Nachricht

16.01.2020 |

EU-Mercosur: Mieser Deal für Klimaschutz und kleine Produzenten

Schiff
Mehr Container auf dem Meer? (Foto: CC0)

Das Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten läuft dem Klimaschutz zuwider. Dies ist das Fazit einer Studie, die von Wissenschaftlern des argentinischen Forschungsrats CONICET erstellt wurde. Das Abkommen wird nicht nur zu höheren Treibhausgasemissionen aufgrund von Entwaldung beitragen, sondern durch geringere oder entfallende Zölle auch die Handelsströme und so den Ausstoß von CO2 erhöhen. Im Juni 2019 hatten sich die EU und die Mercosur-Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay nach 20 Jahren zäher Verhandlungen auf ein Handels- und Assoziierungsabkommen geeinigt. Die Studie, die von den europäischen Grünen/EFA in Auftrag gegeben wurde, analysiert die Vereinbarungen und Mechanismen, die das mehrere hundert Seiten starke Abkommen enthält und befasst sich mit möglichen Folgen, wenn es in Kraft treten sollte. Dr. Luciana Ghiotto und Dr. Javier Echaide werteten zudem Literatur, Folgenabschätzungen und Analysen verschiedener Interessenvertreter zum Vertragswerk aus. Ihr Ergebnis: In der aktuellen Form untergräbt das Abkommen die Bemühungen um eine Eindämmung des Klimawandels.

„Die EU wird mehr Fleisch und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse importieren. Mit ihnen werden wir Emissionen, Entwaldung, Bodenverunreinigung und Menschenrechtsverletzungen importieren – und gleichzeitig die Lebensgrundlagen der hiesigen Landwirte gefährden“, schreibt die Herausgeberin und Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini im Vorwort. „Im Gegenzug werden die Mercosur-Staaten mehr Autos, Chemikalien und Maschinen importieren und somit die Verlagerung der regionalen Wertschöpfungsketten riskieren.“ Ein Kapitel der Studie widmet sich dem Handel mit Agrargütern: „Was den Marktzugang für landwirtschaftliche Erzeugnisse angeht, so wird das Abkommen in beiden Blöcken Gewinner und Verlierer hervorbringen“, schreiben die Autoren. Der Mercosur stimmte der Liberalisierung von 93% seiner Zolllinien für Agrar- und Lebensmittelimporte aus der EU zu. Die EU wird im Gegenzug 82% der Agrarimporte liberalisieren. Bei den übrigen Importen gibt es Verpflichtungen zu Teilliberalisierungen, einschließlich Zollkontingente für sensible Produkte wie Rindfleisch, Geflügel, Schweinefleisch, Zucker, Ethanol und Reis.

Auf die vier Mercosur-Länder entfallen schon heute fast 80% aller Rindfleischimporte der EU, rund 270.000 Tonnen waren es im Jahr 2018. Für Geflügel hat die EU den Mercosur-Staaten, vor allem Brasilien, im Abkommen eine Quote von 180.000 Tonnen zusätzliches Geflügelfleisch gewährt. Die CO2-Emissionen im Zusammenhang mit dem Anstieg der Geflügelimporte in die EU würden dadurch voraussichtlich um 6% steigen. Beim Schweinefleisch hat die EU einen niedrigeren Zollsatz von 83 Euro je Tonne für 25.000 Tonnen zugesagt, wodurch sich die Importe aus dem Mercosur fast verdoppeln könnten. Die Menge ist zwar gering im Vergleich zur Schweinfleischproduktion der EU selbst, die jährlich mehr als 3,3 Millionen Tonnen exportiert. Doch Cavazzini kritisiert die „Unlogik des Imports von Lebensmitteln, die bereits in der EU produziert und aufgrund von Überproduktion sogar“ exportiert werden. „Das Abkommen setzt zudem die Landwirtschaft in der EU durch billige Fleischimporte weiter unter Druck. Die Qualität eben dieser Importe ist außerdem nicht gewährleistet: Denn trotz größerer Menge Importe vereinfacht der Deal Zollkontrollen“, so Cavazzini. Dass es derzeit bereits Probleme bei der Einhaltung von Standards gebe, zeigten die jüngsten Gammelfleisch-Skandale in Brasilien und der hohe Einsatz von Pestiziden und Gentechnik in der Landwirtschaft dort.

Für Ethanolimporte in die EU sieht das Abkommen eine Quote von 650.000 Tonnen pro Jahr vor, wovon 450.000 Tonnen für chemische Zwecke zollfrei und der Rest zu einem ermäßigten Satz eingeführt werden dürfen. Diese Quoten sind im Vergleich zum derzeitigen Handel sehr hoch. In Brasilien ist daher mit einem weiteren Anstieg der Produktion von Zuckerrohr und Mais für die Ethanolproduktion zu rechnen – und damit auch mit verstärkter Abholzung. Durch die Zuwächse beim Handel mit Ethanol könnte so ein Emissionsplus von 4% entstehen, schätzen die Autoren. Da das Abkommen gerade den Handel mit Agrarerzeugnissen fördert, die mit Entwaldung einhergehen, etwa für die Gewinnung von Weideflächen für Rinder, oder die größtenteils in Monokulturen mit hohem Pestizideinsatz angebaut werden, wie Gentechnik-Soja, werden Klima und Umwelt leiden. Aber die Emissionen steigen nicht nur durch Entwaldung und Landnutzungsänderungen in den Mercosur-Staaten, sondern auch durch die Handelszuwächse. „Bestimmte Produkte werden international gehandelt, obwohl sie ein paar Kilometer von den Verbrauchern entfernt im Mercosur oder in den EU-Ländern produziert werden, wie Tomaten, Kartoffeln und frische Früchte, doch nun werden sie 10.000 Kilometer in Schiffen von zum Beispiel Rom nach Montevideo zurücklegen“, so die Verfasser.

Auch entwicklungspolitisch ist das Abkommen zu hinterfragen, betont Cavazzini. Denn eine Folge des Mercosur-Deals sei eine noch weiter vertiefte wirtschaftliche Ausrichtung der Mercosur-Länder auf die Produktion und Förderung von Primärrohstoffen. „Statt die Wirtschaft zu diversifizieren und nachhaltig aufzustellen, zementiert der Deal die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Export von Agrargütern noch weiter.“ Das stehe einer souveränen wirtschaftlichen Entwicklung der Mercosur-Länder entgegen. „Das Abkommen wird die bestehenden wirtschaftlichen Asymmetrien aufrechterhalten und vertiefen. Die Sektoren, die in beiden Blöcken profitieren werden, sind jene, die bereits global wettbewerbsfähig sind – in der EU der Industriesektor und im Mercosur die Agrarindustrie“, warnen die Autoren. „Das Abkommen wird zudem erhebliche Auswirkungen auf landwirtschaftliche Kleinerzeuger auf beiden Seiten des Atlantiks haben. Während die wirtschaftliche Macht in den Händen einiger weniger großer Exporteure von Agrarprodukten konzentriert wird, werden die kleinen Betriebe die nachteiligen Folgen einer weiteren Liberalisierung der Landwirtschaft zu spüren bekommen.“ (ab)

Zurück zu den Meldungen

Unterstützer

Unterstützer von www.weltagrarbericht.de Verlag der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. Bioland biovision Brot für die Welt Brot für alle Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Demeter Zukunftsstiftung Entwicklung in der GLS Treuhand Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heidehof Stiftung Mission EineWelt Misereor Naturland Public Eye | Erklärung von Bern Rapunzel - Wir machen Bio aus Liebe Swiss Aid, Ihr mutiges Hilfswerk tegut W-E-G Stiftung
English versionEnglish versionDeutsche Version