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03.04.2020 |

CFS: Corona könnte Welternährungskrise auslösen

Obst
Obstverkäuferin bei der Arbeit (Foto: CC0)

Die Corona-Pandemie könnte sich zu einer heftigen Welternährungskrise ausweiten, wenn nicht schnell und entschlossen gegengesteuert wird. Davor warnt das Komitee für Welternährungssicherung (CFS), ein bei der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO angesiedelter Ausschuss. Dessen hochrangiges Expertengremium (HLPE) veröffentlichte ein vorläufiges Themenpapier, das sich mit den Auswirkungen von COVID-19 auf Ernährungssicherheit und Ernährung befasst und eine rasche Diskussion anstoßen will. „Wir müssen so nachdrücklich wie möglich darauf drängen, dass alle verantwortlichen Führungskräfte – in Regierungen, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und andernorts – alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass diese Gesundheitskrise zu einer Nahrungsmittelkrise wird“, schreibt Thanawat Tiensin, Vorsitzender des CFS, in einer Stellungnahme. „Wir haben ein solches Szenario erst vor einem Jahrzehnt erlebt, als sich eine Finanzkrise zu einer solchen Lebensmittelkrise entwickelte. Wir müssen um unserer Völker und unseres Planeten willen verhindern, dass sich dies wiederholt.“

Die hochrangigen Experten des Ausschusses betonen, dass die Ernährungslage bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie kritisch war. Dem aktuellen UN-Bericht „State of food security and nutrition in the world” zufolge sind weltweit 821 Millionen Menschen unterernährt und die Mehrheit der Hungernden lebt in Ländern mit geringem Einkommen. Dort sind im Schnitt 12,9% der Bevölkerung unterernährt. Mangelernährung ist für 45% der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich – das sind etwa 3,1 Millionen Kinder jedes Jahr. „Es wird erwartet, dass sich diese Zahlen durch die COVID-19-Pandemie noch verschlechtern werden, da es wahrscheinlich ist, dass sich die Folgen am heftigsten auf die Armen – insbesondere die Armen in den Städten –, Menschen, die in abgelegenen Gebieten leben, Wanderarbeiter und Beschäftigte des informellen Sektors, Menschen in humanitären Krisen- und Konfliktgebieten und andere gefährdete Gruppen auswirken werden“, schreiben die Experten. Die Ärmsten und Verletzlichsten hätten weniger Ressourcen verfügbar, um mit dem Verlust von Arbeit und Einkommen und steigenden Lebensmittelpreisen und einer instabilen Verfügbarkeit von Lebensmitteln klarzukommen und daher können sie sich weniger gut an die Krise anpassen.

Das HLPE zieht Parallelen zu früheren Gesundheitsepidemien, wie dem Ausbruch von Ebola, und zur Lebensmittelpreiskrise 2008, die ebenfalls negative Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, den Handel und Lebensmittelpreise hatten. Ein erschwerender Faktor bei der aktuellen Corona-Krise sei jedoch, dass sie ein noch nie dagewesenes globales Ausmaß aufweise und die Lage sich rapide verändere. Es gebe viele unbekannte Variablen. Doch die Experten warten auch mit Empfehlungen auf: Regierungen sollten sich prioritär um die am stärksten gefährdeten und von COVID-19 und seinen Auswirkungen betroffenen Personen, wie z.B. Ältere, Kranke, Vertriebene und die Armen in den Städten, kümmern. Die besondere Rolle der Frauen im Gesundheits- und Ernährungssystem sollte anerkannt werden, da sie verstärkt als Nahrungsmittelproduzentinnen, -verarbeiterinnen und -betreuerinnen fungieren. Während und nach der COVID-19-Krise müssen zudem Sozialschutzmechanismen für die ärmsten Menschen eingesetzt werden, die sicherstellen, dass sie Zugang zu Nahrung haben, sowohl in ausreichender Menge als auch in guter Qualität. Zudem sei es notwendig, dass sowohl Landarbeiter als auch für die landwirtschaftliche Produktion erforderliche Inputs auf die Felder gelangen, da nun gesät und geerntet werden müsse.

Auch die Menschenrechtsorganisation FIAN sieht die Staatengemeinschaft in der Pflicht, globale Gegenmaßnahmen einzuleiten, denn schon jetzt seien arme Bevölkerungsgruppen besonders betroffen. „Schon vor der Corona-Krise verschlechterte sich die globale Ernährungssituation. Die Hungerzahlen stiegen drei Jahre in Folge an. Nun könnte sich die Situation dramatisch verschärfen“, warnt FIAN-Agrarreferent Roman Herre. „Die Anzeichen hierfür mehren sich: Durch landesweite Schulschließungen in aktuell 165 Ländern verlieren hunderte Millionen Kinder den Zugang zu regelmäßigen Schulmahlzeiten, alleine in Indien über 100 Millionen Schülerinnen und Schüler. Rund zwei Milliarden Menschen weltweit arbeiten im informellen Sektor, ohne Sozial- oder Gesundheitsversicherung. Einkommensverluste durch Ausgangssperren bedeuten für viele, kein Essen mehr kaufen zu können. Lokale Wochenmärkte werden geschlossen.“ Diese seien für Kleinbauern und Fischer oft die einzige Möglichkeit, ihre Waren zu verkaufen. Es drohe der Verlust von Ackerland und Haus. Aber auch in Deutschland treffe die Coronakrise die Ärmsten: Essensausgaben für Obdachlose sind stark reduziert und 400 Tafeln mussten teils die Verteilung von Lebensmitteln einstellen. Nun werde die Fragilität eines Systems deutlich, in dem die Ärmsten und Alten für ihre Ernährung auf Tafeln angewiesen sind. (ab)

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