Nachrichten

28.04.2015 |

Frankreich sagt Lebensmittelverschwendung den Kampf an

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Ab damit in die Tonne? (Foto: hupdiggs/flickr.com)

Frankreich will entschlossen gegen die Lebensmittelverschwendung vorgehen und zum Beispiel Supermärkten verbieten, noch essbare Lebensmittel wegzuwerfen. Guillaume Garot, Abgeordneter der sozialdemokratischen Regierungspartei PS, legte am 14. April nach mehrmonatiger Arbeit Landwirtschaftminister Stéphane Le Foll und Umweltministerin Ségolène Royal einen ausführlichen Bericht vor. Er enthält einen Maßnahmenkatalog mit 36 konkreten Vorschlägen, die bald in Gesetzesform gegossen werden sollen. Damit möchte Frankreich bis 2025 die Lebensmittelverschwendung halbieren, die das Land jedes Jahr bis zu 20 Milliarden Euro kostet. Dem Bericht zufolge werden in Frankreich pro Kopf jährlich 82 bis 146 Kilo Lebensmittel weggeworfen, 16 Kilo davon in der Gastronomie, sechs Kilo in Supermärkten und 33 Kilo von den Verbrauchern – ganz zu schweigen von den Unmengen an Agrarerzeugnissen, die es gar nicht erst in den Handel schaffen. Frankreichs Haushalte verschwenden im Schnitt jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 400 Euro. „Aus ethischer, aber auch aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht ist die Verschwendung von noch essbaren Lebensmitteln einfach nicht mehr akzeptabel“, betont Guillaume Garot. Seine Vorschläge sehen vor, dass es Supermärkten künftig verboten werden soll, Lebensmittel zu entsorgen. Noch verzehrbare Lebensmittel sollen an Hilfsorganisationen und Tafeln gehen. In speziellen Regalen sollen vergünstigte Lebensmittel angeboten werden, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft. Zudem ist eine generelle Überarbeitung der Mindesthaltbarkeitsdatums geplant, um Missverständnissen vorzubeugen. Doch auch bereits verdorbene Lebensmittel, die wie die Zeitung Neues Deutschland berichtet in zahlreichen Supermarktketten bisher mit Chlor übergossen werden, sollen als Futtermittel Verwendung finden oder in Methan umgewandelt werden. Der Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln setze „einen tiefgreifenden Wandel unserer Produktions- und Konsumgewohnheiten“ und eine „kollektive Mobilisierung“ voraus, unterstreicht Garot. Und auch in der französischen Gastronomie soll ein Sinneswandel herbeigeführt werden. Restaurantgänger sollen künftig aktiv ermuntert werden, die Reste auf ihren Tellern mit nach Hause zu nehmen – eine bisher in vielen Restaurants undenkbare Praxis. Viele Franzosen wagen es nicht, den Kellner zu bitten, ihnen die Reste der Mahlzeit einzupacken, doch diese „kulturelle Hürde“ will Garot überwinden. (ab)

23.04.2015 |

Vorschusslorbeeren: Weißes Haus verleiht Preis an Väter des Goldenen Reis

Gold
Goldener und weißer Reis (Foto: IRRI Photos)

Die Erfinder des gentechnisch veränderten Golden Rice sind vom Weißen Haus mit dem „Patents for Humanity Award“ ausgezeichnet worden – zur Verärgerung zahlreicher Nichtregierungs- und Bauernorganisationen weltweit, die die Entscheidung als verspäteten Aprilscherz bezeichneten. Das dem Handelsministerium unterstellte Patentamt der Vereinigten Staaten (USPTO) verlieh den Preis an Professor Ingo Potrykus von der ETH Zürich und Professor Peter Beyer von der Universität Freiburg, die in den 1990er Jahren durch ihre Forschung die Grundlagen für den Gentechnik-Reis legten. Sie teilen sich die Auszeichnung mit Dr. Adrian Dubock, einst Mitarbeiter von Syngenta. Die Wissenschaftler verkauften das Patent an den Schweizer Agrarkonzern, der beteuert, im Falle einer Vermarktung des Reises von armen Bauern keine Gebühren zu verlangen. Der Reis wurde gentechnisch so verändert, dass er mehr Betacarotin produziert, welches im Körper in Vitamin A umgewandelt wird. Weltweit sterben jährlich 2-3 Millionen Kinder an den Folgen von Vitamin-A-Mangel, etwa 500.000 Kinder erblinden daran. Entwickelt wird der Reis vom Internationalen Reisforschungsinstitut (IRRI) auf den Philippinen, bisher jedoch mit dürftigem Erfolg: 2014 ruderte das IRRI zurück und kündigte an, dass noch mehr Forschung bis zur Marktreife nötig sei, da die Erträge deutlich niedriger ausfielen als bei von Bauern bereits verwendeten Reissorten. Mehr als 100 Millionen US-Dollar soll die Entwicklung bereits verschlungen haben. Die indische Umwelt- und Saatgutaktivistin Dr. Vandana Shiva wies darauf hin, dass der Goldene Reis in keinem Land der Welt getestet und zugelassen wurde: „Statt einen Preis einer Fiktion zu verleihen, sollte er an UNICEF und Regierungen gehen, die den Vitamin-A-Mangel durch die Verteilung von Vitamin A-Tabletten verringert haben. Er sollte an Frauen gehen, die Vitamin-A reiche Lebensmittel anbauen und kochen können, wenn sie das Saatgut und das Land für einen Garten hätten“, so Shiva. Während Befürworter den Gentechnik-Reis als effektives Mittel gegen Mangelernährung loben und Gegnern vorwerfen, ihr Widerstand sei für den Tod von Millionen Kindern verantwortlich, betonen zahlreiche Bauern-, Verbraucher- und Nichtregierungsorganisationen, Gentechnik-Reis sei der falsche Weg, um Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen. „Mikronährstoffmangel tritt meist bei Kindern aus armen Familien auf, die sich keine ausgewogene Ernährung leisten können. Golden Rice ist daher keine Lösung, stattdessen benötigen diese Menschen Zugang zu Ressourcen“, sagt kürzlich Dr. Chito Medina, der nationale Koordinator des bäuerlichen Saatgutnetzwerkes Masipag auf den Philippinen. Es gebe schon lange erfolgreiche und kostengünstige Programme zur Verteilung von Vitamin A-Tabletten. Langfristig sei jedoch die einzige Lösung der Zugang zu einer ausgewogenen Ernährung. (ab)

20.04.2015 |

Fruchtbare Böden: Basis für die Welternährung und nachhaltige Entwicklung

Soil
Eine Handvoll Boden (Foto: Pat Dumas/flickr.com)

Gesunde Böden sind die Grundlage der Lebensmittelproduktion und sollten eine Schlüsselstellung auf der politischen Agenda einnehmen. Das fordert das Eröffnungspodium der Global Soil Week, die am Montag in Berlin offiziell begann. Durch Versiegelung, Erosion und falsche Bewirtschaftung gehen jedes Jahr weltweit rund 24 Milliarden Tonnen fruchtbaren Bodens verloren. Meist unwiederbringlich, denn es dauert mehrere Generationen, um nur 1cm neu zu bilden. „Wir gehen mit Böden um, als ob es eine Ressource wäre, die wir im Kaufhaus noch kaufen könnten, und das ist nicht der Fall. Deswegen wollen wir alle verfügbaren Experten, aber auch Politiker und Zivilgesellschaft zusammenbringen, um dafür zu sorgen, dass wir die Böden in Zukunft nachhaltig bewirtschaften“, sagt Alexander Müller vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS). Das Institut richtet das viertägige Zusammentreffen von über 500 Experten aus aller Welt gemeinsam mit Partnern wie der UN-Welternährungsorganisation FAO oder der EU-Kommission aus. „Böden sind unerlässlich für die Ernährungssicherheit und bergen das Potenzial, die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Die Ressource Boden muss weltweit die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient“, forderte Moujahed Achouri, Leiter der FAO-Abteilung für Land und Wasser bei der Eröffnung. Unter dem Motto „Boden. Die Substanz der Transformation“ legt die Global Soil Week dieses Jahr den Schwerpunkt auf die Bedeutung von Land und Böden für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele. Die Sustainable Development Goals (SDGs) sollen im Herbst von der UN-Generalversammlung verabschiedet werden und die Ende 2015 auslaufenden Millenniums-Entwicklungsziele ablösen. Doch ein vom IASS vorgestelltes Papier warnt, dass die global vorhandene Landfläche nicht ausreicht, um den sich aus allen SDGs ergebenden Landbedarf zu decken wie sie im aktuellen Textentwurf stehen. Zwölf der 17 vorgeschlagenen Ziele beziehen sich nämlich auf die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, wie Land, Wasser und Biomasse. Ziel 2 zu Nahrungssicherung und nachhaltiger Landwirtschaft erfordere zudem zusätzliche Landflächen, ebenso wie Ziel 7 zur Energieversorgung, Ziel 12 zu Produktion und Konsum und Ziel 15 zur nachhaltigen Nutzung der Ökosysteme. Der hohe Landbedarf hierfür könne die künftige Verfügbarkeit von Land stark beeinflussen und die Erreichung der Ziele gefährden. Um alles unter einen Hut zu bekommen, müssen den Autoren zufolge bei der Umsetzung auf nationaler Ebene demokratische Wege gefunden werden, um die verschiedenen Bedürfnisse auszubalancieren. Doch auch Verbraucherinnen und Verbraucher könnten dazu beitragen, die wertvolle Ressource Boden zu schonen und weniger Land zu belegen - nicht nur durch die Wahl, was sie essen und konsumieren, sondern auch durch die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. (ab)

17.04.2015 |

Bodenlos: G7-Projekte zur Hungerbekämpfung verdrängen Kleinbauern

Tansania
Kleinbäuerin in Tansania (Foto: Neil Palmer/CIAT)

Die Neue Allianz für Ernährungssicherung der G7-Staaten birgt für Kleinbauern das Risiko von Hunger, Verschuldung und Landverlust. Darauf weisen INKOTA und FIAN Deutschland anlässlich des Tages der Landlosen am 17. April hin und fordern von der Bundesregierung den Ausstieg aus der Allianz. „Die wenigen Projekte der Neuen Allianz, die bisher bekannt wurden, fördern fast ausschließlich großflächige, agroindustrielle Landwirtschaft und Unternehmensinteressen auf Kosten der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern“, kritisiert INKOTA-Landwirtschaftsexperte Jan Urhahn. Zudem zeichnen sich die Projekte durch Intransparenz aus. Die Organisationen zeigen am Beispiel von Mosambik und Tansania, wie kleinbäuerliche Gemeinden vom Zugang zu Land und Wasser abgeschnitten werden und so ihre Ernährungs-sicherheit gefährdet statt gefördert wird. In Mosambik sieht das durch die Neue Allianz unterstützte Projekt der Agrarfirma Mozaco in den landwirtschaftlichen Wachstumskorridoren Nacala und im Zambeza-Tal vor allem den Anbau von Soja für den Export vor. Doch dadurch drohe Tausenden Kleinbauernfamilien der Verlust ihres angestammten Ackerlandes. In Tansania bewirtschaftet die schwedische Firma EcoEnergy eine 20.000 Hektar große Zuckerrohrplantage. Zwar seien einige der Betroffenen mit Ersatzland entschädigt worden, doch die Bodenfruchtbarkeit lasse zu wünschen übrig. Darüber hinaus müssten die Bauern zum Einstieg in das dazugehörige Vertragslandwirtschaftsprojekt pro Person Kredite über 16.000 US-Dollar aufnehmen. Dies übersteigt das Jahresgehalt eines Landarbeiters in Tansania um ein Vielfaches. „Die Verschuldungsspirale ist vorprogrammiert“, betont Gertrud Falk von FIAN. Den Organisationen zufolge trage die Bundesregierung nicht nur im Rahmen der Neuen Allianz zur einseitigen Förderung von Agrarunternehmen bei, sondern habe auch die Erarbeitung einer internationalen Erklärung der Rechte von Kleinbauern und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, im UN-Menschenrechtsrat gebremst und bei der letzten Sitzung der zuständigen Arbeitsgruppe durch Abwesenheit geglänzt. „Angesichts der zunehmenden Verletzungen des Rechts auf Nahrung und Wasser von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durch staatlich geförderte Projekte der Agrarindustrie, muss die Bundesregierung ihrer Rolle als Vorsitzende des UN-Menschenrechtsrats gerecht werden und die Erarbeitung dieser Erklärung deutlich unterstützen“, fordert Gertrud Falk. Am 17. April wird mit unzähligen Demonstrationen und solidarischen Aktionen weltweit der Unterdrückung und Diskriminierung der ländlichen Bevölkerung gedacht und ihr Widerstand gefeiert. Die internationale Kleinbauernbewegung La Via Campesina mobilisiert seit 1996 zu Ehren von 19 ermordeten landlosen Bauern in Brasilien zu diesem Tag. 2015 stellt der Aktionstag insbesondere die Auswirkungen von transnationalen Unternehmen und Freihandelsabkommen für die (klein-)bäuerliche Landwirtschaft und Ernährungssouveränität in den Mittelpunkt. (ab)

16.04.2015 |

Brasiliens Krebsinstitut warnt vor Gesundheitsgefahren durch Pestizide

Brasilien
Gewohntes Bild in Brasilien (Foto: Claus Isenberg/flickr.com)

Brasiliens Krebsinstitut INCA hat eine konsequente Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft gefordert und den Gentechnik- Anbau für den explosionsartigen Anstieg des Ackergiftverbrauchs verantwortlich gemacht. Das dem Gesundheitsministerium unterstellte Institut warnte am 8. April öffentlich vor langfristigen Gesundheitsfolgen – nur wenige Tage, nachdem die WHO-Krebsforschungsagentur das Herbizid Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für Menschen“ eingestuft hatte. Brasilien ist Weltmeister im Pestizidverbrauch: Mehr als eine Million Tonnen landen alljährlich auf Äckern und Sojafeldern. Nun mahnte das INCA eine schrittweise und stetige Senkung des Giftverbrauchs an. Mit dem Appell will das Institut aufklären und Krebsfälle verhindern. „Das INCA positioniert sich eindeutig nicht unbegründet oder aus ideologischen Motiven. Das Institut folgt wissenschaftlichen Belegen, die Ergebnis der Arbeit seines Teams und von Wissenschaftlern weltweit sind“, erklärt Professor Luiz Felipe Ribeiro Pinto. Während in Brasilien 2001 der Umsatz mit Agrargiften noch 2 Milliarden US-Dollar betrug, waren es 2011 bereits 8,5 Milliarden. Pro Einwohner werden jedes Jahr im Schnitt 5,2 Liter versprüht. „Wir müssen uns erinnern, dass der Pestizideinsatz in zehn Jahren explodiert ist. Wenn wir bedenken, dass Krebs 20 oder 30 Jahre nach der Exposition auftritt, werden die Menschen die Folgen des enormen Anstiegs beim Pestizidverbrauch in etwa 15 bis 20 Jahren spüren“, so Pinto. Die Ursachen für den Anstieg benennt INCA klar: „Die Einführung von gentechnisch verändertem Saatgut in Brasilien war einer der Hauptgründe, warum das Land im internationalen Vergleich den ersten Platz beim Pestizidverbrauch einnahm, denn der Anbau von GVO erfordert große Mengen dieser Produkte.“ Bedenklich sei, dass in Brasilien die Gifte per Flugzeug aus der Luft ausgebracht werden und auch Pestizide genutzt werden, die andernorts längst verboten sind. Besonders gefährdert seien Menschen, die durch ihre Arbeit direkten Kontakt mit den Giften haben. Akute Vergiftungen äußern sich durch Hautirritationen, Augenbrennen, Erbrechen, Durchfall und Atembeschwerden, während chronische Vergiftungen wie Unfruchtbarkeit, Impotenz, Fehlgeburten oder Krebs erst viel später auftreten und der Nachweis schwierig sei. Dem Institut zufolge sind weite Teile der Bevölkerung Pestizidrückständen in Lebensmitteln ausgesetzt. Die Gesundheitsbehörde Anvisa hatte in ihren letzten Proben in zahlreichen Lebensmitteln Rückstände ermittelt, die deutlich über den zugelassenen Höchstmengen lagen oder von nicht zugelassenen Pestiziden stammten. Nicht nur in Obst und Gemüse, sondern auch in industriell verarbeiteten Lebensmitteln wie Keksen, Brot oder Pizza sowie in Fleisch und Milch seien Rückstände festgestellt worden. Aus Angst dürfe die Folge aber nicht der Verzicht auf Obst und Gemüse sein: „Im Mittelpunkt muss der Kampf gegen den Pestizideinsatz stehen, der alle Quellen unserer lebenswichtigen Ressourcen wie Nahrung, Böden, Gewässer, Muttermilch und Luft verschmutzt“, schreibt das Institut. „Statt dem vorherrschenden Agrarmodell unterstützt das INCA eine agrarökologische Erzeugung“, denn „dieses Modell verknüpft die Produktion mit der Bewahrung der Biodiversität und anderer lebenswichtiger natürlicher Ressourcen." Die agrarökologische Lebensmittelproduktion liefere Produkte, die frei von Pestiziden sind und erhalte so das ökologische Gleichgewicht, stärke die Landwirte und schütze die Natur. (ab)

14.04.2015 |

Revolution auf dem Teller: Europas Bürger setzen auf lokale Ernährungssysteme

Prag
Bauernmarkt in Prag (Foto: Tomas Kohl/flickr.com)

Bürger und Gemeinden in Europa erobern Schritt für Schritt die Kontrolle über das Ernährungssystem von der Agrarindustrie zurück und bestimmen wieder selbst darüber, wo, wie und von wem ihre Lebensmittel angebaut werden. Das ist die frohe Botschaft eines am Montag veröffentlichten Berichts der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Europe. Dieser zeigt auf, wie die Globalisierung der Lebensmittelproduktion zu einem Monopol im Agrarsektor geführt hat: Wenige Konzerne beherrschen die Lebensmittelkette und kontrollieren Saatgut, Agrochemikalien sowie Verarbeitung, Transport und Verkauf von Lebensmitteln. 2011 beherrschten Edeka, Rewe, Aldi sowie die Schwarz Gruppe mit Kaufland und Lidl rund 85% des Marktes, in Portugal hatten nur drei Einzelhändler einen Marktanteil von 90%. Lange und unübersichtliche Lieferketten bewirken, dass viele Menschen nicht mehr wissen, was sie genau essen und woher ihre Lebensmittel stammen. Doch dem Bericht zufolge machen sich immer mehr Menschen Gedanken über die Auswirkungen ihrer Essgewohnheiten und steuern um. Bauernmärkte, Hofläden, Solidarische Landwirtschaft (CSA) und andere Projekte schießen wie Pilze aus dem Boden und knüpfen neue Bande zwischen Produzenten und (städtischen) Konsumenten. Diese Initiativen betrachten die Autoren als Ausdruck einer wachsenden Basisbewegung, die lokale Nahrungsketten fördert, welche nachhaltig produzierte Lebensmittel aus kleinbäuerlicher Erzeugung – auch genannt agrarökologische Landwirtschaft – liefern. Anhand von fünf Beispielen zeigt der Bericht Wege auf, wie Gemeinschaften nachhaltige Erzeuger unterstützen und die lokale Wirtschaft wieder beleben können. In Italien etwa gibt es die Bewegung der Gruppi di Acquisito Solidale (GAS) – Konsumentengruppen, die gemeinsam und direkt bei lokalen Erzeugern einkaufen. In den letzten 10 Jahren nahm ihre Zahl rapide zu: Mittlerweile bestehen rund 2000 dieser Gruppen, die gemeinsam einen Jahresumsatz von 90 Millionen Euro verzeichnen. In Nordspanien haben drei Geflügelbauern die bäuerliche Kooperative Avicultura Campesina mit eigenem Schlachthaus gegründet und behalten so die Versorgungskette vom Hof bis zum Teller ohne Zwischenhändler in der Hand. Ein weiteres Beispiel sind Bauernmärkte in Tschechien: Seit der erste Markt 2009 in Prag eröffnete, stieg die Nachfrage nach regionalen Produkten stetig. Nach nur zwei Jahren war die Zahl der Bauernmärkte in der Hauptstadt schon auf 13 angewachsen. Laut Jana Spilkovà, einer Assistenzprofessorin an der Karlsuniversität in Prag “illustrieren sie den Beginn einer spürbar neuen Verbraucher- und Erzeugerkultur”. Friends of the Earth appelliert daher an politische Entscheidungsträger, die Vorteile kurzer Lebensmittelketten für die Menschen und die Umwelt anzuerkennen und diese in mehreren Politikbereichen zu unterstützen, einschließlich der Gesundheits-, Umwelt-, Handels- und Agrarpolitik. Das Fazit des Berichts: „Lokal hergestellte und erschwingliche agrarökologische Lebensmittel sollten das Rückgrat eines Ernährungssystems bilden, das unsere Ernährungssouveränität stärkt. Das Modell ‘Weiter wie bisher’ kann künftig keine Option für ein gut funktionierendes Ernährungssystem sein.” (ab)

09.04.2015 |

Umweltbundesamt fordert zügige Ausweitung des Ökolandbaus auf 20%

Dünger
Zu viel Gülle schadet (Foto: chesbayprogram/flickr.com)

Das Umweltbundesamt (UBA) hat eine stärkere Ausweitung des Ökolandbaus in Deutschland gefordert, um die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft zu verringern und die Nachfrage nach Bioprodukten decken zu können. „Ein Anteil von 20 Prozent Öko-Landbau ist dringend notwendig“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger der taz. In einer neuen Studie beleuchtet die Behörde die Umweltfolgen, die der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in der industriellen Landwirtschaft mit sich bringt. Seit Jahren stagniere der Stickstoffüberschuss mit 97 kg N/ha auf hohem Niveau. Die Nitrat-Belastung des Grundwassers und die Eutrophierung von Gewässern sei vor allem der intensiven Stickstoffdüngung anzulasten. Durch Pflanzenschutz- und Düngemittel werden zudem Schwermetalle, Schadstoffe und Arzneimittel aus der Intensivtierhaltung in die Umwelt emittiert. Laut UBA war die deutsche Landwirtschaft 2012 für 7,5% der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich und liegt damit nach der Energieerzeugung mit 84% auf dem zweiten Platz. Eine Lösung sei mehr Ökolandbau. „Die ökologische Landwirtschaft entlastet Grund- und Oberflächengewässer, weil keine mineralischen Stickstoffdünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen. Stickstoffüberschüsse werden weitestgehend vermieden, da die Tierhaltung an die vorhandene Betriebsfläche gebunden ist. Vielfältige Fruchtfolgen und der Anbau stickstoffbindender Pflanzen fördern nicht nur die Artenvielfalt und sorgen für Humusanreicherung, sie wirken sich zusätzlich auch positiv auf das Klima aus, weil auf energieintensive Mineraldünger verzichtet wird. Auch Antibiotika werden in der Öko-Tierhaltung seltener und nur in Einzelfällen angewendet“, so das eindringliche Plädoyer des UBA. Doch derzeit wird nur 6,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet. Die Bundesregierung hatte zwar im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie eine Ausweitung des Ökolandbaus auf 20% der landwirtschaftlich genutzten Fläche verkündet. Einst sollte dies bis 2010 geschehen, nun gibt es keine konkrete Jahresvorgabe. Bei einem „Weiter wie bisher“ würde es nach UBA-Berechnungen noch bis zum Jahr 2070 dauern, bis das 20-Prozent-Ziel erreicht ist. Am geringen Interesse der Verbraucher liegt es nicht: Die Biobranche verbuchte 2014 ein Umsatzplus von 4,8%, das Marktvolumen betrug 7,91 Milliarden Euro. Da die Nachfrage nach Ökoprodukten schneller als die Anbaufläche wächst, werden immer mehr Bioprodukte importiert. „Wenn einheimische Ökonachfrage mit ausländischer statt einheimischer Ökoproduktion gedeckt wird, bleiben die mit der Ökoproduktion verbundenen Umweltleistungen sowie die Chancen auf Wertschöpfung im ländlichen Raum Deutschlands ungenutzt“, warnt die Studie. Doch es mangle an finanzieller Unterstützung für eine Umstellung auf Ökolandbau: „Viele Landwirte sind nur dann bereit auf eine ökologische Wirtschaftsweise umzustellen, wenn die Förderung ausreicht und verlässlich ist. Hierfür sollten entsprechende Anreize gesetzt und für Planungssicherheit gesorgt werden." Als weitere Maßnahme fordert das UBA die Erhöhung der Mittel für die Ökolandbauforschung von derzeit 2,2 % zumindest auf das Niveau des Ökoflächenanteils und wenigstens rund 7% der Agrarforschungsgelder. (ab)

07.04.2015 |

Deutscher Fleischhunger frisst Flächen: Studie fordert Ernährungswende

Soja
Soja für deutsche Futtertröge (Foto: Lucio Marquez/flickr)

Deutschland belegt für die Deckung des Bedarfs an Agrarprodukten 5,5 Millionen Hektar Land in anderen Regionen und befördert durch eine fleischlastige Ernährung Klimawandel und Umweltzerstörung. Darauf macht eine neue Studie des WWF aufmerksam, die zugleich zeigt, dass eine abwechslungsreiche Ernährung in den ökologischen Grenzen des Planeten möglich ist. Die Bundesrepublik beansprucht demnach für die Erzeugung von Agrarprodukten 21,66 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche im In- und Ausland, davon 19,4 Millionen für die Ernährung. Das entspricht 2.681 Quadratmeter pro Kopf, wovon 2.397 m² ernährungsbedingt sind. Nur 28% der Fläche entfällt auf die Versorgung mit pflanzlichen Produkten, während 72% bzw. 1.721m² für die Herstellung tierischer Erzeugnisse benötigt werden, allein 1.019 m² für Fleisch. „Wir sind dabei unseren Planeten leer zu fressen“, warnt Tanja Dräger de Teran vom WWF. Der hohe Konsum tierischer Lebensmittel sei sowohl ökologisch als auch gesundheitlich kritisch zu sehen: Mehr als 30% der importierten Lebens- und Futtermittel stehen mit Waldzerstörung im Zusammenhang, gerade in Südamerika, wo der deutsche Futtermittelbedarf 2,8 Millionen Hektar okkupiert und so zum Verlust der Artenvielfalt und der Zerstörung wichtiger Lebensräume beiträgt. Zudem ist der hohe Fleischkonsum auch ungesund: Mit einem Fleischverzehr von im Schnitt 60 Kilo pro Kopf und Jahr liegen die Deutschen weit über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die von mehr als 300 bis 600 g Fleisch pro Woche abrät. Als kritischen Faktor bei der künftigen Verfügbarkeit von Nahrung bezeichnet die Studie fruchtbares Ackerland. Momentan braucht jeder Deutscher jährlich 1.562 m² Ackerfläche für seine Ernährung. Bis 2050 wird die verfügbare Ackerfläche beim Anstieg der Weltbevölkerung auf 9,6 Milliarden Menschen nur noch 1.166 m² betragen. Daher hat der WWF ein Zukunftsszenario 2050 mit einer Ernährungspyramide entwickelt: Würden sich die Deutschen gesund ernähren, vermeidbare Abfälle an Nahrungsmitteln einsparen und den Fleischkonsum auf 350 g pro Woche reduzieren, kämen sie mit der im Jahr 2050 verfügbaren Ackerfläche aus. Die Pyramide umfasst einen vielfältigen Speiseplan mit viel Getreideprodukten, Nüssen und Gemüse, ergänzt durch Leguminosen wie Lupine oder Linsen, die bisher in deutschen Küchen unterrepräsentiert sind. Denn während ein Hamburger mit Pommes nach Berechnungen des WWF mit 3,56 m² Agrar-Fläche zu Buche schlägt, kommt ein Rotes Linsencurry mit gerade einmal 0,33 m² aus. Die DGE begrüßte die Offensive zum verringerten Fleischverzehr: Die Bevorzugung von Gemüse und Obst sowie Getreideprodukten und Kartoffeln diene sowohl einer gesundheitserhaltenden als auch nachhaltigen Ernährung. Zudem seien gerade Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen reich an hochwertigem pflanzlichen Protein. (ab)

02.04.2015 |

Welternährung: Ökologische Agrarwende als Ausweg aus der Hungerkrise

Reis
Es ist genug für alle da (Foto: World Bank Photo Collection)

Die Beseitigung des Welthungers wird nicht allein durch eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität mithilfe von Agrochemikalien und Gentechnik gelingen, sondern nur durch eine Landwirtschaft, die mit der Natur statt gegen sie arbeitet. Diese Position vertritt der Agrarwissenschaftler und Öko-Bauer Dr. Felix Prinz zu Löwenstein in seinem am Mittwoch veröffentlichten Buch „Es ist genug da. Für alle.“ Der Titel verweist auf den Umstand, dass die Welt schon heute über genug Lebensmittel verfügt, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren: Je nach Schätzung produziert die Landwirtschaft ausreichend Kalorien, um 12 bis 14 Milliarden Menschen satt zu machen - wenn wir nichts von der Ernte wegwerfen, weniger Fleisch konsumieren und darauf verzichten, unseren Sprit auf dem Acker anzubauen. Doch von den gerade einmal 7 Milliarden Menschen leiden rund zwei Milliarden an Hunger oder Mangelernährung. Löwenstein erachtet die Beseitigung des Welthungers als eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die nur bewältigt werden kann, wenn alle Betroffenen Zugang zu Nahrung erhalten. Die industrielle, von internationalen Großkonzernen geprägte Landwirtschaft führt laut Löwenstein in die Sackgasse, da sie die natürlichen Ressourcen des Planeten in unvertretbarem Maße ausbeute. Ein Agrarmodel, das auf gentechnisch veränderte Pflanzen, Pestizide und Monokulturen setze, sei weder im Norden zukunftsfähig noch biete es Ländern des globalen Süden eine nachhaltige Perspektive. Löwenstein fordert daher eine grundlegende Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft und ist zuversichtlich, dass der ökologische Landbau auch langfristig in der Lage ist, alle Menschen zu ernähren. Mit seinen Thesen steht er nicht alleine auf weiter Flur: Schon 2008 betonten die über 400 Autoren des von UN und Weltbank beauftragten Weltagrarberichts, dass ein „Weiter wie bisher“ keine Option darstelle und forderten eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft sowie die Stärkung von Kleinbauern. Diesen Weckruf wiederholte auch der Trade and Environment Report 2013 der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD: Auch er plädiert für eine Abkehr von der industriellen Agrarproduktion, Vielfalt statt Monokulturen, agrarökologische Methoden statt Mineraldünger und Pestizide - aber vor allem mehr Unterstützung für Kleinbauern, damit diese sich selbst und andere ernähren können. (ab)

01.04.2015 |

Todesfalle Acker: Pestizide werden wandernden Amphibien zum Verhängnis

Kröte
Pestizide: Der Knoblauchkröte stinkt es! (Foto: Thijs Calu/flickr)

Der Pestizideinsatz auf Agrarflächen gefährdet Amphibien auf dem Weg zu ihren Laichgewässern, denn die Hauptwanderung der Lurche fällt häufig gerade in den Zeitraum, in dem Landwirte Ackergifte ausbringen. Das zeigt eine Studie der Universität Koblenz-Landau und des Leibniz-Zentrums für Agrarlandforschung, die im Februar im Fachblatt „Basic and Applied Ecology“ erschienen ist. Amphibien gehören zu den gefährdetsten Tiergruppen weltweit, 41% der Arten sind vom Aussterben bedroht. Auch wenn in der Laichzeit Gewässer eine magische Anziehungskraft auf sie ausüben, leben die meisten europäischen Lurche ansonsten in terrestrischen Habitaten. Doch zur Laichzeit im Frühjahr wird ihnen die Wanderung über die Äcker oft zum Verhängnis, so die Forscher. Für die Studie untersuchten sie in zwei Jahren 330 Pestizidanwendungen auf 100 Anbauflächen im intensiv genutzten Agrarland im Nordosten Deutschlands. Sie bewerteten erstmals die Präsenz von Moorfrosch, Knoblauchkröte, Gelbbauchunke und Kammmolch auf landwirtschaftlichen Flächen sowie die zeitliche Überlappung ihrer Wandersaison mit dem Pestizideinsatz. Um einzuschätzen, wie viele Pestizide bis zum Boden und damit auf die Tiere gelangen, zogen die Wissenschaftler Datensätze zur Anhaftungsmenge von Pestiziden an den Blättern bestimmter Kulturpflanzen heran und bestimmten so, wie viel Gift je nach Wachstumsphase durch das Blätterdach gelangt. Das Ergebnis: Die Menge hängt vom Zeitpunkt der Laichwanderung ab, wobei der Pestizideinsatz je nach Kulturpflanze variiert. Der frühe Frosch fängt sich generell seltener Gift ein, während spät wandernde Arten wie Rotbauchunke und Knoblauchkröte höhere Dosen abbekommen. So waren 86% der Knoblauchkrötenpopulation auf Tour, als Fungizide in Feldern mit Winterraps ausgebracht wurden. Da die Pflanzen aber schon größer waren, nahmen sie 80% der Gifte auf. „Die Daten zeigen, dass viele Amphibien Anbauflächen durchwandern können wenn die Pflanzen hoch sind und damit die Gefahr einer direkten Übersprühung der Tiere geringer ist“, erklärt Hauptautor Carsten Brühl. Weniger Glück hatten die Rotbauchunken beim Einsatz von Pestiziden im jungen Mais: Zwar traf es nur 17% der paarungswilligen Tiere, doch diese bekamen die volle Ladung ab, da die Herbizide vor dem Aufkeimen ausgebracht wurde als der Boden nicht bedeckt war. Brühl betont die Notwendigkeit weiterer Forschung zu den Effekten von Pestiziden auf Amphibien. Erste Laborstudien mit in der Landwirtschaft üblichen Mengen belegten bei einigen Pestiziden eine Sterblichkeitsrate von 100%, während andere Gifte bei nur 10% der Menge schon für 40% der Tiere tödlich waren. Die Forscher fordern Landzeitstudien sowie die Änderung des europäischen Zulassungsverfahren für Pestizide, das bislang keine Risikoabschätzung für Amphibien beinhaltet. Doch vor drängen sie darauf, dass Pflanzenschutzmittel nur kombiniert mit einem lokalen Monitoring von Amphibienwanderungen ausgebracht werden, um ein zeitliches Überlappen zu verhindern. (ab)

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