Weltmarkt und Handel

In allen vor- und nachgelagerten Bereichen der Landwirt- schaft ist eine globale und nationale Konzentration auf wenige, marktbeherrschende Unternehmen zu verzeichnen. Ergänzt wird sie durch eine immer stärkere vertikale Integration der Wertschöpfungsketten: Chemiekonzerne kontrollieren den globalen Saatgutmarkt, Rohstoffhändler Transportwege, Mühlen und Raffinerien, Supermarktketten den Großhandel, Verarbeiter ihre Vertragsanbauer. Klein- bauern und Subsistenzlandwirte, die für die Industrie weder als Kunden noch als Lieferanten interessant sind, werden wirtschaftlich und sozial an den Rand gedrängt.„Der Agrarhandel ist zunehmend in globalen Ketten organisiert, die von wenigen großen transnationalen Einkäufern dominiert werden (Handelsgesellschaften, Verarbeiter und Rohstoffproduzenten). In diesen globalisierten Ketten erwirtschaften die Urproduzenten oft nur einen Bruchteil des internationalen Preises einer Handelsware, sodass die Integration in globale Lieferketten für die Armutsreduzierung und ländliche Entwicklung kaum optimale Wirkung gezeigt hat.“ (Synthese, S. 65-66)Obwohl nur ein kleiner Teil der Agrarproduktion international gehandelt wird – selbst bei Getreide weniger als 14% – haben Weltmarktpreise eine enorme Hebelwirkung. Sie diktieren gerade in kleineren Ländern mit ungeschützten Märkten die nationalen Preise. Heimische Produzenten werden von städtischen Märkten sofort verdrängt, wenn sie höhere Preise fordern.

Agrarexporte behindern Entwicklung heimischer Märkte

Für die nationale Landwirtschaftspolitik vieler sogenannter Entwicklungsländer spielt der Welt- handel oft eine fatale Rolle.„Man kann von einer „internationalen Tretmühle” sprechen, durch die Landwirte in Industrieländern ihre (zuweilen subventionierten) Produkte in Entwicklungsländer exportieren und mit örtlichen Kleinbauern konkurrieren. Der Mehrwert pro landwirtschaftliche Arbeitskraft lag 2003 in den Industrieländern bei 23.081 US-Dollar und wuchs von 1992 bis 2003 jährlich um 4,4%. In Subsahara-Afrika lag er bei 327 US-Dollar bei 1,4% Wachstum. Solange die globale Tretmühle sich auf diese Weise dreht, bleiben – selbst bei Abschaffung aller OECD-Subventionen – sämtliche Bemühungen zur Überwindung der Armut auf dem Lande schwer beeinträchtigt. (…) Die Armen auf dem Lande sind kein Teil dieser globalen Tretmühle, die jedoch ihre Entwicklung verhindert. Nötig sind institutionelle Rahmenbedingungen, die Subsistenzbauern realistische Chancen eröffnen, gewerbliche Kleinbauern zu werden.” (Global, S. 481-482)Anstatt die Versor- gung der eigenen Bevölkerung und die Entwicklung der heimischen Märkte und der ländlichen Gebiete zu fördern, verfolgen deren Regierungen und städtische Eliten häufig vorrangig das Ziel, durch Agrarexporte Devisen und Steuereinkommen zu erzielen.
Viele Länder, in denen große Teile gerade der länd- lichen Bevölkerung Hunger leiden, versorgen die Futter-, Faser-, Treibstoff- und Genussmittelindustrie des Nordens mit billigen Rohstoffen zu hohen ökologischen und sozialen Kosten.
Als Importeure von Lebensmitteln geraten sie zugleich in Abhängigkeit von Weltmärkten, auf die sie selbst keinen Einfluss haben.

Der Weltagrarbericht stellt fest, dass die Armen auf dem Lande und die ärmsten Länder eindeutig zu den Verlierern der Liberalisierung des Welthandels gehören und warnt vor einer Öffnung der Märkte, wo ländliche und landwirtschaftliche Entwicklung von Billigimporten und -exporten auf Kosten der Ernährungssicherheit und Beschäftigung bedroht werden. Er weist zudem darauf hin, dass Importzölle in manchen armen Ländern ein Viertel der Staatseinnahmen ausmachen und relativ verlässlich einzutreiben sind. Ihr Wegfall beschränke deshalb die Möglichkeiten staatlicher Sozial- und Strukturpolitik und die ohnehin schwache Handlungsfähigkeit öffentlicher Institutionen. In den Industrieländern, wo die Landwirtschaft selten noch ein bedeutender Wirtschaftszweig ist, sind billige Rohstoffimporte willkommen. Die heimische Verarbeitung und sogenannte Veredelungswirtschaft wird dagegen häufig mit eskalierenden Importzöllen geschützt, die mit dem Grad der Verarbeitung steigen. Das verhindert in vielen Entwicklungsländern den Aufbau einer eigenen Verarbeitungswirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen.„Die regionalen Berichte nennen eine Reihe politischer Herausforderungen:
1. Handelsregeln zu entwickeln, die Entwicklungsländern die nötige Flexibilität geben, Entwicklung, Armutsreduzierung und Ernährungssicherheit zu verfolgen, und die die Verteilung von Wohlstandsgewinnen und -verlusten durch Handelsliberalisierung angehen;
2. Auskömmliche Preise für Kleinbauern zu erreichen;
3. Den Anteil an der Wertschöpfung zu erhöhen, den kleine Produzenten in vertikal integrierten Lebensmittelketten erzielen;
4. Das Problem steigenden Verwaltungsaufwands und sinkender Staatseinnahmen in den Griff zu bekommen, das sich aus Handelsabkommen und der Abschaffung von Zöllen ergibt.“ (Global, S. 453)

Faire Preise für nachhaltige Erzeugung

Der Weltagrarbericht schlägt eine radikale Umkehr vor: Bäuerinnen und Bauern sollten überall auf der Welt für ihre Umweltleistungen wie Bodenerhaltung, Wassermanagement, Bewahrung biologischer Vielfalt oder Reduzierung von Klimagasemissionen einen angemessenen Preis erhalten; etwa durch staatlich organisierte Klima- und Umweltabgaben und deren global gerechte und zielgerichtete Verteilung. Subventionen der EU für Agrarumweltmaßnahmen nennt er als ein Beispiel in diese Richtung. In Entwicklungsländern könnten solche Programme gleichzeitig ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit ankurbeln und ökologische Nachhaltigkeit finanzieren.
Privatwirtschaftliche Initiativen können hier ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten.„Fair-Trade und ökologische Produktionssysteme wie biologischer und umweltschonender Anbau, die als Alternativen zu den herrschenden Rohstoffmärkten entwickelt wurden, erweisen sich als probate Mittel der Armutsbekämpfung. Der Markt für diese Modelle, die Kleinproduzenten bessere Handelsbedingungen bieten, ist langsam gewachsen und macht nur einen kleinen Teil des Welthandels aus. Dennoch haben sie ihre prinzipielle Funktionsfähigkeit bewiesen. Dabei geht es um die Gestaltung einer neuen Generation von Geschäftsmodellen und Plattformen, die durch stabilere Nachfrage schlechter ausgestatteten Produzenten Zugangs-fenster zum allgemeinen Markt eröffnen.” (Global, S. 460).Fair-Trade-Initiativen und der Handel mit biologischen Produkten ermöglichen es Verbraucherinnen und Verbrauchern des Nordens wie des Südens, sich durch bewusste Kaufentscheidungen aktiv für nachhaltige Formen der Landwirtschaft einzusetzen. Jenseits seiner direkten Wirtschaftswirkung übt der Anspruch, nur Lebensmittel zu kaufen, die auch ihre Produzenten satt machen, einen heilsamen moralischen Druck auf den restlichen Markt aus.

Grundlagen

  • FAO Handel und Märkte Hintergrundinfos und Publi- kationen der Ernährungs- und Landwirtchaftsorganisation
  • FAOSTAT Trade Datenbank der FAO mit Zahlen zu Rohstoff-importen und -exporten
  • Millennium Entwicklungsziele - Globale Partnerschaften Ziele und Zwischenstände
  • WTO Welthandelsorganisation
  • IFPRI Internationales Institut für Ernährungspolitik zum Thema Märkte, Handel und Institutionen
  • USDA US-Landwirtschaftsministerium Hintergrundinformationen zum Handel mit Agrarrohstoffen
  • BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirt- schaft zu Markt, Handel und Export

Bewegung

Literatur

Videos: Weltmarkt und Handel

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Kurzvideo: Wer hat die Macht?

Clip: Konsumieren und Gutes tun! Hühnchen für Afrika

Grafiken

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