Nachricht

01.11.2019 |

In Europa wuseln mehr Regenwurmarten als in den Tropen

Wumr
Regenwurm mal überirdisch (Foto: CC0)

Regenwürmer sind wichtig für das Funktionieren von Ökosystemen und leisten einen wertvollen Beitrag zur Fruchtbarkeit von Ackerböden, wie schon Charles Darwin 1881 in seinem Buch über die Tätigkeit der Bodenbewohner aufzeigte. Sie fressen organisches Material, graben Löcher und mischen Humus und Erde, sie machen Nährstoffe verfügbar, helfen Kohlenstoff in Böden zu speichern oder verbreiten Samen. Doch trotz der großen Bedeutung von Regenwürmern bestehen immer noch enorme Wissenslücken bezüglich der weltweiten Verbreitung der „Baumeister“ des Bodens. Diese zu schließen war das Ziel von 140 internationalen Wissenschaftlern, die in den letzten drei Jahren den weltweit größten Datensatz zusammengestellt haben mit allen verfügbaren Infos rund um den Regenwurm an 6928 Standorten in 57 Ländern. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie nun in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science. In puncto Artenvielfalt tanzt der Regenwurm aus der Reihe, lautet ihre überraschende Erkenntnis. Denn in den Tropen ist die Artenvielfalt normalerweise größer als an den meisten Orten in den gemäßigten Breiten – zumindest bei Tieren, die an der Erdoberfläche leben. Doch unterirdisch sieht dies wohl anders aus: Die größere Regenwurmvielfalt existiert den Erhebungen zufolge nämlich in Europa. Doch der Klimawandel könnte sich auf das Vorkommen von Regenwürmern und ihre Ökosystemleistungen weltweit negativ auswirken.

Für die Studie hat ein Wissenschaftlerteam unter Führung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig Regenwurmforscher rund um den Globus kontaktiert und sie gebeten, ihre Daten für eine globale Bestandsaufnahme zur Verfügung zu stellen. Es sollte eine Weltkarte entstehen, die so viele Daten wie möglich zur Anzahl der Regenwurmarten, der Anzahl der Individuen (Dichte) und zur Biomasse enthält. „Wissenschaftler haben bereits vor Jahrzehnten herausgefunden, dass an einem beliebigen Ort in den Tropen meist mehr Arten leben als an einem gleichgroßen Ort der gemäßigten Breiten“, sagt Erstautorin Dr. Helen Phillips. „Doch für Regenwürmer konnten wir solche Untersuchungen bisher nicht durchführen, da es keine entsprechenden, globalen Datensätze gab.“ Nun liegt er vor und zeigt, dass sich die meisten Arten (kleinräumig betrachtet) an Orten in Europa, dem Nordosten der USA und Neuseeland finden. Das Gleiche galt auch weitgehend für Dichte und Biomasse: Auch hier gab es ein Mehr an Würmern in den gemäßigten Breiten. Zugleich scheinen Regenwürmer in den Tropen kleinere Verbreitungsgebiete zu haben. „In den Tropen findet man alle paar Kilometer eine neue Gemeinschaft von Regenwurmarten. In kühleren Regionen hingegen bleibt diese mehr oder weniger gleich“, sagt Phillips. Das könne bedeuten, dass in einem bestimmten Gebiet der Tropen zwar nur wenige Arten zu finden seien, die Gesamtzahl aller tropischen Arten aber sehr hoch sei, doch hier müsse weiter geforscht werden. Denn viele tropische Regenwurmarten sind noch gar nicht beschrieben.

Die Studie untersuchte auch, welche Umweltfaktoren Auswirkungen darauf haben, wie viele Regenwürmer und Arten sich an einem Ort tummeln. Mit Niederschlag und Temperatur zusammenhängende Faktoren hatten dabei den größten Einfluss. „Der Klimawandel könnte zu starken Veränderungen bei den Regenwurmgemeinschaften und den von ihnen beeinflussten Ökosystemleistungen führen“, sagt Mitautor Prof. Nico Eisenhauer, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und der Universität Leipzig. „Aufgrund ihrer Rolle als Ökosystem-Ingenieure befürchten wir Auswirkungen auf andere Lebewesen wie Mikroorganismen, Bodeninsekten und Pflanzen.“ Es sei daher erforderlich, den Regenwürmern mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das gelte übrigens generell für die unterirdische Artenvielfalt und ihr Beitrag zum Funktionieren der Ökosysteme. „Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel beim Schutz der biologischen Vielfalt“, betont Eisenhauer. „Weil wir es nicht sehen, vergessen wir allzu leicht das faszinierende Leben unter unseren Füßen. Regenwürmer mögen im Verborgenen weilen und nicht das Charisma eines Pandas haben. Aber sie sind extrem wichtig für andere Lebewesen und das Funktionieren unserer Ökosysteme.“ (ab)

Zurück zu den Meldungen

Unterstützer

Unterstützer von www.weltagrarbericht.de Verlag der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. Bioland biovision Brot für die Welt Brot für alle Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Demeter Zukunftsstiftung Entwicklung in der GLS Treuhand Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heidehof Stiftung Mission EineWelt Misereor Naturland Public Eye | Erklärung von Bern Rapunzel - Wir machen Bio aus Liebe Swiss Aid, Ihr mutiges Hilfswerk tegut W-E-G Stiftung
English versionEnglish versionDeutsche Version