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26.09.2017 |

Transformation des Ernährungssystems als Ausweg aus der Hungerkrise

Getreide
Die Getreidepreise kletterten 2007/2008 unaufhörlich in die Höhe (Foto: CC0)

Vor zehn Jahren stiegen die globalen Lebensmittelpreise in schwindelerregende Höhen und Hungerrevolten erschütterten viele Länder der Welt. Die Bilder sind zwar aus den Medien verschwunden. Doch die Hauptursachen der Nahrungsmittelpreiskrise 2007/2008, die zusätzlich Millionen Menschen in den Hunger trieb, bestehen fort. Darauf macht der Bericht “Right to Food and Nutrition Watch 2017” aufmerksam, der am 26. September von einem Netzwerk von 26 Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen veröffentlicht wurde. „Die Ereignisse von 2007/2008 haben nur die Risse in der Fassade eines nicht nachhaltigen, zerbrechenden Ernährungssystems ans Licht befördert und die politischen Entscheidungsträger gezwungen, dessen Versagen einzugestehen“, ist im Vorwort zu lesen. Auch wenn es seither Fortschritte gegeben habe, seien die der Krise zugrundeliegenden Probleme nicht gelöst und betreffen Millionen Menschen, so der Bericht. Erst kürzlich mussten die Vereinten Nationen vermelden, dass die Zahl der Hungernden erstmals seit Jahren wieder angestiegen ist. Der Bericht, der in der zehnten Ausgabe erscheint, zieht eine Bilanz der Entwicklungen des letzten Jahrzehnts und blickt auf künftige Herausforderungen und Chancen. Die Folgen des Klimawandels, unfaire Regeln des Welthandels oder Megafusionen von Agrarkonzernen sind nur einige der vielschichtigen, mit der Lebensmittelkrise verwobenen Themen, mit denen sich der diesjährige „Right to Food and Nutrition Watch“ beschäftigt.

Bei der Krise 2007-08 trafen komplexe lang- und kurzfristiger Faktoren zusammen, schreiben die Autoren. Doch sie kam keineswegs aus heiterem Himmel: „Sie war das unvermeidliche Resultat eines Modells, das dem Profit Vorrang einräumt vor allem anderen: unserem Leben, unseren Rechten und unserer Natur. Die Krise hat sich über Jahre hinweg aufgebaut und eine Milliarden Menschen in den Hunger getrieben, da die Lebensmittelpreise drastisch schwankten und sich die ausgewachsene Mehrfachkrise negativ auf das Ernährungssystem, das Klima und die Menschenrechte auswirkte.“ Der Bericht macht den konfliktreichen Widerspruch zwischen zwei gegensätzlichen Sichtweisen auf das Leben, die Produktion von Lebensmitteln und die Beziehungen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt deutlich. „Auf der einen Seite gibt es die „Vision von Ernährungssouveränität und lebendigen, lokalen Ernährungssystemen, in deren Mittelpunkt kleine Lebensmittelproduzenten stehen, die Nahrung als grundlegendes Menschenrecht und als Eckpfeiler unserer Identität, Existenz, Umwelt, Biodiversität und Souveränität betrachten“, schreiben Bernhard Walter von Brot für die Welt, Sofia Monsalve Suarez von FIAN International und Marijke de Graaf von ICCO Cooperation im Vorwort. Dem gegenüber steht „das homogenisierende und hegemoniale globale Ernährungssystem, das von zunehmend konzentrierten, transnationalen Konzernen beherrscht wird und Nahrung auf eine handelbare Ware reduziert.“ Das Streben nach dem Recht auf Nahrung und gute Ernährung sei daher ein politischer Kampf zwischen gegensätzlichen Weltanschauungen.

Der Bericht fordert eine Umgestaltung des Ernährungssystems und den Übergang zu nachhaltigen Produktions-, Verteilungs- und Konsummodellen, um die Ernährungskrise zu überwinden. Hierzu habe die Krise zumindest etwas Positives beigetragen, indem sie sozialen Bewegungen, die sich für Ernährungssouveränität einsetzen, als Sprungbrett diente, um Alternativen voranzubringen. „Die bedeutendste davon ist die Agrarökologie“, betonen die Autorinnen von Kapitel 1, Sophia Murphy und Christina M. Schiavoni. „Die Agrarökologie steht im krassen Gegensatz zur industriellen Produktion von Lebensmitteln, die auf externe Inputs mit einen hohen ökologischen und ökonomischen Preis angewiesen ist und zugleich selbst erhebliche Abfälle und andere soziale und ökologische Kosten verursacht. Sie erhält nun so viel Interesse und Sichtbarkeit wie nie zuvor, auch von Regierungen.“ Soziale Bewegungen und NGOs weltweit engagieren sich dem Bericht zufolge unermüdlich für eine Transformation des Ernährungssystems. „Damit wir die Mittel haben, um uns künftig selbst zu ernähren, müssen wir dringend widerstandsfähige Ernährungssysteme auf lokaler und regionaler Ebene aufbauen und die extreme Machtkonzentration auf den nationalen und internationalen Märkten angehen“, lautet das Fazit von Murphy und Schiavoni. Die Rechte von Kleinbauern und Frauen seien hierbei zentral. „Die Nahrungsmittelkrise 2007-2008 war ein Weckruf. Ein Jahrzehnt später gibt es trotz eindrücklicher Beispiele für erfolgreiche Veränderungen im Ernährungssystem und Errungenschaften auf politischer Ebene noch immer alte Gewohnheiten und viele Hürden, die es zu überwinden gilt.“ Doch die globale Bewegung für Ernährungssouveränität sei bereit für diese Herausforderung. (ab)

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