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28.04.2020 |

Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere in der Pipeline

Basil
Patente quer durch den Garten (Foto: CC0)

Konzerne versuchen weiterhin mit listigen Winkelzügen, konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere als „Erfindungen“ patentieren zu lassen, um sich so die Kontrolle über Züchtungsressourcen und die Produktion unserer Nahrungsmittel anzueignen. Das zeigt ein Bericht des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“, der am 23. April erschien. Nach europäischem Patentrecht dürfen nur Pflanzen und Tiere patentiert werden, die mit gentechnischen Verfahren gezüchtet wurden, während Nahrungspflanzen und Nutztiere aus konventioneller Züchtung nicht patentierbar sind. Doch in den letzten 10 bis 15 Jahren wurden in Europa 1.600 Anmeldungen auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung eingereicht und 220 Patente erteilt. Am Europäischen Patentamt (EPA) in München, das aufgrund dieser umstrittenen Patentvergabe heftige öffentliche Kritik erntete, herrscht rechtliches Chaos nach teils widersprüchlichen Entscheidungen und die Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung wurde 2019 vorerst ausgesetzt. Der Bericht von „Keine Patente auf Saatgut!“ zeigt jedoch, dass sich bereits mehr als 100 Patentanträge in der Pipeline befinden, die in den Jahren 2018 und 2019 auf konventionelle Züchtungen eingereicht wurden. Elf Fälle beleuchtet er genauer.

„Es gibt Beispiele wie spezielle Paprika-Pflanzen, die ursprünglich in Mexiko gesammelt wurden und deren Verwendung für die Zucht jetzt von Patentmonopolen erfasst werden soll. Andere Beispiele betreffen natürliche Resistenzen gegen Erreger von Pflanzenkrankheiten bei Basilikum oder Zuckermelonen mit intensiverer Rot-Färbung und Endivien-Salat, der nach der Ernte nicht so schnell braun wird“, erläutert Martha Mertens vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. „Derartige Züchtungen sind doch keine Erfindungen!“ Zahlreiche Ansprüche beziehen sich auf Verfahren, die Ergebnis zufälliger Prozesse sind in Kombination mit Kreuzung und Selektion. Auf Zufallsmutagenese basiert etwa die Patentanmeldung WO2019121603 des niederländischen Konzerns Keygene, die sich pauschal auf alle Cassava- bzw. Maniokpflanzen erstreckt, die einer chemischen Mutagenese unterzogen wurden – unabhängig vom verfolgten züchterischen Ziel. Die „Erfindung“ sei, dass es der Firma als erstes gelungen sei, Mutationszüchtung mit Maniok durchführen, wobei Pflanzenzellen mit Chemikalien in Kontakt gebracht werden. Das Patent beansprucht aber nicht nur das technische Verfahren, sondern alle behandelten Zellen, Setzlinge oder Pflanzen. „Maniok ist für viele Länder, besonders in Afrika, Südamerika und Asien, ein äußerst wichtiges Lebensmittel. Wenn ein derart umfassendes Patent erteilt wird, kann es züchterische Aktivitäten erheblich einschränken - z.B. wenn es darum geht, Sorten zu züchten, die an neue klimatische Bedingungen angepasst sind oder mit neuen Schädlingen fertig zu werden“, warnt der Bericht.

Zudem beansprucht die Firma KWS mit der Universität Zürich rund 80 Pflanzenarten, die gegen die vor allem beim Mais auftretende Pilzkrankheit „Northern corn leaf blight“ resistent sein sollen. Die angebliche Erfindung bestehe darin, dass KWS die Pflanzen mit dem Krankheitserreger in Kontakt brachte und jene auswählte, die eine Resistenz zeigten. Dann wurden DNA-Sequenzen identifiziert, die am Aufbau der Zellmembranen beteiligt sind und auch bei der Pilzabwehr eine Rolle spielen. Dann wurde eine Zufallsmutagenese durchgeführt und Pflanzen mit der erwünschten DNA-Sequenz ausgewählt. Grundlage für weitere Anmeldungen sind ganz klassische Methoden der konventionellen Züchtung, etwa die Auswahl von Basilikum, das gegen den Falschen Mehltau resistent ist. Die BASF-Tochterfirma Hild und Nunhems aus den Niederlanden hatten Wildpflanzen in einer US-Saatgutbank „entdeckt“ und mit kommerziell gehandelten Sorten gekreuzt. Dann wurden DNA-Sequenzen identifiziert, die mit dem ausgewählten Phänotyp korrelieren (Markergene). Diese würden es erlauben, die Pflanzen auch anhand des Genotyps auszuwählen. Mit diesem Trick der „technischen Garnierung“ eines konventionellen Züchtungsverfahrens will BASF die Pflanzen, sowie Pollen, Samen und alle weiteren Züchtungen mit diesen Pflanzen als ihre Erfindung beanspruchen. Auch die Züchtung von Nutztieren ist Gegenstand mehrere Patentanmeldungen, die der Bericht beleuchtet.

Die Autoren befürchten, dass viele der Patente erteilt werden könnten, wenn das rechtliche Chaos am EPA nicht beendet wird. 2017 entschied dessen Verwaltungsrat zunächst, dass keine weiteren Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere erteilt werden dürfen. Als rechtliches Schlupfloch blieb jedoch bestehen, dass weiterhin Patente auf genetische Varianten und Veränderungen (Mutationen) des Erbgutes zugelassen waren, wobei nicht zwischen natürlicherweise vorkommenden Genvarianten und zufälligen Mutationen einerseits und technischen Interventionen mittels Gentechnik andererseits unterschieden wurde. Das Chaos perfekt machte EPAs Technische Beschwerdekammer mit ihrer Entscheidung Ende 2018, dass der Beschluss des Verwaltungsrates nicht mehr anzuwenden sei. Damit wären Verfahren zur konventionellen Züchtung nicht patentierbar, die daraus resultierenden Pflanzen und Tiere würden trotzdem als patentierbar angesehen.

„Der Bericht von Keine Patente auf Saatgut! zeigt, wie die Konzerne versuchen, noch mehr Kontrolle über die Produktion von Lebensmitteln in Europa zu erhalten, wenn die aktuellen rechtlichen Fragen nicht gelöst und keine klare Unterscheidung zwischen technischen Erfindungen und zufälligen Verfahren gemacht werden“, sagte Christoph Then, der Sprecher des Bündnisses. Werden konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere als „Erfindungen“ patentiert, stehen diese ohne Zustimmung der Patentinhaber nicht für die weitere Züchtung zur Verfügung, doch für diese sei der Zugang zur biologischen Vielfalt von zentraler Bedeutung. „Keine Patente auf Saatgut!“ fordert, dass in Europa auch künftig die konventionelle Züchtung, Aufzucht und Erhaltung von Nahrungspflanzen und Nutztieren nicht durch derartige Patente eingeschränkt werden darf. (ab)

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