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20.11.2020 |

Ungesunde Ernährung: 4 Milliarden könnten 2050 übergewichtig sein

Fett
2050: 1,5 Milliarden Fettleibige (Foto: CC0)

Wenn sich die derzeitigen Ernährungstendenzen fortsetzen, werden Unter- und Überernährung die menschliche Gesundheit weltweit künftig stark belasten, während Lebensmittelverschwendung und die Belastung der Umwelt weiter zunehmen. Das ist die düstere Prognose eines Teams des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). In einer neuen Studie im Fachjournal „Scientific Reports“ warnen die Wissenschaftler*innen, dass sich die Kluft zwischen jenen, die von der Hand im Mund und jenen, die im Übermaß leben, vergrößern wird. „Wenn der beobachtete Ernährungswandel weiter anhält, werden wir das Ziel der Vereinten Nationen nicht erreichen, den Hunger weltweit zu besiegen”, erklärt der Hauptautor der Studie, Benjamin Bodirsky. „Gleichzeitig wird unsere Zukunft von Übergewicht und Fettleibigkeit in einem extremen Ausmaß geprägt sein.“ Im Jahr 2050 könnten schon mehr als 4 Milliarden Menschen übergewichtig sein. Das gefährdet nicht nur die Gesundheit: „Die zunehmende Verschwendung von Nahrungsmitteln und der steigende Konsum von tierischem Eiweiß führen dazu, dass wir die Umweltfolgen unseres Agrarsystems nicht mehr beherrschen können. Ob Treibhausgase, Stickstoffverschmutzung oder Entwaldung: Wir gehen an die Belastungsgrenzen unseres Planeten – und darüber hinaus“, so Bodirsky.

Die Studie untersucht die Umstellung globaler Ernährungsgewohnheiten über mehrere Jahrzehnte, von 1965 bis 2100. Die Forscher nutzten ein Open-Source-Modell, um vorherzusagen, inwiefern Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Alterungsprozesse, Zunahmen bei Körpergröße und Body-Mass-Index, abnehmende körperliche Aktivität und mehr Lebensmittelabfälle den künftigen Nahrungsmittelbedarf beeinflussen werden und welche Folgen dies für die Umwelt hat. Die Ergebnisse sind besorgniserregend: Zwischen 2010 bis 2050 könnte der Anteil übergewichtiger Menschen an der Weltbevölkerung von 29% auf 45% steigen. 4 Milliarden Menschen wären dann Mitte des Jahrhunderts übergewichtig. Der Anteil fettleibiger Menschen könnte sich im selben Zeitraum von 9% auf 16% erhöhen. 1,5 Milliarden Menschen wären dann 2050 fettleibig, während gleichzeitig immer noch 500 Millionen Menschen an Unterernährung leiden würden. Drei Weltkarten für 1965, 2010 und 2050 zeigen eindrücklich, wie die Welt immer dicker wird. Ein Grund für die zunehmende Überernährung ist die Verlagerung der Ernährung von pflanzlicher, wenig verarbeiteter Kost hin zu unausgewogenen, hochverarbeiteten Speisen. Statt Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten bestimmen zunehmend tierische Eiweiße, Zucker und Fett den Speiseplan. „Ungesunde Ernährung ist das weltweit größte Gesundheitsrisiko“, erklärt Ko-Autorin Sabine Gabrysch. „Viele Länder in Asien und Afrika kämpfen derzeit noch mit Unterernährung und den damit verbundenen Gesundheitsproblemen. Gleichzeitig sind sie zunehmend auch mit Übergewicht und in der Folge mit einer steigenden Belastung durch Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs konfrontiert.“

Bereits jetzt bedecken Acker- und Weideland für die Lebensmittelproduktion rund ein Drittel der globalen Landfläche und unser Ernährungssystem ist für fast ein Drittel der globalen Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich. Wenn aber die aktuellen Trends anhalten, wird die weltweite Nachfrage nach Nahrungsmitteln zwischen 2010 und 2050 um etwa 50% steigen und die Nachfrage nach tierischen Produkten wie Fleisch und Milch wird sich verdoppeln, rechnen die Wissenschaftler vor. Dies würde immer mehr Land für unsere Ernährung erfordern. „Mit der gleichen Landfläche könnten wir aber viel mehr pflanzliche Nahrungsmittel für den Menschen produzieren als tierische“, betont Ko-Autor Alexander Popp. „Einfach gesagt: Wenn immer mehr Menschen immer mehr Fleisch essen, gibt es weniger pflanzliche Nahrung für die anderen – und wir brauchen mehr Land für die Nahrungsmittelproduktion, was dazu führen kann, dass Wälder abgeholzt werden. Die vermehrte Tierhaltung erhöht in der Folge den Ausstoß von Treibhausgasen.“ Doch wie sollen die Menschen motiviert werden, vom Burger auf die Gemüsepfanne umzusteigen? Und wie kann die Verschwendung von Lebensmitteln gestoppt werden?

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine Transformation der Ernährungssysteme noch aussteht. „Bisher kann kein Land als Paradebeispiel für eine erfolgreich durch die Politik angestoßene Reduzierung der Fettleibigkeit, des Fleischkonsums und der Lebensmittelverschwendung dienen“, so die Autor*innen. „Wir brauchen dringend politische Maßnahmen, um eine Ernährungsumgebung zu schaffen, die gesundes Essverhalten fördert”, erklärt Gabrysch. Sowohl ärmere als auch reichere Bevölkerungsschichten ernähren sich mangelhaft – es fehlt an Wissen über eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise, beklagen die Wissenschaftler. Individuelle Ernährungsentscheidungen und Maßnahmen des Privatsektors seien nicht ausreichend. Es brauche entschlossene politische Steuerung und mehrerer integrierter Politikinstrumente. „Dazu könnten verbindliche Vorschriften gehören, welche die Werbung für ungesunde Snacks regulieren sowie nachhaltige und gesunde Mahlzeiten in Schulen, Krankenhäusern und Kantinen sicherstellen. Eine stärkere Konzentration auf Ernährungsbildung ist ebenfalls wichtig, von der Früherziehung im Kindergarten bis zur Beratung durch Ärzte und Krankenschwestern. Was wir essen ist von entscheidender Bedeutung – sowohl für unsere eigene Gesundheit als auch für die unseres Planeten.“ (ab)

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