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29.07.2019 |

Erdüberlastungstag: Nachhaltig nutzbare Ressourcen für 2019 sind verbraucht

ERde
Überlastete Erde (Foto: CC0)

Auf den 29. Juli fällt dieses Jahr der Erdüberlastungstag – das Datum, an dem die Menschheit die für 2019 nachhaltig nutzbaren Ressourcen verbraucht hat. Für den Rest des Jahres leben wir auf Pump und strapazieren das Ressourcenbudget der Natur wieder über das regenerierbare Maß hinaus. Um unseren Konsum zu decken, wären rein rechnerisch 1,75 Erden notwendig. Und der Raubbau an der Natur beschleunigt sich immer mehr: So früh wie 2019 wurde die Belastungsgrenze noch nie erreicht: In den letzten 20 Jahren ist das Datum um ganze zwei Monate im Kalender nach vorne gerückt. Die internationale Nachhaltigkeitsorganisation „Global Footprint Network berechnet den „Earth Overshoot Day“ jährlich neu. Gegenübergestellt werden dabei einerseits die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Emissionen und andererseits der ökologische Fußabdruck – der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch der CO2-Ausstoß und die Müllproduktion.

Eine Übernutzung der verfügbaren Ressourcen wird dauerhaft nicht möglich sein, denn sie erschöpft das ökologische „Vermögen“ der Erde und gefährdet die zukünftige Ressourcensicherheit der Menschheit. „Wir haben nur eine Erde – das ist der letztlich bestimmende Kontext für die menschliche Existenz. 1,75 Erden zu verwenden hat unausweichlich destruktive Folgen”, sagt Mathis Wackernagel, einer der Erfinder des ökologischen Fußabdrucks und Gründer von Global Footprint Network. Die Auswirkungen treten bereits zutage: Entwaldung, Bodenerosion, Verlust der biologischen Vielfalt oder die zunehmende CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Letztere heizt den Klimawandel an und führt zu häufigeren extremen Wetterereignissen. Die Menschheit wird letztendlich innerhalb des ökologischen Ressourcenbudgets der Erde funktionieren müssen, betont Wackernagel. Die 1,75 Erden, die die Weltbevölkerung rein rechnerisch bräuchte, um ihren Ressourcenbedarf nachhaltig zu decken, ist nur ein globaler Durchschnittswert. Weitaus verschwenderischer mit der Kapazität des Planeten gehen die USA und Australien um: Würde die gesamte Welt diesen Konsum- und Lebensstil übernehmen, wären 5 bzw. 4,1 Erden notwendig, Russland beansprucht 3,2 Erden, gefolgt von Deutschland mit 3 Planeten. Indien hingegen verbraucht nur die Entsprechung von 0,7 Erden.

Würden alle Menschen weltweit so leben wie wir in Deutschland, wäre der Erdüberlastungstag schon am 3. Mai. „Statt ökologisch gegen die Wand zu fahren, wäre es für Deutschland von Vorteil, wenn sich seine Regierung für eine wesentlich ambitioniertere Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik stark machen und sich von der ressourcenintensiven und wachstumsbesessenen Wirtschaftsweise befreien würde“, sagt Wackernagel. Das sieht auch ein Bündnis mehrerer deutscher Organisationen der Zivilgesellschaft so und fordert die Bundesregierung zum Umsteuern auf: Sie müsse etwa mit einem Klimaschutzgesetz und einem CO2-Preis in diesem Jahr gegensteuern sowie wirkungsvolle Anreize zur Ressourcenschonung setzen. „Wir können es uns nicht leisten, noch weiter Zeit zu verlieren und müssen anfangen, konsequent zu handeln! Unsere Wirtschafts- und Lebensweise und die daraus folgende Zerstörung der Umwelt geht auf Kosten der folgenden Generationen“, mahnt Jan Göldner vom Bundesvorstand der Naturschutzjugend im NABU. Lena Michelsen vom INKOTA-netzwerk betonte, eine zukunftsfähige Politik müsse außerdem die Digitalisierung dafür nutzen, nachhaltige Entwicklung zu gestalten, statt damit die bestehende Wirtschaftsweise weiter zu zementieren. „Damit Digitalisierung etwa im Bereich der globalen Landwirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 beiträgt, müssen Nachhaltigkeitsziele Vorrang haben vor kurzfristigen Wettbewerbsvorteilen und auch vor eindimensionalen Wachstumszielen.“

Doch das Global Footprint Network glaubt an die Möglichkeit einer Trendwende und nennt fünf Schlüsselbereiche, die das größte Potenzial zur Begrenzung des ökologischen Overshoot bergen: Städte, Energie, Nahrung, Bevölkerung und Planet. Zum Beispiel würde ein 50% Reduktion der CO2-Emissionen der fossilen Brennstoffe den Erderschöpfungstag um 93 Tage verschieben. Schon wenn es gelingen würde, das Datum des Earth Overshoot Day nur um 5 Tage pro Jahr nach hinten zu verschieben, würde die Menschheit es noch vor 2050 schaffen, wieder innerhalb der Kapazität des einen Planeten zu leben. „Meine Generation will nicht länger zuschauen, wie wir unserer Lebensgrundlage beraubt werden“, safte Myriam Rapior aus dem Bundesvorstand der BUNDjugend. „Die Politik muss jetzt Entscheidungen fällen, um die systematische Zerstörung unseres Planeten zu beenden! Ansonsten werden wir 2050 auf einer kaputten Erde voller sozialer Konflikte leben.“ (ab)

24.07.2019 |

Zehn Jahre Weltagrarbericht: Weiter wie bisher ist weiterhin keine Option!

Cover
Broschüre: Zehn Jahre Weltagrarbericht

Die Botschaften des Weltagrarberichts haben sich in politischen Bekenntnissen und wissenschaftlichen Publikationen durchgesetzt, sind aber noch immer weit davon entfernt, die globale Agrar-, Handels- und Ernährungspolitik zu bestimmen. Dies ist das Fazit einer Publikation im Auftrag der bis Juli 2019 im EU- Parlament vertretenen Grünen-Politikerin und Bäuerin Maria Heubuch. „Weiter wie bisher ist keine Option“, lautete die Botschaft des „International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development“ (IAASTD), an dem mehr als 400 Expertinnen und Wissenschaftler aus aller Welt über vier Jahre arbeiteten und deren 2.500 Seiten starke Bestandsaufnahme landwirtschaftlichen Wissens 2009 offiziell veröffentlicht wurde. „Die Art und Weise, wie die Welt ihre Nahrung herstellt, muss sich radikal ändern und den Armen und Hungernden besser dienen, wenn die Menschheit mit einer wachsenden Bevölkerung und dem Klimawandel fertigwerden und gleichzeitig soziale Zusammenbrüche und Umweltzerstörung vermeiden will“, lautete ihr Fazit. In der Broschüre „Der Weltagrarbericht: 10 Jahre danach“ zieht Benedikt Haerlin, der an der Erstellung des Berichtes als Mitglied des IAASTD-Aufsichtsrates beteiligt war, ein Jahrzehnt später Bilanz zu Wirkung und Folgen des UN-Berichts. Er nimmt mehrere Folgeuntersuchungen und Publikationen unter die Lupe, die die Handschrift des Weltagrarberichts tragen oder diese weiterentwickelt haben.

„Viele der zentralen Botschaften, die der Weltagrarbericht erstmals als wissenschaftlichen Konsens formulierte, sind heute die tragenden Säulen des Bewusstseinswandels, der sich in der Wissenschaft und internationalen Gremien in Bezug auf die Herausforderungen der Landwirtschaft mehr und mehr durchsetzt“, schreibt Haerlin. Dazu gehört das Konzept der Agrarökologie, dem der Weltagrarbericht aus dem Nischendasein verhalf: Er erklärte es erstmals rein wissenschaftlich, betonte zugleich seinen transdisziplinären Charakter und sprach der Agrarökologie eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu. „Es ist bemerkenswert, welch steile Karriere das Konzept der Agrarökologie seither in der agrarpolitischen und wissenschaftlichen Debatte gemacht hat“, heißt es in der Broschüre. Sogar die Welternährungsorganisation FAO hat sie mittlerweile zu einer ihrer Prioritäten gemacht. „Selbst wenn der Preis dieses Erfolges, wie zuvor bei vielen anderen Begriffen des Wandels, immer auch eine gewisse Verwässerung ist, hat das Konzept der Agrarökologie sich mittlerweile tief in Debatten über die Zukunft der Landwirtschaft in Zeiten von Klimawandel, Artensterben und Landflucht hineingegraben.“

„Kleinbäuerinnen und Kleinbauern machen den Unterschied“ war eine weitere zentrale Botschaft des IAASTD. Die Überwindung des Hungers mit nachhaltigen Mitteln werde weltweit nur mit Hilfe und unter aktiver Einbeziehung der Kleinbauern und -bäuerinnen der Welt gelingen. Haerlin zeigt auf, wie sich dies mittlerweile zur Mainstream-Auffassung entwickelte. „Die 500 Millionen Kleinbauern spielen eine zentrale Rolle für eine gerechte Versorgung und für die Armutsbekämpfung. Wenn diese Kleinbauern in das Wachstum im landwirtschaftlichen Sektor einbezogen werden können, steigen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und die Einkommen, was wiederum Nachfrage nach lokalen Gütern und Dienstleistungen auslöst und so zu einer breit angelegten sozialen und ökonomischen Weiterentwicklung ländlicher Gebiete führt“, zitiert er aus dem Bericht der Deutsche Bank Research von 2009. Zahlreiche weitere Publikationen in den Folgejahren, z.B. der „Save and Grow“-Bericht der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO oder der Green Economy Report der Vereinten Nationen, rücken die entscheidende Rolle von Kleinbauern in den Fokus. Das 2. UN-Nachhaltigkeitsziel widmet kleinen Lebensmittelproduzenten ein eigenes Unterziel und auch andere SDGs spiegeln einen globalen Bewusstseinswandel in Bezug auf Fragen der Nachhaltigkeit in Landwirtschaft und Ernährung wider.

Haerlin betont jedoch auch, dass die Durchsetzung zwingender Erkenntnisse noch lange nicht zur praktischen Umsetzung deshalb unausweichlich erscheinender Handlungsnotwendigkeiten führt. „Vergleichen wir zentrale Parameter der Nachhaltigkeit von 2009 mit denen von 2019, müssen wir feststellen, dass die meisten von ihnen sich zum Schlechteren entwickelt haben.“ Bei der Bekämpfung des Hungers sind kaum substanzielle Fortschritte zu verzeichnen, beim Übergewicht hingegen massive Verschlimmerungen; der Klimawandel schreitet ungebremst voran; die Artenvielfalt und die Fruchtbarkeit der Böden schwinden. „Der Schlüssel, so bestätigen alle neueren Studien und Berichte, ist die Integration von Landwirtschaft, Gesundheit, Umwelt- und Naturschutz, ländlicher Entwicklung sowie mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, den Nationen und zwischen Arm und Reich“, so der Autor. Mit Blick auf die EU appelliert er an Parlament und Kommission, die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik mutig neu zu gestalten und die vom Weltagrarbericht empfohlenen und vielerorts weiterentwickelten Schritte zu unternehmen. „Auf keinem anderen Gebiet könnte die Europäische Union im Laufe des kommenden Jahres einen größeren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele von Paris, zur Bekämpfung von Hunger und Armut, zur Beteiligung der Jugend insbesondere im ländlichen Raum und nicht zuletzt zur Bekämpfung von ernährungsbedingten Krankheiten leisten“, betont Haerlin. „Weiter wie bisher ist keine Option!“ (ab)

16.07.2019 |

UN: Weltweit hungern immer noch fast 820 Millionen Menschen

Hunger
Millionen Menschen hungern (Foto: CC0)

Die Zahl der unterernährten Menschen ist 2018 auf weltweit mehr als 820 Millionen gestiegen – jeder neunte Mensch hungert, warnt ein am Montag von fünf UN-Organisationen veröffentlichter Bericht. Zugleich nehmen Übergewicht und Fettleibigkeit in allen Weltregionen zu, vor allem bei Schulkindern und Erwachsenen. 2018 hatten Schätzungen zufolge 821,6 Millionen Menschen nicht genug zu essen, verglichen mit 811 Millionen im Vorjahr. Es ist bereits die dritte Ausgabe von „The State of Food Security and Nutrition in the World”, die statt Erfolgen einen Anstieg der Hungerzahlen vermelden muss. Wenn neben den hungernden Menschen noch jene dazugerechnet werden, die von einer moderaten Ernährungsunsicherheit betroffen sind, haben den UN-Schätzungen zufolge über 2 Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang zu sicheren, nahrhaften und ausreichenden Lebensmitteln. „Unsere Maßnahmen im Kampf gegen diese besorgniserregenden Trends müssen mutiger sein, nicht nur was den Umfang betrifft, sondern auch in Bezug auf die sektorübergreifende Zusammenarbeit, die die Bereiche Landwirtschaft, Ernährung, Gesundheit, Wasser und Abwasser, Bildung und andere relevante Sektoren einbeziehen und sich auf verschiedene Politikbereiche erstrecken muss, einschließlich die soziale Sicherung, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik“, betonen die Leiter der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, von UNICEF, dem Welternährungsprogramms und der Weltgesundheitsorganisation in ihrem gemeinsamen Vorwort.

Der Großteil der weltweit Hungernden lebt mit 514 Millionen Menschen immer noch in Asien (62,5%), gefolgt von Afrika mit 256,1 Millionen (31%) und Lateinamerika und der Karibik mit 42,5 Millionen. Dem Bericht zufolge blieb der Anteil der chronisch hungernden Menschen in den letzten drei Jahren unverändert hoch bei fast 11% weltweit. Die prozentual am stärksten von Unterernährung betroffene Region ist Afrika: Dort hungern fast 20% der Bevölkerung. Besonders schlimm ist die Lage in Ostafrika, wo knapp ein Drittel der Bevölkerung (30,8%) unterernährt ist. Neben dem Klimawandel und Konflikten wird der Anstieg durch Konjunkturabschwächungen und -rückgänge verursacht, sagt die UN. In Asien hungert fast jeder Achte (11,3%), während in Lateinamerika und der Karibik 6,5% der Bevölkerung betroffen sind.

Der diesjährige Bericht hebt hervor, dass der Hunger vor allem in Ländern auf dem Vormarsch ist, in denen die Wirtschaft nicht wächst, gerade in Ländern mit mittlerem Einkommen und jenen, die stark auf den internationalen Handel mit Agrarrohstoffen angewiesen sind. In vielen von Hunger betroffenen Ländern vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich beim Einkommen immer mehr – arme, schutzbedürftige oder marginalisierte Menschen leiden am meisten. Frauen haben ein höheres Risiko, unter Ernährungsunsicherheit zu leiden als Männer, vor allem in Lateinamerika. Die Chefs der UN-Organisationen verweisen im Vorwort auf die Notwendigkeit, in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs klug zu investieren und einen Strukturwandel einzuleiten, der die Armen berücksichtigt, um in turbulenten Zeiten gewappnet zu sein. Die Menschenrechtsorganisation FIAN lobt zwar, dass der Bericht die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, Austeritätsprogramme und mangelnde soziale Sicherheit als zentrale Ursachen des Hungers nennt. Sie kritisierte jedoch auch, dass dies „in den altbekannten Forderungen nach einer stärkeren Rolle von Privatsektor und Industrie durch erhöhte Investitionen und Finanzierungen“ ende. Keiner fordere im Bericht ein stärkeres Engagement für die Menschenrechte.

Die FAO führt mit dem diesjährigen Bericht einen neuen Indikator für „moderate Ernährungsunsicherheit“ ein, der auf konkreten Haushaltsbefragungen beruht. Demnach leiden über zwei Milliarden Menschen an Ernährungsunsicherheit und müssen regelmäßig Mahlzeiten auslassen. Dazu gehören auch 8% der Bevölkerung in den Industriestaaten Europas und Nordamerikas. „Es ist einer der größten Skandale unserer Zeit, dass trotz ausreichend vorhandener Nahrung so viele Menschen hungern und an den Folgen von Hunger sterben“, kritisiert FIAN-Agrarreferent Roman Herre. Somit wird das Recht auf Nahrung von fast einem Viertel der Weltbevölkerung verletzt. Doch der Bericht enthält noch weitere schlechte Nachrichten. Weltweit sind immer noch 148,9 Millionen Kinder unter fünf Jahren (21,9%) aufgrund chronischer Unterernährung zu klein für ihr Alter (stunted). Dazu kommen 49,5 Millionen Kinder unter fünf (7,3%), die aufgrund von Mangelernährung zu wenig für ihre Größe wiegen (wasting). Auf Afrika und Asien entfällt der Großteil aller Formen der Mangelernährung. Übergewicht und Fettleibigkeit nehmen zudem in allen Regionen zu, gerade bei Schulkindern und Erwachsenen. Waren 2012 noch 11,7% aller Erwachsenen fettleibig, so betrug der Anteil 2016 bereits 13,2%. 672 Millionen Erwachsene gelten als fettleibig. Darüber hinaus sind 338 Millionen Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter übergewichtig. Der Bericht fordert eine tiefgreifende Umgestaltung der Lebensmittelsysteme, um zu ermöglichen, dass sich die wachsende Weltbevölkerung nachhaltig und gesund ernährt. (ab)

12.07.2019 |

OECD/FAO: Steigende Produktion, stabile Agrarpreise

Reis
Der Getreideverbrauch steigt (Foto: CC0)

Die Agrarproduktion wird in den kommenden zehn Jahren weltweit etwas schneller wachsen als die Nachfrage nach Agrargütern, aber auf die Landwirtschaft werden neue Herausforderungen zukommen. Davon gehen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Welternährungsorganisation FAO aus, die am Montag ihren jährlichen Ausblick veröffentlichten. Der OECD-FAO Agricultural Outlook 2019-2028 enthält Prognosen für alle wichtigen Agrarrohstoffe. Die weltweite Nachfrage nach Agrarerzeugnissen wird in den kommenden zehn Jahren um etwa 15% zunehmen. „Die Art und Weise, wie diese Nachfrage gedeckt wird, entscheidet darüber, welche Auswirkungen der Sektor auf die natürlichen Ressourcen hat, insbesondere Land, Wasser und Artenvielfalt“, schreiben FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva und OECD-Generalsekretär Angel Gurría im Vorwort. Ein Großteil der zusätzlichen Nachfrage nach Lebensmitteln in den nächsten zehn Jahren wird aus Regionen mit hohem Bevölkerungswachstum stammen, vor allem aus Ländern südlich der Sahara, aus Südasien sowie aus dem Nahen Osten und Nordafrika, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Die Verwendung von Getreide für Nahrungszwecke wird um rund 150 Millionen Tonnen zunehmen – ein Anstieg von 13%, der vorwiegend auf Reis und Weizen entfällt.

Die landwirtschaftliche Produktion wird von 2019 bis 2028 voraussichtlich um 15% wachsen. Für fast alle Agrarerzeugnisse rechnen die Experten damit, dass die Preise inflationsbereinigt auf ihrem derzeitigen Niveau bleiben oder sinken, da die Produktivität schneller steigt als die Nachfrage. Der Bericht prognostiziert Ertragssteigerungen und eine höhere Produktionsintensität aufgrund von technischen Innovationen, obwohl die landwirtschaftliche Nutzfläche weltweit weitgehend konstant bleibt. „Die steigende Agrarproduktion ist auch mit höheren Treibhausgasemissionen verbunden, wobei fast ein Viertel aller Emissionen durch Land- und Forstwirtschaft sowie Landnutzungsänderung entstehen“, schreiben Graziano da Silva und Gurría. Die direkten Emissionen aus der Landwirtschaft, vor allem durch Nutztiere, Reisanbau und synthetische Düngemittel, werden im Prognosezeitraum jährlich um rund 0,5% zunehmen. Das liegt unter der 0,7%-Rate der letzten zehn Jahre und dem prognostizierten Produktionsanstieg – den Autoren zufolge sinkt die Kohlenstoffintensität der Landwirtschaft.

Neben den üblichen Risiken werden die globalen Agrarmärkte mit neuen Unsicherheiten konfrontiert sein. Auf der Angebotsseite nennen die Autoren die Ausbreitung von Krankheiten wie die Afrikanische Schweinepest, die zunehmende Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen, regulatorische Schranken für neue Pflanzenzüchtungstechniken und extremer werdende klimatische Ereignisse. Auf der Nachfrageseite werden sich Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen auf die Ernährungsweisen auswirken und der alarmierende Trend zur Fettleibigkeit wird politisches Handeln erfordern. Dem Bericht zufolge wird der Konsum von Zucker und Pflanzenöl steigen, was den anhaltenden Trend zu Fertiggerichten und stärker verarbeiteten Lebensmitteln widerspiegelt, gerade in vielen Ländern mit rascher Urbanisierung und geringerem Einkommen. „Eine Kombination aus übermäßigem Kalorienverbrauch, unausgewogener Ernährung und sinkender Aktivität führt in verschiedenen Ländern der Welt zu einer wachsenden Belastung durch Übergewicht und Fettleibigkeit. In vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen existieren diese Probleme Seite an Seite mit Unterernährung und Mikronährstoffmangel – eine dreifache Bürde der Mangelernährung“, warnt der Bericht. In den reichen Ländern machen sich die Menschen verstärkt Gedanken über Gesundheit und Wohlbefinden und der Verzehr von rotem Fleisch wird wohl zurückgehen.

Dieses Jahr stehen Lateinamerika und die Karibik im Fokus des Berichts. Auf die Region entfällt 14% der globalen Produktion und 23% der weltweiten Exporte von Agrar- und Fischereierzeugnissen. Der Anteil soll bis 2028 auf 25% steigen. Trotz des beeindruckenden Wachstums habe die Region mit Ernährungsunsicherheit zu kämpfen, da sich viele Haushalte die benötigten Lebensmittel nicht leisten können. Zudem werden die natürlichen Ressourcen verstärkt ausgebeutet. OECD und FAO betonen, dass es von Entwicklungen in den Bereichen Ernährung, Umweltschutz, soziale Sicherung und in der Unterstützung von Existenzgrundlagen abhänge, ob das Wachstum der Agrarproduktion künftig einen nachhaltigeren Weg einschlage. Die extreme Armut in der Region nimmt seit 2015 wieder zu. „Es ist von größter Bedeutung, sicherzustellen, dass das Einkommen der ärmsten Gemeinden wächst – eine Herausforderung, bei der die landwirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle spielt.“ Der Ausblick sieht in der Region „starke Wachstumschancen“ für die Erzeugung hochwertiger Obst- und Gemüsesorten, die den Kleinbauern bessere Chancen und der Bevölkerung eine gesündere Ernährung sichern würden. Eine gezielte Politik könnte Landwirten und Verbrauchern helfen, diese Chancen zu nutzen und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu schützen, so das Fazit. (ab)

05.07.2019 |

HLPE: Agrarökologie als Schlüssel zu nachhaltigen Ernährungssystemen

Food
Lebensmittel anders anbauen! (Foto: CC0)

Die Agrarökologie hat enormes Potenzial, unsere Landwirtschaft und Lebensmittelsysteme nachhaltiger zu machen. Das zeigt ein neuer UN-Bericht, dessen Botschaften und Empfehlungen der Ausschuss für Welternährungssicherung (CFS) am 3. Juli präsentierte. Der Bericht befasst sich mit agrarökologischen und anderen innovativen Ansätzen, die zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und Ernährung und zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen können. Erstellt hat ihn das hochrangige Expertengremium (HLPE) des Ausschusses in einem fast zweijährigen Prozess, an dem sich auch Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftlerinnen und Experten aus aller Welt mit über 300 Kommentaren beteiligten. „Die Lebensmittelsysteme stehen am Scheideweg“, heißt es in der Zusammenfassung. „Ein tiefgreifender Wandel ist nötig, um die Agenda 2030 anzugehen und Ernährungssicherheit und Ernährung in den vier Dimensionen Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität zu erreichen und vielschichtige und komplexe Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehören die wachsende Weltbevölkerung, Urbanisierung und Klimawandel, wodurch der Druck auf die natürlichen Ressourcen steigt und Böden, Wasser und Artenvielfalt beeinträchtigt werden.“ Bei der Vorstellung des Berichts in Rom betonte der HLPE-Projektleiter Fergus Sinclair, dass in den aktuellen Lebensmittelsystemen Mangelernährung weit verbreitet ist und diese Systeme mitverantwortlich für das Überschreiten der planetaren Grenzen sind: „Ohne eine grundlegende Transformation der Lebensmittelsysteme, die sich darauf auswirkt, was die Menschheit isst und wie sie Lebensmittel herstellt, transportiert und verarbeitet, sind die Probleme nicht lösbar.“

Das HLPE-Expertengremium schreibt, dass Agrarökologie ein dynamisches Konzept ist, das in den letzten Jahren im wissenschaftlichen, landwirtschaftlichen und politischen Diskurs an Bedeutung gewonnen hat. „Es wird zunehmend dafür geworben, dass die Agrarökologie dazu beitragen kann, Ernährungssysteme zu transformieren, indem ökologische Prinzipien in der Landwirtschaft angewandt und die regenerative Nutzung natürlicher Ressourcen sowie Ökosystemleistungen sichergestellt werden. Gleichzeitig adressiert sie auch den Bedarf an sozial gerechten Lebensmittelsystemen, die den Menschen die Wahlfreiheit geben, was sie essen und wie und wo es hergestellt wird.“ Die Autoren betonen, dass es nicht nur eine einzige Definition von Agrarökologie und auch keine Einigung auf alle Aspekte dieses Konzept gibt, doch sie warten mit 13 Prinzipien der Agrarökologie auf: Sie beziehen sich auf Recycling; die Verringerung des Inputeinsatzes; Bodengesundheit; Tiergesundheit und -schutz; Artenvielfalt, Synergien, wirtschaftliche Diversifizierung; das gemeinsame Schaffen von Wissen; soziale Werte und Ernährung; Gerechtigkeit; die Verbindung von Produzenten und Konsumenten; die Verwaltung von Land und natürlichen Ressourcen; sowie Partizipation. Die Autoren unterteilen die innovativen Ansätze für nachhaltige Lebensmittelsysteme in zwei Kategorien: Die nachhaltige Intensivierung von Produktionssystemen und verwandte Ansätze (z.B. klimafreundliche Landwirtschaft, ernährungssensible Landwirtschaft und nachhaltige Wertschöpfungsketten für Lebensmittel) sowie agrarökologische und verwandte Ansätze (z.B. Agrarökologie, Ökolandbau, Agroforstwirtschaft, Permakultur und Ernährungssouveränität).

In bestimmten Produktionssystemen und entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette müssen dem Bericht zufolge viele Veränderungen erfolgen, um eine umfassende Transformation ganzer Lebensmittelsysteme zu erzielen. Dafür muss die Politik einen unterstützenden Rahmen schaffen und u.a. mehr öffentliche Förderung für stärker diversifizierte Agrarsysteme lockermachen. „Angesichts der Tatsache, dass viele Kleinbauern anfällig für Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung sind, hätte eine Förderung durch geeignete öffentliche Unterstützung für die Anwendung agrarökologischer Methoden eine Doppelwirkung, da zugleich die Ernährungssicherheit als auch der Übergang zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen angegangen würde.“ Öffentliche Unterstützungsmaßnahmen, die es Erzeugern ermöglichen würden, unabhängig von der Betriebsgröße verstärkt nachhaltigere Methoden der Lebensmittelproduktion zu nutzen, könnten etwa darin bestehen, Subventionen für synthetische Betriebsmittel zu streichen und zugleich Anreize für nachhaltige Methoden und die Bewirtschaftung multifunktionaler Landschaften einschließlich wilder Arten zu schaffen. Eine Patentlösung für die Umgestaltung der Ernährungssysteme gibt es nicht, betonen die Autoren, aber sie haben eine Reihe von Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger im Gepäck. (ab)

28.06.2019 |

Plädoyers für nachhaltige Landwirtschaft und Kampf gegen Klimawandel

Frau
Der Klimawandel trifft die Ärmsten (Foto: CC0)

Der Klimawandel wird die in Armut lebenden Menschen am härtesten treffen und Demokratie und Menschenrechte bedrohen. Laut einem Bericht des UN-Sonderberichterstatters zu extremer Armut und Menschenrechten Philip Alston wird sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertiefen. „Wir riskieren ein Szenario der „Klima-Apartheid“, in dem die Reichen dafür bezahlen werden, um Überhitzung, Hunger und Konflikten zu entgehen, während der Rest der Welt leiden muss“, warnte der UN-Experte. Perverserweise seien die armen Menschen nur für einen Bruchteil der globalen Emissionen verantwortlich, doch sie werden die Hauptlast des Klimawandels tragen und am wenigsten in der Lage sein, sich selbst zu schützen. Der Klimawandel drohe, die Fortschritte der letzten 50 Jahre in den Bereichen Entwicklung, globale Gesundheit und Armutsbekämpfung zunichte zu machen. „Er könnte bis 2030 mehr als 120 Millionen Menschen in die Armut treiben und wird die gravierendsten Auswirkungen in armen Ländern, Regionen und an den Orten haben, an denen arme Menschen leben und arbeiten“, betont Alston. „Selbst wenn die derzeitigen Ziele erreicht würden, werden Millionen verarmt sein, was zu weitreichender Vertreibung und zu Hunger führt.“

Selbst das unrealistische Best-Case-Szenario mit einer Erwärmung von 1,5 Grad bis 2100 wird in vielen Regionen zu extremen Temperaturen führen und benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit Ernährungsunsicherheit, Einkommensverlusten und schlechterer Gesundheit belasten, warnt der Sonderberichterstatter in seiner Pressemitteilung. Viele werden sich zwischen Hunger und Migration entscheiden müssen. Die Bekämpfung des Klimawandels erfordere eine grundlegende Veränderung der Weltwirtschaft, heißt es in dem UN-Bericht. Dies werde radikale und systemische Änderungen mit sich bringen und Anreize, die Preisgestaltung, Regulierung und Ressourcenverteilung einschließen, um nicht nachhaltige Ansätze zu beenden und die Umweltkosten in allen wirtschaftlichen Bereichen, inklusive Energie, Landwirtschaft, Fertigung, Bau und Verkehr, widerzuspiegeln. Eine Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft bietet zudem zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten.

Auch Papst Franziskus mahnte auf der 41. Konferenz der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO in Rom, man müsse die Ursachen anpacken, die die Tragödie des Hungers in der Welt auslösten. „Die Zunahme der Zahl der Flüchtlinge in der Welt in den letzten Jahren hat uns gezeigt, dass das Problem eines Landes das Problem der ganzen Menschheitsfamilie ist. Daher ist es notwendig, die landwirtschaftliche Entwicklung in den am stärksten gefährdeten Regionen zu fördern und die Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Gebiets zu stärken.“ Der Vatikan-Vertreter des Heiligen Stuhls bei der FAO, Fernando Chica Arellano, betonte, eine agrarökologisch nachhaltige Landwirtschaft sei zentral für die sozioökonomische Entwicklung eines Landes. Der Heilige Stuhl forderte mehr Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft, um die gravierenden Probleme Migration, Hunger und Armut in der Welt anzugehen. Arellano unterstrich die Bedeutung von Politiken, die darauf abzielen, junge Menschen im landwirtschaftlichen Sektor Beschäftigungsmöglichkeiten zu geben. Dazu gehöre, den Zugang zu Land, Sicherheit und Schutz des Eigentums an ihrem Land sowie Zugang zu Krediten und lokalen Märkten zu ermöglichen. Auch die Landflucht ende oft in tragischen Armutsspiralen, so Arellano. Die FAO müsse Politiken entwerfen, die ländliche Familien unterstützen, damit sie ihre Identität als Vermittler von Werten aufrechterhalten können, wie die Bewahrung von traditionellem Wissen. Zudem müsse die unersetzliche Rolle von Frauen in der Landwirtschaft und im Viehzuchtsektor gestärkt werden. (ab)

18.06.2019 |

Mehr als zwei Milliarden Menschen ohne sicheres Trinkwasser

Wasser
Sauberes Trinkwasser - für Milliarden keine Selbstverständlichkeit (Foto: CC0)

Sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung liegen für Abermillionen Menschen immer noch in weiter Ferne. Rund 2,2 Milliarden Menschen haben immer noch keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser und 4,2 Milliarden müssen ohne angemessene sanitäre Einrichtungen auskommen. Das zeigt ein am 18. Juni veröffentlichter Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des UN-Kinderhilfswerks UNICEF. Demnach haben 785 Millionen Menschen noch nicht einmal Zugang zu einer grundlegenden Versorgung – sprich einer geschützten Trinkwasserquelle im Radius von 30 Minuten für den Hin- und Rückweg. Dazu gehören auch die 144 Millionen Menschen, die gezwungen sind, unbehandeltes Wasser von Oberflächengewässern wie Flüssen, Bächen oder Seen zu trinken. Mehr als die Hälfte dieser Menschen leben in Subsahara-Afrika. Bei der Versorgung mit Trinkwasser besteht auch eine deutliche Kluft zwischen Stadt und Land. Acht von zehn Menschen ohne Grundversorgung leben auf dem Land, mehr als die Hälfte von ihnen in den am wenigsten entwickelten Ländern. „Kinder und ihre Familien in armen und ländlichen Gemeinden haben das größte Risiko, abgehängt zu werden. Regierungen müssen in ihre Gemeinden investieren, damit wir diese ökonomische und geographische Kluft überwinden und dieses grundlegende Menschenrecht erfüllen“, fordert Kelly Ann Naylor, UNICEF-Expertin für Wasser, Sanitär und Hygiene.

Von den 4,2 Milliarden Menschen ohne sichere Sanitärversorgung – also hygienische Toiletten, von denen das Abwasser sicher behandelt und entsorgt wird – mangelt es 2 Milliarden selbst an einer Grundversorgung. 627 Millionen Menschen teilen eine Toilette oder Latrine mit anderen Haushalten, 701 Millionen nutzen nur einfachste Einrichtungen wie Grubenlatrinen oder Eimer und 673 Millionen Menschen – vor allem in ländlichen Gebieten – müssen ihre Notdurft im Freien verrichten. Bei dem Ziel, die „offene Defäkation“ zu beenden, gibt es sowohl Fortschritte als auch Rückschritte, heißt es im Bericht. So ging der Anteil der Bevölkerung, die ihre Notdurft im Freien verrichtet, seit 2000 von 21% auf 9% zurück. In 91 Ländern gibt es Fortschritte. Allerdings ist in 39 Ländern, mehrheitlich im südlichen Afrika mit einem hohen Bevölkerungswachstum, die Zahl sogar angestiegen.

Wenn die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) erreicht werden sollen, muss es also schneller vorangehen. Diese sehen vor, bis 2030 den allgemeinen und gerechten Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser für alle zu erreichen und eine angemessene und gerechte Sanitärversorgung und Hygiene für alle zu gewährleisten. Niemand soll mehr seine Notdurft im Freien verrichten müssen. „Die Staaten müssen ihre Anstrengungen bezüglich der Sanitärversorgung hochfahren oder wir werden bis 2030 keine Versorgung für alle Menschen erreichen“, sagte Dr. Maria Neira, Direktorin der WHO-Abteilung für Öffentliche Gesundheit. „Wenn die Staaten dabei versagen, ihre Bemühungen zu Sanitärversorgung, sicherem Wasser und Hygiene zu verstärken, werden wir weiterhin mit Krankheiten leben müssen, die schon seit langer Zeit der Geschichte angehören sollten: Krankheiten wie Durchfall, Cholera, Typhus, Hepatitis A und vernachlässigte Tropenkrankheiten (…). Die Investition in Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene ist kostengünstig und in so vielerlei Hinsicht gut für die Gesellschaft. Sie ist die unerlässliche Grundlage für eine gute Gesundheit.“ (ab)

14.06.2019 |

Konzerne streben Patente vom Futtertrog bis zum Schnitzel an

Fleisch
Erst die Braugerste - ist nun bald auch das Schnitzel patentiert? (Foto: CC0)

Das europäische Patentrecht verbietet Patente auf konventionell gezüchtete Tiere. Doch Konzerne umgehen dies zunehmend, indem sie Lebensmittel wie Milch und Fleisch von Tieren, die mit bestimmten Pflanzen gefüttert werden, als „Erfindungen“ beanspruchen. Das zeigt eine aktuelle Recherche des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“, das regelmäßig die Stimme erhebt, wenn etwa das Europäische Patentamt (EPA) in München wieder einmal Patente auf Pflanzen und Tiere aus herkömmlicher Züchtung erteilt – sei es auf Braugerste, Melonen oder Tomaten. Erst im Mai hatte das Bündnis ein im Oktober 2018 gewährtes Patent auf Lachse angeprangert, die mit bestimmten Pflanzen gefüttert wurden und dadurch mehr gesundheitsfördernde Omega-3-Fettsäuren aufweisen. Das Patent EP1965658 erstreckt sich auf das Futtermittel, die Haltung der Fische und ihre Fütterung, die Fische selbst sowie das Fischöl. Die Futtermittel können laut Patentschrift entweder aus konventioneller Züchtung stammen oder gentechnisch verändert sein.

Nun steht zu befürchten, dass dieses Patent ein Präzedenzfall für viele weitere Anmeldungen werden könnte. Denn 2018 und 2019 wurden bereits mehrere ähnliche europäische Patentanträge bei der Weltpatentbehörde (WIPO) eingereicht, die eine ähnliche Strategie verfolgen. Ausgehend von Saatgut und Futtermitteln werden auch Lebensmittel, die von landwirtschaftlichen Nutztieren stammen, als Erfindung beansprucht. So beansprucht der Konzern Syngenta etwa nicht nur gentechnisch veränderte Maispflanzen als „Erfindung”, sondern auch deren Verfütterung zur Produktion von Fleisch und Milch. Im Patentantrag WO2018204245 wird „ein von Rindern geernteter Schlachtkörper“ beansprucht, im Patent WO2019075028 geht es um „eine Methode die Milchmenge von Kühen zu erhöhen.“ Während diese Patente auf GVO-Mais beruhen, wird in anderen, wie dem Lachspatent, auch die Verwendung von konventionell gezüchteten Pflanzen beansprucht, vermeldet „Keine Patente auf Saatgut!“.

„Dies ist ein ethisch nicht akzeptabler Versuch das Patentrecht zu missbrauchen. Die Folgen können für Tierschutz, Landwirtschaft und VerbraucherInnen schwerwiegend sein“, warnt Christoph Then für Keine Patente auf Saatgut!. „Werden derartige Patente vom Saatgut bis zum Schnitzel erteilt, können die Patentinhaber Tierhaltung und Lebensmittelerzeugung in großem Umfang kontrollieren. Wenn es mit dieser Strategie klappt, werden die Firmen in Zukunft immer mehr derartiger Patentmonopole beantragen.“ Das Bündnis fordert daher, dass die Regeln zur Auslegung des Patentrechtes geändert werden, damit die bestehenden Schlupflöcher geschlossen und die bestehenden Verbote endlich wirksam werden. „Falls eine veränderte Auslegung keine ausreichende Klarheit und Sicherheit bringt, müssen die Gesetze selbst entsprechend verändert werden“, lautet die Forderung. Denn „Keine Patente auf Saatgut!“ fürchtet, dass große Konzerne wie Bayer, DowDupont und Syngenta zunehmende Kontrolle über Landwirtschaft, Züchtung und Lebensmittelherstellung erhalten, falls den Patenten auf landwirtschaftlich genutzte Pflanzen und Tiere nicht endlich ein Ende gesetzt wird. (ab)

11.06.2019 |

Kinderarbeit: 108 Millionen Kinder weltweit schuften in der Landwirtschaft

Kind
In der Landwirtschaft arbeiten 108 Millionen Kinder (Foto: CC0)

Weltweit arbeiten immer noch mehr als 150 Millionen Kinder – fast die Hälfte von ihnen unter extrem ausbeuterischen Bedingungen, zum Beispiel als Arbeitssklaven im Bergbau und in Steinbrüchen, auf pestizidverseuchten Baumwollfeldern oder als Dienstmädchen. Darauf macht das Kinderhilfswerk Terre des Hommes anlässlich des Welttages gegen Kinderarbeit am 12. Juni aufmerksam. Die Organisation verweist in ihrem internationalen Kinderarbeitsbericht darauf, dass durch entschiedenes Engagement von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Ausbeutung arbeitender Kinder beendet werden kann. Doch ein Ende der Kinderarbeit liegt noch in weiter Ferne: Nach den aktuellsten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verrichten immer noch 152 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 17 Jahren Kinderarbeit – der Großteil von ihnen (108 Millionen Kinder) in der Landwirtschaft (71%), sowohl in Subsistenzlandwirtschaft als auch bei kommerziellen landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Es folgen der Dienstleistungssektor mit 17% und die Industrie, einschließlich des Bergbaus, mit 12%.

Rund die Hälfte der Kinderarbeiter beziehungsweise 72,5 Millionen Kinder arbeiten unter gefährlichen Bedingungen. Sie schuften in Minen und Fabriken oder auf dem Acker, wo sie häufig Pestiziden oder anderen giftigen Substanzen ausgesetzt sind. An den psychischen und physischen Folgen der Kinderarbeit leiden sie oft ein ganzes Leben lang. In der Landwirtschaft ist gefährliche Kinderarbeit besonders stark verbreitet. „Ausbeuterische Kinderarbeit muss heute nicht mehr sein! Es ist bekannt, was getan werden muss, um sie sofort zu beenden“, erklärte Albert Recknagel, Vorstandssprecher von terre des hommes. „In unserem diesjährigen internationalen Kinderarbeitsbericht stellen wir erfolgreiche Strategien gegen Ausbeutung aus Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika vor und benennen Ansatzpunkte für Regierungen, Behörden, Schulen und Lehrkräfte, Städte und Gemeinden, Familien, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Handelsunternehmen, gegen Kinderarbeit vorzugehen.“

„Patentlösungen zur Beendigung aller Formen ausbeuterischer Kinderarbeit gibt es nicht“, betont terre des hommes in der deutschen Kurzfassung des Berichts. „Um wirksame Lösungen zu finden, muss die jeweilige Situation eines Kindes präzise und mit Blick auf die sozialen Zusammenhänge analysiert werden.“ Kinder, die leichte und ungefährliche Arbeit leisten, die sie weder körperlich noch psychisch schädigt und die zur Schule gehen, sollten zunächst einmal nicht von der Arbeit abgehalten werden. Denn sie tragen damit zum Familieneinkommen bei, was ihnen oft erst ermögliche, selbst zur Schule gehen zu können. Sie brauchen aber Unterstützung, damit sie einen guten Schulabschluss schaffen und nicht in ausbeuterische Arbeit abrutschen. In vielen Ländern sei eine solche Strategie wirksamer als ein pauschales Verbot sämtlicher Kinderarbeit. Wirksame Interventionen sind terres des hommes zufolge etwa die Befreiung von Kindern aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, indem sie in Schulen integriert werden, eine Berufsausbildung absolvieren können oder nicht ausbeuterischen Arbeiten nachgehen. Zudem seien flexible Schulsysteme hilfreich, die es Kindern erlauben, leichte Arbeit mit dem Schulbesuch zu kombinieren. Insbesondere sei es wichtig, Familien zu stärken, damit sie ohne Kinderarbeit leben können, zum Beispiel durch existenzsichernde Löhne.

terre des hommes fordert in diesem Zusammenhang die Bundesregierung auf, international eine Vorreiterrolle bei der Beendigung von Kinderarbeit einzunehmen und mehr Mittel für die Förderung von Grundbildung in der Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. „Ferner ist es unbedingt notwendig, global verbindliche Regelungen für die Wirtschaft zu schaffen, damit Unternehmen in ihren Lieferketten keine Kinder mehr ausbeuten können und den Familien existenzsichernde Löhne gezahlt und faire Arbeitsbedingungen zugestanden werden“, so Albert Recknagel. Deutschland hat sich wie die anderen UN-Staaten im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zur Abschaffung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit, einschließlich gefährlicher Arbeit, bekannt. Das achte UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG 8) sieht im Unterziel 8.7 ein Ende aller Formen von Kinderarbeit bis 2025 vor. Doch wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetzt, werden im Jahr 2020 immer noch 137 Millionen Kinder arbeiten. „Wir müssen dringend den Fortschritt beschleunigen“, sagte auch ILO-Generaldirektor Guy Ryder. „Mehr kohärente Maßnahmen sind erforderlich, um sicherzustellen, dass eine gute Bildung und soziale Sicherung für alle und angemessene Arbeit für die Eltern verfügbar sind.“ (ab)

05.06.2019 |

NGOs: Deutsche Nachhaltigkeitspolitik zu lahm und lückenhaft

Nachhaltigkeit
Ob Energie oder Agrarpolitik: Deutschland hat Defizite bei der Nachhaltigkeit (Foto: CC0)

Bei der deutschen Nachhaltigkeitspolitik muss dringend nachgebessert werden, sonst werden die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verfehlt. Das mahnt ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis. Insgesamt 118 Organisationen aus ganz Deutschland wandten sich in einer gemeinsamen Erklärung an die Bundesregierung und machten ihrem Ärger über die bisherigen Versäumnisse und fehlenden Anstrengungen der Politik in puncto Nachhaltigkeit Luft. Vor fast vier Jahren im September 2015 beschloss die UN-Generalversammlung die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, auf die sich 193 Staaten geeinigt hatten. Angegangen werden sollten zentrale globale Herausforderungen, wie Armut, Hunger und Ungleichheit, Umweltzerstörung und Klimawandel oder Themen wie Bildung, Gesundheit und Energie. Herzstück ist ein Katalog von 17 Zielen: die Sustainable Development Goals (SDGs). Im September kommen die Staats- und Regierungschefs erneut in New York zusammen, um Bilanz zu ziehen. Doch schon heute ist klar, dass das bisherige Tempo bei weitem nicht ausreichen wird.

„Der erhoffte Weckruf durch die Verabschiedung der Agenda 2030“ verhallt „bisher nahezu ungehört“, kritisieren die Organisationen in ihrer Erklärung. „Die Welt steckt tief in mehreren, sich wechselseitig verstärkenden Krisen vom Klimawandel und Artensterben über zunehmende Ungleichheiten und Hunger, von gewaltsam ausgetragenen Konflikten bis hin zu einer sich abzeichnenden, neuen Finanz- und Schuldenkrise. Die Bundesregierung weiß das, handelt aber nicht entschieden genug.“ Die Organisationen betonen, dass das deutsche Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell nicht nachhaltig ist – weder ökologisch noch sozial oder wirtschaftlich – und mit globaler Gerechtigkeit nicht vereinbar. Würde die ganze Welt so leben und so viele Ressourcen verbrauchen wie Deutschland, wären drei Planeten notwendig. Erst kürzlich vermeldete die Forschungsorganisation „Global Footprint Network“, dass Deutschland rein rechnerisch bereits am 3. Mai sämtliche Ressourcen verbraucht hat, die die Erde in diesem Jahr nachhaltig zur Verfügung stellen kann.

„Die Bundesregierung kann die Augen nicht länger verschließen vor den Konsequenzen der eigenen Politikentscheidungen. Eine Kurswende hinzu nachhaltiger Entwicklung wird nicht durch einige Schönheitsreparaturen hier und da erreicht“, kritisierte Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung und Mitinitiator der Erklärung. „Mit der aktuellen Ausrichtung unserer Wirtschafts- und Handelspolitik, dem ungebremsten Profitstreben in der Agrarpolitik und den Fehlentscheidungen in der Energie- und Verkehrspolitik sind wir auch in 100 Jahren nicht auf dem Pfad in eine nachhaltige Zukunft.“ In Bezug auf die deutsche und europäische Agrarpolitik sind die Organisationen nicht zufrieden. Sie sei ein „Notstandsgebiet der Nachhaltigkeitspolitik“ heißt es in der Erklärung, da sie eine der Hauptursachen für das Artensterben sei. „Für die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik muss daher der Grundsatz gelten: öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen. Staatliche Gelder sollen für eine umwelt- und klimaschonende Landwirtschaft eingesetzt werden.“

Zudem kritisieren die Organisationen, dass die deutsche bzw. europäische Agrar- und Handelspolitik noch immer zu Lasten der Menschen im Globalen Süden erfolge. „Wo lokale Märkte im Süden mit europäisch subventionierten, billigen Exportprodukten überschwemmt werden, werden Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus ihrem Markt gedrängt. Wir fordern eine Agrarpolitik, die globale Ungleichheiten und Armut nicht weiter verschärft und das Menschenrecht auf Nahrung fördert, nicht verletzt“, schreiben sie. Denn dies verstößt u.a. gegen das 2. SDG, das darauf abzielt, den Hunger weltweit zu beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung zu erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern. Zudem wird in den Unterzielen von SDG2 konkretisiert, dass bis 2030 nicht nur alle Menschen das ganze Jahr über Zugang zu ausreichender und angemessener Nahrung haben und alle Formen der Mangelernährung beseitigt werden sollen, sondern auch die landwirtschaftliche Produktivität und das Einkommen von Kleinbauern verdoppelt werden soll. Doch nicht nur in der Agrarpolitik – in all ihren Entscheidungen müsse die Bundesregierung der Umsetzung der Agenda 2030 oberste Priorität einräumen, fordern die Organisationen. (ab)

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