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25.08.2017 |

Studie: Klimabedingte Ernteausfälle treiben Indiens Bauern in den Selbstmord

Indisch
Bauer in Indien (Foto: CC0)

Die Folgen des Klimawandels fordern in Indien bereits ihren Tribut: Fast 60.000 Bauern und Landarbeiter haben sich dort in den letzten 30 Jahren das Leben genommen, da steigende Temperaturen und ausbleibende Regenfälle die Ernteerträge einbrechen lassen. Dies besagt eine Studie der University of California in Berkeley, die in der August-Ausgabe des Fachjournals Proceedings of the National Academy of Sciences erschien. Agrarökonomin Tamma Carleton wertete für die Jahre 1967 bis 2013 die offiziellen Selbstmordstatistiken für alle Bundesstaaten Indiens aus und verglich diese mit Ernteertrags- und Klimadaten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Dürre und ausbleibende Regenfälle während der Vegetationsperiode zu mehr Selbstmorden führten, da Bauern durch die resultierenden Missernten Einkommensausfälle erlitten und sich aus Verzweiflung das Leben nahmen. Kletterten die Temperaturen in der Hauptanbauphase so hoch, dass sich dies negativ auf die Ernten auswirkte, stieg auch die Zahl der Selbsttötungen. An Tagen mit über 20 Grad löste allein ein Anstieg um ein Grad Celsius 70 zusätzliche Selbsttötungen aus. Bei einem Anstieg um 5 Grad verfünffachte sich der Effekt. „Die Tragödie ereignet sich schon heute, es handelt sich nicht um ein Problem künftiger Generationen“, warnt Studienautorin Carleton. Doch sie prognostiziert, dass sich die Selbstmordraten künftig erhöhen werden, da die Temperaturen weiter ansteigen.

In Indien arbeitet mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der regenabhängigen Landwirtschaft, die empfindliche reagiert auf Klimaschwankungen wie unvorhersehbare Monsun-Regenfälle, Hitzewellen und Dürre. Hitzewellen verursachen beispielsweise Ernteausfälle, die Carleton zufolge wiederum Auswirkungen auf die indische Wirtschaft haben, da schlechte Ernten die Lebensmittelpreise erhöhen, weniger Jobs in der Landwirtschaft schaffen und die Haushaltsersparnisse aufzehren. Während dieser Phase begehen erschütternd viele Menschen Selbstmord, vor allem männliche Haushaltsvorstände. „Ohne Maßnahmen, die Familien bei der Anpassung an ein wärmeres Klima helfen, wird wahrscheinlich eine steigende Zahl an Menschenleben dem Selbstmord zum Opfer fallen, wenn sich der Klimawandel in Indien verstärkt“, warnt Carleton. Höhere Temperaturen und geringe Regenfälle außerhalb der Hauptvegetationsphase führten nicht zu höheren Selbstmordzahlen, was Carleton als Beleg dafür wertet, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft in der Anbauphase in der Tat ein entscheidender Einflussfaktor sind.

In Indien hat sich die Zahl der Selbstmorde seit 1980 fast verdoppelt auf jährlich 130.000 Fälle. Der Studie zufolge sind 6,8% des Anstiegs auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zurückzuführen. Carleton schätzt, dass steigende Temperaturen während der letzten drei Jahrzehnte in Indien schon für 59.300 Selbstmorde verantwortlich sind. Die Zahl könnte noch größer sein, da es in Indien eine hohe Dunkelziffer bei Selbsttötungen gibt, unter anderem auch, da ein Gesetz bis 2014 versuchten Selbstmord unter Strafe stellte. „Es war schockierend und traurig zu sehen, dass tausende Menschen mit solch schwierigen Bedingungen konfrontiert sind, die sie dazu treiben, sich selbst Schaden zuzufügen“, sagte Carleton. Doch wenn man wisse, dass die Verzweiflung ökonomische Ursachen habe, könne auch etwas dagegen getan werden. „Die richtigen politischen Maßnahmen könnten tausende Menschenleben retten“, so die Autorin. Wenn Bauern und Landarbeiter gegen größere wirtschaftliche Ausfälle durch Maßnahmen wie Ernteversicherungen und Verbesserungen auf ländlichen Kreditmärkten geschützt würden, könnte dies Selbstmorde verhindern. Die indische Regierung hat bereits ein 1,3 Milliarden US-Dollar schweres Versicherungsprogramm geplant, um die hohe Selbstmordrate zu senken. Es wird sich zeigen, ob es ausreichend und effektiv sein wird. (ab)

22.08.2017 |

Studie: Intensivierung der Landwirtschaft lässt Feldvögel schwinden

Kiebitz
Bald allein auf weiter Flur: der Kiebitz (Foto: Dr. Georg Wietschorke, CC0)

Die Zahl der Feldvögel hierzulande nimmt dramatisch ab, da die Intensivierung der Landwirtschaft den Lebensraum vieler Vogelarten zerstört oder ihr Nahrungsangebot schmälert. Das zeigt eine Studie des Forschungsinstituts für Ökosystemanalyse und -bewertung an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, für die im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion der aktuelle Wissensstand zusammengetragen wurde. „Insgesamt ist eine zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft zu verzeichnen d.h. zunehmende maschinelle Bearbeitung, erhöhter Düngereinsatz, erhöhter Einsatz von Pestiziden, etc. mit entsprechenden Folgen für landwirtschaftlich genutzte Biotope und die darin beheimatete Biodiversität“, schreiben die Wissenschaftler. „Geht man in Zukunft von einer Fortführung dieser Bewirtschaftungsintensität beziehungsweise sogar von einer Erhöhung aus, könnten ganze Agrarlandschaften vogelleer werden“, lautet ihre eindringliche Warnung.

Bereits Anfang Mai hatte die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen für Aufsehen gesorgt: Demnach ist in der EU die Zahl der Brutpaare in landwirtschaftlichen Gebieten zwischen 1980 und 2010 um 300 Millionen Tiere oder 57% zurückgegangen. Am meisten betroffen sind die Vögel in Agrarlandschaften. Zwischen 1990 und 2013 sank in Deutschland die Zahl der Rebhühner um 84% - 80% der Kiebitze, 63% der Braunkehlchen, 61% der Uferschnepfen und 35% der Feldlerchen verschwanden. Die Forscher der RWTH Aachen analysierten nun die Ursachen. Die industrialisierte Landwirtschaft setzt den Feldvögeln am stärksten zu, lautet ihr Fazit. So beraubt die Trockenlegung und Zerstörung von Feuchtgebieten sowie die Umwandlung von Grünland die Vögel ihres Lebensraums. 70% der landwirtschaftlich genutzten Offenlandbiotope werden in der Roten Liste mit hohem Verlustrisiko geführt und drohen somit zu verschwinden, schreiben die Wissenschaftler.

Ein Hauptfaktor sind jedoch auch Pestizide, die auf die Felder gespritzt werden. Ihre Menge erhöhte sich in den letzten 20 Jahren um rund 65%, die eingesetzte Wirkstoffmenge stieg von 1994 bis 2015 von etwa 30.000 Tonnen auf über 48.000 Tonnen an. „Das heißt auf der gleichen Fläche werden heute deutlich mehr schädliche Substanzen für Käfer, Regenwürmer, Bienen und Schmetterlinge ausgebracht. Dieser Einsatztrend hat sich seit dem Jahr 2009 noch einmal beschleunigt“, beklagen die Autoren. Hinzu komme, dass Herbizide wie Glyphosat vermehrt zur Reifebeschleunigung von Feldfrüchten eingesetzt werden. Hierdurch werde das Nahrungsangebot an Wildkräutern und Samen auf und neben dem Feld stark eingeschränkt. „Verglichen mit Erhebungen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Bestandsentwicklung sowohl was die Artenzahl als auch die Populationsdichte angeht dramatisch: Auf genutzten Äckern sank die Artenzahl von Ackerwildkräutern seit 1950/60 um 71%, die Populationsdichten nahmen sogar um mehr als 95% ab“, ist der Studie zu entnehmen.

Die Grünen fordern daher eine Agrarwende, um die Vogelbestände zu schützen. „Wir brauchen mehr Ökolandbau, eine ambitionierte Politik, um Pestizideinsatz drastisch herunterzufahren und einen effektiven Schutz für das Grünland“, ließ die Bundestagsfraktion in einer Pressemitteilung verlauten. Bei einem Weiter-wie-bisher prognostizieren die Wissenschaftler der RWTH Aachen, dass ehemals häufige oder gar sehr zahlreiche Feldvogelarten wie Wiesenpieper und Kiebitz aus weiten Teilen ihres früheren Verbreitungsgebiets verschwinden werden: „Dieser heute schon zu beobachtende Trend, dass frühere „Allerweltsvogelarten“ wie Feldlerche oder Rebhuhn in manchen Gegenden zu Raritäten geworden sind oder schon gar nicht mehr vorkommen, wird sich fortsetzen.“ Aus heutiger Sicht sei nicht auszuschließen, dass einzelne, ehemals häufige Vogelarten vollständig als Brutvögel aus Deutschland verschwinden oder nur mit marginalen Restpopulationen überleben. (ab)

18.08.2017 |

Push-Pull: Mit natürlichen Waffen Armut und Hunger bekämpfen

Desmodium
Desmodium und Mais - ein starkes Team (Foto: Angelika Beck, 2000m2-Weltacker Berlin)

Die Push-Pull-Methode zur natürlichen Bekämpfung von Pflanzenschädlingen hilft Kleinbauern weltweit, Armut und Hunger zu überwinden, und kann daher einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) leisten. Dies ist die Botschaft eines Gastartikels auf der IISD-Plattform “SDG Knowledge Hub” von Zeyaur Khan, Programmleiter für Push-Pull am Internationalen Insektenforschungs-institut icipe in Kenia und Samuel Ledermann, Programmkoordinator bei der Schweizer Stiftung Biovision, die an der Verbreitung von Push-Pull von Hof zu Hof in Subsahara-Afrika arbeitet. Die Autoren betonen, dass die Push-Pull-Methode ein gutes Beispiel dafür ist, wie eine wissensintensive Methode zu einer bewährten Lösung von Problemen wie Ernteeinbußen durch Schädlinge und ausgelaugte Böden werden kann. Push-Pull wirkt sich nicht nur positiv auf das 2. UN-Nachhaltigkeitsziel aus, das den Hunger weltweit beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern will, schreiben die beiden Experten in ihrem Artikel. Die Methode leiste zudem einen Beitrag zu SDG 1 (Armut beenden), SDG 5 (Geschlechtergerechtigkeit erreichen) und SDG 15 (Bodenverschlechterung stoppen).

Die Push-Pull-Methode hilft gegen zwei Plagegeister, die Bauern in Afrika das Leben schwermachen und starke Ernteeinbußen verursachen können: Die Stängelbohrer-Motte, die ihre Eier in Mais und Hirse legt und deren Larven dann die Pflanzenhalme aushöhlen, sowie Striga, ein ertragsminderndes Unkraut, das die Maiswurzeln anzapft und der Pflanze Nährstoffe und Wasser entzieht. Bei Push-Pull wird zwischen den gelockerten Reihen von Mais oder Hirse die Hülsenfrucht Desmodium gepflanzt. Sie unterdrückt Striga ganz ohne Chemie. Der Desmodium-Geruch „stinkt“ dem Stängelbohrer und vertreibt ihn so (push). Um die Felder herum wird Napiergras gepflanzt, das eine unwiderstehliche Wirkung auf Stängelbohrer-Weibchen ausübt (pull). Die Larven, die aus den ins süße Napiergras gelegten Eiern schlüpfen, verenden bei dem Versuch, sich in das Gras hineinzufressen, in dessen klebrigem Pflanzensaft. Anfang 2017 wurde Push-Pull in Ostafrika bereits von rund 140.000 Bauern praktiziert, schreiben Ledermann und Khan.

Den Autoren zufolge hilft Push-Pull dabei, SDG2 zu erreichen, da dank der Abwehr der zwei Plagen Stängelbohrer und Striga zum Beispiel Bauern in Kenia ihre Maiserträge von weniger als einer Tonne pro Hektar auf 3,5 Tonnen steigern konnten. Mittlerweile wird dort auch eine neue Desmodium-Sorte angepflanzt, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit ist und mit der die Hirseerträge von weniger als einer Tonne pro Hektar auf 2,5 Tonnen stiegen. Daher leistet die Methode einen wichtigen Beitrag zu Unterziel 2.3, das die landwirtschaftliche Produktivität und die Einkommen von Kleinbauern bis 2030 verdoppeln will. In Bezug auf SDG 1 bescheren die Ertragszuwächse den Bauern ein besseres Einkommen und wirken so der Armut entgegen. Zudem liefern die beiden Pflanzen Desmodium und Napiergras ein wertvolles Zusatzfutter für das Vieh, das die Milchproduktion erhöht. Wenn die Bauern die nicht benötigten Reste verkaufen, können sie zudem ihre Einkommensquellen diversifizieren.

Was das 5. SDG anbelangt ist Push-Pull laut Khan und Ledermann eine Technologie, die aufgrund gezielter Informationskampagenen vor allem von Frauen angewandt wird. Die Programme zur Verbreitung von Push-Pull sehen zudem die Produktion von Saatgut auf Gemeindeebene vor, wobei Frauengruppen Desmodiumsamen vermehren und so ein zusätzliches Haushaltseinkommen generieren. Da Desmodium eine Leguminose ist und mit ihren Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft im Boden fixiert, wirkt sich Push-Pull auch positiv auf SDG 15 aus: Die Methode reduziert die Bodenerosion, hält Feuchtigkeit besser im Boden und erhöht die Kohlenstoffspeicherung, da weniger gepflügt werden muss. Khan und Ledermann stehen mit ihrer Meinung übrigens nicht alleine da. Mehr als 100 wissenschaftliche Fachartikel belegen mittlerweile, dass Push-Pull eine bewährte Methode ist, um Pflanzenschädlinge ohne den Einsatz von Chemie im Zaum zu halten. (ab)

16.08.2017 |

Vielfalt statt angereicherte Kekse im Kampf gegen die Mangelernährung

Indien
Statt angereicherte Kekse hilft ausgewogene Nahrung gegen Mangelernährung (Foto: CC0)

Allianzen von Regierungen und Konzernen zur Anreicherung von Nahrungsmitteln mit Nährstoffen tragen nicht zur nachhaltigen Bekämpfung von Mangelernährung bei. Stattdessen verdrängen sie traditionelle Esskulturen und nährstoffreiche Lebensmittel, schaffen Abhängigkeit und dienen vornehmlich der Profitmaximierung der Konzerne. Darauf macht eine neue Studie aufmerksam, die von der Menschenrechtsorganisation FIAN Österreich Anfang August veröffentlicht wurde. Das Dossier nimmt mehrere Allianzen von Regierungen und Konzernen unter die Lupe, die die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit künstlichen Vitaminen und Mineralstoffen, auch mithilfe von Gentechnik, im Globalen Süden propagieren. Dazu gehören die Initiative Scaling Up Nutrition (SUN), eine breit aufgestellte Kooperation von Regierungen, Unternehmen, Nichtregierungs- und UN-Organisationen, oder die Global Alliance for Improved Nutrition (GAIN), eine von der UN ins Leben gerufene Stiftung. Unterstützt werden die Allianzen von UN-Institutionen und weiteren mächtigen Akteuren wie Weltbank, G8 und Privatstiftungen, allen voran die Bill & Melinda Gates Stiftung.

Die Studie dokumentiert, wie Regierungen weltweit Partnerschaften mit Konzernen der Agrar- und Ernährungsindustrie eingehen, die in der Produktion, Vermarktung und Anreicherung von Lebensmitteln oder künstlichen Nährstoffen aktiv sind. Länder des globalen Südens werden mit Investitionszusagen gelockt, wenn sie im Gegenzug ihre Ernährungs- und Gesundheitspolitik nach den Konzerninteressen ausrichten. „Konkret heißt das: Gesetzlich verankerte Anreicherungspflicht, gentechnikfreundliche Gesetzgebungen, Änderungen der Landnutzungsrechte auf Kosten von Kleinbäuerinnen und -bauern, Kriminalisierung des traditionellen, freien Tausches von Samen“, erklärt Studienautorin Melanie Oßberger von FIAN Österreich. „Insgesamt wird dem agroindustriellen Modell Vorschub geleistet, dadurch die Biodiversität reduziert, und so Mangelernährung verstärkt.“

Anhand mehrerer Fallbeispiele zeigt die Studie auf, wie Unternehmen wie Monsanto, Nestle oder Unilever sich unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Mangelernährung satte Gewinne auf Kosten der Gesundheit der Betroffenen sichern. In Kenia etwa hat GAIN ein Projekt mit dem dortigen Gesundheitsministerium umgesetzt, das sich zum Ziel gesetzt hatte, 200.000 Kinder zwischen 6 und 23 Monaten vor Nährstoffdefiziten zu schützen. Zum Start wurden 20 Millionen Päckchen mit Nährstoffpulver von DSM, dem größten Nährstoffproduzenten weltweit, verteilt. Teil der großangelegten Marketingkampagne ist der Tür-zu-Tür-Verkauf in Wohngebieten mit sozial schwachen Familien. Der US-Konzern Herbalife beteiligt sich finanziell. Die Strategie, verarbeitete Lebensmittel als „gesund“ zu verkaufen, wird auch in Indien angewandt. Die vom Britannia-Konzern vertriebenen Kekse der Marke Tiger sind mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. Vor einigen Jahren versuchte die damalige Britannia-Chefin Vinita Bali, das gekochte Mittagessen an Indiens Schulen durch eine Packung angereicherter Kekse zu ersetzen. Die Initiative scheiterte knapp am Widerstand im Parlament und in der Zivilgesellschaft. Heute ist Vinita Bali Vorstandsvorsitzende von GAIN. FIAN kritisiert, dass solche Programme die von Mangelernährung Betroffenen zu EmpfängerInnen von Lebensmitteln macht, statt sie in ihrem Recht zu stärken, ihre Nahrung selbst zu erzeugen. Damit wird ihr Zugang zu und die Verfügbarkeit von Lebensmitteln eingeschränkt und ihre Souveränität beschnitten. Statt selbst die Verantwortung für den Anbau oder den Erwerb von gesunden Lebensmitteln übernehmen zu können, werden sie in eine Bittstellerposition manövriert, aus der sie sich nur schwer wieder befreien können.

Zwar sei es unbestritten, dass angereicherte Lebensmittel bei akuten Hungersnöten und für spezielle Zielgruppen Teil der Lösung im Kampf gegen Mangelernährung sein könne, erklärt die Studienautorin. Eine natürliche, vielfältige Ernährung können sie aber nicht dauerhaft ersetzen. Sobald Ausgabe und Verzehr angereicherter Lebensmittel eingestellt werden, kehren die Leiden laut Oßberger zurück. Mit dem Fokus auf eine technische Lösung würde die Debatte um Hunger und Mangelernährung zudem entpolitisiert. „Die Ursachen von Mangelernährung werden nicht bekämpft. Die Studie zeigt klar: Der Staat kommt seinen menschenrechtlichen Pflichten nicht nach, indem er zulässt und aktiv dazu beiträgt, dass die Anreicherungsallianzen das Menschenrecht auf Nahrung untergraben.“ (ab)

14.08.2017 |

UN-Expertin fordert besseren Schutz für indigene Völker, Hüter der Biodiversität

India
Apatani-Frau (Foto: Global Landscapes Forum, bit.ly/Apatani, bit.ly/ccby_20)

Indigene Völker sind die besten Hüter der Artenvielfalt und der Wälder dieser Welt, wenn sie über sicheren Zugang zu ihrem Land verfügen. Doch sie sind zunehmend mit Menschenrechtsverletzungen und dem Verlust ihrer traditionellen Territorien konfrontiert, warnte die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker Victoria Tauli-Corpuz anlässlich des internationalen Tages der indigenen Völker am 9. August. Denn obwohl die UN-Generalversammlung bereits vor 10 Jahren die Erklärung über die Rechte indigener Völker verabschiedete, werden die geschätzt mehr als 370 Millionen indigenen Völker in weltweit über 70 Ländern immer noch diskriminiert, ausgegrenzt und nicht ausreichend geschützt, beklagt die UN-Expertin. Zwar sei die Erklärung das umfassendste internationale Instrument zum Schutz der kollektiven Rechte indigener Völker, einschließlich der Rechte auf Selbstbestimmung, auf ihr traditionelles Land und ihre Kultur, doch das Problem bestehe in der mangelnden Durchsetzung dieser Rechte. „Indigene Völker werden aufgrund von Entwicklungs- und Naturschutzprojekten von ihrem Land vertrieben und sind Gewalt und Kriminalisierung ausgesetzt, wenn sie für ihre Rechte eintreten“, sagte Victoria Tauli-Corpuz der Britischen Zeitung The Guardian.

Die Vereinten Nationen warnten, dass indigene Gemeinschaften meist nicht über denselben Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung verfügen wie der Rest der Bevölkerung. Wo statistische Daten dazu vorliegen, belegen diese klar, dass indigene Völker überproportional von Armut, einer geringeren Lebenserwartung und schlechteren Bildungsergebnissen betroffen sind. Indigene Völker droht vor allem der Verlust ihres Landes und die Verletzung ihres Zugangs zu Ressourcen - die Grundlage für ihre Existenz und ihre kulturelle Identität. „Viele indigene Gemeinschaften leiden an unlösbarer Armut, obwohl sie auf ressourcenreichem Land leben, da ihre Rechte nicht respektiert werden und eine selbstbestimmte Entwicklung nicht unterstützt wird“, fügte Tauli-Corpuz hinzu. „Der Schutz der Rechte indigener Frauen, die oft sowohl für die Ernährungssicherheit ihrer Gemeinden als auch die Verwaltung der Wälder verantwortlich sind, ist von besonderer Bedeutung.“

Der Sonderberichterstatterin zufolge geht die größte Gefahr von der Bergbauindustrie, Umweltschutz-Projekten und dem Klimawandel aus. „Viele indigene Völker leben auf ressourcenreichen Territorien – größtenteils, da sie das Land über Generationen hinweg geschützt und bewahrt haben – weshalb sie zu einem Hauptziel für die Rohstoffindustrie und Schutzgebiete werden.“ Sie kritisiert, dass das internationale Recht Investoren und Unternehmen immer noch stark bevorzugt, obwohl die UN-Erklärung als internationale Norm anerkannt worden ist. „Viele indigene Völker werden immer noch von Staaten und Konzernen vertrieben und werden kriminalisiert und ermordet, wenn sie sich dagegen wehren, dass ihr Land geraubt oder von Bergbau- oder Ölkonzernen verschmutzt wird.“ Einzelpersonen oder Gemeinschaften, die es wagen, indigene Rechte zu verteidigen, werden als Fortschrittsbremser, entwicklungshemmende Kräfte und in einigen Fällen gar als Staatsfeinde oder Terroristen bezeichnet. Tauli-Corpuz sagte dem Guardian, dass selbst Projekte, die als Maßnahme gegen den Klimawandel gedacht sind, oftmals indigene Landrechte einschränken. „Obwohl indigene Völker die besten Hüter der Wälder sind und deren Vertreibung von ihrem Land keine Vorteile für die Umwelt bringt, werden immer noch ohne ihre Zustimmung Schutzgebiete auf indigenem Land errichtet“, beklagte Tauli-Corpuz. Dass dies kontraproduktiv ist, wird durch zahlreiche Studien gestützt, die belegen, dass mehr Kohlenstoff in den Böden gespeichert wird und weniger Abholzung stattfindet, wenn indigene Völker gesicherten Zugang zu ihrem Land haben.“ (ab)

08.08.2017 |

Deutsche Fleischproduktion im ersten Halbjahr 2017 rückläufig

Schwein
Im ersten Halbjahr 2017 wurden 701.400 Schweine weniger geschlachtet als 2016 (Foto: Stefan Schwarz/Pixelio.de)

In deutschen Schlachthöfen ist im ersten Halbjahr 2017 die Fleischproduktion erstmals seit Längerem wieder zurückgegangen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Montag vermeldete, sank die erzeugte Fleischmenge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 85.900 Tonnen auf 4,0 Millionen Tonnen. Das ist zwar nur ein Rückgang um 2,1%, doch das erste Mal seit vier Jahren, dass die erzeugte Fleischmenge nicht weiter zulegte, sondern einen spürbaren Dämpfer erhielt. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden mit insgesamt 28,6 Millionen Schweinen gut 701.400 Tiere weniger geschlachtet als noch im ersten Halbjahr 2016 und mit 1,7 Millionen geschlachteten Rindern mussten 46.700 Tiere weniger ihr Leben lassen. Sogar beim Geflügel ging die Schlachtmenge zurück: Wurden 2016 im ersten Halbjahr noch 758.000 Tonnen Geflügelfleisch produziert, waren es 2017 „nur“ noch 746.500 Tonnen. An der gewerblichen Fleischerzeugung hatte Schweinefleisch mit 67,5 % den größten Anteil, gefolgt von Geflügel mit 18,7% und Rind mit 13,6%.

Ob der Rückgang im ersten Halbjahr eine Trendwende einläutet, wird sich im weiteren Jahresverlauf zeigen. 2016 hatte Deutschland erneut einen Rekord bei den gewerblichen Schlachtungen erreicht: Insgesamt wurden 8,25 Millionen Tonnen Fleisch in der Bundesrepublik produziert und das bis dato höchste Produktionsergebnis von 2015 noch um weitere 4.500 Tonnen übertroffen. Insgesamt rund 59,3 Millionen Schweine wurden im letzten Jahr getötet. Zwar gab es einen Rückgang um 0,8% bei der Schlachtung von deutschen Schweinen, doch die Zahl der aus dem Ausland für die Schlachtung importierten Tiere war um 9% in die Höhe geschnellt. Zudem wurden im letzten Jahr 3,6 Millionen Rinder in deutschen Schlachthäusern getötet.

Trotz der geringeren Schlachtmenge fällt in Deutschland noch immer sehr viel mehr Fleisch an, als die Bundesbürger alleine vertilgen könnten. 2015 lag der Selbstversorgungsgrad mit Fleisch in Deutschland bei insgesamt 122%. Es wurde 20% mehr Schweinefleisch produziert als hierzulande verzehrt wird, beim Geflügel waren es 12% und beim Rindfleisch ein Überschuss von 7%. Mehr als drei Viertel der deutschen Fleischexporte gingen in andere EU-Länder, doch vor allem der Hunger der Chinesen auf deutsches Schweinfleisch stieg stark an. Der Appetit der Deutschen auf Fleisch hatte zuletzt jedoch deutlich nachgelassen. Laut Zahlen des Deutschen Fleischer-Verbands verzehrten die Bundesbürger 2015 im Schnitt „nur“ noch 59,9 Kilogramm Fleisch – ein Kilogramm weniger als noch im Vorjahr. „Seit 2007 ist der Pro-Kopf-Verzehr mit zwischenzeitlichen Schwankungen langsam aber stetig zurückgegangen“, schreibt der Verband in seinem aktuellsten Jahresbericht. (ab)

01.08.2017 |

Überlastete Erde: nachhaltig nutzbare Ressourcen am 2. August aufgebraucht

Erde
Die Ressourcen für 2017 sind weg (Foto: CC0)

Am 2. August sind die nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde für 2017 aufgebraucht: Für den Rest des Jahres lebt die Weltbevölkerung wieder auf Pump und belastet die Erde stärker, als sie sich regenerieren kann. Darauf machen INKOTA, Germanwatch, die BUNDjugend, FairBindung und die Naturschutzjugend aufmerksam. Die Organisationen haben Daten des Global Footprint Network ausgewertet, das sowohl für einzelne Länder als auch die Welt insgesamt berechnet, wann die natürliche Belastungsgrenze der Erde erreicht ist – das heißt die Ressourcen verbraucht sind, die rein rechnerisch im gesamten Jahr nachhaltig genutzt werden könnten. Dabei wird der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch die Belastung durch den Ausstoß von CO2 oder die Müllproduktion berücksichtigt.

Während die Menschheit im Jahr 2000 am 23. September und 1980 sogar erst am 4. November über ihre Verhältnisse lebte, sind die Ressourcen dieses Jahr so früh erschöpft wie noch nie – 6 Tage früher als noch 2016. Die Ausbeutung der Ressourcen nimmt also weiterhin an Fahrt auf. Die Menschheit beansprucht mittlerweile rein rechnerisch 1,7 Erden, um ihren Bedarf an Rohstoffen, Ackerland, Wasser und Wäldern zu decken – auf Kosten künftiger Generationen. „Die Erde ist kein Online-Shop mit scheinbar unbegrenztem Angebot. Jetzt ist der Laden leer. Alles, was wir nun verbrauchen, ist Diebstahl an künftigen Generationen. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern“, kritisiert Christoph Röttgers von der Naturschutzjugend. Würden alle Länder der Welt so wirtschaften wie Deutschland, wären sogar 3,2 Planeten nötig. Der deutsche Erdüberlastungstag wurde bereits am 24. April 2017 erreicht. „Vor allem in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung und Landwirtschaft ist Deutschland alles andere als ein umweltbewusster Vorreiter. Das muss sich dringend ändern, damit wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen können“, betont Lena Michelsen vom INKOTA-netzwerk. Deutschland hat sich mit den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. Dies betrifft nicht nur das 12. SDG, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster anstrebt, sondern erstreckt sich auf alle 17 Ziele.

Noch verschwenderischer mit den natürlichen Ressourcen als Deutschland gehen Australien und die USA um: Würde die gesamte Welt diesen Konsum- und Lebensstil übernehmen, wären 5,2 bzw. 5,0 Erden notwendig, Südkorea und Russland beanspruchen 3,4 Erden. Indien hingegen verbraucht rein rechnerisch nur 0,8 Erden. Doch das Global Footprint Network zeigt sich optimistisch, dass der Trend des steigenden Ressourcenverbrauchs umkehrbar ist. Wenn es gelingen würde, jedes Jahr den Erdüberlastungstag um 4,5 Tage in die Zukunft zu schieben, würde die Menschheit bis 2050 wieder innerhalb der Kapazitäten der Erde leben. „Unser Planet ist endlich, aber unsere Möglichkeiten sind es nicht“, betonte Dr. Mathis Wackernagel, Leiter des Global Footprint Network und Entwickler des Ökologischen Fußabdrucks. „Innerhalb des Ressourcenbudgets unseres Planeten zu leben ist nicht nur technologisch machbar, sondern auch finanziell von Vorteil. Es ist unsere einzige Chance für eine blühende Zukunft“, so Wackernagel. Würde zum Beispiel die Lebensmittelverschwendung weltweit halbiert werden, würde sich das Datum des Erdüberlastungstages um 11 Tage im Kalender nach hinten verschieben. Eine Halbierung des CO2-Ausstoßes würde sogar 89 Tage einbringen. (ab)

28.07.2017 |

Exportboom: Deutsche Agrarausfuhren erreichen 2016 neuen Höchststand

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Deutsche Agrarexporte boomen, China ist ein wichtiger Partner (Foto: CC0)

Die deutschen Agrarexporte haben 2016 einen neuen Höchststand erreicht: Die BRD führte Agrarprodukte im Wert von rund 70,5 Milliarden Euro aus, ein Anstieg um knapp 4% gegenüber dem Vorjahr. Dies zeigen aktuelle Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Ein Drittel der Gesamtproduktion der deutschen Landwirtschaft wird exportiert, die Ernährungswirtschaft erlöst jeden dritten Euro im Ausland. Weltweit ist Deutschland die Nummer drei im Agrarexport nach den USA und den Niederlanden und steht auch bei den Agrarimporten an dritter Stelle. Bei Süßwaren, Käse, Schweinefleisch und Landtechnik ist Deutschland gar „Exportweltmeister“, verkündet das BMEL auf seiner Webseite. „Agrarexporte aus Deutschland tragen auch zur Entwicklung einer nachhaltigen, effizienten Landwirtschaft in den Zielländern bei, zum Beispiel mit hochwertigem Saat- und Pflanzgut oder leistungsfähigen Zuchttieren“, wirbt Bundesagrarminister Christian Schmidt im Vorwort der Publikation.

Zwischen den Zeiträumen 2000-2002 und 2013-2015 haben sich die deutschen Agrarausfuhren mehr als verdoppelt. Mit über drei Viertel aller Ausfuhren blieb die EU im Jahr 2016 der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Agrargüter. Auch 68% der Importe stammten aus den anderen EU-Mitgliedsstaaten. Die Niederlande sind weiterhin im Agrarhandel das wichtigste Herkunfts- und Bestimmungsland, gefolgt von Frankreich und Italien. Wichtigste Zielländer außerhalb der EU waren 2016 die Schweiz, gefolgt von den USA und China. Besonders hohe Zuwachsraten verzeichneten Exporte in die Volksrepublik China mit einem Anstieg von knapp 30% im Vergleich zum Vorjahr. Gut 65% der Agrarausfuhren nach China machten 2016 die Milch- und Fleischexporte aus.

Von den gesamten deutschen Agrarausfuhren entfällt die Hälfte auf Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs. Der Anteil der tierischen Erzeugnisse liegt bei gut 31%, während rund 16% auf Genussmittel und rund zwei Prozent auf lebende Tiere entfallen. Bei den Importen dominieren mit etwa 60% Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs, die wichtigste Warengruppe waren Ölsaaten und Ölsaatenprodukte, aber auch Kakao und Kakaoerzeugnisse, Kaffee und Südfrüchte. Während sich der Anteil tierischer Nahrungsmittel an den Agrarausfuhren verringert habe, nahm der zwar auf niedrigem Niveau liegende Anteil lebender Tiere an den Einfuhren in den letzten Jahren deutlich zu. Vor allem die stark gestiegenen Einfuhren lebender Schweine haben hierzu beigetragen, schreibt das BMEL.

Das Ministerium bemüht sich in der Publikation, Bedenken bezüglich der Auswirkungen deutscher Agrarexporte in Entwicklungsländern zu zerstreuen und bemängelt, dass in Diskussionen über den Agrarhandel „häufig nicht alle Daten und Fakten zugrunde gelegt“ werden sondern „Vorurteile und nicht mehr aktuelle Behauptungen“. Die Autoren nennen das Beispiel von Milchpulver- und Geflügelfleischexporten aus Deutschland nach Westafrika. Der Anteil deutscher Exporte in die am wenigsten entwickelten Lander (LDCs) betrage deutlich weniger als 1% aller Agrarausfuhren und in den letzten Jahren seien die Importe aus Entwicklungsländern, aus den Ländern Afrikas und den LDCs stärker gestiegen als deutsche Exporte in diese Länder. „Der Agrarhandel mit Deutschland trägt daher zur Entwicklung dieser Länder bei“, schlussfolgern die Autoren. Der Bericht betont, dass das BMEL das Wachstum bei den Agrarexporten mit Exportförderung und Auslandsmessen weiter ankurbeln will. Minister Schmidt hatte erst Ende Juni beim Bauerntag in Berlin seine Unterstützung für Agrarexporte versichert. „Wir freuen uns über jeden BMW, der in Japan herumfährt. Warum nicht auch deutsche Milch in einem chinesischen Kühlschrank?“, sagte der CSU-Politiker. Forderungen nach einer Neuausrichtung der Landwirtschaft wies er zurück. „Was wir wirklich nicht brauchen, ist eine Agrarwende.“ Ziel sei eine Landwirtschaft, die praxisnah, leistungsfähig und lukrativ sei. (ab)

25.07.2017 |

UN: Milliarden Menschen ohne sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung

Wasser
Sauberes Trinkwasser - für Milliarden keine Selbstverständlichkeit (Foto: CC0)

Sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung sind für Abermillionen Menschen weltweit ferne Zukunftsmusik. Rund 2,1 Milliarden Menschen haben immer noch keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser und 4,5 Milliarden müssen ohne angemessene sanitäre Einrichtungen auskommen. Das zeigt ein am 12. Juli veröffentlichter Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Demnach haben 844 Millionen Menschen noch nicht einmal Zugang zu einer elementaren Trinkwasserversorgung. Dazu gehören auch die 263 Millionen Menschen, die mehr als eine halbe Stunde pro Weg zurücklegen müssen, um an eine Wasserquelle zu gelangen. Rund 159 Millionen Menschen sind gezwungen, unbehandeltes Wasser von Oberflächengewässern wie Flüssen, Bächen oder Seen zu trinken. Bei der Versorgung besteht eine deutliche Kluft zwischen Städten und ländlichen Gebieten. Zwei von drei Menschen mit sicherem Trinkwasser und drei von fünf mit angemessenen sanitären Einrichtungen leben in Stadtgebieten. Von den 159 Millionen Menschen, die unbehandeltes Oberflächenwasser trinken, leben 150 Millionen auf dem Land. „Sicheres Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene zuhause sollten nicht ein Privileg nur für Reiche und Menschen in den Städten sein“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. „Es handelt sich hierbei um Grundbedürfnisse für die menschliche Gesundheit und alle Länder stehen in der Verantwortung zu gewährleisten, dass für jeden Zugang besteht.“

Von den 4,5 Milliarden Menschen ohne angemessene Sanitärversorgung mangelt es 2,3 Milliarden selbst an elementaren Einrichtungen. 600 Millionen Menschen teilen eine Toilette oder Latrine mit anderen Haushalten und 892 Millionen Menschen – vor allem in ländlichen Gebieten – müssen ihre Notdurft im Freien verrichten, zum Beispiel in Abwasserrinnen oder hinter Büschen. Zwar haben seit dem Jahr 2000 Milliarden Menschen Zugang zu Wasser und Sanitärversorgungen erlangt, doch es muss schneller vorangehen, wenn die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) erreicht werden sollen. Diese sehen vor, dass bis 2030 weltweit Zugang zu elementaren Einrichtungen besteht und Menschen ihre Notdurft nicht mehr im Freien verrichten müssen. Doch dem Bericht zufolge ist in 90 Ländern der Fortschritt dahingehend zu langsam, um das Ziel einer flächendeckenden Versorgung zu erreichen.

Beim Zugang zu sauberem Trinkwasser sieht es etwas besser aus. 2015 hatten 181 Länder weltweit zumindest eine Grundversorgung von 75% sichergestellt. Australien, Neuseeland, Nordamerika und Europa stehen kurz vor der Zielgeraden, während Lateinamerika und die Karibik, Ostasien und Südostasien sich auf einem guten Weg befinden, das Ziel der grundlegenden Trinkwasserversorgung bis 2030 für alle zu erreichen. Doch auch wenn viele Menschen nun Zugang zu einer elementarem Versorgung mit sauberem Wasser haben, stellt die Hygiene oft immer noch ein Problem dar. In vielen Häusern, Gesundheitszentren und Schulen fehlt es an Seife und Wasser zum Händewaschen. Dies setzt vor allem kleine Kinder dem Risiko von Krankheiten wie Durchfall aus. Als Konsequenz sterben jedes Jahr 361.000 Kinder unter 5 Jahren an Durchfallerkrankungen. (ab)

18.07.2017 |

Bioboom: Ökoanbaufläche in Deutschland wächst 2016 um 14,9%

Bio
Der Ökolandbau in Deutschland gewann 2016 an Boden (Foto: CC0)

Der Ökolandbau in Deutschland hat 2016 ordentlich an Boden gewonnen: Die ökologisch bewirtschaftete Fläche wuchs gegenüber dem Vorjahr um fast 15 Prozent. Das geht aus den Strukturdaten zum ökologischen Landbau in Deutschland 2016 hervor, die am Montag vom Bundeslandwirtschaftsministerium veröffentlicht wurden. Demnach stieg die ökologisch bewirtschaftete Fläche von 1.088.828 Hektar im Jahr 2015 auf 1.251.320 Hektar an – ein überdurchschnittlich hohes Plus von 14,9 Prozent. Die Zahl der Biobetriebe wuchs um 9,6% auf 27.132. Das Bundesland mit der größten Biofläche ist Bayern mit 285.243 Hektar, dort legte die Bioanbaufläche seit 2015 um 24% zu. Ebenfalls starke Flächengewinne verzeichnete Sachsen mit 28,6%, Schleswig-Holstein mit 22,4% und sowie Niedersachsen und das Saarland mit einem Plus von je 20%. Dagegen stieg die Fläche in Mecklenburg-Vorpommern nur um 5,3% und in Sachsen-Anhalt nur um 6,8% an.

Gemessen an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland lag der Anteil der Biofläche 2016 bei 7,5%, teilte das BMEL mit. „Der Ökolandbau ist neben dem konventionellen Landbau inzwischen eine wichtige Säule der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft“, verkündete Agrarminister Christian Schmidt. Er betonte, das Wachstumspotenzial des Ökolandbaus weiterhin unterstützen zu wollen. „Mein Ziel ist, dass auf 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch gewirtschaftet wird, um den wachsenden Bedarf an Bio-Lebensmitteln stärker durch heimische Öko-Produkte abdecken zu können.“ Ein konkretes Datum, wann dieses seit Jahren kommunizierte Ziel der Bundesregierung erreicht werden soll, nannte er jedoch nicht. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, betonte, dass der starke Zuwachs im Ökolandbau kein Verdienst der Bundesregierung sei, sondern den Ökobauern und dem Kaufverhalten der Konsumenten zu verdanken sei. „Es wäre deutlich mehr Ökolandbau möglich – zum Wohle der Verbraucher und für eine Umwelt ohne Bienensterben. Von CDU/CSU und SPD kam in den letzten Jahren außer warmen Worten wenig an konkreter Unterstützung für den Ökolandbau“, kritisierte sie.

Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), begrüßte den Bioboom. „Immer mehr Bauern und Bäuerinnen stellen auf Ökolandbau um. Sie nutzen damit die wachsenden Marktchancen. Denn immer mehr Bürger engagieren sich durch ihren Lebensmitteleinkauf für mehr Artenvielfalt auf dem Acker, sauberes Trinkwasser, Bio-Tierhaltung und gesundes Essen.“ Löwenstein betonte aber auch, dass Bio auf dem Acker und im Stall noch stärker wachsen müsse, damit die deutschen Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele nicht verfehlt werden. Die in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung angestrebten 20% Ökolandbau seien jedoch nur dann machbar, wenn die künftige Regierung die Öko-Zukunftsstrategie mit den nötigen Ressourcen ausstatte und die Weichen in allen Politikbereichen auf Bio umstelle. „Konventionelle Betriebe, die Bio als Chance begreifen brauchen für ihre Umstellungsentscheidung stabile Rahmenbedingungen. Dafür müssen Bund und Länder sorgen. Von der EU-Öko-Verordnung über Düngerecht bis hin zur Gemeinsamen Agrarpolitik braucht es Regeln, die den Ökolandbau unterstützen“, so Löwenstein. (Ab)

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