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03.07.2017 |

Störungsanfällige Nadelöhre des globalen Handels gefährden Lebensmittelversorgung

Panama
Ein Nadelöhr des Welthandels: der Panama-Kanal (Foto: CC0)

Die globale Lebensmittelversorgung ist immer mehr abhängig von wenigen Nadelöhren des Welthandels, die anfällig für Störungen sind. Davor warnt eine neue Studie des britischen Thinktanks Chatham House. Diese nennt 14 Flaschenhälse von globaler strategischer Bedeutung – Wasserstraßen, Häfen und Verkehrsnetze an Land – durch die mehr als die Hälfte des weltweit gehandelten Getreides passiert. „Eine ernsthafte Unterbrechung an einem oder mehreren Nadelöhren könnte zu Versorgungsengpässen und Preisanstiegen führen“, so der Bericht. Alltäglichere Unterbrechungen mögen zwar nicht gleich eine Krise auslösen, aber sie könnten mit größeren Verzögerungen, Lebensmittelverlusten oder höheren Transportkosten einhergehen und damit zu höheren und schwankenden Lebensmittelpreisen beitragen. „Wir sprechen hier von einem großen Anteil der globalen Lebensmittelversorgung, der aufgehalten oder für erheblich Zeit gestoppt werden könnte“, zitiert die britische Zeitung The Guardian Mitautorin Laura Wellesley. „Es ist besorgniserregend, dass infolge des Klimawandels eine oder mehrere Störungen an Nadelöhren sehr wahrscheinlich mit Ernteausfällen zusammenfallen könnten und dann wird es ernst.“

Der internationale Handel mit Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Inputs ist auf ein weltweites Transportsystemnetz angewiesen. Ein komplexes Geflecht aus Bahnstrecken, Wasserwegen, Häfen, Seewegen und Lagerinfrastruktur stützt die Bewegung von Nutzpflanzen und Dünger von den Höfen oder Fabriken zu den Häfen und von Region zu Region. Die wichtigsten Flaschenhälse zu Land und Wasser liegen in den wenigen Kornkammern der Welt. Auf die USA, Brasilien und die Schwarzmeer-Region entfallen laut Chatham 53% der globalen Exporte von Weizen, Reis, Mais und Soja. Binnenwasserstraßen transportieren gut 60% der US-Exporte dieser vier Hauptpflanzen ans Meer, vor allem an die Häfen der Golfküste. In Brasilien stemmen vier Häfen ein Viertel der globalen Sojaexporte. Gut 60% der Weizenexporte aus Russland und der Ukraine sind auf Schienenwege zum Schwarzen Meer angewiesen. In der Schifffahrt sind der Panamakanal und die Straße von Malakka die Hauptnadelöhre für den Durchsatz von Getreide, da sie westliche und asiatische Märkte verbinden. Doch Chatham House warnt, dass die Lieferketten nur so stark sind wir ihr schwächstes Glied und diese Verbindungsstellen die kritischsten Punkte sind.

Der Bericht nennt drei Störungskategorien: Extreme Wetterereignisse wie Stürme und Hochwasser könnten die vorübergehende Schließung von Nadelöhren verursachen. Zudem könnte Konflikte durch Krieg, politische Instabilität, Piraterie oder das organisierte Verbrechen und Terrorismus entstehen. Aber auch politische Eingriffe und institutionelles Versagen könnten zu Unterbrechungen führen, z.B. wenn Behörden einen Flaschenhals schließen oder den Durchlauf von Lebensmitteln beschränken. Fast alle großen Flaschenhälse haben in den letzten 15 Jahren Schließungen oder Unterbrechungen erlebt. Im Juni 2017 wurden zuletzt infolge der Blockade Katars die Landwege geschlossen, über die 40% der Lebensmittelimporte des Landes laufen. Chatham sieht die Gefahr wachsender Risiken, da die Abhängigkeit von diesen Nadelöhren steigt, gerade in von Nahrungsmitteleinfuhren abhängigen Ländern. In den letzten 15 Jahren ist der Anteil der international gehandelten Getreide- und Düngerlieferungen, die per Schiff mindestens ein Nadelöhr passieren müssen, von 43% auf 54% gestiegen. Gut 10% der Lieferungen ist auf eine Wasserroute ohne Alternative angewiesen. Der Klimawandel wird diese Risiken weiter verstärken, da extreme Wetterereignisse häufiger und stärker auftreten und steigende Meeresspiegel die Hafeninfrastruktur oder Lagereinrichtungen an Küsten bedrohen. Mangelnde Investitionen in Infrastruktur und veraltete, überlastete und störungsanfällige Transportwege könnten nun zum Problem werden.

Chatham beklagt, dass Nadelöhre bei Einschätzung der Ernährungssicherheit trotz ihres erheblichen Einflusses auf Lebensmittelpreise und -angebot systematisch übersehen werden und gibt mehrere Tipps zum Gegensteuern. Regierung sollten ihre Produktion und globale Versorgungsketten für Getreide diversifizieren, in Infrastruktur investieren und mit anderen Regierungen kooperieren, um regionale strategische Reserven und Lagerinfrastruktur anzulegen. Die Autoren appellieren an die Industrieländer, die Lebensmittel exportieren, ihre handelsverzerrenden Agrarsubventionen zu reformieren. „Solche Subventionen fördern eine systematische Abhängigkeit von einer Handvoll cash crops und wenigen Getreide exportierenden Regionen. Stattdessen sollten öffentliche Mittel dafür eingesetzt werden, alternative Quellen der Getreideproduktion weltweit zu unterstützen, um die globale Lebensmittelproduktion zu diversifizieren und die Importabhängigkeit andernorts zu verringern.“ (ab)

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