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30.11.2016 |

Studie: Ökolandbau in Kenia bringt vergleichbare Erträge und höhere Preise

Thika
Maisversuchsfeld in Thika (Foto: FiBL, Franziska Hämmerli)

Der Ökolandbau in Kenia erzielt beim Mais vergleichbare Erträge wie konventionelle Anbausysteme und beschert Biobauern nach der Umstellungsphase mehr Gewinne, da sie höhere Preise erzielen. Das zeigt eine Langzeitstudie des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), die zusammen mit lokalen Partnern in Kenia seit 2007 durchgeführt wird. Eine erste Auswertung des Systemvergleichs war bereits im Juni erschienen, nun wurden die Ergebnisse der ersten sechs Jahre Anfang November im Fachjournal „Agriculture Ecosystems and Environment” veröffentlicht. An zwei Standorten im Hochland Kenias, Chuka und Thika, deren Bedingungen sich bei Niederschlägen und Bodenfruchtbarkeit unterscheiden, wurden Testfelder angelegt. Verglichen wurden biologische und konventionelle Anbausysteme in zwei Ausprägungen: Sowohl eine kommerzielle, exportorientierte Variante, die durch Bewässerung und einen hohen Einsatz an Betriebsmitteln wie Dünger gekennzeichnet ist, und eine kleinbäuerliche Variante mit wenig externen Inputs im Regenfeldbau.

Bereits nach einer Umstellungsphase von drei Jahren konnten die Erträge der Bioflächen mit hohem Input mit den konventionell bewirtschafteten Flächen mit hoher Bewirtschaftungsintensität mithalten. Der Ertrag auf den Feldern mit geringer Bewirtschaftungsintensität in Thika war im konventionellen Anbau drei Mal höher, wenn Mais in Monokultur angebaut wurde. In der Fruchtfolge mit Bohnen jedoch wurden auch bei niedriger Bewirtschaftungsintensität vergleichbare Maiserträge erreicht. Zwar waren die Produktionskosten in beiden Ökovarianten höher als bei konventionellen Anbaumethoden, doch dies konnte der Ökolandbau durch höhere Preise wettmachen, die für Bioprodukte auf den lokalen Märkten in Chuka und Thika und auf regionalen Märkten (Nairobi) zu erzielen sind. In den ersten beiden Jahren hatten die konventionellen Bauern noch die Nase vorne, doch ab dem dritten Jahr war der Gewinn vergleichbar – auch wenn Bioware zu normalen Preisen verkauft wurde. Ab dem 5. Jahr nach Umstellung brachten Bioprodukte der Flächen mit hohere Bewirtschaftungsintensität einen Preisaufschlag von 20-50% ein, wodurch die Rentabilität des biologischen Landbaus um 1,3- bis 4,1-mal höher war als in konventionellen High-Input-Systemen.

Zudem zeigte die Studie, dass die Nährstoffbilanz in Bioböden mit hoher Bewirtschaftungsintensität positiv ausfiel, da Ernterückstände auf dem Feld belassen oder im Kompost wiederverwertet werden. Handlungsbedarf gebe es aber sowohl im konventionellen Anbau als auch beim kleinbäuerlich strukturierten Bioanbau, da auf diesen Testparzellen die Nährstoffbilanz negativ war und dem Boden damit zu viele Nährstoffe entzogen wurden. Die Forscher empfehlen daher für beide Systeme bessere Anbaupraktiken zu Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit. Im Ökolandbau in Kenia gebe es auch noch einiges an Verbesserungspotenzial, schreiben die Autoren: „Die Nutzung einfacher Geräte und Praktiken zur Verringerung der Produktionskosten im Ökolandbau verdient mehr Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, angemessene Vermarktungsmöglichkeiten für Bioprodukte zu entwickeln und politische Maßnahmen durchzuführen, um sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen Vorteile der höheren Marktpreise auch tatsächlich bei den Bauern ankommen.“ Auch die Fruchtfolge von Mais und Bohnen müsse weitere Verbreitung im Anbau mit wenigen Inputs finden. Insgesamt hätten die ersten sechs Jahren des Systemvergleichs jedoch gezeigt, dass der „biologische Landbau mit hoher Bewirtschaftungsintensität produktiv, wirtschaftlich und ressourcenschonend ist und zur nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion in Kenia und anderen Regionen in Subsahara-Afrika beitragen kann, die ähnliche Umweltbedingungen wie die Versuchsregion aufweisen“, so das Fazit der Forscher. (ab)

28.11.2016 |

Regenwald im Tank: Immer mehr Palmöl wird in der EU für Biodiesel genutzt

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Begehrter Rohstoff für Biosprit (Foto: tristantan/CC0)

In der EU landet immer mehr Palmöl im Tank: Der Anteil des importierten Palmöls, das für Biodiesel verwendet wird, stieg 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 3% auf 3,35 Millionen Tonnen an. Das geht aus einem Bericht der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) vom 25. November hervor. Demnach flossen 2015 rund 46% der insgesamt 7,3 Millionen Tonnen Palmöl-Importe der EU in den Verkehrssektor, während 45% in der Lebensmittel-, Tierfutter- und Kosmetikindustrie und 9% für Elektrizität und Wärme genutzt wurden. „Die Verbraucher können ihr Bestes geben, um Palmöl im Essen und in Kosmetika zu vermeiden“, betonte Jori Sihvonen, Biosprit-Experte von T&E. „Aber die Biosprit-Regelungen der EU zwingen sie dazu, Palmöl in ihren Autos zu verfeuern – fast immer ohne ihr Wissen.“ Die Organisation wertete für die Studie Industriedaten von Oilworld aus. Demnach liegt die Nutzung für Biodiesel erstmals vor der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. T&E schätzt, dass die Produktion von Palmöl für den EU-Biodieselmarkt direkt fast 1 Million Hektar Land in den Tropen verschlingt. Würde der Rest der Welt auch so viel Palmöl für die Biodieselproduktion verwenden, wären 4,3 Millionen Hektar Land nötig. Die größten EU-Produzenten von Biodiesel aus Palmöl sind Italien, Spanien und die Niederlande, die 80% der gesamten EU-Produktion auf sich vereinen.

T&E warnt, dass Biosprit schädlicher fürs Klima sei als normaler Sprit. Biodiesel auf Palmölbasis verursache dreimal mehr CO2-Emissionen als fossiler Diesel. Landnutzungsänderungen und die Trockenlegung von Mooren für den Anbau von Ölpalmen sind der Hauptgrund. „Wenn der Rest der Welt auch so viel Palmölbiodiesel nutzen würde wie Europa, wäre dies das Ende für die Regenwälder weltweit“, erklärt Sihvonen. „Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen und der beste Ort dafür ist Europa, wo alles begann. Wir appellieren an die EU-Kommission, landbasierte Biokraftstoffe bis 2025 und landbasierten Biosprit bis 2030 auslaufen zu lassen.“ Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hält Biosprit aus Palmöl für eine klimapolitische Sackgasse und fordert den phasenweisen Ausstieg aus landbasierten Biokraftstoffen bis hin zum völligen Verbot. „Die Rechnung, verbrauchsstarke Verbrennungsmotoren mit scheinbar treibhausgasneutralen Kraftstoffen betreiben zu wollen, geht nicht auf. Jedes Jahr werden gigantische Flächen an Tropenwald gerodet und für immer zerstört, nur um billiges Palmöl zu produzieren“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller in einer Erklärung. Momentan arbeitet die EU-Kommission an einem Vorschlag zur Novellierung der Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED), die auch den Biosprit-Anteil und Subventionen dafür regeln wird. Ein geleakter Entwurf sieht lediglich eine minimale Verringerung des Biokraftstoffanteils im Verkehrsbereich von 4,9% im Jahr 2014 auf 3,8% im Jahr 2030 vor. Das geht Umweltschützern nicht weit genug. „Damit wäre auch künftig eine Beimischung von problematischen Pflanzenölen wie Palmöl mit seinen negativen Auswirkungen für Umwelt und Klima zulässig“, kritisiert der NABU. (ab)

23.11.2016 |

Soziale Ungleichheit wächst: Die reichsten 1% besitzen 50,8% des Weltvermögens

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Der ärmeren Hälfte der Welt gehört 1% des globalen Vermögens (Foto: CC0)

Die weltweite Ungleichheit zwischen Arm und Reich hat sich weiter verschärft: Nur ein Prozent der Weltbevölkerung besitzen mehr als die Hälfte des globalen Vermögens. Das geht aus dem Global „Wealth Report 2016“ hervor, den die Schweizer Großbank Credit Suisse am Dienstag veröffentlicht hat. Demnach besitzt die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung gerade einmal ein Prozent des weltweiten Vermögens, während die reichsten 10 Prozent der Erwachsenen 89 Prozent des Reichtums auf sich vereinen. Den Superreichen – dem einen Prozent an der Spitze der Pyramide – gehört 50,8 Prozent des Haushaltsvermögens. Im Jahr 2009 hatte der Wert noch 45,4 Prozent betragen. „Der ‚Global Wealth Report‘ zeigt, dass die soziale Ungleichheit ein schwindelerregendes Niveau erreicht hat“, kommentierte Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland die Zahlen. „Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt mehr Vermögen als die übrigen 99 Prozent zusammengenommen. Das ist keine Lücke zwischen Arm und Reich mehr, das ist eine tiefe Schlucht. Dieses Ungleichgewicht ist schlecht für die Wirtschaft, es destabilisiert Gesellschaften und bremst den Kampf gegen die weltweite Armut.“ Diesem hatte sich die Weltgemeinschaft eigentlich mit den 2015 verabschiedeten UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) verschrieben: Bis 2030 soll Armut in jeder Form und überall auf der Welt beendet werden, Hunger beseitigt und die Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringert werden. „Über soziale Ungleichheit wird viel geredet, doch was fehlt, ist entschiedenes Handeln“, kritisiert Kalinski jedoch. „Nach wie vor dulden Regierungen, dass reiche Einzelpersonen und Unternehmen sich um ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl drücken, indem sie sich künstlich arm rechnen und viel Aufwand betreiben, um ihren Reichtum in steuerfreie Zonen zu schaffen.“

Wenig überraschend dürfte die Erkenntnis des Berichts sein, dass die untersten 20 Prozent der Reichtumspyramide vor allem arme Menschen in Entwicklungsländern sind, darunter Millionen von Kleinbäuerinnen und -bauern und Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Dem Global Wealth Report zufolge besitzt die Hälfte der Erwachsenen auf der ganzen Welt weniger als 2.222 US Dollar, während die unteren 20 Prozent über weniger als 248 US Dollar verfügen. Das Durchschnittsvermögen ist mit 562.000 US-Dollar pro Kopf in der Schweiz am höchsten, gefolgt von Australien, den USA und Norwegen. Das geringste Pro-Kopf-Vermögen konzentriert sich auf Zentralafrika und Südasien, wo das durchschnittliche Vermögen in vielen Ländern unter 5000 US-Dollar liegt. Dazu gehören Angola, Äquatorialguinea, Gabun, Indien, Bangladesh, Kambodscha, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. (ab)

18.11.2016 |

Kein Patent auf Bier und Gerste: NGOs fordern, dass Carlsberg Patente aufgibt

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Kein Patent auf Bier (Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de, www.pixelio.de)

Mehrere Nichtregierungsorganisationen haben sich in einem offenen Brief an den dänischen Konzern Carlsberg gewandt, um gegen die Patentierung von Bier und Braugerste zu protestieren. Das Europäische Patentamt (EPA) in München hatte Carlsberg 2016 drei Patente erteilt, die sich auf Gerste aus konventioneller Züchtung und deren Nutzung für das Brauen und das durch diesen Prozess entstehende Bier erstrecken. Das Bündnis „No Patents on Seeds!“ fordert Carlsberg auf, die Patente umgehend zurückzuziehen und wirft der Brauerei vor, das Patentrecht zu missbrauchen und entgegen der Interessen von Verbrauchern, Landwirten und Züchtern zu handeln. Auch wenn Gerste schon seit rund 9000 Jahren gezüchtet wird und es nicht lange dauerte, bis die Menschen entdeckten, dass sich daraus Bier herstellen lässt, beansprucht der Carlsberg-Konzern Gerste und Bier als seine Erfindung. Drei Gersten-Patente wurden Carlsberg nun erteilt. Das EPA steht schon seit Jahren aufgrund seiner Praxis in der Kritik, Patente auf Pflanzen und Tiere zu erteilen, die durch konventionelle Züchtung entstanden sind. Zwei der drei Patente, die unter den Patentbezeichnungen EP2384110 und EP2373154 geführt werden, basieren auf zufälligen Mutationen im Erbgut der Gerste. Diese Gerste eigne sich deshalb besonders gut für das Bierbrauen. Das Dritte Patent (EP2575433) beruht auf einer Kombination der Eigenschaften dieser Gerste durch weitere Züchtung. Alle Patente erstrecken sich auf die Gerstenpflanze, deren Ernte, den Prozess des Bierbrauens, Produkte wie Malz und Würze sowie jegliche auf diese Weise produzierten Getränke, informieren die Organisationen in einer Pressemitteilung. „Auf Bier und Braugerste darf es keine Patente geben. Das Züchten von Pflanzen und das Bierbrauen beruhen auf jahrhundertealter Tradition“, betont Christoph Then von No patents on seeds! „Carlsberg muss jetzt zeigen, dass sie einfach gutes Bier brauen wollen und nicht gegen die Interessen der Konsumenten handeln. Wir akzeptieren keine Patent-Monopole, egal ob Monsanto, Bayer oder Carlsberg sie besitzen.” Patente auf konventionell gezüchtete Gerste dürften eigentlich gar nicht erteilt werden. Das europäische Patentrecht untersagt Patente auf Pflanzen und Tiere, „die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren“ gewonnen wurden. Das EPA legt das Patentrecht jedoch anders aus. Dessen Große Beschwerdekammer hatte im März 2015 in einer Grundsatzentscheidung zum „Brokkoli-Patent“ entschieden, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere weiterhin zulässig sind, auch wenn die Züchtungsverfahren als solche nicht patentierbar sind. Erst Anfang November hatte die EU-Kommission dieser Praxis in einer Stellungnahme widersprochen und damit die Auffassung des EU-Parlaments unterstützt. „Solange das Problem nicht durch politische Entscheidungen gelöst ist, erwarten wir, dass Carlsberg selbst Verantwortung übernimmt und diese Patente zurückzieht“, sagte Iga Niznik von Arche Noah. „Carlsberg behauptet, dass sie die Gerste dafür einsetzen wollen, beim Bierbrauen Energie zu sparen und so einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. Wenn das wirklich die Absicht von Carlsberg ist, sollte die Firma aber nicht Patent-Monopole auf Lebensmittelpflanzen beanspruchen. Wenn wir das Klima retten wollen, müssen die dafür nötigen Ressourcen für Alle zur Verfügung stehen.“ (ab)

16.11.2016 |

Wissenschaftler fordern verbesserte Kohlenstoffspeicherung in Böden

Boeden
Böden: Kohlenstoffsenke statt CO2-Quelle (Foto: CC0)

Eine verbesserte Kohlenstoffspeicherung in landwirtschaftlich genutzten Böden und Veränderungen bei der Landnutzung bergen ein enormes Potenzial, den Klimawandel abzumildern. Das zeigt eine neue Studie, die im Fachjournal “Scientific Reports” erschienen ist. Doch wenn die Zersiedelung der Landschaft und die Umwandlung von Weideland und Wäldern so weitergeht, könnten landwirtschaftliche Böden von einer Kohlenstoffsenke zu einer bedeutenden Quelle von Kohlendioxid werden. Die Wissenschaftler der Universität von Exeter, der französischen Agrarforschungsinstitute INRA und CERFACS sowie der belgischen Universität Leuven warnen, dass ein Weiter-wie-bisher bei Landnutzungsänderungen in Verbindung mit dem Klimawandel zu einem erheblichen Verlust des organischen Bodenkohlenstoffs führen werden. Das könnte die Funktionsfähigkeit wichtiger Ökosystemdienstleistungen der Böden beeinträchtigen. Denn Böden sind nicht nur die Grundlage für Ernährungssicherheit, sondern leisten auch einen Beitrag zur Grundwasserqualität, zum Schutz vor Erosion und vor Überschwemmungen. „Eine Verringerung des vom Menschen verursachten CO2-Emissionen ist entscheidend, um einen weiteren Verlust des Bodenkohlenstoffs zu verhindern“, betonte Hauptautor Dr. Jeroen Meersmans von der Universität von Exeter.

Die Forscher kombinierten Modelle zum Bodenkohlenstoff, Daten zur Landnutzung und verschiedene Klimawandelszenarien und zogen Frankreich für ihre Fallstudie heran. Ihren Prognosen zufolge würde bis zum Ende des Jahrhunderts der Bodenkohlenstoff dramatisch abnehmen. In Frankreich könnte 25% des Bodenkohlenstoffs bis zum Jahr 2100 in die Atmosphäre abgegeben werden. Um die Bodenfunktionen zu bewahren und den Klimawandel abzumildern, muss laut Meersmans die Landnutzung so verändert werden, dass Kohlenstoff gespeichert statt freisetzt wird. Ein Weg zur Bewahrung der wichtigen Rolle von Böden als Kohlenstoffsenke wäre es, Ackerland wieder zu Weiden oder Wäldern umzuwandeln. Doch das halten die Wissenschaftler für unrealistisch angesichts der Ausdehnung der Städte und der Lebensmittelproduktion. Daher liege der Schlüssel zur verbesserten Kohlenstoffspeicherung in den landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Politik könne verhindern, dass Böden eine CO2-Quelle werden, indem sie Landnutzungs- und Bewirtschaftungstechniken fördert und durchsetzt, die den Kohlenstoff im Boden halten. Die Studie nennt z.B. Gründüngung, eine reduzierte Bodenbearbeitung, kluge Bewässerungstechniken, Agroforstsysteme und Fruchtfolgen auf Hof- und Landschaftsebene. „Entschlossene und gezielte Veränderungen in der Landnutzung und landwirtschaftlichen Praxis wären nötig, um die Eindämmung des Klimawandels zu maximieren”, betont Mitautor Dr. Dominique Arrouays vom Nationalen Institut für Agrarforschung in Frankreich. „Daher sollten Anstrengungen zur Verbesserung der Kohlenstoffspeicherung, wie von Frankreich bei der Klimakonferenz COP21 vorgeschlagen wurde, unverzüglich gefördert werden.” (ab)

14.11.2016 |

Umweltverbände kritisierten weichgespülten Klimaschutzplan 2050

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Der Stickstoffüberschuss muss reduziert werden (Foto: CC0)

Der deutsche Klimaschutzplan 2050 steht: Nach monatelangen Querelen einigte sich die Bundesregierung am 11. November auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Umweltministerin Barbara Hendricks bleibt damit die Blamage erspart, mit leeren Händen zum Weltklimagipfel nach Marrakesch fahren zu müssen. Doch die Opposition und Umweltverbände kritisierten, dass von dem einst ambitionierten Entwurf von Hendricks nicht mehr viel übrig geblieben sei. Der Klimaschutzplan sieht vor, dass Deutschland bis 2030 seinen Kohlendioxid-Ausstoß um 55% gegenüber dem Jahr 1990 verringern muss. Das 90 Seiten starke Papier schreibt konkrete Minderungsziele für die verschiedenen Sektoren vor: Bis 2030 muss die Energiewirtschaft ihren Ausstoß gegenüber 1990 um 61-62% auf 175 bis 183 Millionen Tonnen CO2 mindern, die Industrie muss ihre Emissionen auf 140 bis 143 Millionen Tonnen halbieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte am vergangenen Montag noch in letzter Minute einen Kabinettsbeschluss blockiert, um die Vorgaben für die Industrie zu entschärfen: Sie muss nun bis 2030 den CO2-Ausstoß nur um 20% im Vergleich zu 2014 verringern statt wie im letzten Entwurf vorgesehen um 30%. Statt von Kohleausstieg ist nur von einer „schrittweisen Verringerung der Kohleverstromung“ die Rede. Für die Landwirtschaft sieht der Plan die Senkung der CO2-Emissionen um 31-34% auf 58 bis 61 Millionen Tonnen vor. Die Grünen nannten den Plan ein „Armutszeugnis“. „Beim Kampf gegen Klimawandel sind homöopathische Dosen nicht die richtige Lösung“, erklärte Parteichef Cem Özdemir. Auch viele Umweltverbände reagierten enttäuscht. Der WWF sieht „mehr Schatten als Licht“. Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprach von „Klimaschutz von Gnaden der Industrie und Kohle-Lobby“. Auch Germanwatch betrachtet das Papier in der jetzigen Form als „nicht geeignet, die Klimaziele des Paris-Abkommens in Deutschland umzusetzen“, ist aber froh, dass „Deutschland nun aber nicht völlig als Kaiser ohne Kleider“ dastehe. Auch im Bereich Landwirtschaft wurden konkrete Ziele und Maßnahmen aus Hendricks früheren Entwürfen gestrichen. Die einst geplante Reduzierung des Fleischkonsums ist verschwunden. „Bis 2050 sollte ein Fleischkonsum entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung angestrebt werden“, hieß es zuvor. Vom Abbau der Tierbestände und Exportbeschränkungen für tierische Produkte zur Reduzierung der Emissionen aus der Tierhaltung ist nichts mehr zu lesen. Übrig geblieben ist noch die Begrenzung des Stickstoffeinsatzes: „Zwischen 2028 und 2032 soll der Stickstoffüberschuss in der Gesamtbilanz auf 70kg N/ha verringert werden.“ Auch hier war mit 50 kg Stickstoff je Hektar in früheren Fassungen schon einmal mehr anvisiert worden. Des Weiteren enthält der Klimaschutzplan das seit Jahren von der Bundesregierung verkündete 20-Prozent-Ziel für die Ausweitung des Ökolandbaus, der 2014 noch bei einem Flächenanteil von 6,3% lag. „Gemeinsam mit der ökologischen Lebensmittelwirtschaft und unter Beteiligung von Ländern, Wissenschaft und Verbänden wird partizipativ eine Zukunftsstrategie ökologischer Landbau entwickelt, um 20 Prozent Flächenanteil in absehbarer Zeit erreichen zu können“, heißt es im Plan. Der BUND kritisierte die Entschärfung des Landwirtschaftskapitels: „Ein Weiter-So beim Klimaschutz in der Landwirtschaft geht überhaupt nicht. Minister Schmidt muss endlich seinen Kopf aus dem Sand ziehen und wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz auflegen“, forderte Weiger. „Dringend erforderlich sind die deutliche Reduzierung der Tierbestände, das Ende der Überdüngung und 20 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2030.“ (ab)

09.11.2016 |

Studie: Globale Fleischsteuer wäre gut fürs Klima und die menschliche Gesundheit

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Weniger Fleisch - gut für Klima und Gesundheit (Foto: CC0)

Weltweit höhere Steuern auf Fleisch und Milch würden zu einer starken Reduzierung der Treibhausgasemissionen führen und jährlich eine halbe Million Menschenleben durch eine gesündere Ernährung retten. Das ist das Ergebnis einer am 7. November im Fachjournal „Nature Climate Change“ veröffentlichten Studie von Wissenschaftlern der Universität Oxford, die sich erstmals aus globaler Perspektive mit den Auswirkungen einer Klimasteuer auf Lebensmittel befasst. Demnach müsste Rindfleisch weltweit um 40 Prozent teurer werden, damit die bei der Produktion entstandenen Klimaschäden ausgeglichen werden. Bei Milch und anderen Fleischsorten müsste der Anstieg 20 Prozent betragen und auch der Preis von Pflanzenölen müsste deutlich ansteigen. Das würde den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge dazu führen, dass der Konsum emissionsreicher Lebensmittel um 10 Prozent zurückgeht und sich die Menschen gesünder ernähren. Der Studie zufolge könnte dies bis 2020 eine Milliarde Tonnen Treibhausgasemissionen eingesparen – mehr als der weltweite Flugverkehr momentan verursacht.

„Die Einberechnung von Emissionen in Lebensmittelpreise würde einen dringend nötigen Beitrag des Ernährungssystems zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels leisten“, so der Hauptautor der Studie, Dr. Marco Springmann vom Oxford Martin Programme on the Future of Food. „Wer 40% mehr für sein Steak bezahlen muss, entscheidet sich womöglich nur einmal statt zweimal die Woche dafür.” Die Wissenschaftler untersuchten verschiedene Preismodelle, darunter ein Modell, in dem Lebensmittelpreise die bei der Produktion verursachten Emissionen widerspiegeln, und ein System, in dem die Steuereinnahmen eingesetzt werden, um die höheren Lebensmittelpreise für Verbraucher abzufedern und Anreize für den Verzehr von Obst und Gemüse zu schaffen. „Lebensmittelpreise sind ein sensibles Thema“, betont Dr. Springmann. Daher nahmen die Forscher genau unter die Lupe, ob die bei der Lebensmittelproduktion entstandenen Emissionen auf den Preis aufgeschlagen werden können, ohne die Gesundheit gerade einkommensschwacher Menschen und Länder aufs Spiel zu setzen. Demnach kann eine angemessen gestaltete Klimasteuer auf Lebensmittel in Ländern mit hohen und mittleren Einkommen sowie in den meisten Staaten mit geringem Einkommen eine gute Maßnahme zur Förderung der Gesundheit und zur Minderung des Klimawandels sein, schlussfolgern die Autoren. Eine Fleischsteuer würde für Millionen Menschen die Wahrscheinlichkeit senken, an ernährungsbedingten chronischen Krankheiten zu leiden, wie Typ-2-Diabetes oder Herzkrankheiten. Bis 2020 könnten durch eine Ernährung mit weniger rotem Fleisch, aber mehr Obst und Gemüse und durch die Senkung von Übergewicht und Fettleibigkeit weltweit 500.000 Todesfälle vermieden werden.

Würden jedoch die Lebensmittel einfach nur teurer ohne Ausgleichsmaßnahmen, hätte dies in einigen armen Ländern, besonders in Subsahara-Afrika und Südostasien, negative Folgen, da die Verfügbarkeit von Lebensmitteln sinken und mit Untergewicht verknüpfte Todesfälle zunehmen könnten. Doch wenn eine Klimasteuer mit Einkommenshilfen für arme Bevölkerungsschichten und Subventionen für gesunde Lebensmittel kombiniert wird, wäre das der Gesundheit in allen 150 untersuchten Ländern zuträglich. „Bisher wurde Lebensmittelproduktion und -konsum bei der Klimapolitik ausgeklammert, da es teils Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit gab“, betont Dr. Springmann. „Wir zeigen hier jedoch auf, dass die Besteuerung von Lebensmitteln entsprechend ihrer Klimabilanz nicht nur zu geringeren Emissionen, sondern auch zu einer gesünderen Ernährung in fast allen Ländern der Welt führen könnte.“ (ab)

07.11.2016 |

Fit, fair, nachhaltig: NABU-Gutachten fordert Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik

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Die GAP muss Biodiversität fördern (Foto: CC0, KRiemer)

Die EU-Agrarpolitik bedarf einer Neuausrichtung hin zu einem System, das eine nachhaltige Landwirtschaft mit Maßnahmen von hohem ökologischen Nutzen honoriert. Das fordert der Naturschutzbund Deutschland (NABU) anlässlich der Vorstellung einer beim Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) Mannheim in Auftrag gegebenen Studie, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Diese beinhaltet Vorschläge für eine neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), welche die EU-Landwirtschaft fit für die künftigen Herausforderungen macht, fair gegenüber Landwirten, Gesellschaft und Umwelt und nachhaltig im Sinne der Biodiversitätsziele und der UN-Nachhaltigkeitsziele ist. Denn angesichts der anhaltend schlechten Umweltbilanz der GAP und sich verschärfender Probleme im Natur- und Umweltschutz sieht der NABU hier dringenden Reformbedarf. „Nach wie vor zu hohe Nitratwerte in Grund- und Oberflächenwasser und eine inzwischen sehr klar dokumentierte Abnahme der biologischen Vielfalt auf allen Ebenen zeigen, dass die Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit bislang nicht nachhaltig mit den Umweltressourcen umgeht“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Hierfür ist dem NABU zufolge die GAP zwar nicht allein-, aber zu einem großen Teil mitverantwortlich. Subventionen per „Gießkanne“ förderten die umweltschädliche Intensivierung, während zu wenig Mittel für die gezielte Honorierung von Naturschutzleistungen bereit stünden. Das 2015 eingeführte Greening hätte daran nichts geändert, denn dessen Rahmenvorgaben betitelt die Studie als „wenig anspruchsvoll“. Das führe dazu, dass Landwirte aus betriebswirtschaftlichen Gründen oft die einfachsten Greening-Lösungen umsetzen würden und es insgesamt nach wie vor nur einen sehr geringen Flächenumfang von ökologisch wertvollen Maßnahmenflächen gebe. „Die Agrarpolitik der EU versagt, trotz wiederholter Reformversuche, seit Jahren auf ganzer Linie“, kritisierte NABU-Präsident Olaf Tschimpke in einer Pressemitteilung. „Bislang werden die öffentlichen Gelder überwiegend ineffizient und im Ergebnis umweltschädlich verteilt. Dem Steuerzahler fällt diese Agrarpolitik sogar doppelt zur Last, denn die Schäden an Boden, Wasser und Natur müssen kostspielig behoben werden.“

Die Wissenschaftler skizzieren ein Agrarförderungs-Modell, das die bisherige Zweisäulenstruktur aufhebt und drei Bereiche umfasst. Eine betriebsbezogene Nachhaltigkeitsprämie soll die Basisprämie und Teile des Greenings ersetzen. Die NaP wäre an die Erfüllung bestimmter Kriterien gebunden, z.B. einen Mindestanteil ökologisch hochwertiger Flächen im Acker- und Grünland, und könnte zudem nach Kriterien des Tierwohls und des Klimaschutzes gestaffelt werden. Das Herzstück des Modells ist eine Agrar-Natur-Prämie (ANP) mit hoher EU-Kofinanzierung. Sie würde Landwirten hohe Anreize bieten, ökologische Maßnahmen umzusetzen. Mitgliedsstaaten bzw. Bundesländer sollen aus einem Katalog von zehn hocheffektiven Agrarumweltmaßnahmen die für sie passenden ANP-Maßnahmen auswählen und anpassen können. Verpflichtend wäre jedoch die Einhaltung von Mindestrahmenvorhaben, wie der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Mineraldünger sowie der Nachweis klarer Positiveffekte für die Biodiversität. Der dritte Bereich enthält Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sowie die Förderung des Ökolandbaus und der ländlichen Entwicklung. Der Studie zufolge wären Betriebe, die mindestens 10% ihres Ackerlands oder 20% des Grünlands als ökologisch hochwertige Flächen bewirtschaften, finanziell genauso gut oder besser gestellt als bis dato. „Es ist wichtig, dass weiterhin EU-Gelder bei Bauern und Waldbesitzern ankommen“, betont Studienautor Dr. Rainer Oppermann. „Diese Gelder müssen aber denjenigen unter ihnen zu Gute kommen, die wirklich Mehrwert für die Gesellschaft erbringen, und zwar über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus." Laut der Studies ist dies möglich und für viele Landwirte rentabel. (ab)

04.11.2016 |

EU-Kommission: Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung nicht patentierbar

Shytomatoes
Sind Tomaten patentierbar? (Foto: zhouxuan12345678, bit.ly/Shytomatoes, bit.ly/6_CC_BY-SA_2-0)

Die Europäische Kommission hat Patenten auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung eine Absage erteilt – und damit auch der viel kritisierten Praxis des Europäischen Patentamts (EPA), das diese Patente immer wieder erteilt. In einer am 3. November veröffentlichten Stellungnahme heißt es: „Die Kommission vertritt den Standpunkt, dass der EU-Gesetzgeber bei Verabschiedung der Richtlinie 98/44/EC die Absicht hatte, Produkte (Pflanzen/Tiere und Teile von Pflanzen und Tieren), die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren gewonnen wurden, von der Patentierung auszunehmen.“ Die Position der Kommission widerspricht der Auslegung des EU-Patentrechts durch das EPA. Dessen Große Beschwerdekammer hatte im März 2015 in einer Grundsatzentscheidung zum „Brokkoli-Patent“ entschieden, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere weiterhin zulässig sind, auch wenn die Züchtungsverfahren als solche nicht patentierbar sind.

Das internationale Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“, das weltweit von mehr als 300 NGOs und Bauernorganisationen unterstützt wird, begrüßte die Stellungnahme der Kommission. „Dies ist ein großer Erfolg für die Zivilgesellschaft, die seit vielen Jahren gegen Patente auf Pflanzen und Tiere kämpft“, sagt Christoph Then, Koordinator des Bündnisses. Doch er betont auch, dass die Stellungnahme der Kommission rechtlich noch nicht bindend ist. „Zudem sind weitere Definitionen notwendig, um die Verbote rechtlich wirksam zu machen. Daher ist es jetzt die Aufgabe der europäischen Regierungen, das EPA einer wirksamen politischen Kontrolle zu unterwerfen“, fordert Then. Denn das EPA schuf bereits Fakten: Bisher wurden etwa 1400 Anträge zur Patentierung von Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung eingereicht, etwa 180 solche Patente wurden gewährt. Die größte Bekanntheit erlangte vermutlich der „geköpfte Brokkoli: Eine Tochterfirma von Monsanto erhielt ein Patent auf einen konventionell gezüchteten Brokkoli, der sich aufgrund seiner Wuchsform leichter maschinell ernten lässt, da der Kopf des Brokkolis weit über die Blätter hinausragt. Aber auch Melonen, Tomaten oder eine Paprika, die von wilden Chili-Sorten aus Jamaika mit einer natürlichen Insektenresistenz abstammt, sind vor der Patentierungswut des EPA nicht sicher.

„Keine Patente auf Saatgut!“ fordert schon seit Jahren, dass diese Patente gestoppt werden, legte Einsprüche ein und hat erst im Juni dem Verwaltungsrat des EPA über 800.000 Unterschriften übergeben. Die Organisationen fürchten eine zunehmende Monopolisierung der Tier- und Pflanzenzüchtung und damit der Basis von Landwirtschaft und Ernährung. „Die Erklärung der EU-Kommission ist ein wichtiger Meilenstein, um diesem Missbrauch des Patentrechts endlich ein Ende zu setzen“, sagt Iga Niznik von Arche Noah aus Österreich, einer der Trägerorganisationen des Bündnisses. Doch allein damit wird sich die Praxis des EPA nicht stoppen lassen: „Das EPA hat ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, diese Patente zu erteilen“, erklärt Niznik. „Jetzt müssen die entsprechenden Verbote in Kraft gesetzt werden. Dies kann durch politische Entscheidungen auf der Ebene des Verwaltungsrats des EPA durchgesetzt werden.“ (ab)

03.11.2016 |

Oxfam: „Biosprit“ vertreibt Menschen und heizt den Klimawandel an

Palmoil
Einst Wald, nun Ölpalmen (glennhurowitz, bit.ly/Palm5, bit.ly/7_CC_BY-ND_2-0)

Die aktuelle EU-Bioenergiepolitik führt zu einer Zunahme von Landkonflikten, Armut und Umweltschäden und steht im Widerspruch zu internationalen Nachhaltigkeits- und Klimazielen. Darauf macht ein neuer Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam aufmerksam, der das Aus für die EU-Biospritförderung fordert – doch genau dem steht eine übermächtige Biosprit-Lobby entgegen, die Reformen auf EU-Ebene blockiert. Oxfam zufolge arbeiten in Brüssel rund 400 Lobbyisten der „Biosprit“-Industrie, von der Rohstoffproduktion bis hin zu „Biosprit“-Herstellern, die allein 2015 insgesamt mehr als 14 Millionen Euro ausgegeben haben, um ihre Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Die Biosprithersteller allein investieren bis zu 5,7 Millionen Euro für Lobby-Arbeit und haben damit sogar die Tabak-Lobby überholt. „Um den Hunger zu beenden und den Klimawandel zu begrenzen, muss sich die EU aus dem Zugriff der Biosprit-Industrie und ihrer Verbündeten befreien“, fordert Oxfam-Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Denn wenn an der Bioenergiepolitik der EU und der Staaten, die Subventionen und Quoten für Biosprit festgelegt haben, nichts ändert, werden im Jahr 2030 rund 600.000 Quadratkilometer Land durch die Biospritproduktion belegt – ein Fläche so groß wie Frankreich. Der Oxfam-Bericht zeigt anhand von Beispielen aus Tansania, Peru und Indonesien auf, wie Wälder gerodet werden, um zum Beispiel Platz für Ölpalmen zu machen, und wie Menschen ihr Land und damit ihre Existenzgrundlage verlieren. In Indonesien wurden 2014 allein 731 Landkonflikte gezählt, die mit dem Palmölanbau zu tun haben. Das Land produziert mehr als die Hälfte des weltweiten Palmöls und hat seit 2006 seine Produktion verdoppelt auf 33 Millionen Tonnen in 2015. Der zweitgrößte Abnehmer nach Indien ist die EU: Seit 2003, als die EU-Biospritziele eingeführt wurden, hat sich der EU-Palmölmarkt verdoppelt. Der Großteil der Palmöl-Importe wird inzwischen im Verkehrs- und Energiesektor verbraucht. Oxfam kritisiert, dass die Folgen der rasanten Palmölexpansion jedoch meist nur kurz ins Licht der Öffentlichkeit rücken, wenn Bilder brennender Wälder und smogverhüllter Städte die Runde machen. Der Bericht zeigt die negativen Auswirkungen der Ankunft des Wilmar-Zulieferers PT Sandabi Indah Lestari (PT SIL) für die Menschen auf der Insel Sumatra. PT SIL erhielt 2011 eine Konzession für 2.812 Hektar Land in der Provinz Bengkulu und hat seither die Menschen vor Ort am Zugang zu rund 1000 Hektar gehindert, die bisher für die gemeinschaftliche Nutzung zur Verfügung standen. „Der Zugriff von PT SIL auf kleine Parzellen von Land, auf denen die Bewohner viele Jahre lang Lebensmittel angebaut haben und von dem ihr Einkommen abhängig ist, wirkt sich negativ auf die Existenzen und Ernährungssicherheit der Menschen vor Ort aus“, warnt der Bericht. Doch auch aus klimapolitischer Sicht sei Biosprit ein Irrweg, betont Oxfam, denn bei der Umwandlung von Land oder Wald zu Ackerflächen und deren agrarindustrieller Bewirtschaftung entstehen riesige Mengen an Treibhausgasen. „Die EU verfolgt eine falsche Strategie, die mit ihren entwicklungs- und klimapolitischen Zielen kollidiert“, warnt Wiggerthale. Am 7. Dezember wird die EU-Kommission die Überarbeitung ihrer Bioenergie-Politik diskutieren. „Die Bundesregierung darf diese Chance nicht verstreichen lassen“, so Wiggerthale. (ab)

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