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23.04.2019 |

Intensivierung: Höhere Erträge auf Kosten der Artenvielfalt

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Große Flächen, intensive Nutzung, geringer Artenvielfalt (Foto: CC0)

Die Intensivierung in der Landwirtschaft hat ihren Preis, da sie zulasten der Biodiversität geht. Wie hoch der Verlust der Artenvielfalt allerdings je nach Grad der Intensivierung der Landnutzung ausfällt, haben nun Wissenschaftler unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) ermittelt. Rund 80% der Landflächen in Europa sind besiedelt und werden land- und forstwirtschaftlich genutzt, schreibt das UFZ in seiner Pressemitteilung. „Um die Erträge weiter zu steigern, wird die Nutzung intensiviert: Flächen werden zusammengelegt, um sie mit größeren Maschinen effizienter zu bewirtschaften. Es werden vermehrt Pestizide und Düngemittel eingesetzt oder eine größere Anzahl an Tieren auf der Weide gehalten.“ Solche Maßnahmen wirken sich zwar positiv auf den Ertrag, aber auch gleichzeitig negativ auf die Biodiversität aus, erläutert der Erstautor der Studie, Dr. Michael Beckmann. „Denn auch landwirtschaftlich genutzte Flächen bieten Tier- und Pflanzenarten einen wertvollen Lebensraum.“

Für die am 9. April im Fachmagazin „Global Change Biology“ veröffentlichten Metastudie sichteten die Forscher fast 10.000 wissenschaftliche Arbeiten. Sie suchten jene, die sowohl Daten zu Erträgen als auch zur Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt auf den Flächen vor und nach Intensivierungsmaßnahmen erhoben. Dabei stellten sie fest, dass nur wenige Studien in den Blick nehmen, in welchem Verhältnis Ertragssteigerungen zum Verlust der Artenvielfalt stehen. „Der Großteil der Studien ist durchs Raster gefallen. Nur 115 Studien haben tatsächlich beide Parameter auf den gleichen Flächen gemessen und waren damit für uns relevant“, so Beckmann. Die Wissenschaftler analysierten drei landwirtschaftliche Produktionssysteme: Ackerland, Graslandschaft und Wald. Letztlich in die Untersuchung einbezogen wurden 449 Nutzflächen rund um den Globus. Die Forscher entwickelten ein komplexes Rechenmodell, um die Daten zu den Flächen in verschiedenen Klimazonen und mit unterschiedlicher Nutzungsdauer tatsächlich miteinander vergleichen zu können.

Ihr Ergebnis: Die Intensivierung der Landnutzung führte im Mittel zu einer Ertragssteigerung von 20,3%, geht aber gleichzeitig einher mit einem Artenverlust von 8,9%. Um ein klareres Bild zu erhalten, unterteilten die Wissenschaftler die untersuchten Nutzflächen in drei Intensitätsklassen. Die niedrige Nutzungsintensität zeichnete sich unter anderem durch die manuelle Bearbeitung von Ackerland, den Verzicht auf Pestizide und keinen bzw. nur einen geringen Einsatz von organischem Dünger aus. Die mittlere Intensitätsklasse beinhaltete die Arbeit mit kleinen Maschinen, den gezielten Einsatz von Pestiziden und die Nutzung von organischem oder chemischem Dünger. Eine hohe Nutzungsintensität ging einher mit schweren Maschinen, chemischem Dünger und dem großflächigen Einsatz von Pestiziden. Flächen mit mittlerer Nutzungsintensität zeigten nach den Intensivierungsmaßnahmen mit 85% den höchsten Ertragsanstieg, verbuchten aber mit 23% auch den größten Verlust an Arten. Auf Flächen mit bereits hoher Nutzungsintensität war der Artenverlust kaum signifikant, aber es gab noch einen Ertragszuwachs von 15%. Beckmann warnt jedoch vor Trugschlüssen: „Wo schon zu Anfang durch hochintensive Nutzung nicht mehr viel Biodiversität vorhanden ist, kann natürlich auch nicht mehr viel verlorengehen. Hier ist der kritische Punkt womöglich schon überschritten.“

Beim Vergleich der Auswirkungen von Intensivierungsmaßnahmen auf Ackerland, Graslandschaft und Wald zeigten sich in Wäldern die geringsten Artenverluste. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass intensivierte Landnutzung in Einzelfällen, wie etwa der Holzproduktion, auch zu Ertragssteigerungen führen kann, ohne dass dies auf Kosten der Biodiversität geht. Allerdings liegt bei den Zahlen zum Biodiversitätsverlust auch ein möglicher Schwachpunkt der Studie, wie Beckmann gegenüber dem Deutschlandfunk einräumt. Denn ein Verlust von 9% der Arten sagt nur bedingt etwas über das wahre Ausmaß, da es auch um die Masse der Insekten gehe, die abnehme. Die Studie mache aber deutlich, dass die Intensität der landwirtschaftlichen Produktion großen Einfluss auf den Schutz der Artenvielfalt hat. „Um zu verstehen, unter welchen Bedingungen Landnutzung mit geringem bzw. besonders hohem Risiko für die Artenvielfalt verbunden ist, ist weitere Forschung notwendig“, so Beckmann. „Nur so können wir in Zukunft effiziente Landnutzung betreiben und gleichzeitig die Artenvielfalt schützen. Denn Artenschutz kann und muss auch in unseren genutzten Kulturlandschaften stattfinden.“ (ab)

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