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21.10.2019 |

FAO: 14% aller Lebensmittel gehen zwischen Ernte und Handel verloren

Kartof
Viele Lebensmittel verlassen den Acker nicht (Foto: CC0)

Ein Siebtel aller Lebensmittel weltweit gelangt gar nicht erst vom Acker zu den Verbrauchern. Das geht aus einem neuen Bericht der Welternährungsorganisation FAO hervor. Laut „The State of Food and Agriculture 2019“ würde die Reduzierung dieser Verluste sowie der Lebensmittelverschwendung durch Handel und Verbraucher einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Ernährungssicherheit vieler Menschen, zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Agrarproduktion und zur Senkung der Produktionskosten leisten. Doch um Lebensmittelverluste und -verschwendung effektiv angehen zu können, sei ein vertieftes Verständnis für das Problem notwendig. Dazu liefert der Bericht neue Schätzungen zu Verlusten in den verschiedenen Stufen der Versorgungskette. „Es ist überraschend, wie wenig wir eigentlich darüber wissen, wie viel Lebensmittel verloren gehen oder verschwendet werden, und wo und warum dies geschieht“, sagte FAO-Generaldirektor Qu Dongyu im Vorwort. Einer groben Schätzung aus dem Jahr 2011 zufolge geht jedes Jahr ein Drittel aller produzierten Lebensmittel verloren oder wird verschwendet. „Diese Schätzung wird aufgrund fehlender Informationen in diesem Bereich immer noch häufig zitiert, kann aber nur als sehr grob angesehen werden“, fügt Qu Dongyu hinzu.

Das 12. UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG) sieht in einem separaten Unterziel vor, bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten zu verringern. Um Fortschritte messen zu können, haben die FAO und das UN-Umweltprogramm (UN Environment) ein methodisches Rahmenwerk erarbeitet. Der in diesem Bericht vorgestellte Food Loss Index (FLI) soll zeigen, wie viel Lebensmittel in der Produktion oder in der Lieferkette verloren gehen, bevor sie den Handel erreichen. Die Verschwendung durch Einzelhandel und Verbraucher soll der Food Waste Index (FWI) abbilden, der demnächst von UN Environment veröffentlicht wird. „Lebensmittelverluste und -verschwendung wurden in der Regel nach Masse bemessen, wobei Tonnen als Berichtseinheiten verwendet wurden. Obwohl diese Messung für die Abschätzung von Umweltauswirkungen nützlich ist, berücksichtigt sie nicht den ökonomischen Wert verschiedener Rohstoffe“, heißt es im Bericht. So könnten Produkte mit geringerem Wert stärker ins Gewicht fallen, wenn sie mehr wiegen. Daher kalkuliert die FAO nun auch den wirtschaftlichen Wert eines Produkts ein. Demnach gehen weltweit rund 14% aller Lebensmittel nach der Ernte und vor dem Erreichen der Geschäfte verloren, z.B. bei Aktivitäten auf dem Bauernhof, Lagerung und Transport. Allerdings schwanken die Verluste innerhalb derselben Warengruppen und Lieferkettenstufen von Region zu Region erheblich. Betrachtet man die regionale Ebene, reichen die Verluste von 5-6% in Australien und Neuseeland bis hin zu 20-21% in Zentral- und Südasien.

Auf allen Stufen der Versorgungskette seien Verluste und Verschwendung bei Obst und Gemüse generell höher als bei Getreide und Hülsenfrüchten – mit Ausnahme von Verlusten auf Höfen und beim Transport in Ost- und Südostasien. Der Bericht zeigt aber auch eine große Spannweite innerhalb einzelner Produktgruppen, Lieferkettenstufen und Regionen auf. In Subsahara-Afrika etwa reichen auf Höfen und Betrieben die Verluste bei Obst und Gemüse von 0 bis 50%. Dies „zeigt, dass wir das Auftreten von Lebensmittelverlusten und -verschwendung in der gesamten Lebensmittelversorgungskette nicht verallgemeinern können, sondern im Gegenteil kritische Verlustpunkte in bestimmten Lieferketten als entscheidenden Schritt zur Ergreifung geeigneter Gegenmaßnahmen identifizieren müssen“, schreibt Qu Dongyu. Ein kritischer Verlustpunkt sei die Ernte, aber auch ungeeignete Lagereinrichtungen und ein falscher Umgang mit den Erzeugnissen zählen zu den Hauptursachen für Verluste auf dem Hof. Für Obst, Wurzel- und Knollengemüse gelten auch Verpackung und Transport als kritisch. Der Bericht betont jedoch auch, wie wichtig die Verringerung von Lebensmittelabfällen im Einzelhandel und in privaten Haushalten ist.

Die FAO appelliert an Regierungen, die Bekämpfung der Ursachen von Verlusten und Verschwendung zu verstärken und nennt mögliche Maßnahmen. „Die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung ist in der Regel mit Kosten verbunden und Landwirte, Lieferanten und Verbraucher werden nur dann die notwendigen Maßnahmen ergreifen, wenn ihre Kosten durch die Vorteile aufgewogen werden.“ Dies erfordere öffentliches Handeln in Form von Investitionen oder Maßnahmen, die Anreize für private Akteure setzen, Lebensmittelverluste und -verschwendung zu reduzieren oder bessere Informationen über schon bestehende Vorteile liefern. Doch selbst wenn die Vorteile bekannt sind, kann es sein, dass bestimmte Akteure keine Gegenmaßnahmen ergreifen können. Als Beispiel nennt der Bericht Kleinbauern in Entwicklungsländern, die ohne finanzielle Hilfe hohe Kosten für Produktionstechniken oder Lagermöglichkeiten, die Verluste reduzieren, nicht tragen können. Ein verbesserter Zugang zu Krediten könnte hier helfen, meint die FAO.

Die Verringerung von Verlusten und -verschwendung könne auch die Ernährungssicherheit gefährdeter Gruppen und den ökologischen Fußabdruck der Lebensmittelproduktion verbessern. Den Autoren zufolge dürften die größten Verbesserungen der Ernährungslage durch die Verringerung der Verluste in den frühen Phasen der Lieferkette eintreten, vor allem in Agrarbetrieben in Ländern mit hoher Ernährungsunsicherheit. In puncto ökologische Nachhaltigkeit sei bei Maßnahmen darauf zu achten, wo Lebensmittelverluste und Abfälle die größten Umweltauswirkungen haben. „Empirische Erkenntnisse auf globaler Ebene bezüglich der Umweltbilanz für die wichtigsten Rohstoffgruppen deuten darauf hin, dass der Schwerpunkt auf Fleisch und tierische Produkte gelegt werden sollte, wenn es darum geht, die Landnutzung zu reduzieren. Sie machen 60% der mit Lebensmittelverlusten und -verschwendung verbundenen Umweltbilanz aus. Wenn es um Wasserverbrauch geht, entfällt auf Getreide und Hülsenfrüchte der größten Beitrag (mehr als 70%), gefolgt von Obst und Gemüse.“ Bei den Treibhausgasemissionen entfällt der größte Batzen wiederum auf Getreide und Hülsenfrüchte (mehr als 60%), gefolgt von Wurzeln, Knollen und ölhaltigen Pflanzen. Aber auch die Umweltbilanz für verschiedene Produkte variiert je nach Region und Land je nach Ertrag und Produktionstechnik, da es einen Unterschied macht, ob ein Produkt z.B. aus Regenfeldbau oder bewässerter Landwirtschaft stammt oder ob Tiere mit Futtermitteln gemästet wurden oder auf Weiden grasten. (ab)

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