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13.01.2020 |

Atlas: Insektenbestände befinden sich im Abwärtstrend

Wild
Abwärtstrend bei Wildbienen (Foto: CC0)

Insekten bestäuben drei Viertel der wichtigsten Kulturpflanzen und steigern ihren Ertrag, doch ihre Bestände gehen dramatisch zurück – weltweit und auch in Deutschland. Das zeigt der Insektenatlas 2020 auf, der am 8. Januar von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland veröffentlicht wurde. Darin wurden zahlreiche Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge in der Landwirtschaft zusammengetragen und Studienergebnisse aufbereitet. Egal ob Langzeituntersuchungen, einzelne Studien oder Rote Listen – das Ergebnis ist immer das gleiche: Alle Datenreihen belegen einen Rückgang der Artenvielfalt und bestätigen eine teilweise dramatische Abnahme der Populationsdichte. So sind hierzulande bei etwa der Hälfte der 561 Wildbienenarten die Bestände rückläufig. Über einen Zeitraum von 46 Jahren ging auf der Schwäbischen Alb die Anzahl der Nester einer Schmalbienenart um 95% zurück. In den Isarauen im bayerischen Dingolfing sind drei Viertel der Wildbienenarten innerhalb nur eines Jahrzehnts verschwunden. Doch auch andere Insektengruppen sind dem Atlas zufolge in Gefahr: Zikadenpopulationen auf Trockenrasen in Ostdeutschland nahmen über 40 bis 60 Jahre um 54% ab und im Feuchtgrünland in Niedersachsen betrugen die Verluste sogar 78%.

Als eine der Hauptursachen für den globalen Insektensschwund machen die Autoren die intensive Landwirtschaft mit ihren Folgen für die Lebensgrundlage von Insekten aus. „Weltweit treiben Monokulturen mit Energie- oder Futterpflanzen für unsere Massentierhaltung in Ländern wie Brasilien oder Indonesien die Entwaldung, monotone Agrarwüsten und den Pestizideinsatz massiv voran. So hat sich alleine in Argentinien der Pestizideinsatz seit den 1990er Jahren verzehnfacht“, sagt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie kritisiert, dass Pestizide von Chemieriesen wie Bayer und BASF, die in der EU längst verboten oder nicht mehr lizensiert sind, weltweit weiterhin fast unbeschränkt gehandelt werden. So sei etwa in Kenia fast die Hälfte der Pestizide hochtoxisch für Bienen und in Brasilien seien es über 30%. Hier drohe eine Verschärfung der Lage durch das Mercosur-Abkommen, das eine Zollreduktion für Chemieprodukte vorsehe, unter die auch Pestizide fallen. „Das Ziel noch mehr Pestizide in die artenreichsten Regionen der Welt zu exportieren verhöhnt alle nationalen Nachhaltigkeitsbemühungen. Pestizide, die in Europa aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen oder gravierenden ökologischen Wirkung nicht mehr zugelassen sind, dürfen von deutschen Konzernen auch nicht länger in anderen Ländern vertrieben werden“, fordert der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.

Der Insektenatlas betont zudem, dass eine Reduzierung des Fleischkonsums einen Beitrag zum Insektenschutz leisten kann: „Ein Blick auf die Felder vor unserer Haustür reicht dabei nicht. Die importierten Futtermittel für die vielen Millionen Nutztiere, die den weltweiten Hunger auf billiges Fleisch befriedigen, wachsen vor allem in Südamerika. Dort, in den artenreichsten Regionen der Welt, werden Millionen Hektar Wald gerodet gerodet und für die Soja- und Fleischproduktion nutzbar gemacht“, schreiben die Herausgeber im Vorwort. „Wir müssen beim Insektenschutz auch unseren Lebensstil hinterfragen: Weniger Fleisch und Milch, dafür artgerecht gehalten und mit fairen Preisen für die Bauernhöfe, das wäre wichtig. Die im Einklang mit der Natur wirtschaftenden Landwirtinnen und Landwirte brauchen ein einträgliches Auskommen. Doch Insektenschutz wird bislang nicht an der Ladenkasse bezahlt, Bäuerinnen und Bauern bekommen ihn nicht entlohnt“, erläutert Bandt. Hier sehen die Herausgeber auch den Handel in der Pflicht, für faire Erzeugerpreise zu sorgen.

Die von der Politik bisher ergriffenen Maßnahmen seien nicht ausreichend, um das Insektensterben zu beenden. „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich einig, wie gravierend das fortschreitende Insektensterben ist. Doch politisch gehandelt wurde bisher kaum“, sagt Bandt. „Die Vorschläge der Bundesregierung im Insekten-Aktionsprogramm reichen nicht aus. Ohne einen Umbau der Landwirtschaft ist das Sterben von Schmetterlingen, Hummeln und Käfern nicht zu stoppen.“ Um diese Agrarwende voranzubringen, müsse die Agrarpolitik Betriebe dabei unterstützen, weniger Pestizide einzusetzen, weniger Dünger auszubringen und mehr Lebensräume für Insekten zu schaffen. „Die Landwirtschaft muss beim Schutz der Insekten Teil der Lösung werden. Es braucht deshalb für Bäuerinnen und Bauern mehr Beratung und andere Fördermittel, aber es braucht auch klare gesetzliche Vorgaben, beispielsweise in Schutzgebieten“, fordert Bandt. „Öffentliches Geld muss zum Schutz der Insekten eingesetzt werden.“ (ab)

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