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14.04.2015 |

Revolution auf dem Teller: Europas Bürger setzen auf lokale Ernährungssysteme

Prag
Bauernmarkt in Prag (Foto: Tomas Kohl/flickr.com)

Bürger und Gemeinden in Europa erobern Schritt für Schritt die Kontrolle über das Ernährungssystem von der Agrarindustrie zurück und bestimmen wieder selbst darüber, wo, wie und von wem ihre Lebensmittel angebaut werden. Das ist die frohe Botschaft eines am Montag veröffentlichten Berichts der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Europe. Dieser zeigt auf, wie die Globalisierung der Lebensmittelproduktion zu einem Monopol im Agrarsektor geführt hat: Wenige Konzerne beherrschen die Lebensmittelkette und kontrollieren Saatgut, Agrochemikalien sowie Verarbeitung, Transport und Verkauf von Lebensmitteln. 2011 beherrschten Edeka, Rewe, Aldi sowie die Schwarz Gruppe mit Kaufland und Lidl rund 85% des Marktes, in Portugal hatten nur drei Einzelhändler einen Marktanteil von 90%. Lange und unübersichtliche Lieferketten bewirken, dass viele Menschen nicht mehr wissen, was sie genau essen und woher ihre Lebensmittel stammen. Doch dem Bericht zufolge machen sich immer mehr Menschen Gedanken über die Auswirkungen ihrer Essgewohnheiten und steuern um. Bauernmärkte, Hofläden, Solidarische Landwirtschaft (CSA) und andere Projekte schießen wie Pilze aus dem Boden und knüpfen neue Bande zwischen Produzenten und (städtischen) Konsumenten. Diese Initiativen betrachten die Autoren als Ausdruck einer wachsenden Basisbewegung, die lokale Nahrungsketten fördert, welche nachhaltig produzierte Lebensmittel aus kleinbäuerlicher Erzeugung – auch genannt agrarökologische Landwirtschaft – liefern. Anhand von fünf Beispielen zeigt der Bericht Wege auf, wie Gemeinschaften nachhaltige Erzeuger unterstützen und die lokale Wirtschaft wieder beleben können. In Italien etwa gibt es die Bewegung der Gruppi di Acquisito Solidale (GAS) – Konsumentengruppen, die gemeinsam und direkt bei lokalen Erzeugern einkaufen. In den letzten 10 Jahren nahm ihre Zahl rapide zu: Mittlerweile bestehen rund 2000 dieser Gruppen, die gemeinsam einen Jahresumsatz von 90 Millionen Euro verzeichnen. In Nordspanien haben drei Geflügelbauern die bäuerliche Kooperative Avicultura Campesina mit eigenem Schlachthaus gegründet und behalten so die Versorgungskette vom Hof bis zum Teller ohne Zwischenhändler in der Hand. Ein weiteres Beispiel sind Bauernmärkte in Tschechien: Seit der erste Markt 2009 in Prag eröffnete, stieg die Nachfrage nach regionalen Produkten stetig. Nach nur zwei Jahren war die Zahl der Bauernmärkte in der Hauptstadt schon auf 13 angewachsen. Laut Jana Spilkovà, einer Assistenzprofessorin an der Karlsuniversität in Prag “illustrieren sie den Beginn einer spürbar neuen Verbraucher- und Erzeugerkultur”. Friends of the Earth appelliert daher an politische Entscheidungsträger, die Vorteile kurzer Lebensmittelketten für die Menschen und die Umwelt anzuerkennen und diese in mehreren Politikbereichen zu unterstützen, einschließlich der Gesundheits-, Umwelt-, Handels- und Agrarpolitik. Das Fazit des Berichts: „Lokal hergestellte und erschwingliche agrarökologische Lebensmittel sollten das Rückgrat eines Ernährungssystems bilden, das unsere Ernährungssouveränität stärkt. Das Modell ‘Weiter wie bisher’ kann künftig keine Option für ein gut funktionierendes Ernährungssystem sein.” (ab)

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