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06.09.2019 | permalink
Klimawandel: Südeuropas Landwirtschaft drohen harte Zeiten
Der Klimawandel wird die europäische Landwirtschaft hart treffen – vor allem in Südeuropa, wo Landwirte in manchen Gegenden möglicherweise den Anbau von Lebensmitteln künftig ganz aufgeben müssen. Davor warnt die Europäische Umweltagentur (EUA) in einem diese Woche veröffentlichten Bericht. Demnach wird sich der Klimawandel negativ auf die Menge, Qualität und die Preise von Agrarerzeugnissen auswirken und damit auch auf das Einkommen der Landwirte und den Wert von Agrarflächen in Europa. „Aufgrund des Klimawandels werden weltweit neue Rekorde aufgestellt und die negativen Folgen dieser Veränderung beeinträchtigen bereits die landwirtschaftliche Produktion in Europa, insbesondere im Süden“, sagte EUA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx. Den Bauern bereiten Extremwetterereignisse und Hitzewellen in vielen Teilen der EU schon heute erhebliche wirtschaftliche Einbußen – doch das sei erst der Anfang.
Zwar bringe der Klimawandel künftig für einige Teile Europas positive Aspekte mit sich, wie längere Vegetationsperioden und besserer Bedingungen für bestimmte Pflanzen, doch davon profitieren vorrangig Landwirte in einigen Teilen Nordeuropas. Dem Bericht zufolge werden die prognostizierten Klimabedingungen bis zum Jahr 2050 zu steigenden Erträgen für Getreide (z.B. Weizen, Mais und Gerste) sowie Wurzel- und Knollenfrüchte, wie Zuckerrüben und Kartoffeln, führen. Auch der Olivenanbau könnte sich in den nächsten Jahrzehnten aus dem Mittelmeerraum allmählich weiter nach Norden verlagern. Doch bessere Anbaubedingungen im Norden werden bei Weitem durch die Verluste zunichte gemacht, die dem Süden Europas durch Extremwetterereignisse und sinkende Produktivität drohen. Prognosen gehen davon aus, dass die Erträge von nicht bewässerten Kulturen wie Weizen, Mais und Zuckerrüben bis 2050 in Südeuropa um bis zu 50% sinken werden. In Europa könnte sich der durch den Klimawandel verursachte wirtschaftliche Schaden für die Landwirtschaft bis 2050 auf etwa 16% belaufen, wobei dieser regional sehr unterschiedlich ausfallen werde.
Darüber hinaus droht der Wert von Agrarflächen in Teilen Südeuropas bis zum Jahr 2100 um mehr als 80% zu sinken, was zur Aufgabe vieler Flächen führen könnte. Zwei Drittel des Bodenwertverlustes in der EU könnten auf Italien entfallen, wo sich veränderte Klimaparameter besonders schnell auf das Einkommen der Landwirte auswirken werden. Im Gegensatz dazu könnte der Wert von Ackerland in Westeuropa steigen, insbesondere in den nordeuropäischen Ländern. Der Klimawandel wird sich auch auf den Handel mit Agrargütern und die Handelsströme auswirken, wovon die Einkommen im Agrarsektor ebenfalls betroffen sind. Nach Angaben der Umweltagentur wird es durch den Klimawandel in der EU voraussichtlich zu keinen Engpässen bei der Versorgung mit Futter- und Lebensmitteln kommen, aber ein weltweit erhöhter Nahrungsmittelbedarf könnte in den kommenden Jahrzehnten Druck auf die Lebensmittelpreise ausüben.
Die Studienautoren betonen, dass die Anpassung an den Klimawandel für den EU-Agrarsektor höchste Priorität haben muss, wenn die Widerstandsfähigkeit gegen extreme Ereignisse wie Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen verbessert werden soll. „Trotz einiger Fortschritte muss noch viel mehr für die Anpassung getan werden, im Agrarsektor selbst und vor allem auf der Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe. Die künftige EU-Politik muss so gestaltet werden, dass der Übergang in diesem Sektor erleichtert und beschleunigt wird“, forderte Bruyninckx. Dem Bericht zufolge findet in Betriebe oft noch keine Anpassung statt, da es an der Finanzierung, politischer Unterstützung, Wissen und Bewusstsein mangle. Die Studie nennt mehrere geeignete Anpassungsmaßnahmen für den Sektor. So erhöhe etwa die Diversifizierung des Anbaus und Fruchtfolgen die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen und gehe einher mit einem effizienteren Nährstoffkreislauf, dem Erhalt der Artenvielfalt und einer verbesserten Bodenqualität. Eine weitere Maßnahme ist der Einsatz von Zwischenfrüchten, die das Risiko für Bodendegradation deutlich verringern und Stickstoff binden.
Der Bericht empfiehlt auch die Nutzung von an veränderte Klimabedingungen besser angepassten Pflanzen, die z.B. gut mit Frost oder Dürren klarkommen. Zudem binden tiefwurzelnde Pflanzen mehr Kohlenstoff im Boden und leisten so einen aktiven Beitrag gegen den Klimawandel. Die Nutzung neuer Pflanzen oder die Wiedereinführung alter Sorten wirke sich positiv auf die Biodiversität aus und erhöhe die genetische Vielfalt der Pflanzenarten, die wiederum widerstandsfähiger gegen extreme Wetter- und Klimabedingungen würden. Zur Anpassung an den Klimawandel eigne sich gerade der Ökolandbau: „Der Einsatz von organischem Dünger im Ökolandbau fördert die Speicherung von organischem Kohlenstoff in Böden. Biologische Anbaumethoden führen zu einem hohen Anteil an organischer Substanz im Boden. Dies verbessert die Wasserspeicherkapazitäten und erhöht die Widerstandsfähigkeit gegen Dürren und Überschwemmungen“, heißt es im Bericht. Auch durch eine Änderung des Zeitplans für Aussaat und Ernte könnten sich Landwirte auf den Klimawandel einstellen. Weitere Anpassungsmaßnahmen seien das Anlegen von Feldrändern und Hecken, die Agroforstwirtschaft sowie eine verbesserte Bewässerungseffizienz, Regenwassernutzung und Wiederverwendung. Doch bei der Ausweitung all dieser Anpassungsmaßnahmen gehe es nur voran, wenn sie für Landwirte attraktiver gestaltet würden. Die EU-Mitgliedstaaten müssten der Anpassung an den Klimawandel im Agrarsektor höhere Priorität einräumen, z.B. durch die Ausweitung der Finanzierung für diese Maßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik. (ab)
30.08.2019 | permalink
Lokale Lebensmittelproduktion kann Städte klimafreundlich ernähren
Eine lokale Lebensmittelproduktion birgt enormes Potenzial, die Städte heute und künftig klimafreundlicher zu ernähren. Das zeigt eine Studie von Stadtforschern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die Ende August im Fachjournal „Environmental Research Letters“ erschienen ist. Äpfel aus Neuseeland oder Avocados aus Kalifornien und Peru – viele Lebensmittel im Supermarktregal wurden um die halbe Welt transportiert. Aber auch innerhalb eines Landes legen Lebensmittel oft große Distanzen zurück, bevor sie die Menschen in den Städten erreichen. Der Transport per LKW, Flugzeug, Bahn und Schiff verursacht eine gigantische Menge von CO2-Emissionen – Studien zufolge etwa 1,5 bis 2 Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. „Bereits heute sind diese Transporte für einen großen CO2-Fußabdruck verantwortlich, und es ist klar, dass eine wachsende Weltbevölkerung nicht nur wachsende städtische Infrastrukturen, sondern auch wachsenden Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen bedeutet“, sagt Prajal Pradhan, Ko-Autor der Studie. Eine optimierte lokale Produktion von Lebensmitteln könnte die transportbedingten Emissionen um den Faktor zehn reduzieren und insgesamt etwa 4% der gesamten globalen CO2 -Emissionen einsparen.
Die Forscher untersuchten mehr als 4.000 Städte mit über 100.000 Einwohnern. Dabei betrachteten sie die einzelnen Städte nicht als separate Verwaltungseinheiten, sondern auch als verbundene Ballungsräume, wie etwa eng beieinander liegende Städten in einer Region. Die Gesamtbevölkerung aller berücksichtigten Städte belief sich auf 2,5 Milliarden Menschen – rund 70% der städtischen Bevölkerung im Jahr 2010. Mit einem Urbanisierungsmodell analysierten die Wissenschaftler das Ernährungspotenzial der lokalen Landwirtschaft auf den umliegenden Flächen und untersuchten, wie eine lokalere Produktion den ökologischen Fußabdruck der Stadtgebiete reduzieren könnte. „Natürlich kann man nicht einfach einen Schalter umlegen und die Ernährung unserer Städte von heute auf morgen auf lokale Landwirtschaft umstellen“, erklärt Autor Steffen Kriewald. „Die regionale Landwirtschaft kann nicht den gesamten Speiseplan einer globalisierten Landwirtschaft produzieren – der Ernährungsbedarf könnte jedoch in vielen Regionen der Welt gedeckt werden.“
Die Studie zeigt, dass im Schnitt etwa 35% der Stadtbewohner weltweit durch lokale Landwirtschaft ernährt werden könnten. Die Situation gestaltet sich jedoch von Region zu Region unterschiedlich. Südasien hat das größte Potenzial, die Städter mit lokaler Landwirtschaft zu versorgen – 82% der Stadtbevölkerung könnte mit regionalen Lebensmitteln ernährt werden. In Ostafrika wären es 79%. In Südafrika hingegen könnte nur 43% der Stadtbevölkerung mit lokalen Lebensmitteln versorgt werden. Die Forscher identifizieren jedoch auch drei entscheidende Einflussfaktoren, die sich auf die künftige städtische Nachfrage nach Lebensmitteln und das Potenzial einer lokalen Lebensmittelversorgung auswirken können. Den stärksten Einfluss hat das Wachstum der Städte. „Wenn alle landwirtschaftlichen Flächen in der Nähe von Ballungszentren durch Flächenumwandlung verloren gehen, müssen noch mehr Lebensmittel aus abgelegenen landwirtschaftlichen Gebieten in diese Städte transportiert werden“, schreiben die Autoren. Aber auch Lebensstile und Ernährungstrends, wie etwa ein weiter steigender Fleischkonsum, wirken sich aus. Dritter Faktor ist der Klimawandel und seine Folgen, wodurch die landwirtschaftliche Produktion erheblich beeinflusst wird.
Die Forscher prognostizieren, dass in Südasien das Stadtwachstum dafür sorgen könnte, dass das lokale Ernährungspotenzial im Jahr 2050 um etwa 30% sinkt. In Nordafrika drohen vor allem der Klimawandel und das urbane Wachstum, das lokale Ernährungspotenzial bis 2050 um etwa 30% zu verringern. Lebensstiländerungen und Ernährungsweisen spielen vor allem in Entwicklungsregionen eine große Rolle, während sich die Lage in Nordamerika oder Westeuropa dadurch im Wesentlichen kaum verändern wird. Das Fazit der Autoren lautet, dass eine lokale Lebensmittelproduktion mehrere Vorteile bringt: „Die lokale Produktion von Nahrungsmitteln, insbesondere für Städte, ist in der Tat eine Art Anpassung, da sie die lokale Ernährungssicherheit gewährleistet, lokale Nährstoffkreisläufe schließen und die Abhängigkeit vom Weltmarkt verringern kann. Eine weitere Optimierung in Bezug auf Ertrag und Landmanagement kann in diesem Zusammenhang zusätzliche positive Effekte bringen“, schreiben die Wissenschaftler. Ein weiteres unkontrolliertes Stadtwachstum, Ernährungs- und Klimawandel könnten diese positiven Effekte hingegen umkehren. (ab)
21.08.2019 | permalink
Kaufpreise für Agrarflächen in Deutschland klettern kräftig
In Deutschland werden landwirtschaftliche Flächen immer teurer. 2018 kostete ein Hektar im Bundesdurchschnitt 25.485 Euro und damit 5,9% mehr als im Vorjahr. Das geht aus Mitte August veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zum Kaufwert für landwirtschaftliche Grundstücke hervor. In den letzten zehn Jahren kletterten die Preise unaufhaltsam um 133%: 2009 betrug der Kaufwert je Hektar im Schnitt noch 10.908 Euro. Der Statistik zugrunde liegt der Preis für die Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung (FdlN), wozu Acker- und Grünland zählen, nicht aber garten- und weinbaulich genutzte Flächen wie bei der in der Agrarstatistik sonst meist verwendeten landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF). In den alten Bundesländern sind die Preise im Schnitt weiterhin höher und klettern schneller: 2018 wurden für einen Hektar Fläche im Westen durchschnittlich 37.846 Euro bezahlt – ein Plus von 6,9% gegenüber 2017. In den neuen Bundesländern stiegen die Kaufwerte mit im Schnitt 0,6% etwas langsamer. Ein Hektar schlug dort 2018 mit 15.720 Euro zu Buche.
Insgesamt wechselten 2018 weniger Flächen den Eigentümer als noch im Vorjahr. 83.813 Hektar wurden verkauft und damit 4% weniger Fläche als 2017. Am meisten Bewegung im Bodenmarkt gab es in den neuen Bundesländern, auf die 56% der Verkaufsfläche entfielen. Spitzenreiter war Mecklenburg- Vorpommern mit 12.411 Hektar veräußerter Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung. Am tiefsten mussten Käufer in Bayern in die Tasche greifen. Der durchschnittliche Hektarpreis betrug dort 64.909 Euro je Hektar und damit 6,6% mehr als im Vorjahr. Der Regierungsbezirk Niederbayern ist mit 107.199 Euro bundesweiter Spitzenreiter. Nordrhein-Westfalen ist das zweitteuerste Bundesland mit 53.067 Euro pro Hektar, gefolgt von Niedersachsen mit 36.518 Euro und Baden-Württemberg mit im Schnitt 29.244 Euro. In den neuen Bundesländern liegt Mecklenburg-Vorpommern mit 20.788 Euro je Hektar vorne. Preisliches Schlusslicht ist das Saarland mit 9.706 Euro je Hektar, gefolgt von Thüringen mit einem Durchschnittskaufwert von 10.693 Euro je Hektar und Brandenburg mit 10.957 Euro.
Die größte Preisexplosion im Vergleich zu 2017 verzeichnete Sachsen. Dort verteuerten sich die Kaufwerte um 20,4% auf 14.140 Euro je Hektar in 2018. In Hessen kletterten die Preise um 12,1% von 15.330 Euro in 2017 auf 17.178 Euro je Hektar im letzten Jahr. Auf Platz 3 liegt Nordrhein-Westfalen mit einem Plus von 10,4% von 48.085 Euro in 2017 auf 53.067 Euro. Im Zehn-Jahres-Vergleich stiegen die Preise am heftigsten in Mecklenburg-Vorpommern: Der Hektarpreis verteuerte sich um fast 195% von 7.049 in 2009. In Sachsen betrug der Preisanstieg 168% gegenüber einem Kaufwert von noch 5.262 Hektar in 2009. In Bayern stiegen die Preise von 2009 bis 2018 um 159%. Aber auch in Sachsen-Anhalt verteuerte sich der Hektar von 7.281 Euro auf 18.217 Euro – ein Plus von 150%. In Niedersachsen fiel der Anstieg mit 138% und in Brandenburg mit 132% ebenfalls heftig aus.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, macht für den Preisanstieg bei Pachten und Flächenkäufen auch Großinvestoren verantwortlich, die nicht aus der Landwirtschaft kommen. „In Ostdeutschland gehören inzwischen teilweise über 30 Prozent der Flächen nicht mehr den Landwirten oder örtlichen Genossenschaften, sondern Investoren“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Der Trend werde sich fortsetzen, da ein Generationswechsel anstehe und damit Betriebe oder Anteile vermehrt zum Verkauf stünden. Göring-Eckardt will, dass Bund und Länder den Verkauf ostdeutscher Agrarflächen an Großinvestoren stoppen. Die Grünen fordern ein Vorkaufsrecht für Kommunen und die Länder, wenn Bauern Land veräußern wollen. Für Flächen im Bundesbesitz sollte es zunächst ein Verkaufsmoratorium und dann auch ein Vorkaufsrecht der Kommunen geben, damit Flächen nicht zum Spekulationsobjekt würden. Es müsse verhindert werden, dass Kapitalgesellschaften über den Kauf von Mehrheitsanteilen an Landwirtschaftsbetrieben Agrarflächen im großen Stil übernehmen könnten, wie es derzeit noch möglich sei und so das Vorkaufsrecht für Bauern im Grundstücksverkehrsgesetz umgehen. „Zusätzlich müsste man dafür sorgen, dass Agrarsubventionen nicht an Kapitalgesellschaften fließen dürfen“, sagte Göring-Eckardt. Außerdem sei dafür zu sorgen, dass junge Bauern, Ökolandwirte und Betriebsgründer aus der Region bessere Chancen auf die Agrarflächen hätten und auch bei den Preisen mithalten können. (ab)
15.08.2019 | permalink
Studie: Kleine Ackerflächen und Vielfalt fördern die Biodiversität
Kleine Felder und eine Vielzahl von Nutzpflanzen erhöhen die Artenvielfalt in Agrarlandschaften. Das zeigt eine großangelegte Studie im Rahmen des EU-Projekts FarmLand, deren Ergebnisse im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurden. „Die Intensivierung der Landwirtschaft und die Zerstörung naturnaher Lebensräume (Buschland, Hecken, kräuterreiche Streifen) ist eine der Hauptursachen für den beobachteten Verlust der biologischen Vielfalt“, erläutern die Autoren in der Zusammenfassung der Studie. Das Schaffen von mehr Heterogenität in der Agrarlandschaft durch mehr naturnahe Lebensräume könne dazu beitragen, den Biodiversitätsverlust zu verringern. Jedoch sei gerade in vielen intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaften der Anteil an naturnahen Lebensräumen meist gering und nur schwer zu steigern. Doch es gibt eine wirkungsvolle Maßnahme: Die Unterteilung der Agrarlandschaft in ein Mosaik aus kleineren Ackerflächen führt zu einer stark erhöhten Artenvielfalt und ist ebenso wirkungsvoll wie die Erhöhung des Anteils naturnaher Lebensräume.
Das internationale Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Kanada untersuchte acht unterschiedliche Agrarregionen in Europa und Kanada. In 435 verschiedenen Agrarlandschaften, die bezüglich der Ackergröße, Vielfalt der Nutzpflanzen und der naturnahen Lebensräume unterschiedlich geprägt sind, erhoben sie auf einem Quadratkilometer Daten an jeweils drei Probenahmestellen. Die Forscher identifizierten rund 2.795 Arten aus sieben taxonomischen Gruppen: Vögel, Schmetterlinge, Bienen, Schwebfliegen, Spinnen, Laufkäfer und Pflanzen. Sie gelangten zu dem Ergebnis, dass eine heterogene Agrarlandschaft mit einem Mosaik aus kleinen und mit unterschiedlichen Kulturarten bewirtschafteten Ackerflächen deutlich mehr Artenvielfalt aufwies als durch großflächige Monokulturen geprägte Landschaften. Schon eine Verkleinerung der durchschnittlichen Feldgröße von rund fünf Hektar auf 2,8 Hektar hatte den gleichen Effekt auf die Biodiversität wie eine Erhöhung des Anteils naturnaher Lebensräume von 0,5% auf 11%. Selbst wenn naturnahe Vegetation wie Hecken und Randstreifen zwischen den Felder fehlten, wirkte sich eine reduzierte Feldgröße positiv auf die Artenvielfalt aus.
Die Studie ergab zudem, dass der Anbau von mehr unterschiedlichen Kulturarten ebenfalls zu einem größeren Artenreichtum auf den Feldern führte. „Die Kulturartenvielfalt wirkte sich auch positiv auf die Biodiversität aus, da verschiedene Nutzpflanzen häufig unterschiedliche Arten beherbergen, aber auch, da verschiedene Kulturen ergänzende und notwendige Ressourcen für bestimmte Arten in der Agrarlandschaft bieten“, sagte Teammitglied Jordi Recasens von der Universitat de Lleida. Der Effekt von einer erhöhten Kulturartenvielfalt zeigte sich jedoch nur, wenn die Agrarlandschaften auch einen höheren Anteil naturnaher Lebensräume aufwiesen. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Art der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe einen wesentlichen, bisher unterschätzten Beitrag zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt in unseren Agrarlandschaften leisten kann“, sagt Prof. Dr. Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie der Uni Göttingen. „Kleine Felder und wechselnde Bepflanzung können erheblich zur Bekämpfung der dramatischen Biodiversitätskrise bei Insekten und Vögeln beitragen. Leider steht dagegen die aktuelle Intensivierung in der Landwirtschaft mit immer größeren Äckern und großflächigeren Monokulturen“, so Tscharntke. Der Studie zufolge können Agrarumweltmaßnahmen, die eine Verringerung der durchschnittlichen Größe der Anbauflächen fördern und zu mehr Vielfalt auf dem Acker führen, die biologische Vielfalt erhöhen, ohne dass Flächen für die landwirtschaftliche Produktion verloren gehen. Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse in der aktuellen Debatte über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU gehört werden. (ab)
09.08.2019 | permalink
Weltklimarat fordert nachhaltige Landnutzung und Ernährung
Eine rasche und radikale Kehrtwende hin zu einer nachhaltigen Landnutzung und Ernährung ist zwingend notwendig, um den Klimawandel einzudämmen und auch künftig alle Menschen gesund und ausreichend ernähren zu können. Diese Botschaft ist nicht neu – wurde nun aber unmissverständlich deutlich von 107 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 52 Ländern im neusten Sonderbericht des Weltklimarates IPCC zu Papier gebracht. Die Zusammenfassung dieser wissenschaftlichen Bestandsaufnahme über Klimawandel und Landsysteme wurde in Genf von den 195 IPCC-Mitgliedsstaaten Zeile für Zeile abgestimmt und am 7. August angenommen. „Land spielt eine bedeutende Rolle im Klimasystem“, sagt Jim Skea, Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe III. Einerseits sind Land- und Forstwirtschaft und das gesamte Ernährungssystem eine signifikante Treibhausgasquelle: 23% der gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen entfielen 2007–2016 auf diesen Sektor – bei den Methanemissionen betrug der Anteil 44% und beim Ausstoß von Lachgas sogar 82%. Rechnet man die der Lebensmittelproduktion vor- und nachgelagerten Emissionen im globalen Ernährungssystem hinzu, verursacht der Sektor 21‐37% aller Treibhausgasemissionen. „Gleichzeitig absorbieren die Land-Ökosysteme auch fast ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und der Industrie“, betont Skea. Böden und Landsysteme bergen also ein riesiges Potenzial, den Klimawandel auf unter 2ºC bzw. 1,5ºC zu begrenzen – wenn sie nachhaltig genutzt werden und auch in anderen Bereichen rasch gehandelt wird.
Der Klimawandel stellt bereits jetzt eine erhebliche Belastung für Landsysteme dar, was bestehende Risiken für Lebensgrundlagen, die biologische Vielfalt, die Gesundheit von Mensch und Ökosystemen, Infrastruktur und Ernährungssysteme verschärfen wird, heißt es im Bericht. Rund 500 Millionen Menschen leben in Gebieten, die von Desertifikation betroffen sind. Die globale Erwärmung hat auch fatale Folgen für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. „Die Ernährungssicherheit wird künftig zunehmend vom Klimawandel beeinträchtigt werden durch rückläufige Ernten, vor allem in den Tropen, steigende Preise, eine verringerte Nährstoffqualität und Unterbrechungen in der Versorgungskette“, warnt Priyadarshi Shukla, der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe III. „In verschiedenen Ländern werden die Auswirkungen unterschiedlich ausfallen, aber in den Ländern mit niedrigem Einkommen in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik werden die Folgen am drastischsten sein“, betont er. Vom Wirken und Wirtschaften der Menschheit und ihrem Umgang mit Landsystemen hängen die Zukunft ab. Oder wie es im Sprech der Wissenschaftler heißt: „Entwicklungspfade mit höherem Bedarf an Nahrung, Futtermitteln und Wasser, ressourcenintensiverem Konsum und ebensolcher Produktion sowie mit geringeren technologischen Verbesserungen der landwirtschaftlichen Erträge führen zu höheren Risiken durch Wasserknappheit in Trockengebieten, Landdegradierung und Ernährungsunsicherheit.“
Koordiniertes Handeln zur Anpassung an den Klimawandel kann gleichzeitig aber auch Desertifikation und Landdegradierung bekämpfen und die Ernährungssicherheit verbessern. Im Ernährungssystem sehen die Wissenschaftler effektive Hebel. Die Verhinderung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung sei einer davon. Ein Drittel aller produzierten Lebensmittel wird nie verzehrt, die Ursachen dafür sind in Industrie- und Entwicklungsländern ganz unterschiedlich. Diese enorme Verschwendung einzudämmen oder zu verhindern würde massiv Treibhausgasemissionen einsparen und zu mehr Ernährungssicherheit beitragen. Aber auch jeder Einzelne kann etwas tun: „Einige Ernährungsweisen benötigen mehr Land und Wasser und verursachen einen höheren Ausstoß von Treibhausgasen als andere“, sagt Debra Roberts, Ko-Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe II. „Eine ausgewogene Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln wie Getreide, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse und tierischen Produkten, die nachhaltig in treibhausgasarmen Systemen produziert werden, bietet eine große Chance für die Anpassung und Begrenzung des Klimawandels.“
Der IPCC-Bericht nennt zahlreiche Handlungsoptionen für die Gestaltung von politischen Strategien, Institutionen oder Steuerungsmechanismen. „Politische Maßnahmen, die ein nachhaltiges Landmanagement fördern, die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln für verletzliche Bevölkerungsgruppen sichern und den Kohlenstoff im Boden halten und zugleich Treibhausgasemissionen verringern, sind wichtig“, betont Eduardo Calvo, der Ko-Vorsitzende der Task Force für Nationale Treibhausgasinventare. Die Einführung von nachhaltigem Landmanagement und Armutsbeseitigung können durch Verbesserung des Marktzugangs, Sicherung von Landbesitz, Einbeziehung von Umweltkosten bei Nahrungsmitteln sowie Zahlungen für Ökosystemleistungen und Stärkung lokaler und gemeindebasierter kollektiver Maßnahmen ermöglicht werden. Eines sei jedoch gewiss, betonen die Forscher: Nur eine schnelle Reduktionen der anthropogenen Treibhausgasemissionen in allen Sektoren entlang ehrgeiziger Minderungspfade verringere die negativen Folgen des Klimawandels auf Landökosysteme und Ernährungssysteme. Ein Zaudern und Zögern beim Klimaschutz und dem Wandel hin zu einer nachhaltigen Landnutzung wird die Aussicht auf eine nachhaltige Entwicklung verringern. (ab)
07.08.2019 | permalink
Studie: EU-Reformpläne machen Agrarpolitik nicht nachhaltiger
Die aktuellen EU-Reformvorschläge zur Agrarpolitik werden nicht für mehr Umweltschutz sorgen – im Gegenteil, es drohe gar eine Ausweitung schädlicher Subventionen. Dies ist das Fazit einer Studie, die Anfang August im Fachjournal Science veröffentlicht wurde. Das Forschungsteam unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Universität Göttingen nahm die aktuellen Reformvorschläge der EU-Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 unter die Lupe. Es ging der Frage nach, ob die anvisierte Agrarpolitik mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) vereinbar sei, der gesellschaftlichen Diskussion zum Thema Landwirtschaft Rechnung trage und die GAP verbessere. Die Wissenschaftler analysierten etwa 450 Publikationen, die eine Bewertung der aktuellen Politik nach Kriterien wie Effektivität, Effizienz und Relevanz vornehmen. Ihr Ergebnis: Die vollmundigen Bekenntnisse der EU zu mehr Nachhaltigkeit schlagen sich in den Reformvorschlägen kaum wieder. Diese seien nicht dazu geeignet, ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit zu erzielen und stellen einen klaren Rückschritt gegenüber den bisherigen Regelungen dar.
Die EU und damit auch Deutschland haben sich in verschiedenen internationalen Abkommen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, zum Schutz der Biodiversität und des Klimas verpflichtet. Die Forscher betonen, dass die EU-Agrarpolitik eines der wichtigsten Politikfelder sei, um diese internationalen Verpflichtungen umzusetzen. „Doch gerade hier ist wenig von dieser Absicht zu erkennen“, kritisiert das Forscherteam. „Sollte die EU es mit ihrer Verpflichtung auf die SDGs ernst meinen, müssten diese sich auch in der Landwirtschaftspolitik wiederfinden und entsprechende Indikatoren zur Erfolgsmessung definiert werden“, sagt der Ökologe Dr. Guy Pe’er von der Uni Göttingen. Doch dies sei nicht der Fall. In der jetzigen Form leiste die GAP gerade einmal einen gewissen Beitrag zu zwei der 17 SDGs (Hunger- und Armutsbekämpfung in SDG 1 und 2), obwohl sie bei mindestens neun Zielen eine große Wirkung entfalten könnte. Zu Ziel 12 (Nachhaltige/r Konsum und Produktion) etwa leiste die Agrarpolitik kaum einen Beitrag.
Des Weiteren kritisieren die Autorinnen und Autoren, dass die EU Instrumente aufrechterhalten wolle, die sich nachweislich als ineffizient, klima- und umweltschädlich sowie sozial ungerecht erwiesen hätten. Als Beispiel nennen sie die Direktzahlungen im Rahmen der 1. Säule der GAP. Rund 40 Milliarden Euro und damit etwa 70% des Agrarbudgets erhalten Landwirte allein in Abhängigkeit von der bewirtschafteten Fläche. Dies führe zu einer ungleichen Förderung: Auf gerade einmal 1,8% der Empfänger entfalle 32% der Gelder. „Für diese 1992 provisorisch eingeführten Ausgleichszahlungen fehlt inzwischen jede wissenschaftliche Begründung“, kritisiert Agrarökonom Sebastian Lakner von der Uni Göttingen. Versuche der EU, der Kritik daran mit dem sogenannten „Greening“ der Direktzahlungen zu begegnen, hätten nichts bewirkt. Die entsprechenden Auflagen seien politisch aufgeweicht worden und hätten sich als weitgehend wirkungslos herausgestellt, so die Forscher.
Dennoch will die EU-Kommission weiter an den Direktzahlungen festhalten. Mehr Nachhaltigkeit bringen soll die vorgeschlagene „Grüne Architektur“, die eine Ausweitung der Kriterien der „Guten landwirtschaftlichen Praxis“ sowie neue freiwillige Umweltschutzmaßnahmen in der 1. Säule enthalte. Den Forschern zufolge mangle es jedoch an geeigneten Maßnahmen für einen effektiven Klimaschutz. Die Gelder für die in Säule 2 vorgesehenen Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie die Förderung ländlicher Räume würden künftig erheblich gekürzt, obwohl ihr Volumen schon heute nur rund ein Zehntel der 1. Säule betrage. „Der EU fehlt offensichtlich der Wille, der öffentlichen Forderung nach einer nachhaltigen Landwirtschaft nachzukommen und ihre mitbeschlossenen globalen Umwelt- und Entwicklungsziele umzusetzen“, kritisiert Pe’er. „Lobby-Interessen wiegen nicht nur schwerer als Fakten, sondern auch schwerer als der öffentliche Wille“, lautet sein vernichtendes Urteil. Das neu gewählte EU-Parlament habe nun jedoch eine große Chance, den Reformprozess im Sinne der Bevölkerung, der internationalen Verpflichtungen und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gestalten. „Es gibt ausreichend wissenschaftliche Evidenz darüber, was im Umweltbereich getan werden muss“, sagt auch Lakner. „Es sollte im Interesse der EU-Kommission liegen, dass Steuermittel in der Landwirtschaft effizient und zielgerichtet eingesetzt werden.“ (ab)
29.07.2019 | permalink
Erdüberlastungstag: Nachhaltig nutzbare Ressourcen für 2019 sind verbraucht
Auf den 29. Juli fällt dieses Jahr der Erdüberlastungstag – das Datum, an dem die Menschheit die für 2019 nachhaltig nutzbaren Ressourcen verbraucht hat. Für den Rest des Jahres leben wir auf Pump und strapazieren das Ressourcenbudget der Natur wieder über das regenerierbare Maß hinaus. Um unseren Konsum zu decken, wären rein rechnerisch 1,75 Erden notwendig. Und der Raubbau an der Natur beschleunigt sich immer mehr: So früh wie 2019 wurde die Belastungsgrenze noch nie erreicht: In den letzten 20 Jahren ist das Datum um ganze zwei Monate im Kalender nach vorne gerückt. Die internationale Nachhaltigkeitsorganisation „Global Footprint Network berechnet den „Earth Overshoot Day“ jährlich neu. Gegenübergestellt werden dabei einerseits die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Emissionen und andererseits der ökologische Fußabdruck – der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch der CO2-Ausstoß und die Müllproduktion.
Eine Übernutzung der verfügbaren Ressourcen wird dauerhaft nicht möglich sein, denn sie erschöpft das ökologische „Vermögen“ der Erde und gefährdet die zukünftige Ressourcensicherheit der Menschheit. „Wir haben nur eine Erde – das ist der letztlich bestimmende Kontext für die menschliche Existenz. 1,75 Erden zu verwenden hat unausweichlich destruktive Folgen”, sagt Mathis Wackernagel, einer der Erfinder des ökologischen Fußabdrucks und Gründer von Global Footprint Network. Die Auswirkungen treten bereits zutage: Entwaldung, Bodenerosion, Verlust der biologischen Vielfalt oder die zunehmende CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Letztere heizt den Klimawandel an und führt zu häufigeren extremen Wetterereignissen. Die Menschheit wird letztendlich innerhalb des ökologischen Ressourcenbudgets der Erde funktionieren müssen, betont Wackernagel. Die 1,75 Erden, die die Weltbevölkerung rein rechnerisch bräuchte, um ihren Ressourcenbedarf nachhaltig zu decken, ist nur ein globaler Durchschnittswert. Weitaus verschwenderischer mit der Kapazität des Planeten gehen die USA und Australien um: Würde die gesamte Welt diesen Konsum- und Lebensstil übernehmen, wären 5 bzw. 4,1 Erden notwendig, Russland beansprucht 3,2 Erden, gefolgt von Deutschland mit 3 Planeten. Indien hingegen verbraucht nur die Entsprechung von 0,7 Erden.
Würden alle Menschen weltweit so leben wie wir in Deutschland, wäre der Erdüberlastungstag schon am 3. Mai. „Statt ökologisch gegen die Wand zu fahren, wäre es für Deutschland von Vorteil, wenn sich seine Regierung für eine wesentlich ambitioniertere Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik stark machen und sich von der ressourcenintensiven und wachstumsbesessenen Wirtschaftsweise befreien würde“, sagt Wackernagel. Das sieht auch ein Bündnis mehrerer deutscher Organisationen der Zivilgesellschaft so und fordert die Bundesregierung zum Umsteuern auf: Sie müsse etwa mit einem Klimaschutzgesetz und einem CO2-Preis in diesem Jahr gegensteuern sowie wirkungsvolle Anreize zur Ressourcenschonung setzen. „Wir können es uns nicht leisten, noch weiter Zeit zu verlieren und müssen anfangen, konsequent zu handeln! Unsere Wirtschafts- und Lebensweise und die daraus folgende Zerstörung der Umwelt geht auf Kosten der folgenden Generationen“, mahnt Jan Göldner vom Bundesvorstand der Naturschutzjugend im NABU. Lena Michelsen vom INKOTA-netzwerk betonte, eine zukunftsfähige Politik müsse außerdem die Digitalisierung dafür nutzen, nachhaltige Entwicklung zu gestalten, statt damit die bestehende Wirtschaftsweise weiter zu zementieren. „Damit Digitalisierung etwa im Bereich der globalen Landwirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 beiträgt, müssen Nachhaltigkeitsziele Vorrang haben vor kurzfristigen Wettbewerbsvorteilen und auch vor eindimensionalen Wachstumszielen.“
Doch das Global Footprint Network glaubt an die Möglichkeit einer Trendwende und nennt fünf Schlüsselbereiche, die das größte Potenzial zur Begrenzung des ökologischen Overshoot bergen: Städte, Energie, Nahrung, Bevölkerung und Planet. Zum Beispiel würde ein 50% Reduktion der CO2-Emissionen der fossilen Brennstoffe den Erderschöpfungstag um 93 Tage verschieben. Schon wenn es gelingen würde, das Datum des Earth Overshoot Day nur um 5 Tage pro Jahr nach hinten zu verschieben, würde die Menschheit es noch vor 2050 schaffen, wieder innerhalb der Kapazität des einen Planeten zu leben. „Meine Generation will nicht länger zuschauen, wie wir unserer Lebensgrundlage beraubt werden“, safte Myriam Rapior aus dem Bundesvorstand der BUNDjugend. „Die Politik muss jetzt Entscheidungen fällen, um die systematische Zerstörung unseres Planeten zu beenden! Ansonsten werden wir 2050 auf einer kaputten Erde voller sozialer Konflikte leben.“ (ab)
24.07.2019 | permalink
Zehn Jahre Weltagrarbericht: Weiter wie bisher ist weiterhin keine Option!
Die Botschaften des Weltagrarberichts haben sich in politischen Bekenntnissen und wissenschaftlichen Publikationen durchgesetzt, sind aber noch immer weit davon entfernt, die globale Agrar-, Handels- und Ernährungspolitik zu bestimmen. Dies ist das Fazit einer Publikation im Auftrag der bis Juli 2019 im EU- Parlament vertretenen Grünen-Politikerin und Bäuerin Maria Heubuch. „Weiter wie bisher ist keine Option“, lautete die Botschaft des „International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development“ (IAASTD), an dem mehr als 400 Expertinnen und Wissenschaftler aus aller Welt über vier Jahre arbeiteten und deren 2.500 Seiten starke Bestandsaufnahme landwirtschaftlichen Wissens 2009 offiziell veröffentlicht wurde. „Die Art und Weise, wie die Welt ihre Nahrung herstellt, muss sich radikal ändern und den Armen und Hungernden besser dienen, wenn die Menschheit mit einer wachsenden Bevölkerung und dem Klimawandel fertigwerden und gleichzeitig soziale Zusammenbrüche und Umweltzerstörung vermeiden will“, lautete ihr Fazit. In der Broschüre „Der Weltagrarbericht: 10 Jahre danach“ zieht Benedikt Haerlin, der an der Erstellung des Berichtes als Mitglied des IAASTD-Aufsichtsrates beteiligt war, ein Jahrzehnt später Bilanz zu Wirkung und Folgen des UN-Berichts. Er nimmt mehrere Folgeuntersuchungen und Publikationen unter die Lupe, die die Handschrift des Weltagrarberichts tragen oder diese weiterentwickelt haben.
„Viele der zentralen Botschaften, die der Weltagrarbericht erstmals als wissenschaftlichen Konsens formulierte, sind heute die tragenden Säulen des Bewusstseinswandels, der sich in der Wissenschaft und internationalen Gremien in Bezug auf die Herausforderungen der Landwirtschaft mehr und mehr durchsetzt“, schreibt Haerlin. Dazu gehört das Konzept der Agrarökologie, dem der Weltagrarbericht aus dem Nischendasein verhalf: Er erklärte es erstmals rein wissenschaftlich, betonte zugleich seinen transdisziplinären Charakter und sprach der Agrarökologie eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu. „Es ist bemerkenswert, welch steile Karriere das Konzept der Agrarökologie seither in der agrarpolitischen und wissenschaftlichen Debatte gemacht hat“, heißt es in der Broschüre. Sogar die Welternährungsorganisation FAO hat sie mittlerweile zu einer ihrer Prioritäten gemacht. „Selbst wenn der Preis dieses Erfolges, wie zuvor bei vielen anderen Begriffen des Wandels, immer auch eine gewisse Verwässerung ist, hat das Konzept der Agrarökologie sich mittlerweile tief in Debatten über die Zukunft der Landwirtschaft in Zeiten von Klimawandel, Artensterben und Landflucht hineingegraben.“
„Kleinbäuerinnen und Kleinbauern machen den Unterschied“ war eine weitere zentrale Botschaft des IAASTD. Die Überwindung des Hungers mit nachhaltigen Mitteln werde weltweit nur mit Hilfe und unter aktiver Einbeziehung der Kleinbauern und -bäuerinnen der Welt gelingen. Haerlin zeigt auf, wie sich dies mittlerweile zur Mainstream-Auffassung entwickelte. „Die 500 Millionen Kleinbauern spielen eine zentrale Rolle für eine gerechte Versorgung und für die Armutsbekämpfung. Wenn diese Kleinbauern in das Wachstum im landwirtschaftlichen Sektor einbezogen werden können, steigen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und die Einkommen, was wiederum Nachfrage nach lokalen Gütern und Dienstleistungen auslöst und so zu einer breit angelegten sozialen und ökonomischen Weiterentwicklung ländlicher Gebiete führt“, zitiert er aus dem Bericht der Deutsche Bank Research von 2009. Zahlreiche weitere Publikationen in den Folgejahren, z.B. der „Save and Grow“-Bericht der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO oder der Green Economy Report der Vereinten Nationen, rücken die entscheidende Rolle von Kleinbauern in den Fokus. Das 2. UN-Nachhaltigkeitsziel widmet kleinen Lebensmittelproduzenten ein eigenes Unterziel und auch andere SDGs spiegeln einen globalen Bewusstseinswandel in Bezug auf Fragen der Nachhaltigkeit in Landwirtschaft und Ernährung wider.
Haerlin betont jedoch auch, dass die Durchsetzung zwingender Erkenntnisse noch lange nicht zur praktischen Umsetzung deshalb unausweichlich erscheinender Handlungsnotwendigkeiten führt. „Vergleichen wir zentrale Parameter der Nachhaltigkeit von 2009 mit denen von 2019, müssen wir feststellen, dass die meisten von ihnen sich zum Schlechteren entwickelt haben.“ Bei der Bekämpfung des Hungers sind kaum substanzielle Fortschritte zu verzeichnen, beim Übergewicht hingegen massive Verschlimmerungen; der Klimawandel schreitet ungebremst voran; die Artenvielfalt und die Fruchtbarkeit der Böden schwinden. „Der Schlüssel, so bestätigen alle neueren Studien und Berichte, ist die Integration von Landwirtschaft, Gesundheit, Umwelt- und Naturschutz, ländlicher Entwicklung sowie mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, den Nationen und zwischen Arm und Reich“, so der Autor. Mit Blick auf die EU appelliert er an Parlament und Kommission, die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik mutig neu zu gestalten und die vom Weltagrarbericht empfohlenen und vielerorts weiterentwickelten Schritte zu unternehmen. „Auf keinem anderen Gebiet könnte die Europäische Union im Laufe des kommenden Jahres einen größeren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele von Paris, zur Bekämpfung von Hunger und Armut, zur Beteiligung der Jugend insbesondere im ländlichen Raum und nicht zuletzt zur Bekämpfung von ernährungsbedingten Krankheiten leisten“, betont Haerlin. „Weiter wie bisher ist keine Option!“ (ab)
16.07.2019 | permalink
UN: Weltweit hungern immer noch fast 820 Millionen Menschen
Die Zahl der unterernährten Menschen ist 2018 auf weltweit mehr als 820 Millionen gestiegen – jeder neunte Mensch hungert, warnt ein am Montag von fünf UN-Organisationen veröffentlichter Bericht. Zugleich nehmen Übergewicht und Fettleibigkeit in allen Weltregionen zu, vor allem bei Schulkindern und Erwachsenen. 2018 hatten Schätzungen zufolge 821,6 Millionen Menschen nicht genug zu essen, verglichen mit 811 Millionen im Vorjahr. Es ist bereits die dritte Ausgabe von „The State of Food Security and Nutrition in the World”, die statt Erfolgen einen Anstieg der Hungerzahlen vermelden muss. Wenn neben den hungernden Menschen noch jene dazugerechnet werden, die von einer moderaten Ernährungsunsicherheit betroffen sind, haben den UN-Schätzungen zufolge über 2 Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang zu sicheren, nahrhaften und ausreichenden Lebensmitteln. „Unsere Maßnahmen im Kampf gegen diese besorgniserregenden Trends müssen mutiger sein, nicht nur was den Umfang betrifft, sondern auch in Bezug auf die sektorübergreifende Zusammenarbeit, die die Bereiche Landwirtschaft, Ernährung, Gesundheit, Wasser und Abwasser, Bildung und andere relevante Sektoren einbeziehen und sich auf verschiedene Politikbereiche erstrecken muss, einschließlich die soziale Sicherung, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik“, betonen die Leiter der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, von UNICEF, dem Welternährungsprogramms und der Weltgesundheitsorganisation in ihrem gemeinsamen Vorwort.
Der Großteil der weltweit Hungernden lebt mit 514 Millionen Menschen immer noch in Asien (62,5%), gefolgt von Afrika mit 256,1 Millionen (31%) und Lateinamerika und der Karibik mit 42,5 Millionen. Dem Bericht zufolge blieb der Anteil der chronisch hungernden Menschen in den letzten drei Jahren unverändert hoch bei fast 11% weltweit. Die prozentual am stärksten von Unterernährung betroffene Region ist Afrika: Dort hungern fast 20% der Bevölkerung. Besonders schlimm ist die Lage in Ostafrika, wo knapp ein Drittel der Bevölkerung (30,8%) unterernährt ist. Neben dem Klimawandel und Konflikten wird der Anstieg durch Konjunkturabschwächungen und -rückgänge verursacht, sagt die UN. In Asien hungert fast jeder Achte (11,3%), während in Lateinamerika und der Karibik 6,5% der Bevölkerung betroffen sind.
Der diesjährige Bericht hebt hervor, dass der Hunger vor allem in Ländern auf dem Vormarsch ist, in denen die Wirtschaft nicht wächst, gerade in Ländern mit mittlerem Einkommen und jenen, die stark auf den internationalen Handel mit Agrarrohstoffen angewiesen sind. In vielen von Hunger betroffenen Ländern vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich beim Einkommen immer mehr – arme, schutzbedürftige oder marginalisierte Menschen leiden am meisten. Frauen haben ein höheres Risiko, unter Ernährungsunsicherheit zu leiden als Männer, vor allem in Lateinamerika. Die Chefs der UN-Organisationen verweisen im Vorwort auf die Notwendigkeit, in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs klug zu investieren und einen Strukturwandel einzuleiten, der die Armen berücksichtigt, um in turbulenten Zeiten gewappnet zu sein. Die Menschenrechtsorganisation FIAN lobt zwar, dass der Bericht die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, Austeritätsprogramme und mangelnde soziale Sicherheit als zentrale Ursachen des Hungers nennt. Sie kritisierte jedoch auch, dass dies „in den altbekannten Forderungen nach einer stärkeren Rolle von Privatsektor und Industrie durch erhöhte Investitionen und Finanzierungen“ ende. Keiner fordere im Bericht ein stärkeres Engagement für die Menschenrechte.
Die FAO führt mit dem diesjährigen Bericht einen neuen Indikator für „moderate Ernährungsunsicherheit“ ein, der auf konkreten Haushaltsbefragungen beruht. Demnach leiden über zwei Milliarden Menschen an Ernährungsunsicherheit und müssen regelmäßig Mahlzeiten auslassen. Dazu gehören auch 8% der Bevölkerung in den Industriestaaten Europas und Nordamerikas. „Es ist einer der größten Skandale unserer Zeit, dass trotz ausreichend vorhandener Nahrung so viele Menschen hungern und an den Folgen von Hunger sterben“, kritisiert FIAN-Agrarreferent Roman Herre. Somit wird das Recht auf Nahrung von fast einem Viertel der Weltbevölkerung verletzt. Doch der Bericht enthält noch weitere schlechte Nachrichten. Weltweit sind immer noch 148,9 Millionen Kinder unter fünf Jahren (21,9%) aufgrund chronischer Unterernährung zu klein für ihr Alter (stunted). Dazu kommen 49,5 Millionen Kinder unter fünf (7,3%), die aufgrund von Mangelernährung zu wenig für ihre Größe wiegen (wasting). Auf Afrika und Asien entfällt der Großteil aller Formen der Mangelernährung. Übergewicht und Fettleibigkeit nehmen zudem in allen Regionen zu, gerade bei Schulkindern und Erwachsenen. Waren 2012 noch 11,7% aller Erwachsenen fettleibig, so betrug der Anteil 2016 bereits 13,2%. 672 Millionen Erwachsene gelten als fettleibig. Darüber hinaus sind 338 Millionen Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter übergewichtig. Der Bericht fordert eine tiefgreifende Umgestaltung der Lebensmittelsysteme, um zu ermöglichen, dass sich die wachsende Weltbevölkerung nachhaltig und gesund ernährt. (ab)
12.07.2019 | permalink
OECD/FAO: Steigende Produktion, stabile Agrarpreise
Die Agrarproduktion wird in den kommenden zehn Jahren weltweit etwas schneller wachsen als die Nachfrage nach Agrargütern, aber auf die Landwirtschaft werden neue Herausforderungen zukommen. Davon gehen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Welternährungsorganisation FAO aus, die am Montag ihren jährlichen Ausblick veröffentlichten. Der OECD-FAO Agricultural Outlook 2019-2028 enthält Prognosen für alle wichtigen Agrarrohstoffe. Die weltweite Nachfrage nach Agrarerzeugnissen wird in den kommenden zehn Jahren um etwa 15% zunehmen. „Die Art und Weise, wie diese Nachfrage gedeckt wird, entscheidet darüber, welche Auswirkungen der Sektor auf die natürlichen Ressourcen hat, insbesondere Land, Wasser und Artenvielfalt“, schreiben FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva und OECD-Generalsekretär Angel Gurría im Vorwort. Ein Großteil der zusätzlichen Nachfrage nach Lebensmitteln in den nächsten zehn Jahren wird aus Regionen mit hohem Bevölkerungswachstum stammen, vor allem aus Ländern südlich der Sahara, aus Südasien sowie aus dem Nahen Osten und Nordafrika, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Die Verwendung von Getreide für Nahrungszwecke wird um rund 150 Millionen Tonnen zunehmen – ein Anstieg von 13%, der vorwiegend auf Reis und Weizen entfällt.
Die landwirtschaftliche Produktion wird von 2019 bis 2028 voraussichtlich um 15% wachsen. Für fast alle Agrarerzeugnisse rechnen die Experten damit, dass die Preise inflationsbereinigt auf ihrem derzeitigen Niveau bleiben oder sinken, da die Produktivität schneller steigt als die Nachfrage. Der Bericht prognostiziert Ertragssteigerungen und eine höhere Produktionsintensität aufgrund von technischen Innovationen, obwohl die landwirtschaftliche Nutzfläche weltweit weitgehend konstant bleibt. „Die steigende Agrarproduktion ist auch mit höheren Treibhausgasemissionen verbunden, wobei fast ein Viertel aller Emissionen durch Land- und Forstwirtschaft sowie Landnutzungsänderung entstehen“, schreiben Graziano da Silva und Gurría. Die direkten Emissionen aus der Landwirtschaft, vor allem durch Nutztiere, Reisanbau und synthetische Düngemittel, werden im Prognosezeitraum jährlich um rund 0,5% zunehmen. Das liegt unter der 0,7%-Rate der letzten zehn Jahre und dem prognostizierten Produktionsanstieg – den Autoren zufolge sinkt die Kohlenstoffintensität der Landwirtschaft.
Neben den üblichen Risiken werden die globalen Agrarmärkte mit neuen Unsicherheiten konfrontiert sein. Auf der Angebotsseite nennen die Autoren die Ausbreitung von Krankheiten wie die Afrikanische Schweinepest, die zunehmende Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen, regulatorische Schranken für neue Pflanzenzüchtungstechniken und extremer werdende klimatische Ereignisse. Auf der Nachfrageseite werden sich Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen auf die Ernährungsweisen auswirken und der alarmierende Trend zur Fettleibigkeit wird politisches Handeln erfordern. Dem Bericht zufolge wird der Konsum von Zucker und Pflanzenöl steigen, was den anhaltenden Trend zu Fertiggerichten und stärker verarbeiteten Lebensmitteln widerspiegelt, gerade in vielen Ländern mit rascher Urbanisierung und geringerem Einkommen. „Eine Kombination aus übermäßigem Kalorienverbrauch, unausgewogener Ernährung und sinkender Aktivität führt in verschiedenen Ländern der Welt zu einer wachsenden Belastung durch Übergewicht und Fettleibigkeit. In vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen existieren diese Probleme Seite an Seite mit Unterernährung und Mikronährstoffmangel – eine dreifache Bürde der Mangelernährung“, warnt der Bericht. In den reichen Ländern machen sich die Menschen verstärkt Gedanken über Gesundheit und Wohlbefinden und der Verzehr von rotem Fleisch wird wohl zurückgehen.
Dieses Jahr stehen Lateinamerika und die Karibik im Fokus des Berichts. Auf die Region entfällt 14% der globalen Produktion und 23% der weltweiten Exporte von Agrar- und Fischereierzeugnissen. Der Anteil soll bis 2028 auf 25% steigen. Trotz des beeindruckenden Wachstums habe die Region mit Ernährungsunsicherheit zu kämpfen, da sich viele Haushalte die benötigten Lebensmittel nicht leisten können. Zudem werden die natürlichen Ressourcen verstärkt ausgebeutet. OECD und FAO betonen, dass es von Entwicklungen in den Bereichen Ernährung, Umweltschutz, soziale Sicherung und in der Unterstützung von Existenzgrundlagen abhänge, ob das Wachstum der Agrarproduktion künftig einen nachhaltigeren Weg einschlage. Die extreme Armut in der Region nimmt seit 2015 wieder zu. „Es ist von größter Bedeutung, sicherzustellen, dass das Einkommen der ärmsten Gemeinden wächst – eine Herausforderung, bei der die landwirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle spielt.“ Der Ausblick sieht in der Region „starke Wachstumschancen“ für die Erzeugung hochwertiger Obst- und Gemüsesorten, die den Kleinbauern bessere Chancen und der Bevölkerung eine gesündere Ernährung sichern würden. Eine gezielte Politik könnte Landwirten und Verbrauchern helfen, diese Chancen zu nutzen und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu schützen, so das Fazit. (ab)