erfolgreich schützen und erhalten, kann die Natur ein Teil von Lösungen sein.“ So könnten renaturierte Feuchtgebiete, intakte Moore und nachhaltig genutzte Wälder entscheidend zu Klimaschutz und Klimaanpassung beitragen.

Die wichtigsten Beeinträchtigungen der gefährdeten Lebensräume und Arten stehen dem Bericht zufolge in Verbindung mit der Landwirtschaft. „In der Zusammenschau wird deutlich, dass viele Treiber auf die Art und Intensität der Landnutzung, insbesondere auf eine intensive Landwirtschaft, zurück zu führen sind“, heißt es darin. Die Autoren verweisen auf die hohen Nährstoffeinträge durch landwirtschaftliche Düngung oder Nutzungsänderungen landwirtschaftlicher Flächen und in Wäldern, einschließlich der Aufgabe traditioneller Nutzungsformen. „Die intensive Landwirtschaft führt zu einer immer stärkeren Homogenisierung der Landschaft, in der inzwischen monotone artenarme Lebensräume vorherrschen. Artenreiche Grünland-Lebensräume, wie extensiv genutzte Mähwiesen, Magerrasen und Nasswiesen, verzeichnen starke Rückgänge sowohl quantitativ hinsichtlich ihrer Fläche als auch qualitativ etwa hinsichtlich des vorhandenen Arteninventars“, beklagen die Verfasser. Auch der Pestizideinsatz in der Land- und Forstwirtschaft macht der Natur zu schaffen. „Durch die intensive Bewirtschaftung (Herbizideinsatz, Düngung) sind auch Ackerwildkrautarten besonders gefährdet.“ Viele Arten wie die Kornrade, die Dicke Trespe oder das Flammen-Adonisröschen gebe es nur noch durch gezielte Schutzmaßnahmen. Beim Vogelschutz seien insbesondere die Vogelarten der Agrarlandschaft „bereits seit geraumer Zeit die Sorgenkinder“. Die bundesweiten Bestände von Rebhuhn und Kiebitz sind von 1992-2016 dramatisch eingebrochen, heute sind nur etwa ein Zehntel der Bestände dieser Arten vorzufinden.

Der Bericht enthält auch Vorschläge und Empfehlungen, wie gegengesteuert werden kann. Die Autoren fordern eine deutliche Reduzierung der Nährstoffeinträge und einen Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden und Saatgutbeizen in den Natura 2000-Gebieten. „Der Einsatz von Pestiziden sollte generell reduziert und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden mit besonderer Relevanz für Insekten in ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen verboten werden.“ Zur Reduzierung der Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft sei eine konsequente Umsetzung der neuen Düngeverordnung erforderlich. Von besonderer Bedeutung sei weiterhin eine grundlegende Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Diese sei „in ihrer jetzigen Form nicht ausreichend zu einer umweltgerechten Landwirtschaft und zum Erreichen der europäischen und deutschen Biodiversitätsziele“. Maßnahmen des so genannten Greenings seien bisher weitgehend wirkungslos. Es benötige eine höhere Umschichtung von Mitteln aus der ersten in die zweite Säule der GAP für biodiversitätswirksame Maßnahmen. (ab)

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