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05.10.2018 |

Studie: Gentechnik-Soja in Südamerika schadet Umwelt und Gesundheit

Soja
Sojawüste in Südamerika statt Artenvielfalt (Foto: CC0)

Der Anbau von Gentechnik-Soja in Südamerika schadet der Umwelt, Artenvielfalt und der menschlichen Gesundheit und steht damit der Verwirklichung der UN-Nachhaltigkeitsziele entgegen. Die EU als wichtiger Importeur hat mit der Nachfrage nach Soja als Futtermittel erheblichen Einfluss auf die Ökosysteme in den Anbauländern und das Leben der ländlichen Bevölkerung. Dies zeigt eine von den Organisationen Germanwatch und Testbiotech Anfang Oktober veröffentlichte Studie. Zwischen 2005 und 2014 stieg die Sojaanbaufläche in Brasilien, Argentinien und Paraguay um 40% oder 15,5 Millionen Hektar, wie aus der UN-Datenbank FAOStat hervorgeht. In Brasilien wuchs die Fläche um 32% auf 30 Millionen Hektar, in Argentinien stieg sie um 37% auf 20 Millionen Hektar und in Paraguay um 78% auf 3,5 Millionen Hektar. Dies geschah meist auf Kosten von ökologisch wertvollem Weideland, Savannen und Regenwald.

Obwohl die Importmengen in den letzten 15 Jahren zurückgingen, geht immer noch ein Viertel der Sojaexporte aus Brasilien, Argentinien, Paraguay, Bolivien und Uruguay in die EU. Sie hatte 2014 einen Anteil von 35% an den gesamten Exporten Paraguays, bei Argentinien waren es 31% und Brasilien 22%. „Auf insgesamt rund 10 Millionen Hektar wird quasi nur für die EU produziert, denn 29 Millionen Tonnen Soja pro Jahr werden in die EU exportiert“, erklärt Tobias Reichert von Germanwatch, der die Studie mitverfasst hat. „Die Soja dient fast ausschließlich als Tierfutter. Die industrielle Massentierhaltung bei uns wirkt sich also direkt und massiv auf Menschen und Natur in Südamerika aus“, fügt Autor Christoph Then von Testbiotech hinzu. Über 90% der in Südamerika angebauten Soja ist gentechnisch so verändert, dass sie gegen das Herbizid Glyphosat resistent ist.

Die Studie untersucht, wie sich der Sojaanbau auf die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) auswirkt, vor allem auf Ziel 3 (Gesundes Leben für alle), Ziel 6 (Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser) und Ziel 15 (Landökosysteme schützen). Sie zeigt, dass die Einführung der Gentechnik-Soja mittelfristig keine wesentliche Einsparung an Pestiziden brachte. Im Gegenteil stieg der Einsatz von Pestiziden durch das Aufkommen herbizidresistenter Unkräuter, mit negativen Folgen für die Wasserqualität und die Gesundheit der Landwirte. In Brasilien und Argentinien werden heute oft mehr als 4,5 Kilo Glyphosat pro Hektar eingesetzt – dreimal so viel wie bei Einführung der Gentechnik-Soja vor rund 20 Jahren. Wegen der Resistenzen werden weitere hochgiftige Herbizide eingesetzt. „Einige Unkräuter sind so resistent gegenüber Glyphosat geworden, dass sie nur mit giftigeren Herbiziden wie Paraquat bekämpft werden können“, so die Studie. Wegen gesundheitlicher Risiken für die Anwender wird der Stoff in der EU nicht mehr eingesetzt. „In Brasilien, Argentinien und Paraguay wird er dagegen großflächig angewendet, in Paraguay zum Teil sogar in höherer Dosis als Glyphosat.“

Der Sojaanbau in Südamerika geht zudem mit massiven Verlusten und Schäden an Ökosystemen (Urwäldern, Grasland und Feuchtgebieten) einher, schädigt die Bodenfruchtbarkeit und fördert Überschwemmungen und mittelfristig die Versalzung der Böden. Im Chaco, der sich über Argentinien, Bolivien und Paraguay erstreckt, wurden zwischen 2000 und 2012 etwa acht Millionen Hektar für die Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzung entwaldet, vor allem für den Sojaanbau. Dies steht SDG 15 mit seinen Unterzielen des Erhalts der Wälder und der biologischen Vielfalt klar entgegen.

Doch auch Gesundheit und Umwelt in Europa sind betroffen: „Die EU bleibt von den negativen Folgen nicht unberührt“, so Tobias Reichert. „Die durch Importsoja ermöglichte Massentierhaltung führt auch in Europa regional zu erheblichen Umweltschäden, zum Beispiel Gewässerbelastung durch Gülle.“ Die Studie verweist zudem darauf, dass Sojabohnen mit Pestizidrückständen belastet sind, die gesundheitsschädigend sein können. In Stichproben wurden 2013 Rückstandsmengen von über 100 Mg Glyphosat pro Kilo Soja gefunden, das Fünffache des erlaubten Grenzwerts. „Es gibt offensichtlich ganz extreme Belastungen für die Umwelt in den Anbaugebieten und gleichzeitig keine ausreichenden Daten, um die gesundheitlichen Risiken der Verfütterung der Gentechnik-Soja zu bewerten. Diese Produktionsprozesse sind völlig aus dem Ruder gelaufen“, kritisiert Christoph Then.

„Die EU muss neue Vereinbarungen mit den südamerikanischen Regierungen treffen. Dabei muss es auch darum gehen, den Handel in anderen Bereichen zu stärken, um die einseitige Abhängigkeit dieser Länder vom Sojaexport zu verringern“, fordert Reichert. „Insgesamt muss die europäische Landwirtschaftspolitik eine Kehrtwende weg von der industriellen Massentierhaltung machen. Dadurch würde die Nachfrage nach Soja deutlich sinken.“ Gleichzeitig müsse überlegt werden, wie mit vielfältigeren und nachhaltigeren Produktionssystemen Wertschöpfung und Beschäftigung in den ländlichen Räumen der Mercosur-Staaten gesteigert werden können. „Dabei sollen auch Vorschläge der Zivilgesellschaft, vor allem von Kleinbauern, indigenen Gemeinden und deren Organisationen aufgegriffen werden, die eine stärker auf Ernährungssicherheit und lokale Kreisläufe ausgerichtete Landwirtschaft fordern, die deutlich größere Synergien zu den SDG bietet“, lautet das Fazit. (ab)

28.09.2018 |

UN-Erklärung: Menschenrechtsrat stärkt Rechte von Kleinbauern

Farmer
Kleinbauernrechte stärken heißt Hunger bekämpfen (Foto: CC0)

Der UN-Menschenrechtsrat hat die Rechte von Kleinbauern gestärkt: Am 28. September wurde die Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten angenommen. Eine deutliche Mehrheit von 33 Staaten stimmte für die Erklärung; Australien, Ungarn und Großbritannien dagegen. Deutschland gehörte zu den 11 Nationen, die sich der Stimme enthielten. Die Erklärung hält individuelle und kollektive Rechte für Kleinbauern fest, darunter das Recht auf Land, Saatgut und Wasser. Paula Gioia von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Europäischen Koordination von Via Campesina (ECVC) bezeichnete die Entscheidung im Menschenrechtsrat ist einen wichtigen Schritt für die Durchsetzung der Menschenrechte: „Die UN-Erklärung ist ein Auftrag an die Staaten, Kleinbauern und ihre Gemeinschaften besser gegenüber den Interessen von Agrarkonzernen zu schützen. Sie stärkt uns darin, die zunehmende Verdrängung von Kleinbauern zu stoppen, Landflucht zu vermeiden, das Klima zu schützen und Ernährungssouveränität zu erlangen.“

Die Erklärung wurde seit 2012 von einer Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats unter dem Vorsitz von Bolivien erarbeitet, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Kleinbauern und andere Menschen in ländlichen Regionen überproportional von Hunger betroffen sind. Sein Beratender Ausschuss nannte als Hauptgründe dafür Landenteignungen, Vertreibungen und Umsiedlungen; die Diskriminierung von Frauen und Mädchen; fehlende Agrarreformen und Politiken zur ländlichen Entwicklung; niedrige Löhne und fehlende soziale Sicherung sowie die Kriminalisierung von Bewegungen, die für die Rechte von Menschen in ländlichen Regionen eintreten. Die Erklärung bündelt und ergänzt alle Rechte des existierenden Menschenrechtskanons. Sie muss nun noch durch die UN-Generalversammlung verabschiedet werden.

Die Bundesregierung hatte schon in der Arbeitsgruppe gebremst und die Erklärung nicht aktiv unterstützt. Auf der Webseite des UN-Menschenrechtsrats werden als Gründe für die Enthaltung „rechtliche Bedenken in Verbindung mit den Rechten auf Saatgut, Land und eine saubere und gesunde Umwelt sowie Ernährungssouveränität“ genannt. „Das Verhalten der Bundesregierung ist ein Armutszeugnis. Sie hat sich von Anfang an gegen zentrale Inhalte der Erklärung gestellt. Offenbar wollte sie damit die Interessen von Konzernen wie Bayer schützen“, kommentierte Jan Urhahn vom INKOTA-netzwerk, das im Vorfeld mit anderen Organisationen für die Erklärung geworben hatte. „Mit ihrem Verhalten weigerte sie sich, grundlegende Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen anzuerkennen, wie zum Beispiel das Recht auf Saatgut oder das Recht auf Land. Das widerspricht auch dem Koalitionsvertrag, in dem die Förderung von Kleinbauern zentral verankert ist.“

Die Grüne Bundestagsfraktion hatte einige Tage vor der Abstimmung die Bundesregierung mit einem Antrag noch zur Zustimmung aufgefordert, der jedoch mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt wurde. Das Magazin Topagrar erhielt auf Anfrage nur die schwammige Antwort von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller (CSU), der „deutschen Entwicklungszusammenarbeit“ sei „wie im Koalitionsvertrag festgehalten die Förderung von Kleinbauern äußerst wichtig“. Daran halte sich das BMZ und werde sich auch weiterhin für die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen einsetzen. „Die vielen warmen Worte, die Entwicklungsminister Müller zu der Bedeutung von Kleinbauern für die Welternährung spricht, entpuppen sich einmal mehr als heiße Luft“, sagte Maria Heubuch, Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Sprecherin für Entwicklungspolitik der Fraktion Die Grünen/EFA. „Ich erwarte, dass Deutschland zur UN-Generalversammlung sein Abstimmungsverhalten überdenkt und sich für die Rechte von Kleinbauern und ihren Familien einsetzt.“ (ab)

27.09.2018 |

Agrarökologie kann Europa 2050 ohne Pestizide gesund ernähren

Stein
Mehr Hecken, Bäume und Steinverstecke für Insekten in der Landschaft! (Foto: CC0)

Eine vollständig auf agrarökologische Methoden umgestellte europäische Landwirtschaft könnte im Jahr 2050 ohne Pestizide und synthetische Dünger rund 530 Millionen Europäer gesund und ausgewogen ernähren. Zu diesem Ergebnis gelangt das französische Institut für Nachhaltige Entwicklung (IDDRI) in einer Mitte September veröffentlichten Studie. Die Landwirtschaft ist momentan alles andere als nachhaltig: „Europas Ernährungssystem wird oft als höchst produktiv wahrgenommen“, schreiben die Autoren Pierre-Marie Aubert und Xavier Poux. „Doch seit mehreren Jahrzehnten bringen diese Erfolge verstärkt ernsthafte soziale und ökologische Folgen mit sich. Was die Gesundheit anbelangt so verzeichnen mit der Ernährung in Verbindung stehende Krankheiten (Diabetes, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) einen alarmierenden Anstieg.“ Europas Landwirtschaft bedroht außerdem die Artenvielfalt und trägt durch Sojaimporte zur Zerstörung tropischer Regenwälder bei. „Heute importiert die EU eine Menge, die 35 Millionen Hektar Ackerland entspricht, hauptsächlich Soja aus Südamerika als Futtermittel“, wird Pierre-Marie Aubert von EURACTIV zitiert. „Wir präsentieren ein alternatives Szenario, das durch eine agrarökologische Umstellung zu einer umfassenden Transformation des Agrarsektors führen kann“, fügte er hinzu.

Die Experten entwickelten ein quantitatives Modell, das die landwirtschaftliche Produktion und ihre Verwendung (Nahrung, Futtermittel, Treibstoff), verschiedene Produktions- und Landnutzungsformen vergleicht. Darauf gestützt berechneten sie ein agrarökologisches Szenario für 2050. Dieses sieht die Abkehr von Pestiziden und synthetischen Düngern vor, eine Umstellung der Grünlandnutzung und die Ausweitung „agrarökologischer Infrastrukturen“ (Hecken, Bäume, Teiche, Steinmauern als Lebensraum) und die Förderung einer gesunden Ernährung vor. Letzteres ist dringend nötig, denn der Zuckerkonsum in Europa beträgt das Dreifache der empfohlenen Menge und die Europäer nehmen doppelt so viel Eiweiß zu sich wie benötigt, während gesunde Lebensmittel zu selten auf den Tellern landen. Das IDDRI-Szenario sieht daher weniger tierische Produkte, aber dafür mehr Obst, Gemüse und Ballaststoffe vor, wie es die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt.

Die Umstellung auf Agrarökologie in Europa beinhaltet die Abkehr von Pestiziden und Kunstdünger. „Das Ziel ist die Rückkehr zu Agroökosystemen, die das Bodenleben und die symbiotischen Stickstoff-Fixierungskapazitäten vom Leguminosen optimal nutzen“, schreiben die Autoren. Zudem sehen sie einen umfassenden Ausbau der „ agroökologischen Infrastruktur“ vor – Hecken, Bäume, Teiche und steinige, insektenfreundliche Lebensräume sollen 10% der Anbaufläche einnehmen. Zudem ist extensives Grünland eine Hauptkomponente der „Infrastruktur“. „Die Umstellung auf eine Low-Input-Landwirtschaft mit einem hohen Anteil an permanenten extensiven Grünlandflächen und anderen agrarökologischen Infrastrukturen ermöglicht es, die Wiederherstellung der Biodiversität, der Qualität der natürlichen Ressourcen und eine Verringerung der Treibhausgasemissionen anzugehen.“

Das Agrarökologie-Szenario rechnet mit einem Produktionsrückgang im Vergleich zu heute und geht von einer deutliche Reduzierung der Produktion von Biosprit und der Biomassenutzung für andere Zwecke als die Ernährung aus. Es kalkuliert mit den momentan erzielten Erträgen im Ökolandbau, um die Produktionsmenge in 2050 vorherzusagen, aber geht auch von Fortschritten in der Forschung, z.B. in der Pflanzenzucht aus. Die Produktion in Kilokalorien würde im Vergleich zu 2010 um 35% sinken (-30% für pflanzliche und -40% für tierische Produkte). Allerdings wäre sie immer noch ausreichend, um alle Europäer zu ernähren, selbst wenn Land für „agrarökologische Infrastruktur“ bereitgestellt wird und nicht direkt Lebensmittel hervorbringt, sondern zum Funktionieren der Agrarökosysteme beiträgt. Zudem würde dieses agrarökologische Europa Exportkapazitäten für Getreide, Milchprodukte und Wein behalten. Ein Übergang zur Agrarökologie würde außerdem zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 36% gegenüber 2010 führen – oder gar 45%, wenn die mit der „importierten Entwaldung" verbundenen Emissionen einbezogen würden, die beim Verzicht auf Eiweißimporte wegfielen. Eine Umstellung auf agrarökologische Methoden würde auch dazu beitragen, die Artenvielfalt wiederherzustellen und die natürlichen Ressourcen zu bewahren. „Ein agrarökologisches Europa ist eine erstrebenswerte und glaubwürdige Option, um Herausforderungen im Bereich Ernährung und Umwelt anzugehen“, schlussfolgern die Autoren. (ab)

19.09.2018 |

Bio und konventionell: Studie beziffert die wahren Lebensmittelpreise

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Milch ist nicht gleich Milch - die externen Kosten unterscheiden sich (Foto: CC0)

Die Lebensmittelpreise in Deutschland spiegeln nicht die wahren Kosten für Mensch und Umwelt wider. Würden die Folgekosten einberechnet, die etwa die konventionelle Fleischproduktion verursacht, würden sich die Erzeugerpreise für Fleisch verdreifachen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Augsburg, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Sie beziffert für mehrere Produktkategorien die externen Kosten, die durch drei Umweltbelastungen – Stickstoff, Treibhausgas-Emissionen und Energieverbrauch – bei der Produktion von Lebensmitteln entstehen. Bioprodukte schnitten durch die Bank besser ab als ihre konventionell hergestellten Counterparts, auch wenn sie noch nicht alle „versteckten“ Kosten beinhalteten. Würden sich die Umweltfolgekosten im Ladenpreis niederschlagen, wäre der Preisunterschied zwischen Bioprodukten und konventionell erzeugten Lebensmitteln deutlich geringer, so die Wissenschaftler.

„Für viele negative Klima-, Umwelt- und Gesundheitsfolgen, die sich aus der Produktion von Lebensmitteln ergeben, kommen aktuell weder die Landwirtschaft noch die Konsumenten auf. Die hiermit verbundene Preis- und Marktverzerrung stellt – ökonomisch gesprochen – eine Form von Marktversagen dar, der es mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu begegnen gilt“, erklärte Autor Dr. Tobias Gaugler. Er und sein Team nutzen Datensätze zum Ressourcenverbrauch und anfallenden Schadstoffen während des Produktionsprozesses für elf Produktkategorien. Diese wurden den drei Oberkategorien pflanzliche, tierische und Milchprodukte zugeordnet und dann die Kosten jeweils für die ökologische und konventionelle Erzeugung beziffert. Einbezogen wurden nur die drei Faktoren Stickstoff, Klimagase und Energie, da die existierende Datenbasis zu den Kosten von Antibiotika-Resistenzen, z.B. Gesundheitskosten, oder den ökologischen Auswirkungen durch den Einsatz von Pestiziden aktuell unzureichend ist. Da die Studie die externen Effekte pro Gewichtseinheit eines Lebensmittels angibt, wurde auch der Ertragsunterschied zwischen biologischer und konventioneller Produktion berücksichtigt.

Die höchste Preisdifferenz, die zwischen den aktuellen Erzeugerpreisen und den wahren Kosten liegt, ergab sich bei konventionell hergestellten tierischen Produkten. Diese müssten auf Erzeugerebene dreimal so teuer sein als derzeit (196% Aufschlag). Es folgen konventionell hergestellte Milchprodukte, für die ein Aufschlag auf die Erzeugerpreise von 96% nötig wäre, gefolgt von 82% auf biologisch-tierische Produkte und 35% auf Biomilch. „Die Höhe der externen Kosten und Preisaufschläge insbesondere tierischer Produkte ist u.a. durch die energieintensive Aufzucht der Nutztiere zu erklären, verbunden mit dem Futtermittelanbau, der Beheizung und Belüftung der Ställe sowie dem Metabolismus der Tiere. Diese Faktoren führen unter anderem zu einer bedeutend höheren Austragung von reaktivem Stickstoff und Treibhausgasen sowie einem höheren Energiebedarf als bei pflanzlichen Produkten“, heißt es in der Studie. Konventionell-pflanzliche Produkte müssten 28% teurer sein; bei biologisch-pflanzlichen Produkten fehlen nur noch 6%, um die wahren Kosten abzubilden. „Insbesondere umweltschonende Praktiken biologischer Produktion wie der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger beim Pflanzenanbau sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter bei der Nutztierhaltung führen in allen untersuchten Lebensmittelkategorien zu geringeren externen Kosten und Preisaufschlägen im Vergleich mit konventionellen Produktionspraktiken“, schreiben die Autoren.

„Es kann nicht angehen, dass die Kosten für ökologische Schäden bei der Lebensmittelproduktion nicht eingepreist sind und stattdessen von der Allgemeinheit bezahlt werden müssen“, kritisiert Stephanie Weigel von der Tollwood GmbH, die die Studie mit der Schweisfurth Stiftung in Auftrag gegeben hat. „So werden die Verbraucher an der Nase herumgeführt. Wenn die Lebensmittel im Supermarkt mit dem wahren Preis ausgezeichnet wären, würden viel mehr Menschen zu Bio-Produkten greifen, die dann kaum mehr teurer wären als konventionell erzeugte.“ Am deutlichsten schrumpft der Preisunterschied zwischen biologisch und konventionellen Produkten tierischen Ursprungs, besagt die Studie: „Während sich die Erzeugerpreise um 1,62€ pro kg tierischen Produkts unterscheiden bleibt nach Internalisierung der externen Kosten lediglich eine Preisdifferenz von 0,88€ pro kg tierischen Produkts.“ Ein Liter Biomilch ist vor Berücksichtigung externer Effekte um 21 Cent teurer als konventionelle Milch, doch unter Einbeziehung der versteckten Kosten liegt der Unterschied nur noch bei 13 Cent. „Ausgehend von unseren Ergebnissen und dem ‚polluter pays principle‘ der UN folgend müssten insbesondere Produkte aus konventioneller Nutztierhaltung deutlich mehr kosten, also dies aktuell in Deutschland der Fall ist“, lautet das Fazit von Dr. Gaugler. (ab)

12.09.2018 |

UN: Klimakrise lässt Zahl der Hungernden weiter ansteigen

FotoIndien
UN: gesunde Nahrung für alle! (Foto: CC0)

Die Zahl der Hungernden ist 2017 erneut gestiegen: 821 Millionen Menschen litten weltweit an Unterernährung und damit jeder Neunte. Dies geht aus einem am Dienstag von fünf UN-Organisationen gemeinsam veröffentlichten Bericht hervor. Als Hauptursachen macht „The State of Food Security and Nutrition in the World 2018“ neben Konflikten und Wirtschaftsflauten vor allem Klimaschwankungen und -extreme aus. Besonders brisant ist, dass die Landwirtschaftsorganisation FAO, der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), das Welternährungsprogramm (WFP), UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation den dritten Anstieg in Folge vermelden müssen: Die Zahl der Hungernden befindet sich nun wieder auf dem Niveau von vor einem Jahrzehnt. „Dieser Rückschritt ist eine eindeutige Warnung, dass schnell mehr getan werden muss, um bis 2030 das 2. UN-Entwicklungsziel – eine Welt ohne Hunger – zu erreichen“, heißt es in ihrer Pressemitteilung. Auch die Zahl jener, bei denen die Ernährungsunsicherheit einen Krisenzustand erreicht hat, stieg zwischen 2016 und 2017 von 108 auf 124 Millionen Menschen. „Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind. Dabei beträgt das weltweite Vermögen 300 Billionen Dollar – das ist inakzeptabel und unverzeihlich“, sagte WFP-Exekutivdirektor David Beasley auf der Pressekonferenz in Rom.

Der Großteil der weltweit Hungernden lebt mit 515 Millionen Menschen immer noch in Asien (63%), gefolgt von Afrika mit 256,5 Millionen (31%) und Lateinamerika und der Karibik mit 39,3 Millionen. Die Situation verschlechtert sich in Südamerika und den meisten Regionen Afrikas, während in Asien der zuletzt rückläufige Trend erheblich ins Stocken geriet. Doch nicht nur die absolute Zahl der Hungernden stieg, auch ihr Anteil an der wachsenden Weltbevölkerung kletterte von 10,8% auf 10,9%. Die prozentual am stärksten von Unterernährung betroffene Region bleibt Afrika: Dort leidet jeder Fünfte an Unterernährung, in Ostafrika sind es gar 31,4%. In Asien hungert fast jeder Achte (11,4%), in Lateinamerika und der Karibik sind es 6,1% der Bevölkerung.

Der Bericht offenbart, dass Unterernährung vor allem in Ländern auftritt, die besonders anfällig für Klimaextreme sind - und noch stärker dort, wo landwirtschaftliche Systeme sehr empfindlich auf Niederschlags- und Temperaturschwankungen und starke Dürren reagieren und die Existenz eines großen Anteils der Bevölkerung von der Landwirtschaft abhängt. „Der Mehrheit der Menschen, die besonders gefährdet sind durch Klimaschocks und Naturkatastrophen, sind die weltweit 2,5 Milliarden Kleinbauern, Hirten, Fischer und von Wäldern abhängige Menschen, die Nahrung und Einkommen aus erneuerbaren natürlichen Ressourcen beziehen“, so die Autoren. Veränderungen des Klimas beeinträchtigen schon heute die Produktion wichtiger Getreidesorten wie Weizen, Reis und Mais in tropischen und gemäßigten Regionen. Ohne eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen Klimaschwankungen sei davon auszugehen, dass sich die Lage angesichts steigender und extremer werdender Temperaturen weiter verschlimmere. „Wenn wir bis zum Jahr 2030 eine Welt ohne Hunger und Mangelernährung erreichen wollen, ist es zwingend notwendig, dass wir unsere Maßnahmen beschleunigen und ausweiten. Nur so können wir die Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit von Ernährungssystemen und Erwerbsmöglichkeiten stärken, damit die Menschen für Klimaschwankungen und Wetterextreme gerüstet sind“, heißt es im Vorwort.

Doch der Bericht hält noch weitere schlechte Nachrichten bereit: Weltweit sind immer noch 151 Millionen Kinder unter fünf Jahren aufgrund chronischer Unterernährung zu klein für ihr Alter (stunted), die meisten von ihnen in Afrika und Asien. Dazu kommen 50,5 Millionen Kinder unter fünf, die aufgrund von Mangelernährung zu wenig für ihre Größe wiegen (wasting). Gleichzeitig nehmen Übergewicht und Fettleibigkeit rund um den Globus immer stärker zu: 2016 waren 672,3 Millionen Erwachsene fettleibig, ihr Anteil an der Weltbevölkerung stieg von 11,7% im Jahr 2012 auf 13,2%. „Am größten ist das Problem in Nordamerika, aber es ist besorgniserregend, dass selbst in Afrika und Asien, wo der Anteil am geringsten ist, ein Aufwärtstrend zu verzeichnen ist“, schreiben die Chefs der fünf UN-Organisationen. Der Bericht fordert die Umsetzung und Ausweitung von Programmen für besseren Zugang zu nahrhaften Nahrungsmitteln, um den generationenübergreifenden Zyklus der Mangelernährung zu durchbrechen. Es seien Marktregulierungen nötig, die vom Konsum ungesunder Lebensmittel abhalten, gemeinsam mit Politiken, die die Verfügbarkeit und den Verzehr gesunder Nahrung förderten. „Es muss ein nachhaltiger Wandel hin zu einer ernährungsbewussten Landwirtschaft und entsprechenden Ernährungssystemen vollzogen werden, um sichere und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel für alle zu garantieren“, schlussfolgern die Autoren. (ab)

31.08.2018 |

Supermärkte ignorieren Wasserrisiken in der Lieferkette

Obst
Wasserrisiken im Herkunftsland - meist kein Thema für deutsche Supermärkte (Foto: CC0)

Das meiste Obst und Gemüse wird in Deutschland importiert - oft aus Regionen mit Wasserknappheit. Doch im Lebensmitteleinzelhandel fehlt es an Bewusstsein für das Wasserrisiko. Das ergab eine Umfrage der Naturschutzorganisation WWF unter 17 Unternehmen. Befragt wurden neben den klassischen Vollsortimentern auch Discounter, Bio- und Online-Händler zu ihren Obst- und Gemüselieferketten. Das Ergebnis: Supermärkte kennen in der Regel die Wasserrisiken ihrer Produkte kaum, wählen Produktzertifizierungen nicht nach nachhaltigen Wasserkriterien aus und auch für Branchenorganisationen spielt das Thema bisher kaum eine Rolle. „In den Obst- und Gemüseabteilungen deutscher Supermärkte stammt die Ware oft aus trockenen Regionen mit künstlicher Bewässerung. Und auch andere Lebensmittel sind durstig“, erklärte Johannes Schmiester, Süßwasser-Experte vom WWF Deutschland. „Doch in den Chefetagen der deutschen Supermarktketten wird das Thema bislang noch ausgeklammert. Dabei trägt der Lebensmitteleinzelhandel eine große Verantwortung – seine Einkaufsentscheidungen beeinflussen die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser in den weltweiten Anbaugebieten.“

Der Großteil der deutschen Verbraucher kauft Obst und Gemüse im Supermarkt. 80% des Obstes und 67% des Gemüses wird aus dem Ausland importiert. „China, Indien, Ägypten, Türkei, Südafrika, Chile, Peru, die USA und Mexiko sind nur einige der Länder, in denen Wasser ein knappes Gut ist und deren Nahrungsmittel dennoch täglich auf deutschen Tellern landen“, schreibt Jörg-Andreas Krüger, Geschäftsleiter Naturschutz des WWF, im Vorwort des Berichts. „Unsere landwirtschaftlichen Lieferketten reichen in Regionen, die unter Wasserknappheit, -verschmutzung, Überflutungen, schlechter Regulierung und Konflikten um Wasser leiden.“ Jeder im Lebensmitteleinzelhandel umgesetzte Euro hat einen Wasserfußabdruck von rund 47 Liter. Daher sind die Supermärkte durch ihre Nachfrage auch Treiber von Wasserknappheit, -verschmutzung und den damit verbundenen Konflikten in den Anbaugebieten, betont der WWF. Doch das Bewusstsein im Lebensmittelhandel fehlt. „In der Praxis sehen wir ein verantwortliches, strategisches Handeln beim Thema Süßwasser leider bislang nur sehr wenig“, so Krüger.

Der Bericht zeigt, dass die Händler die Herkunft ihrer Obst- und Gemüseware meist bis zur Ebene der Region kennen – dennoch mangelt es an Verständnis für lokale Wasserrisiken in den Flussgebieten. Nur drei der zehn Handelsketten, die antworteten, können ihre Wasserrisiko-Hotspots benennen: Edeka, Netto und Rewe. Ein allgemeines Risikobewusstsein zeigten zumindest Edeka, Aldi Nord, Aldi Süd, Netto und Tegut. Die meisten Handelsketten führen keine regelmäßigen, flächendeckenden und methodisch fundierten Wasserrisikoanalysen durch. Dabei wäre es gar nicht so schwer, die Wassernutzung im Anbau und die daraus entstehenden Probleme in Strategien und Einkaufprozesse einzubeziehen. Als Beispiel nennt der WWF zusätzliche Anforderungen an Produzenten mit hohen Wasserrisiken oder der Verzicht auf Ware aus extrem trockenen Regionen. Doch die meisten Supermärkte sind noch nicht dazu übergegangen, Einkaufsanforderungen anzupassen, Zertifizierungen anzufragen, sich mit den Produzenten in den betroffenen Flussgebieten zu engagieren, Konsumenten aufzuklären und Transparenz herzustellen.

Der WWF fordert den Lebensmitteleinzelhandel auf, ein Bewusstsein für Wasserrisiken in seinen Lieferketten zu entwickeln und Süßwasser strategisch im Unternehmen zu verankern, um das Wasserrisiko zu mindern. Notwendig sei eine bessere Zusammenarbeit mit anderen Akteuren in der Lieferkette, vor allem Landwirten, und Engagement für ein nachhaltigeres Wassermanagement in den betroffenen Flussgebieten. „Durch die große Abhängigkeit vom blauen Gold trägt die Branche, nicht zuletzt aus Eigeninteresse, eine große Verantwortung für den Erhalt nachhaltiger Flussgebiete weltweit“, sagt Krüger. Denn Wasserrisiken in den Herkunftsregionen können mit Lieferausfällen, Preisschwankungen und Reputationsschäden auch die Branche treffen. (ab)

28.08.2018 |

Lebensmittelverschwendung könnte bis 2030 um ein Drittel ansteigen

Aker
Nicht alles gelangt auf die Teller (Foto: CC0)

Die Verschwendung von Lebensmitteln könnte bis zum Jahr 2030 um ein Drittel zunehmen – wenn Regierungen, Verbraucher und Unternehmer nicht entschlossen gegensteuern. Davor warnt die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) in einem neuen Bericht. Aktuell gehen jedes Jahr 1,6 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Wert von 1,2 Billionen US-Dollar verloren oder werden verschwendet. Der Modellrechnung zufolge könnten 2030 jedoch schon 2,1 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar auf dem Weg vom Acker zum Teller auf der Strecke bleiben. Die BCG prognostiziert nämlich, dass das Ausmaß der Verschwendung vor allem in Asien ansteigen wird, gerade in Schwellenländern mit einer wachsenden Bevölkerung. „Mit wachsendem Wohlstand steigt auch die Nachfrage nach mehr und unterschiedlicheren Lebensmitteln, die nicht lokal angebaut werden. Das wird auch die Verluste und die Verschwendung von Lebensmitteln erhöhen“, erklärte Shalini Unnikrishnan, Mitautorin des Berichts, der britischen Tagszeitung The Guardian.

Lebensmittelverschwendung und -verluste ereignen sich in allen Stufen der Wertschöpfungskette, doch das Problem ist besonders ausgeprägt am Anfang (Produktion) und am Ende (Verbrauch), betonen die Autoren. In Entwicklungsländern sind vor allem die Produktion und der Abtransport vom Hof kritisch, während es in Industrieländern beim Konsum hakt – im Handel und beim Verbraucher. Der Bericht nennt fünf Hauptursachen: Mangendes Bewusstsein bei Verbrauchern und anderen Akteuren, unangemessene Infrastruktur, Ineffizienz und mangelnde Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren in der Lieferkette sowie schlecht gestaltete Steuerpolitiken und Regulierungsmaßnahmen. Würden diese Defizite angegangen, könnten jedes Jahr Lebensmittelverluste im Wert von 700 Milliarden US-Dollar eingespart werden. Durch die Schaffung von mehr Bewusstsein könnte das Problem um $260 Milliarden verringert werden. Es gibt keine Regelungen, Industriestandards und eine Steuerpolitik, die darauf ausgerichtet sind, die Verschwendung von Lebensmitteln zu verringern oder eine effiziente Umnutzung zu ermöglichen, beklagen die Autoren Die Entsorgung von Lebensmittelabfällen sei sehr günstig und es fehlten Steuerregelungen, die Unternehmen oder Verbraucher für den Abfall, den sie produzieren, zur Kasse bitten. Zudem mangele es an Anreizen für die Reduzierung von Abfällen. Gäbe es diese Bestimmungen und Steueranreize, könnte das Problem der Lebensmittelverschwendung um weitere $110 Milliarden jährlich verringert werden.

„Etwa ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel weltweit landen im Müll. Das Problem stellt solch eine Herausforderung dar, dass es in die UN-Nachhaltigkeitsziele aufgenommen wurde“, sagte Mitautor Esben Hegnsholt. „Doch auch wenn es ein gewaltiges Problem ist, können wir heute schon Schritte unternehmen und Maßnahmen ergreifen, die verfügbares Wissen und Technologien nutzen, um Lebensmittelverluste und -verschwendung innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette stark zu verringern.“ Doch echte Fortschritte seien nur möglich sind, wenn Verbraucher, Regierungen, NGOs, Landwirte und Unternehmen alle engagiert und koordiniert an einem Strang ziehen. Die BCG sieht vor allem ein großes Potenzial bei den Unternehmen: „Während es viele Stakeholder gibt, die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung spielen, ist die Rolle der Unternehmen vielleicht am entscheidendsten“, sagte Unnikrishnan. „Unternehmen sind bei jedem Aspekt der Lebensmittelversorgungskette involviert, von der Produktion bis zum Verbrauch, und daher haben ihre Entscheidungen und Maßnahmen eine besonders große Wirkung. Gleichzeit haben sie eine große Expertise, Einblicke in Lösungsmöglichkeiten und das Geld, um diese zu realisieren.“ Letztendlich wirkt sich die Vermeidung der Lebensmittelverschwendung auch positiv auf ihre Bilanz aus, argumentiert die BCG. (ab)

09.08.2018 |

Das System Erde kippt: Wissenschaftler warnen vor Heißzeit

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Eine Heißzeit hätte fatale Folgen für die Landwirtschaft (Foto: CC0)

Die globale Erwärmung könnte sich trotz Maßnahmen zum Klimaschutz aufgrund von Rückkopplungseffekten selbst verstärken, sodass dem Planeten eine „Heißzeit“ droht. Eine im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences” erschienene Studie warnt, dass selbst eine Umsetzung des Klimaschutzabkommens von Paris nicht genügen könnte, um die globale Erwärmung auf 1,5°C bis 2°C zu begrenzen. Denn diese Erwärmung könnte zusätzlich Prozesse des Erdsystems anstoßen – Rückkopplungen – die wiederum die Erde langfristig um 4°C bis 5°C erhitzen und zu einem Meeresspiegelanstieg von 10 bis 60 Metern führen könnten. Das internationale Team von Wissenschaftlern um Hauptautor Will Steffen von der Australian National University (ANU) und Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre, die bereits mit ihrer Forschung zu den planetaren Belastungsgrenzen für Aufsehen sorgten, fordert daher eine deutliche Beschleunigung des Übergangs zu einer emissionsfreien Weltwirtschaft.

Die Forscher untersuchten zehn natürliche Rückkopplungsprozesse, von denen einige mit den sogenannten Kippelementen im Erdsystem verknüpft sind. Werden kritische Schwellen überschritten, könnten diese Kippelemente in grundlegend andersartige Zustände versetzt werden. Durch Rückkopplungen könnten etwa Kohlenstoffspeicher in Kohlenstoffquellen umgewandelt werden, die unkontrolliert Emissionen freisetzen würden. „Zu den kritischen Prozessen gehören insbesondere tauender Permafrost, der Verlust von Methanhydraten vom Meeresboden, eine Schwächung von Kohlenstoffsenken an Land und in den Ozeanen, eine zunehmende bakterielle Atmung in den Ozeanen, das teilweise Absterben des Amazonas-Regenwaldes sowie der borealen Wälder, eine Verringerung der Schneedecke auf der Nordhalbkugel, der Verlust von arktischem und antarktischem Meereis sowie das Schrumpfen der großen Eisschilde“, schreibt das Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), dessen amtierender Direktor Hans Joachim Schellnhuber ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Diese Kippelemente könnten sich wie eine Reihe von Dominosteinen verhalten“, erklärt Rockström. „Wird einer von ihnen gekippt, schiebt dieses Element die Erde auf einen weiteren Kipppunkt zu. Es könnte sehr schwierig oder sogar unmöglich sein, die ganze Reihe von Dominosteinen davon abzuhalten, umzukippen. Manche Orte auf der Erde könnten unbewohnbar werden, wenn die „Heißzeit“ Realität würde“, warnt der Forscher.

Schellnhuber betont, dass die Treibhausgasemissionen aus Industrie und Landwirtschaft das Klima und letztlich das ganze Erdsystem aus dem Gleichgewicht bringen. „Im Zentrum stehen hier vor allem die Kippelemente in der globalen Umwelt, die sich – sobald ein bestimmtes Belastungsniveau einmal überschritten ist – grundlegend, schnell und möglicherweise irreversibel verändern könnten.“ Es sei unklar, ob das Klimasystem sicher bei etwa 2°C über dem vorindustriellen Niveau ‚geparkt‘ werden könne, oder ob es, einmal so weit angestoßen, weiter abrutschen würde in ein dauerhaftes Supertreibhaus-Klima. Vor allem die Landwirtschaft würde in solch einem „Hothouse Earth“ bedroht sein. „Agrarsysteme sind extrem verletzlich“, schreiben die Forscher. „Sie basieren auf einer bewährten und vorhersehbaren räumlichen Verteilung von Temperatur und Niederschlag im Verhältnis zur Lage mit fruchtbaren Böden sowie auf eine bestimmte CO2-Konzentration in der Atmosphäre.“ Bei einer stabilen Begrenzung der Erderwärmung könnte noch ein Gleichgewicht zwischen einer Produktionszunahme oder -abnahme je nach Region erzielt werden, da sich menschliche Systeme anpassen. „Doch eine Heißzeit würde sehr wahrscheinlich die Anpassungsgrenzen überschreiten und zu einer erheblichen globalen Abnahme der Agrarproduktion führen, höhere Preise verursachen und die Unterschiede zwischen reichen und armen Ländern noch verstärken.“

Um die Chancen zur Vermeidung einer „Heißzeit“ zu verbessern, brauche es nicht nur eine entschlossene Minderung von Kohlendioxid- und anderen Treibhausgasemissionen. Auch erweiterte biologische Kohlenstoffspeicher, etwa durch ein verbessertes Wald-, Landwirtschafts- und Bodenmanagement, oder die Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie Technologien, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen und unterirdisch zu speichern, können eine wichtige Rolle spielen, so die Autoren. Entscheidend sei jedoch, dass diese Maßnahmen auch durch grundlegende gesellschaftliche Veränderungen gestützt werden. (ab)

01.08.2018 |

Überlastete Erde: nachhaltig nutzbare Ressourcen für 2018 sind verbraucht

Planet
Die Ressourcen für 2018 sind alle (Foto: CC0)

Auf den 1. August fällt dieses Jahr der Erdüberlastungstag – das Datum, an dem die Menschheit die für 2018 nachhaltig nutzbaren Ressourcen verbraucht hat. Für den Rest des Jahres leben wir wieder auf Pump und belasten den Planeten über das regenerierbare Maß hinaus. Um unseren Konsum zu decken, wären rein rechnerisch 1,7 Erden notwendig. Und der Ressourcenverbrauch nimmt immer stärker an Fahrt auf: Seit den frühen 1970er Jahren leben wir über unsere Verhältnisse, doch so früh wie dieses Jahr wurde die Belastungsgrenze bisher nicht erreicht. Die internationale Forschungsorganisation „Global Footprint Network berechnet den „Earth Overshoot Day“ jährlich neu. Gegenübergestellt werden dabei einerseits die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Emissionen und andererseits der ökologische Fußabdruck – der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch CO2-Ausstoß und Müllproduktion. Um die Jahrtausendwende fiel das Datum noch auf Ende September.

Dass die Menschheit das ökologische Budget überstrapaziert, verursacht hohe Kosten: Abholzung, schwindende Fischbestände, Süßwasserknappheit, Bodenerosion, der Verlust der Artenvielfalt und die Belastung der Atmosphäre mit CO2. Dies heizt den Klimawandel an und verstärkt Dürren, Waldbrände und Stürme. Viele Menschen sehen sich durch diese Bedrohungen gezwungen, in die Städte oder andere Länder abzuwandern. „An diesem Erdüberlastungstag mag der Unterschied zwischen heute und gestern nicht auffallen – im Kühlschrank befinden sich immer noch dieselben Lebensmittel“, erklärt Mathis Wackernagel, der das Global Footprint Network leitet. „Doch im Westen der USA wüten heftige Waldbrände. Auf der anderen Seite der Welt mussten die Bewohner Kapstadts ihren Wasserverbrauch seit 2015 halbieren. Dies sind die Folgen davon, dass wir das ökologische Budget unseres einzigen Planeten überziehen.“ Um ihren Ressourcenbedarf nachhaltig zu decken, bräuchte die Menschheit rechnerisch 1,7 Planeten. Noch verschwenderischer mit den Ressourcen als der Durchschnitt gehen die USA und Australien um: Würde die gesamte Welt diesen Konsum- und Lebensstil übernehmen, wären 5 bzw. 4,1 Erden notwendig, Südkorea und Russland beanspruchen je 3,5 und 3,4 Erden, gefolgt von Deutschland mit 3 Planeten. Indien hingegen nutzt nur 0,7 Erden.

Doch das Global Footprint Network glaubt an die Möglichkeit einer Trendwende und hat Bereiche ausgemacht, die das größte Potenzial zur Begrenzung des ökologischen Overshoot bergen. Würde der Autoverkehr weltweit um 50% eingeschränkt und ein Drittel der mit dem Auto zurückgelegten Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Rest zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigt, wäre der Erdüberlastungstag 12 Tage später. Würde der Beitrag der Kohle zum ökologischen Fußabdruck durch CO2-Emissionen halbiert, wären statt 1,7 nur noch 1,2 Erden nötig und das Datum ließe sich um 93 Tage nach hinten schieben. Unsere Ernährung ist ebenfalls ein wichtiger Bereich. Würde die globale Lebensmittelverschwendung halbiert, der Fußabdruck unseres Ernährungsstils durch eine Abkehr von einer Ernährung mit viel Fleisch aus industrieller Haltung hin zu einer mehr pflanzlichen Ernährung mit Lebensmitteln aus der Region verringert und würden alle nur so viele Kalorien zu sich nehmen wie aktuell die Welt im Schnitt, dann könnte das Datum um 38 Tage verschoben werden. „Die Vergangenheit bestimmt nicht zwangsläufig unsere Zukunft. Es sind die aktuellen Entscheidungen. Durch kluge, vorausschauende Entscheidungen können wir die Trends beim Konsum der natürlichen Ressourcen umkehren und die Lebensqualität aller Menschen verbessern“, betont die Organisation.

Anlässlich des Erdüberlastungstags setzt sich auch ein Aktionsbündnis aus deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen für eine Kehrtwende in der Lebens- und Wirtschaftsweise ein. In einer Pressemitteilung fordern INKOTA, Germanwatch, die Naturschutzjugend im NABU, FairBindung und die BUNDjugend von der Bundesregierung und deutschen Unternehmen, ihrer großen Verantwortung für Klima- und Umweltschutz gerecht zu werden und endlich zukunftsfähig zu wirtschaften. Einer der Hauptverursacher der Erdüberlastung sei die industrielle Landwirtschaft. „Unternehmen wie Bayer und BASF, die mit ihrer Wirtschaftsweise unseren Planeten am stärksten belasten, müssen in besonderer Weise in die Pflicht genommen werden“, sagte Lena Michelsen von INKOTA. Damit könne die Bundesregierung zeigen, dass sie Klima- und Landwirtschaftspolitik zusammendenkt. (ab)

27.07.2018 |

Studie zur Welternährung: Lebensmittel für Menschen statt für Tiere

Mais
Mehr Mais für Menschen statt für Tiere (Foto: CC0)

Die aktuelle Lebensmittelproduktion reicht auch aus für 9,7 Milliarden Menschen im Jahr 2050 – aber dafür müsste sich unsere Ernährungsweise ändern. Das ist nicht neu, doch Forscher der Universität Lancaster haben Daten der Welternährungsorganisation FAO, Nährstoff- und Kalorienbilanzen und Informationen zur Tierhaltung und zum menschlichen Nährstoffbedarf zusammengeführt und verschiedene Szenarien berechnet. Ihr Fazit lautet, dass an einer grundlegenden Änderung der menschlichen Ernährung kein Weg vorbeiführt, wenn die wachsende Weltbevölkerung gesund und nachhaltig ernährt werden soll, ohne die natürlichen Ressourcen des Planeten auszubeuten. Dazu müssten Fleisch- und Milchprodukte deutlich reduziert und mit pflanzlichen Alternativen ersetzt werden und Pflanzen, die aktuell als Tierfutter im Trog landen, vor allem Mais, direkt für die Ernährung von Menschen verwendet werden.

Die Forscher beziehen sich auf Kalorien und berechneten, welche Auswirkungen es hätte, wenn es der Weltbevölkerung im Jahr 2050 nicht gelingen würde, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, der aktuelle Lebensmittelverbrauch pro Kopf aufrechterhalten würde und der Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Fisch gemäß den Prognosen der FAO auf 730 Kilokalorien pro Person und Tag ansteigen würde. „Wenn wir weitermachen wie bisher bei unserer Ernährung, müsste der Anbau essbarer Feldfrüchte im Jahr 2050 um 119% gesteigert werden“, sagte Professor Nick Hewitt vom Lancaster Environment Centre. Die Wissenschaftler geben zu bedenken, dass Fleisch- und Milchprodukte – vor allem, wenn sie von Tieren aus Weidehaltung stammen, die mit Gras und Ernteresten gefüttert wurden – für die Ernährung von jenen Menschen von Bedeutung sind, die sonst keinen Zugang zu einer ausgewogenen Ernährung haben. Doch sie schlussfolgern, dass „insgesamt die industrialisierte Produktion von Fleisch und Milchprodukten, die aktuell darauf basiert, 34% der Kalorien aus Pflanzen, die für die menschliche Ernährung geeignet sind, weltweit an Tiere zu verfüttern, hochgradig ineffizient ist in Bezug auf die menschliche Ernährung, da sie die Energie-, Eiweiß-, Eisen- und Zinkversorgung schmälert, die den Menschen aus Pflanzen zur Verfügung steht und nicht vereinbar ist mit einem nachhaltigen globalen Ernährungssystem.” Professor Hewitt erklärte, die Analyse habe keine Argumente liefern können für eine Verfütterung von für den Menschen essbaren Pflanzen an Tiere, wodurch die Kalorien- und Eiweißversorgung verringert werde.

Die Studie zeigt zudem, dass die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung und des Überkonsums zwar auch wichtig ist, doch quantitativ weniger bedeutend. „Die Argumente für die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung in allen Stufen der Versorgungskette und für die Verringerung eines Konsums, der über das für ein gesundes Leben erforderliche Maß hinausgeht, ist offensichtlich. Doch wir zeigen, dass wenn die Erträge nicht gesteigert werden, beide Faktoren quantitativ weniger bedeutend sind als die Verringerung der Menge an essbaren Lebensmitteln, die an Tiere verfüttert werden“, schreiben die Autoren. Die Analyse legt auch dar, dass es für die Produktion von Biosprit kaum Spielraum gibt. „Aktuell werden 16% der Lebensmittel, die für die Ernährung bereitstehen würden, für Nichtnahrungszwecke genutzt, vor allem die Herstellung von Biosprit. Ein verstärkter Druck durch Biosprit auf die Märkte könnte das globale Ernährungssystem weiter strapazieren“, sagte Professor Mike Berners-Lee vom Institute for Social Futures der Lancaster University. Er fügte hinzu, dass „aktuell der Fokus darauf liege, die Steigerung der Lebensmittelproduktion und die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung als die Hauptmechanismen für die Gewährleistung der globalen Ernährungssicherheit zu betonen.“ Doch die möglichen Vorteile höherer Erträge gingen verloren, wenn diese zusätzliche Lebensmittelproduktion für die Produktion von Biosprit und die Fütterung von Tieren aufgewendet würde. (ab)

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