Nachricht

11.10.2017 |

Bericht: Industrielle Ernährungssysteme schaden Gesundheit und Umwelt

Kürbis
Eine Abkehr von Ernährungssystemen, die der Gesundheit schaden, ist nötig (Foto: CC0)

Industrielle Agrar- und Ernährungssysteme schaden der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, warnt ein internationales Expertengremium. Ein am 9. Oktober veröffentlichter Bericht des International Panel of Experts on Sustainable Food Systems (IPES-Food), dem unter anderem der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung Olivier de Schutter und der Ko-Präsident des Weltagrarberichts Hans Herren angehören, fordert daher entschlossene Maßnahmen zum Aufbau gesunder und nachhaltiger Systeme. „Unsere Ernährungssysteme machen uns krank. Ungesunde Ernährungsweisen sind das offenkundigste, aber nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme die menschliche Gesundheit beeinträchtigen“, sagte Cecilia Rocha, die Hauptautorin des Berichts und Leiterin der School of Nutrition an der Ryerson University in Toronto. „Wir müssen dringend etwas gegen diese Auswirkungen unternehmen, wo immer sie auftreten, und zugleich die Hauptursachen von ungerechten, nicht nachhaltigen und ungesunden Praktiken in Ernährungssystemen angehen.“

Der Bericht nennt fünf Gründe für negative Gesundheitsfolgen, die mit Ernährungssystemen verbunden sind. Erstens werden Menschen krank, da sie unter ungesunden Bedingungen arbeiten: Landarbeiter, Bauern und andere in der Nahrungsmittelkette Beschäftigte leiden an physischen und psychischen Folgen, da sie auf dem Feld, in der Fabrik oder am Arbeitsplatz Gesundheitsrisiken ausgesetzt, z.B. durch Pestizide. Zweitens zieht die Lebensmittelproduktion Umweltverschmutzungen nach sich, die gesundheits-gefährdend sind, z.B. durch die Verschmutzung von Böden, Luft und Wasser oder auf die Tierhaltung zurückführende Krankheitserreger (Verunreinigung von Trinkwasser durch Nitrate, Luftverschmutzung durch die Landwirtschaft, Antibiotikaresistenzen). Andere Gefahren für die menschliche Gesundheit entstehen durch den Konsum unsicherer oder verunreinigter Lebensmittel, durch ungesunde Ernährung, die zu Fettleibigkeit und nicht übertragbaren Krankheiten führt, oder durch den fehlenden Zugang zu ausreichender und qualitativ angemessener Nahrung. Der Bericht betont, dass viele ernsthafte Gesundheitsprobleme weltweit – von Atemwegserkrankungen bis hin zu verschiedenen Krebsarten – mit Praktiken der industriellen Ernährung und Landwirtschaft in Verbindung stehen, wie der chemiebasierten Landwirtschaft, Massentierhaltung und der Produktion und Vermarktung hochverarbeiteter Lebensmittel sowie der Entwicklung langer und deregulierter globaler Rohstofflieferketten.

Der Bericht beziffert auch die hohen wirtschaftlichen Kosten der Gesundheitsgefahren: Mangelernährung verursacht weltweit Kosten in Höhe von 3,5 Billionen US-Dollar jährlich, während Fettleibigkeit bis 2025 rund 760 Milliarden US-Dollar kosten wird. „All diese Gesundheitsfolgen gemeinsam betrachtet illustrieren die zwingenden Gründe für eine Reform. Nimmt man zu den Gesundheitsfolgen noch die ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie die dadurch verursachten steigenden Kosten hinzu, liefert dies überzeugende Argumente zu handeln“, sagte Olivier De Schutter, Ko-Vorsitzender des IPES. Die Experten stellen zudem fest, dass jene, die oft keine Macht und Stimme haben, z.B. Kleinbauern im Globalen Süden, meist den größten Gesundheitsrisiken in Ernährungssystemen ausgesetzt sind. Die Folgen werden deshalb oft nicht beachtet, dokumentiert und angegangen. „Hier wie auch anderswo gehen politische Ohnmacht und Marginalisierung meist Hand in Hand mit den Risiken für das Leben und die Existenz der Menschen“, fügte de Schutter hinzu. Zugleich bedeutet das unfaire Mächtegleichgewicht in Ernährungssystemen, dass mächtige Akteure die Debatte bestimmen und Politiken beeinflussen. Sie werben für Lösungen wie die Anreicherung von Lebensmitteln mit Nährstoffen, ohne die wahren Ursachen für Gesundheitsprobleme und den Beitrag der industriellen Landwirtschaft dazu zu berücksichtigen.

Die Experten plädieren für eine Reform der Ernährungs- und Agrarsysteme. „Dringende Schritte sind erforderlich, um Praktiken im Ernährungssystem zu verändern und die Art und Weise zu reformieren, wie Wissen gesammelt und vermittelt wird, Verständnis geschaffen und Prioritäten gesetzt werden”, so Rocha. IPES-Food identifiziert fünf Ansatzpunkte für die Entwicklung gesünderer Ernährungssysteme: Dazu gehört, Lebensmittelproduzenten wieder mit den Konsumenten zu verbinden, die verschiedenen Probleme gemeinsam mit ihren Ursachen zu betrachten, die Macht in Ernährungssystemen wieder in Balance und alle Gesundheitsfolgen ans Licht zu bringen, und demokratischere und ganzheitlichere Formen zu finden, um mit Risiken umzugehen und Ernährungssysteme zu regeln. „Mit anderen Worten, eine neue Verständnisgrundlage und eine neue Basis für politisches Handeln ist nötig, um die Verbindung zwischen Essen und Gesundheit aufzudecken und alles in gesündere Bahnen zu lenken“, lautet das Fazit. (ab)

Zurück zu den Meldungen

Unterstützer

Unterstützer von www.weltagrarbericht.de Verlag der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. Bioland biovision Brot für die Welt Brot für alle Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Demeter Zukunftsstiftung Entwicklung in der GLS Treuhand Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heidehof Stiftung Mission EineWelt Misereor Naturland Public Eye | Erklärung von Bern Rapunzel - Wir machen Bio aus Liebe Swiss Aid, Ihr mutiges Hilfswerk tegut W-E-G Stiftung
English versionEnglish versionDeutsche Version