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07.02.2018 |

Rettet Glanrind und Skudde: 71% der heimischen Nutztierrassen gefährdet

Wollschwein
Wollschwein: Bedroht, aber wieder im Kommen (Foto: Angelika Beck)

Brillenschaf, Sattelschwein und Hinterwälder Rind haben eines gemeinsam: Sie gehören zu den gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland. Aktuell gelten 55 der 77 einheimischen Nutztierrassen der fünf Großtierarten Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege als gefährdet, wie aus der am Montag veröffentlichten Roten Liste der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hervorgeht. Große Sorge bereitet auch das Dominikaner Huhn: 2016 wurden nur noch 26 Hähne, 115 Hennen und 17 Züchter gezählt, von denen die Zukunft der stark gefährdeten Geflügelrasse mit dem gesperberten Gefieder abhängt. Die BLE-Liste enthält positive und negative Nachrichten: Die Bestandszahlen einiger Nutztierrassen haben sich auch aufgrund von Haltungsprämien positiv entwickelt. So haben sich die Bestände des Pinzgauer Rindes und des Merinolangwollschafes stabilisiert und konnten in die niedrigste Gefährdungsstufe eingeordnet werden. Die vor allem in Thüringen verbreiteten Merinolangwollschaf-Population brachte es 2015 wieder auf 86 Zuchtböcke. Schlecht steht es jedoch um die Skudde, das kleinste einheimische Schaf, das zur Gruppe der kurzschwänzigen, nordischen Heideschafe gehört. Es gilt aufgrund gesunkener Bestände wieder als gefährdet, da es nur noch 205 Böcke und 2.246 Mutterschafe gibt.

Bei den Schweinerassen war die Anzahl im Herdbuch eingetragener Zuchttiere insgesamt rückläufig. Doch eine zunehmend erfolgreiche Regionalvermarktung führte beim Bunten Bentheimer Schwein und den Sattelschweinen zumindest zu einem leichten Bestandsplus. So hat etwa das Schwäbisch Hällische Schwein weit über seine Ursprungsregion Hohenlohe hinaus Bekanntheit erlangt. Trotz positiver Entwicklungen bleibt die Gefährdung einheimischer Nutztierrassen laut BLE auf einem sehr kritischen Stand. „Weiterhin sind verstärkte Anstrengungen nötig, um diese Rassen sowohl als genetische Ressourcen als auch als kulturelles Erbe zu erhalten“, schreibt die Anstalt. Denn die Nutztierrassen-Vielfalt ist wichtig für die Zukunft der Landwirtschaft, nahm aber in den letzten Jahrzehnten rapide ab. Laut Welternährungsorganisation FAO sind weltweit über 7.000 Tierrassen erfasst oder gemeldet. Davon sind etwa 20% als gefährdet eingestuft. In Europa ist bereits etwa die Hälfte aller zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch verbreiteten Tierrassen ausgestorben. Ein Drittel der verbleibenden Rassen gilt als stark bestandsgefährdet.

Als Ursache für den Rückgang nennt das BLE sich beschleunigende Konzentrationsprozesse in der globalen Land- und Ernährungswirtschaft, die auch auf die Tierzucht einen deutlichen Einfluss haben. „Einer offensichtlichen Produktvielfalt im Lebensmitteleinzelhandel steht in den vorgelagerten Produktionsstufen eine immer stärkere Vereinheitlichung gegenüber“, schreiben die Experten. „Der Marktdruck zur kontinuierlichen Produktion großer Mengen uniformer agrarischer Rohstoffe (wie z. B. Milch oder Fleisch) führt häufig zum Verschwinden vielfältig strukturierter Landwirtschaftsbetriebe.“ Viele Nutztierrassen würden so unwirtschaftlich. „Wenige, züchterisch intensiv bearbeitete und spezialisierte Rassen teilen sich heute den Markt sowohl in Bezug auf die Nachfrage der Landwirte nach Nutztieren, als auch in Form der Produkte im Lebensmitteleinzelhandel“, ist in der Publikation zu lesen.

Um den bestehenden Genpool zu bewahren und sicherzustellen, dass die Vielfalt seltener Nutztierrassen künftigen Generationen erhalten bleibt, sind also verstärkte Anstrengungen nötig. Auch die FAO betont, dass die Erhaltung der Nutztierrassenvielfalt gerade in Zeiten des Klimawandels für die Welternährung enorm an Bedeutung gewinnen wird. Die genetische Vielfalt sei für die Widerstandsfähigkeit und die Anpassung an künftige Herausforderungen grundlegend. Auch die Weltnachhaltigkeitsziele (SDGs) widmen sich dem Erhalt gefährdeter Nutztierrassen: Das 2. SDG visiert im 5. Unterziel an, bis 2020 die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie Nutz- und Haustieren und ihren wildlebenden Artverwandten zu bewahren. (ab)

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