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20.07.2016 |

Keine Idealmaße: Hälfte der Lebensmittel in den USA wird für die Tonne produziert

Möhre
Möhren fürn Müll (Foto: CC0)

In den USA gelangt fast die Hälfte aller Agrarerzeugnisse nicht vom Acker auf die Teller der Verbraucher, da sie Schönheitsidealen nicht genügen. Das ergab eine Reportage der britischen Tageszeitung The Guardian. Aufgrund der Nachfrage des Handels und der Verbraucher nach perfektem Obst und Gemüse bleiben riesige Mengen für den Verzehr perfekt geeignete, nährstoffreiche Lebensmittel auf den Felder zurück und verrotten, werden an Tiere verfüttert oder direkt auf Mülldeponien verfrachtet. Die zahlreichen Interviews des Guardian mit Landwirten, Verpackern, LKW-Fahrern, Regierungsbeamten, NGO-Mitarbeitern und Wissenschaftlern legen nahe, dass das Ausmaß der Verschwendung weitaus größer ist als offizielle Zahlen bisher belegen. Eine Regierungsstudie war zu dem Ergebnis gelangt, dass rund 60 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 160 Milliarden US-Dollar jedes Jahr vom Einzelhandel und den Verbrauchern in die Tonne befördert werden – etwa ein Drittel aller Lebensmittel. Doch diese Verluste am Ende der Lieferkette stellen nur die Spitze des Eisbergs dar, denn vor allem die verschmähten Lebensmittel am Anfang der Kette machen einen nicht zu unterschätzenden Anteil aus. Der Guardian schreibt, dass „Gemüse mit Makel regelmäßig auf den Feldern liegen bleibt, um Kosten und Arbeitskraft bei der Ernte einzusparen. Oder man lässt es in einem Lager verrotten, da es geringfügige Schönheitsfehler aufweist, die nicht im Geringsten die Frische oder Qualität beeinflussen.“ Werden diese Abfälle zur Lebensmittelverschwendung in Handel, Gastronomie und auf Verbraucherebene hinzugerechnet, so endet nach Schätzungen der Autoren in den USA fast die Hälfte aller Agrarerzeugnisse im Müll. „Es geht hier um makellose Produkte“, sagte Jay Johnson, der frisches Obst und Gemüse aus North Carolina und Florida verschifft. „In unserem Geschäft muss es heutzutage entweder perfekt sein oder es wird nicht angenommen. Wenn sie es nicht für makellos halten, wird es abgelehnt. Und dann bleibst du auf der Ware sitzen.“ Wayde Kirschenman, dessen Familie in der Nähe von Bakersfield in Kalifornien Kartoffeln und Gemüse anbaut, schätzt, dass „zeitweise 25% der Feldfrüchte einfach weggeworfen oder den Tieren verfüttert werden. Manchmal ist es noch schlimmer.“ Der Anbau dieser enormen Mengen verschwendeter Lebensmittel belastet die Umwelt unnötig und verbraucht Ressourcen. Zudem kommt die Verschwendung auch die Verbraucher teuer zu stehen: Eine vierköpfige Familie in den USA wirft zum Beispiel jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 1600 Dollar in den Müll. Für die Bauern birgt der Schönheitswahn bei Obst und Gemüse ein finanzielles Risiko, da sie der Macht der Handelsketten, die ihre Erzeugnisse aufgrund kleiner Makel häufig zurücksenden, wenig entgegensetzen können. Die interviewten Landwirte und Transporteure sagten dem Guardian, dass ihre Lebensmittel mehrfach mit fadenscheinigen Argumenten zurückgewiesen wurden. Doch den Streitbeilegungsmechanismus des Landwirtschaftsministeriums rufen sie dennoch nicht an, da sie den Boykott durch die großen Supermärkte fürchten. „Die würden nie mehr etwas von dir abnehmen. Wer setzt schon Umsätze in Höhe von 5 Millionen Dollar auf Spiel für eine Ladung im Wert von 8000 Dollar?“, beschreibt der Besitzer eines mittelständischen Fuhrunternehmens an der Ostküste das Dilemma. (ab)

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