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31.10.2019 |

Studie belegt rasantes Insektensterben in Deutschland

Wiese
Auf Wiesen tummeln sich weniger Insekten als noch vor 10 Jahren (Foto: CC0)

Das Ausmaß des Insektensterbens in Deutschland ist weitaus schlimmer als befürchtet und betrifft fast alle Insektenarten. Das zeigt eine umfassende Studie eines internationalen Forscherteams unter Leitung der Technischen Universität München (TUM), die am 30. Oktober in der Fachzeitschrift Nature erschien. In nur zehn Jahren nahm die Zahl der Insektenarten in Wäldern und auf Wiesen um ein Drittel ab; der Rückgang der Biomasse fiel noch deutlich höher aus. Der Artenschwund zeigt sich vor allem auf Wiesen, die sich in einer stark landwirtschaftlich genutzten Umgebung befinden, aber auch Wald- und Schutzgebiete sind betroffen. Dass es immer weniger Insekten gibt, ist mittlerweile ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Eine Studie basierend auf Erhebungen des Entomologischen Vereins Krefeld in Schutzgebieten hatte gezeigt, dass die Biomasse bei Fluginsekten in 30 Jahren um drei Viertel zurückgegangen war. „Bisherige Studien konzentrierten sich aber entweder ausschließlich auf die Biomasse, also das Gesamtgewicht aller Insekten, oder auf einzelne Arten oder Artengruppen“, erklärt Dr. Sebastian Seibold vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TU München. „Dass tatsächlich ein Großteil aller Insektengruppen betroffen ist, war bisher nicht klar.“

Die Wissenschaftler hatten Daten von mehr als einer Million Insekten von etwa 2.700 Arten ausgewertet. Diese stammten aus standardisierten Erhebungen, die zwischen 2008 und 2017 in 150 Grünland- und 140 Waldstandorten in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg durchgeführt wurden. Auch Wetterschwankungen wurden berücksichtigt, um Messfehler auszuschließen. Sowohl auf den Waldflächen als auch auf den Wiesen fanden sich nach zehn Jahren etwa ein Drittel weniger Insektenarten. „Dass solch ein Rückgang über nur ein Jahrzehnt festgestellt werden kann, haben wir nicht erwartet – das ist erschreckend, passt aber in das Bild, das immer mehr Studien zeichnen“, sagt Wolfgang Weisser, Professor für Terrestrische Ökologie an der TUM. Die Biomasse ging auf den Wiesen um 67% und in den Wäldern um 41% zurück. Die Wissenschaftler zeigten sich gerade vom Insektenschwund in den Wäldern überrascht: „Bisher war nicht klar, ob und wie stark auch der Wald vom Insektenrückgang berührt ist“, sagt Seibold. Einige seltenere Arten konnten in manchen der beobachteten Regionen gar nicht mehr aufgespürt werden.

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass zwischen dem Insektensterben und der Landnutzung im Umfeld der Erhebungsorte ein Zusammenhang besteht. Sie hatten zunächst die Nutzungsintensität der Messstandorte kategorisiert. Diese reichte von nicht gemähten Wiesen in Schutzgebieten, auf denen nur etwa zehn Tage im Jahr maximal 40-50 Schafe pro Hektar weideten und die ansonsten weitgehend unberührt blieben, über nicht gedüngte und nur zweimal jährlich gemähte Wiesen bis hin zu stark bewirtschafteten Flächen, die gedüngt und bis zu vier Mal jährlich gemäht wurden oder auf denen ein Drittel des Jahres Rinder weideten. Auch die Waldflächen unterteilten die Forscher in drei Kategorien von wenig bis stark bewirtschaftet – sie reichen von forstwirtschaftlich geprägten Nadelwäldern bis hin zu ungenutzten Wäldern in Schutzgebieten. Auch das Umfeld der Messorte wurde in Kreisen von bis zu 2 Kilometer untersucht. Besonders stark ausgeprägt war der Schwund auf solchen Grasflächen, die von landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen umgeben waren. Dort litten vor allem die Arten, die nicht in der Lage sind, größere Distanzen zu überwinden.

In Wäldern waren dagegen vor allem jene Insektengruppen mit einem größeren Radius betroffen. „Ob mobilere Arten aus dem Wald während ihrer Ausbreitung stärker mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen oder ob die Ursachen doch auch mit den Lebensbedingungen in den Wäldern zusammenhängen, müssen wir noch herausfinden“, betont Mitautor Dr. Martin Gossner. Dass der Rückgang in Graslandschaften mit dem Anteil landwirtschaftlicher Nutzflächen in der Umgebung in Zusammenhang stehe, sei klar. „Es lässt sich aber nicht feststellen, ob die beobachteten Rückgänge durch die Altlasten der historischen Landnutzungsintensivierung verursacht werden oder durch die jüngste landwirtschaftliche Intensivierung auf Landschaftsebene, z.B. durch die Verringerung der an Pflanzenarten reichen Brachflächen und Feldränder, den verstärkten Einsatz von Pestiziden oder den Einsatz stärkerer Insektizide“, schreiben die Wissenschaftler. Hier seien weitere Studien nötig. (ab)

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