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18.10.2016 |

Interview: Hans Herren fordert radikale Umgestaltung der Landwirtschaft

Herren
Hans Herren (Foto: Peter Lüthi/Biovision)

Zur Bewältigung künftiger Herausforderungen bedarf es einer radikalen Umgestaltung der Landwirtschaft und industrieller Lebensmittelsysteme. Das fordert Hans Herren, Ko-Präsident des Weltagrarberichts und Gewinner des Welternährungspreises sowie zahlreicher anderer Auszeichnungen, in einem Interview. In der neuen Broschüre „Agriculture at a Crossroads: IAASTD findings and recommendations for future farming“ zieht Herren Bilanz zur Wirkung des 2009 veröffentlichten Weltagrarberichts und nimmt aktuelle Debatten im Bereich Welternährung, Klima und Landwirtschaft in den Blick. „Die entscheidende Handlungsoption, die vom Weltagrarbericht ausging, lautet, dass in der globalen Landwirtschaft ein Kurswechsel hin zur Agrarökologie erfolgen muss, um die Herausforderungen einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung zu meistern“, betont Herren, der nun Präsident des Millennium Institute in Washington und der Schweizer Stiftung Biovision ist. Die Erkenntnis, dass unsere heutigen Agrar- und Ernährungssysteme nicht im Einklang mit den Erfordernissen einer nachhaltigen Welt sind, habe sich mittlerweile etabliert. „Es ist befriedigend zu sehen, dass die Debatten und das Geschehen rund um die Agrarökologie an Schwung gewonnen haben.“ Die Botschaft des Weltagrarberichts, dass die Landwirtschaft zur Lösung globaler Probleme beitragen muss, statt diese weiter zu befeuern, und dass ein „radikaler Neustart“ notwendig ist, um ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit zu verwirklichen, sei endlich im Mainstream angekommen – „trotz des starken Widerstands von Interessengruppen, der Agrarindustrie und großer Stiftungen.“ Herren räumt aber auch ein, dass nicht alle Erkenntnisse auf fruchtbaren Boden fielen: Weitgehend ignoriert werde die Empfehlung, dass auch eine radikale Umgestaltung industrieller Lebensmittelsysteme nötig sei. „Es wird weiter davon ausgegangen, dass Industrienationen mit ihren nicht nachhaltigen industriellen Agrar- und Ernährungssystemen die ‚Welt ernähren‘ müssen. Die Botschaft, dass Länder ihre eigene Fähigkeit ausbauen müssen, Lebensmittel zu produzieren und ihre Bäuerinnen und Bauern zu schützen – oft auch als Ernährungssouveränität bezeichnet – muss erst noch in der Agrar- und Ernährungspolitik der Industriestaaten ankommen.“ Entwicklungsländer müssten ebenfalls noch stärkere Anstrengungen unternehmen, um die vom Weltagrarbericht aufgezeigten Handlungsoptionen umzusetzen. Herren zufolge laute eine Hauptausrede, dass die Umsetzung radikaler Veränderungen zu teuer sei. „Tatsächlich ist es jedoch unverantwortlich, nicht jetzt Geld zu investieren, um das System umzustellen auf agrarökologische und regenerative Praktiken und Wissenschaft“, stellt Herren klar. Der vom UN-Umweltprogramm (UNEP) veröffentlichte Green Economy Report habe bereits 2011 aufgezeigt, dass die Umsetzung der Empfehlungen des Weltagrarberichts bis 2050 möglich wäre – mit gerade einmal einem Drittel der aktuell gezahlten Agrarsubventionen. „Wir würden mit weniger Land und Wasser immer noch genug Lebensmittel in der Menge und Qualität produzieren, die benötigt wird, um 9 bis 10 Milliarden Menschen zu ernähren.“ Herren zeigt sich optimistisch: „Positive Entwicklungen können vielerorts beobachtet werden, es gibt eine gute Wissensproduktion im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft wie vom Weltagrarbericht definiert, doch die Regierungen sind noch nicht dazu bereit, die Kosten für Forschung und Entwicklung im Bereich Agrarökologie, ökologische und regenerative Landwirtschaft zu tragen und überlassen die Arbeit den NGOs.“ Die 2015 verabschiedeten UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) betrachtet Herren als Chance. „Es gibt viele Unterziele zu Landwirtschaft und Ernährung und sie sind von großer Relevanz, um die vom Weltagrarbericht empfohlene Umgestaltung der Landwirtschaft zu fördern. Es besteht die fantastische Gelegenheit, Synergien zu schaffen angesichts der Tatsache, dass Landwirtschaft und Ernährung so eng mit allen Sektoren und Dimensionen nachhaltiger Entwicklung verknüpft sind. Es ist nun unerlässlich, dass die SDGs unverzüglich umgesetzt werden mit einem Fokus auf das Ernährungssystem, eine nachhaltige Landwirtschaft und Agrarökologie.“ (ab)

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