Nachricht

27.09.2018 |

Agrarökologie kann Europa 2050 ohne Pestizide gesund ernähren

Stein
Mehr Hecken, Bäume und Steinverstecke für Insekten in der Landschaft! (Foto: CC0)

Eine vollständig auf agrarökologische Methoden umgestellte europäische Landwirtschaft könnte im Jahr 2050 ohne Pestizide und synthetische Dünger rund 530 Millionen Europäer gesund und ausgewogen ernähren. Zu diesem Ergebnis gelangt das französische Institut für Nachhaltige Entwicklung (IDDRI) in einer Mitte September veröffentlichten Studie. Die Landwirtschaft ist momentan alles andere als nachhaltig: „Europas Ernährungssystem wird oft als höchst produktiv wahrgenommen“, schreiben die Autoren Pierre-Marie Aubert und Xavier Poux. „Doch seit mehreren Jahrzehnten bringen diese Erfolge verstärkt ernsthafte soziale und ökologische Folgen mit sich. Was die Gesundheit anbelangt so verzeichnen mit der Ernährung in Verbindung stehende Krankheiten (Diabetes, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) einen alarmierenden Anstieg.“ Europas Landwirtschaft bedroht außerdem die Artenvielfalt und trägt durch Sojaimporte zur Zerstörung tropischer Regenwälder bei. „Heute importiert die EU eine Menge, die 35 Millionen Hektar Ackerland entspricht, hauptsächlich Soja aus Südamerika als Futtermittel“, wird Pierre-Marie Aubert von EURACTIV zitiert. „Wir präsentieren ein alternatives Szenario, das durch eine agrarökologische Umstellung zu einer umfassenden Transformation des Agrarsektors führen kann“, fügte er hinzu.

Die Experten entwickelten ein quantitatives Modell, das die landwirtschaftliche Produktion und ihre Verwendung (Nahrung, Futtermittel, Treibstoff), verschiedene Produktions- und Landnutzungsformen vergleicht. Darauf gestützt berechneten sie ein agrarökologisches Szenario für 2050. Dieses sieht die Abkehr von Pestiziden und synthetischen Düngern vor, eine Umstellung der Grünlandnutzung und die Ausweitung „agrarökologischer Infrastrukturen“ (Hecken, Bäume, Teiche, Steinmauern als Lebensraum) und die Förderung einer gesunden Ernährung vor. Letzteres ist dringend nötig, denn der Zuckerkonsum in Europa beträgt das Dreifache der empfohlenen Menge und die Europäer nehmen doppelt so viel Eiweiß zu sich wie benötigt, während gesunde Lebensmittel zu selten auf den Tellern landen. Das IDDRI-Szenario sieht daher weniger tierische Produkte, aber dafür mehr Obst, Gemüse und Ballaststoffe vor, wie es die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt.

Die Umstellung auf Agrarökologie in Europa beinhaltet die Abkehr von Pestiziden und Kunstdünger. „Das Ziel ist die Rückkehr zu Agroökosystemen, die das Bodenleben und die symbiotischen Stickstoff-Fixierungskapazitäten vom Leguminosen optimal nutzen“, schreiben die Autoren. Zudem sehen sie einen umfassenden Ausbau der „ agroökologischen Infrastruktur“ vor – Hecken, Bäume, Teiche und steinige, insektenfreundliche Lebensräume sollen 10% der Anbaufläche einnehmen. Zudem ist extensives Grünland eine Hauptkomponente der „Infrastruktur“. „Die Umstellung auf eine Low-Input-Landwirtschaft mit einem hohen Anteil an permanenten extensiven Grünlandflächen und anderen agrarökologischen Infrastrukturen ermöglicht es, die Wiederherstellung der Biodiversität, der Qualität der natürlichen Ressourcen und eine Verringerung der Treibhausgasemissionen anzugehen.“

Das Agrarökologie-Szenario rechnet mit einem Produktionsrückgang im Vergleich zu heute und geht von einer deutliche Reduzierung der Produktion von Biosprit und der Biomassenutzung für andere Zwecke als die Ernährung aus. Es kalkuliert mit den momentan erzielten Erträgen im Ökolandbau, um die Produktionsmenge in 2050 vorherzusagen, aber geht auch von Fortschritten in der Forschung, z.B. in der Pflanzenzucht aus. Die Produktion in Kilokalorien würde im Vergleich zu 2010 um 35% sinken (-30% für pflanzliche und -40% für tierische Produkte). Allerdings wäre sie immer noch ausreichend, um alle Europäer zu ernähren, selbst wenn Land für „agrarökologische Infrastruktur“ bereitgestellt wird und nicht direkt Lebensmittel hervorbringt, sondern zum Funktionieren der Agrarökosysteme beiträgt. Zudem würde dieses agrarökologische Europa Exportkapazitäten für Getreide, Milchprodukte und Wein behalten. Ein Übergang zur Agrarökologie würde außerdem zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 36% gegenüber 2010 führen – oder gar 45%, wenn die mit der „importierten Entwaldung" verbundenen Emissionen einbezogen würden, die beim Verzicht auf Eiweißimporte wegfielen. Eine Umstellung auf agrarökologische Methoden würde auch dazu beitragen, die Artenvielfalt wiederherzustellen und die natürlichen Ressourcen zu bewahren. „Ein agrarökologisches Europa ist eine erstrebenswerte und glaubwürdige Option, um Herausforderungen im Bereich Ernährung und Umwelt anzugehen“, schlussfolgern die Autoren. (ab)

Zurück zu den Meldungen

Unterstützer

Unterstützer von www.weltagrarbericht.de Verlag der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. Bioland biovision Brot für die Welt Brot für alle Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Demeter Zukunftsstiftung Entwicklung in der GLS Treuhand Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heidehof Stiftung Mission EineWelt Misereor Naturland Public Eye | Erklärung von Bern Rapunzel - Wir machen Bio aus Liebe Swiss Aid, Ihr mutiges Hilfswerk tegut W-E-G Stiftung
English versionEnglish versionDeutsche Version