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02.11.2018 |

WWF: Wirbeltierbestände schrumpften seit 1970 um 60%

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Tiere und Habitate schwinden (Foto: CC0)

Der Ressourcenhunger der Menschheit übersteigt die Regenerationsfähigkeit des Planeten und lässt die natürlichen Reserven und die biologische Vielfalt in besorgniserregendem Maße schwinden. In den letzten rund 40 Jahren schrumpften die Wirbeltierbestände um 60%. Das zeigt der Ende Oktober veröffentlichte „Living Planet Report 2018“, den die Naturschutzorganisation WWF gemeinsam mit der Zoologischen Gesellschaft London erstellte und an dem 59 Autoren von insgesamt 26 Institutionen mitwirkten. „Die schrumpfenden Wildtierzahlen und natürlichen Habitate sind ein Indikator für die enormen Auswirkungen und den Druck, den wir auf den Planeten ausüben, wodurch das lebendige Gefüge beschädigt wird, das uns versorgt: die Natur und die Biodiversität“, erklärte Marco Lambertini, Generaldirektor von WWF International. In den letzten Jahrzehnten haben menschliche Aktivitäten die Lebensräume und die natürlichen Ressourcen, auf die Wildtiere und die Menschheit angewiesen sind, wie Ozeane, Wälder, Korallenriffe, Feuchtgebiete und Mangroven, stark beeinträchtigt. 20% des Amazonasgebiets ist in nur 50 Jahren verschwunden, während die Erde in den letzten 30 Jahren ungefähr die Hälfte der Korallen einbüßte.

Als Messlatte für den Zustand der biologischen Vielfalt dient der „Living Planet Index“ (LPI), der auf Daten zu 16.704 untersuchten Populationen von 4005 Wirbeltierarten weltweit basiert. Er belegt, dass das Artensterben an Fahrt aufnimmt: Zwischen 1970 bis 2014 schwanden im Schnitt 60% der Bestände an Fischen, Vögeln, Säugetieren, Amphibien und Reptilien, während der Rückgang im Zeitraum 1970 bis 1995 „nur“ 30% betrug. Besonders stark betroffen waren Süßwasser-Arten, deren Bestände seit 1970 um 83% schrumpften. Das Artensterben ist vor allem ausgeprägt in Süd- und Zentralamerika. Dort sanken die Wirbeltierbestände um 89% gegenüber 1970. „Deutschland hat am erschütternden Rückgang der biologischen Vielfalt weltweit maßgeblich Anteil. Für unseren Lebensstil fallen in Südamerika, Afrika oder Asien Bäume, verschmutzen Flüsse, schwinden Tierbestände oder sterben Arten ganz aus“, prangert Jörg-Andreas Krüger vom WWF Deutschland an.

Als Hauptursachen für das Artensterben werden die Übernutzung von Arten – direkt durch Wilderei oder indirekt z.B. durch Beifang in der Fischerei – und eine nicht nachhaltige Landwirtschaft angeführt. „Von allen Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Fischen, Vögeln und Säugetieren, die seit 1500 n.Chr. ausgestorben sind, nahmen 75% durch Übernutzung, landwirtschaftlichen Aktivitäten oder beides Schaden“, heißt es im Bericht. Invasive Arten und Krankheiten, deren Ausbreitung durch Handel und Transport gefördert werden, stellen eine weitere Gefahr dar. Auch Umweltverschmutzung bedroht Arten, wenn deren Lebensräume davon betroffen sind (z. B. bei einer Ölpest). Doch auch der Klimawandel spielt eine wachsende Rolle und wirkt sich bereits auf Ökosysteme und Arten aus.

Der Bericht befasst sich auch mit dem Wert der Natur für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen sowie für Gesellschaften und Volkswirtschaften. Weltweit stellt die Natur Dienstleistungen für die Menschheit im Wert von rund 125 Billionen US-Dollar pro Jahr bereit und versorgt uns mit frischer Luft, sauberem Wasser, Nahrungsmitteln, Energie, Medikamenten und anderen Produkten und Materialien. Von Rohstoffen, Wasser, Lebensmitteln, Arzneimitteln und Energie bis hin zu Bestäubung, Bodenbildung sowie Schutz vor Fluten, Stürmen und Erosion – die natürlichen Systeme der Erde sind überlebenswichtig für uns alle, betont der WWF. „Wir sägen am Ast, auf dem wir sitzen“, mahnt Krüger. Allein Bestäuber sind für die Erzeugung von Lebensmitteln im Wert von 235 bis 577 Milliarden US-Dollar pro Jahr verantwortlich. Doch ein sich veränderndes Klima, intensive landwirtschaftliche Praktiken, invasive Arten und aufkommende Krankheiten haben sich auf ihr Vorkommen, ihre Vielfalt und Gesundheit ausgewirkt. „Die Natur hat unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften jahrhundertelang still und leise unterstützt – und tut es auch heute noch. Im Gegenzug haben wir die Natur und ihre Dienstleistungen als selbstverständlich erachtet und nichts gegen den rasant zunehmenden Verlust der Natur unternommen“, beklagt Lambertini.

„Wir müssen schleunigst umdenken, wie wir die Natur nutzen und wertschätzen – kulturell, wirtschaftlich und auf unserer politischen Agenda“, fügte er hinzu. „Viel Zeit bleibt nicht für die Trendwende, aber sie ist machbar“, sagt auch Krüger. „Dazu müssen wir national und international mutiger und konsequenter handeln.“ Der WWF nennt ein klares Zeitfenster für die Trendwende: „Die Weltgemeinschaft hat mit 2020 ein Schlüsseljahr für die Zukunft der Erde vor sich. Dann steht das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (SDG) ebenso auf dem Prüfstand wie das Klimaabkommen von Paris und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD). Würden alle vereinbarten Ziele bis 2030 wirklich erreicht, könnte der Richtungswechsel gelingen“, heißt es in der Pressemitteilung des WWF. (ab)

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