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30.11.2022 |

Brasilien: Sojaanbau für die EU heizt Entwaldung im Cerrado an

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Typische Cerrado-Landschaft bei Mato Grosso: Soja, soweit das Auge reicht (Foto: Jeff Belmonte, bit.ly/CerJeff bit.ly/4_CC_BY_2-0)

Der Sojaanbau im brasilianischen Cerrado – unter anderem auch für die Fütterung deutscher Masttiere – hat in den letzten 20 Jahren zur Zerstörung von 4,2 Millionen Hektar Land geführt. Darauf weist ein neuer Bericht hin, den die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am 29. November gemeinsam mit der brasilianischen Recherche-NGO Repórter Brasil veröffentlichte. Das Papier belegt die dramatischen Auswirkungen des Sojaanbaus auf das Biom, das sich über knapp 25% des brasilianischen Staatsgebiets in elf Bundesstaaten erstreckt und eine zentrale Rolle als „Wasserspeicher“ für das Land ausübt, da dort Flüsse entspringen und drei wichtige Grundwasserspeicher liegen. „Der brasilianische Cerrado ist nicht nur die artenreichste Savanne der Welt. Mittlerweile zählt sie längst zu einem Hotspot für den Sojaanbau in Brasilien und wurde bereits zu großen Teilen zerstört. Und wofür? Für billiges Futtermittel und die deutsche Massentierhaltung“, kritisiert Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. Die Veröffentlichung des Berichts ist nicht zufällig gewählt: Anfang Dezember entscheiden die EU-Kommission, Rat und Parlament abschließend über eine EU-Verordnung gegen Entwaldung und über entwaldungsfreie Produkte. Doch die DUH befürchtet, der Cerrado könne hier nicht ausreichend berücksichtigt werden und fordert daher die Bundesregierung auf, sich für eine starke EU-Verordnung einzusetzen und den Cerrado darin aufzunehmen.

Gegenwärtig entfallen 52% der gesamten Sojaanbaufläche Brasiliens auf den Cerrado und dort insbesondere auf die Region Matopiba, dem neuen landwirtschaftlichen Grenzgebiet Brasiliens, das Gebiete in Maranhão, Piauí, Bahia sowie das gesamte Gebiet von Tocantins umfasst, heißt es in der Einleitung des Berichts. Die Sojaanbaufläche im Cerrado nahm von 7,5 Millionen Hektar in der Erntesaison 2000/2001 auf 20 Millionen Hektar im Jahr 2020/2021 zu – ein Anstieg von fast 170%. Im selben Zeitraum stieg die Anbaufläche für Soja in Matopiba von 970.000 Hektar auf 4,7 Millionen Hektar und somit fast auf das Fünffache. Die Geschichte der Besiedlung der Cerrado-Region zeigt, „dass die Ausweitung des Sojaanbaus für den globalen Rohstoffhandel nicht ohne Abholzung der einheimischen Vegetation, Ausbeutung von Wasserressourcen und Konflikte mit traditionellen Gemeinschaften vonstattenging“, schreiben die Autor*innen. Dies lässt sich nun auch in der Matopiba ablesen, wo die Expansion der Agrarindustrie zu einer enormen Belebung des Immobilienmarkts und einer intensiven Suche nach Land geführt, das schnell in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt werden kann. „Unermessliche Flächen einheimischen Waldes wurden – und werden – eingezäunt, abgeholzt und in Plantagen umgewandelt, und es gibt deutliche Anzeichen für illegale Landnahme“, so der Bericht, der anhand von drei Fallstudien darstellt, wie einige der größten derzeit im Cerrado tätigen Handelsunternehmen Geschäftsbeziehungen zu Sojaproduzenten unterhalten, die in Landkonflikte und Fälle von Entwaldung verwickelt sind.

In dem Bericht werden Zahlen zur Abholzung zusammengetragen. Demnach war Soja zwischen 2000 und 2016 für 9% der Abholzung von Urwäldern in Südamerika verantwortlich. In diesem Zeitraum wurde fast die Hälfte (44%) der neuen Anbauflächen auf dem Kontinent im Cerrado erschlossen. Laut einem vom Brasilianischen Verband der Pflanzenölindustrie (ABIOVE, Associação Brasileira das Indústrias de Óleos Vegetais) finanzierten Bericht wird im Cerrado Soja auf 4,19 Millionen Hektar Flächen angebaut, die in den letzten 20 Jahren abgeholzt wurden – eine Fläche doppelt so groß wie Hessen. Das entspricht 14,4% der gesamten Entwaldung im Cerrado, doch die Hauptursache für die Abholzung dort bleibt nach wie vor die Viehzucht: 67% der Fläche wird als Weideland genutzt.

Als Reaktion auf öffentlichen Druck hin haben einige der größten in den Sojahandel involvierten Agrarkonzerne vor kurzem Pläne angekündigt, in ihren Lieferketten „Nullentwaldung“ zu erreichen. Cargill und ADM wollen dieses Ziel bis 2030 erreichen, wobei alle Biome einbezogen werden sollen, während Bunge und LDC für 2025 ähnliche Ziele angekündigt haben. „Theoretisch gibt es die „Nullentwaldung“ im brasilianischen Amazonasgebiet bereits seit über einem Jahrzehnt. Im Rahmen des Sojamoratoriums haben sich die größten Handelsunternehmen des Sektors verpflichtet, nach 2008 kein Soja mehr zu erwerben, das in entwaldeten Gebieten der Region angebaut wurde“, so die Autor*innen. Die Übertragung ähnlicher Kriterien auf den Cerrado ist nun erneut ein Zankapfel zwischen den verschiedenen Interessengruppen und es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass sich die wichtigsten Agrarunternehmen im Cerrado daran halten werden. Zudem lässt sich dem Bericht zufolge der tatsächliche Ursprung von Soja durch Fälschung von Dokumenten durch die Farmer leicht verschleiern oder wenn Soja von Erzeugern bezogen wird, die nachweislich Sojabohnen aus illegal entwaldeten Gebieten angebaut haben, bleiben Sanktionen oft aus. Die Misserfolge bei der Überwachung des Sojamoratoriums im Amazonasgebiet sind ein Warnsignal auch für künftige Initiativen im Cerrado, so das Fazit des Berichts, der fordert, daraus Lehren für den Cerrado zu ziehen.

Die EU ist hier in der Verantwortung. 2021 exportierte Brasilien 86,1 Millionen Tonnen Sojabohnen, wobei China mit 70% der wichtigste Handelspartner war, gefolgt von der EU mit 8,4 Millionen Tonnen. Beim Sojaschrot (Gesamtexport 17,1 Millionen Tonnen) ist die EU der Hauptabnehmer. Die Niederlande waren mit 2 Millionen Tonnen der größte Importeur innerhalb der EU, gefolgt von Frankreich (1,3 Mio. Tonnen) und Deutschland (1 Mio. Tonnen). Schätzungsweise 20% der Sojaexporte aus dem Cerrado und dem Amazonasgebiet in die EU könnten Soja umfassen, die durch illegale Entwaldung gewonnen wurde, wie eine Studie brasilianischer Wissenschaftler im Fachjournal Science besagt. Laut der non-profit Transparenzinitiative Trase konzentriert sich ein Großteil des Entwaldungsrisikos durch den Import von Sojafuttermitteln in die EU auf den Cerrado. Die 4,6 Mio. Tonnen Soja, die 2018 direkt von dort in die EU exportiert wurden, stehen laut Trase in Verbindung mit einem Entwaldungsrisiko von knapp 26.000 Hektar. Somit konzentrieren sich fast zwei Drittel (65%) der durch Sojaimporte in die EU verursachten Entwaldung auf den Cerrado. Trotz illegaler Entwaldung und Landraubs soll der Cerrado womöglich nicht im Anfang Dezember stattfindenden finalen Trilog zur EU-Verordnung aufgenommen werden, wie die DUH befürchtet. Grund sei, dass der Europäische Rat sich mehrheitlich auf klassische Wälder wie den Amazonas-Regenwald beschränken möchte. Laut einer FAO-Definition wird die Savanne nur zu geringen Teilen als Wald und zu über 70% als sogenanntes „other wooded land“ eingestuft. Sollte sich der EU-Rat auf die Definition der FAO stützen, wären nur knapp 26% des Cerrado geschützt. Damit würde ein Großteil der durch die EU verursachten Entwaldung jedoch außer Acht gelassen, bemängelt der Umweltschutzverband. „Sollten sich die Hardliner im EU-Rat durchsetzen, besteht die Gefahr, dass Soja aus Landraub und Entwaldung weiter zu uns gelangt. Damit das nicht passiert, muss die Bundesregierung jetzt ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen, denn wir dürfen diese historische Chance nicht verpassen“, so Müller-Kraenner. Die DUH fordert daher die Bundesregierung auf, sich für die Aufnahme von Buschland und Trockenwäldern in die EU-Verordnung einzusetzen. (ab)

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