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22.08.2017 |

Studie: Intensivierung der Landwirtschaft lässt Feldvögel schwinden

Kiebitz
Bald allein auf weiter Flur: der Kiebitz (Foto: Dr. Georg Wietschorke, CC0)

Die Zahl der Feldvögel hierzulande nimmt dramatisch ab, da die Intensivierung der Landwirtschaft den Lebensraum vieler Vogelarten zerstört oder ihr Nahrungsangebot schmälert. Das zeigt eine Studie des Forschungsinstituts für Ökosystemanalyse und -bewertung an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, für die im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion der aktuelle Wissensstand zusammengetragen wurde. „Insgesamt ist eine zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft zu verzeichnen d.h. zunehmende maschinelle Bearbeitung, erhöhter Düngereinsatz, erhöhter Einsatz von Pestiziden, etc. mit entsprechenden Folgen für landwirtschaftlich genutzte Biotope und die darin beheimatete Biodiversität“, schreiben die Wissenschaftler. „Geht man in Zukunft von einer Fortführung dieser Bewirtschaftungsintensität beziehungsweise sogar von einer Erhöhung aus, könnten ganze Agrarlandschaften vogelleer werden“, lautet ihre eindringliche Warnung.

Bereits Anfang Mai hatte die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen für Aufsehen gesorgt: Demnach ist in der EU die Zahl der Brutpaare in landwirtschaftlichen Gebieten zwischen 1980 und 2010 um 300 Millionen Tiere oder 57% zurückgegangen. Am meisten betroffen sind die Vögel in Agrarlandschaften. Zwischen 1990 und 2013 sank in Deutschland die Zahl der Rebhühner um 84% - 80% der Kiebitze, 63% der Braunkehlchen, 61% der Uferschnepfen und 35% der Feldlerchen verschwanden. Die Forscher der RWTH Aachen analysierten nun die Ursachen. Die industrialisierte Landwirtschaft setzt den Feldvögeln am stärksten zu, lautet ihr Fazit. So beraubt die Trockenlegung und Zerstörung von Feuchtgebieten sowie die Umwandlung von Grünland die Vögel ihres Lebensraums. 70% der landwirtschaftlich genutzten Offenlandbiotope werden in der Roten Liste mit hohem Verlustrisiko geführt und drohen somit zu verschwinden, schreiben die Wissenschaftler.

Ein Hauptfaktor sind jedoch auch Pestizide, die auf die Felder gespritzt werden. Ihre Menge erhöhte sich in den letzten 20 Jahren um rund 65%, die eingesetzte Wirkstoffmenge stieg von 1994 bis 2015 von etwa 30.000 Tonnen auf über 48.000 Tonnen an. „Das heißt auf der gleichen Fläche werden heute deutlich mehr schädliche Substanzen für Käfer, Regenwürmer, Bienen und Schmetterlinge ausgebracht. Dieser Einsatztrend hat sich seit dem Jahr 2009 noch einmal beschleunigt“, beklagen die Autoren. Hinzu komme, dass Herbizide wie Glyphosat vermehrt zur Reifebeschleunigung von Feldfrüchten eingesetzt werden. Hierdurch werde das Nahrungsangebot an Wildkräutern und Samen auf und neben dem Feld stark eingeschränkt. „Verglichen mit Erhebungen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Bestandsentwicklung sowohl was die Artenzahl als auch die Populationsdichte angeht dramatisch: Auf genutzten Äckern sank die Artenzahl von Ackerwildkräutern seit 1950/60 um 71%, die Populationsdichten nahmen sogar um mehr als 95% ab“, ist der Studie zu entnehmen.

Die Grünen fordern daher eine Agrarwende, um die Vogelbestände zu schützen. „Wir brauchen mehr Ökolandbau, eine ambitionierte Politik, um Pestizideinsatz drastisch herunterzufahren und einen effektiven Schutz für das Grünland“, ließ die Bundestagsfraktion in einer Pressemitteilung verlauten. Bei einem Weiter-wie-bisher prognostizieren die Wissenschaftler der RWTH Aachen, dass ehemals häufige oder gar sehr zahlreiche Feldvogelarten wie Wiesenpieper und Kiebitz aus weiten Teilen ihres früheren Verbreitungsgebiets verschwinden werden: „Dieser heute schon zu beobachtende Trend, dass frühere „Allerweltsvogelarten“ wie Feldlerche oder Rebhuhn in manchen Gegenden zu Raritäten geworden sind oder schon gar nicht mehr vorkommen, wird sich fortsetzen.“ Aus heutiger Sicht sei nicht auszuschließen, dass einzelne, ehemals häufige Vogelarten vollständig als Brutvögel aus Deutschland verschwinden oder nur mit marginalen Restpopulationen überleben. (ab)

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